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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0045

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sehen grafischen und Plakettenkunst. Wenn nun
Münzen als Gedenkmünzen an Ereignisse und Daten
herausgegeben werden, so muß man für diese Mün-
zen eine Adelung der Form gegenüber der Ge-
brauchsmünze erwarten.

Das Gegenteil ist der Fall. Die zum Verfassungs-
tag herausgegebene Münze ist von fast beispiellos
schlechter formaler Gestaltung. Es sei nur auf den
häßlichen, geraden Ausschnitt des Schriftfeldes aus
der Kreisform, auf die Ausdruckslosigkeit der zum
Schwur erhobenen Hand, auf die plastische und
Porträtmäßige Flauheit des Hindenburgkopfes, auf
den mangelnden Zusammenhang von Schrift und fi-
9ürlicher Darstellung hingewiesen. In kurzem wird
jedoch die Ausgabe einer Gedenkmünze an den Zep-

') Nach unseren Informationen soll diese Gedenkmünze noch einmal
war daher nicht zu bekommen.

pelin-Weltflug erfolgen, die die Verfassungsmünze
an Häßlichkeit womöglich noch übertrifft. Die Form
der vom Luftschiff überschnittenen „kassettierten"
Erdkugel scheint in ihrer Banalität der schlimmsten
Zeit künstlerischen Verfalls zu entstammen.*)

Der Münchner Bund hat zur Bekämpfung derarti-
ger amtlicher Produktion Schritte beim Reichskunst-
wart und bei dem Deutschen Werkbund unternom-
men. Wir halten die Sache für so wichtig, daß wir
uns darüber hinaus verpflichtet fühlen, öffentlich
Verwahrung dagegen einzulegen, daß weiterhin die
amtliche Produktion Deutschland in einer Weise re-
präsentiert, die weit unter der künstlerischen Ent-
wicklung und unter der kulturellen Höhe Deutsch-
lands steht.

überarbeitet werden, ehe sie zur Ausprägung gelangt. Eine Abbildung

Die Schriftleitung

wie verschieden man verstanden werden kanns

In den R-H-Nachrichten, dem Zeitungsdienst des
Reichsverbandes des deutschen Handwerks, stehen
fügende Sätze aus einem Aufsatz der Wirtschafts-
Abteilung des Reichsverbandes für das Selbständige
deutsche Drechslergewerbe E.V. Leipzig: „Wir sehen,
daß die moderne Sachlichkeit etwas Neues nicht
9eschaffen hat, im Gegenteil, sie hat Altes, Gutes,
brauchbares eingerissen, ohne es durch künstlerisch
'^eues und Wertvolles zu ersetzen. Der Erfolg, wenn
^an überhaupt von einem solchen reden kann, ist
c'eri daß Tausende von Maschinen, die dem Möbel-
Ur|d Hausbau gedient haben, stillstehen, daß Tau-
fende von Arbeitskräften auf der Straße liegen, der
Öffentlichkeit zur Last, daß eine Verflachung in der
Anschaffung der Wohnungskultur eingetreten ist,
^aß sich kein Mensch mehr zu Hause wohlfühlt in
w°hnungen, die nach dem Grundsatz der modernen

achlichkeit eingerichtet sind.
. 'n dem Kampfe gegen die moderne Sachlichkeit
l^1 Hausbau und in der Inneneinrichtung wird dem
■^ndwerk das Wort des Reichskunstwarts die beste
waffe sein, wenn er sagt, daß es bitter notwendig
'st> auch in einer Zeit der Stilwirren deutsche Hand-
Wei-kskunst, die vom Können kommt, zu erhalten und
*u Pflegen für die Zeit, wo der unverbildete gute

eutsche Geschmack wieder nach guter deutscher

andwerksarbeit ruft, wo die Denkfaulheit bei Ent-
würfen für Außen- und Innenausbau in eine überwun-
dene Epoche gehört."

Aus einer Besprechung eines Vortrags von Dr.

edslob über die Kunst im Zeitalter der Technik in

er Reichspost Wien:
"----Dr. Redslob hat bekanntlich als Reichskunst-

art die ehrende und verantwortungsvolle Aufgabe.
, e Kunstströmungen, die in den verschiedenen Tei-

n des Reiches dank der weitgehenden Selbstän-

9keit der Länder und ausgeprägten Eigenart der

0|ksstäm me sehr auseinanderlaufen, zu über-
°hen und einigermaßen auszugleichen.

.... Sie (unsere Zeit) verschmäht es ebenso indo-
lent abzulehnen wie epigonenhaft nachzuahmen, was
eine verflossene Zeit geschaffen, sie ringt mann-
haft nach einem neuen, zeitgemäßen Stil. Besonders
tritt er in Erscheinung in der Baukunst. War er frü-
her individuell, persönlich, ist er jetzt überpersön-
lich, kollektivistisch. War früher der Mensch das
Maß aller Dinge, so ist es jetzt die Idee der
Masse, die Macht der Gesamtheit, das große,
einfache Kräftespiel der tragenden, stützenden
Linien, denen gegenüber der Mensch als Ameise
erscheint.

.... Hörten sich die Ausführungen des Redners im
allgemeinen nicht uneben an. so konnten allerdings
die nun folgenden, im Lichtbild gezeigten Proben
moderner Kunst kaum für die Ansichten des Redners
oder besser für die Absichten unserer jüngsten
Künstler werben. Es war bezeichnend, daß in mehre-
ren Fällen viele Betrachter erst erfuhren, was ge-
zeigt wurde, als es der Vortragende bei Namen
nannte. Da wurden als neueste Kunstschöpfungen
sichtbar Toilettenspiegel, die eher an Operation
denken ließen als an Dekoration, Wappen, die an
das Auslagfenster eines Fleischerladens gemahnten.
Straßenszenen, in denen Maschinenmenschen pro-
minieren.

.... Wenn die zur Schau gestellten Erzeugnisse
tatsächlich unsere neue Kunst repräsentieren, tat-
sächlich die ..Inkunabeln der kommenden Kunstära"
darstellen, wir sind ehrlich genug, einzugestehen,
daß uns diese „Kunstprodukte" nicht zusagen, „re-
aktionär" genug, unsere unmaßgebliche Ansicht da-
hin auszusprechen: Häuser mögen auch weiterhin
wie Gebäude aussehen, nicht wie ein Auto oder
Schiffsrumpf. Straßenbilder und Landschaften so,
wie man sie in Augenblicken der Sammlung und
inneren Harmonie sieht, nicht aber in dem ge-
fürchteten Moment, wo einem ein Stockzahn ge-
rissen wird."

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