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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0100

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ja demnächst in der „Form" darlegen, wie bei einer nende gefühlsmäßige Einstellungen zu technischen

neuen Brücke solche Formen, die besonders geeig- Konstruktionen.

net sind, dem Gefühl die gute stabile Funktion zu Damit möchte ich einesteils darauf hinweisen, daß
vermitteln, gerade in diesem Sinne nicht richtig ge- bei der Konstruktion technischer Formen ein über-
löst sind, weil sie, technisch vielleicht zureichend, schüssiges, über die rein notwendige Konstruktion
doch dem Formgefühl nicht die Sicherheit des funk- hinausgehendes Moment hinzukommt, das auch seine
tionellen Ausdrucks suggerieren. Schätzung und Wertung findet. Andernteils soll da-
Diese mehr gefühlsmäßige Sicherung, die natür- mit die Verbindung gezogen werden zu dem, was ich
lieh mit einer technischen auch einhergehen muß, über die Gestaltung technischer Formen aus der
zumal nur ein technisch empfindsames Gefühl dar- gleichzeitig rechnerisch konstruktiven und erfühl-
auf reagiert, ist besonders für die deutschen tech- ten Funktion heraus gesagt habe,
nischen Erzeugnisse charakteristisch, vor allem Sie pflegen diese Art der Gestaltung aus dem
wenn man sie den amerikanischen gegenüberstellt. Wesen der Dinge heraus sehr treffend als „Durch-
Sie sehen solider, kräftiger und reicher im Sinne der formung" zu bezeichnen. Ich denke dabei immer an
Stabilität und Haltbarkeit aus. In Deutschland ist das Herstellen der Stiele für Ziselierhämmer. Ich
das Tradition und nicht etwa Errechnung, in Amerika habe manchen vom Besitzer sorgfältig gehüteten
aber ist es Ergebnis der Haltbarkeits-, Rentabiii- Hammer in die Hände genommen und auch bei
täts- und Kostenberechnung. Sie haben mir erzählt, der Herstellung zugeschaut, die natürlich der Gold-
daß in Rußland die deutschen landwirtschaftlichen schmied selbst vornimmt. Diese Hammerstiele sind
Maschinen keinen leichten Stand gegenüber den alle Individualitäten. Und ich halte es für ausge-
amerikanischen haben, weil sie komplizierter in der schlössen, daß diese Stiele für die feinen Ziselier-
Bedienung sind, das heißt wohl, weil sie mit dem arbeiten jemals maschinell hergestellt werden kön-
technischen Gefühl des deutschen Arbeiters rech- nen. Wenn so ein Hammerstiel vom Goldschmied ge-
nen. Ich glaube auch nicht, daß wir uns darin ameri- schnitzt und gefeilt wird, dann wägt er ihn fast
kanisieren können, wenn ich an den Monteur denke, nach jedem Feilstrich wieder in der Hand, klopft
der seine Maschine wie ein Tier liebt und streichelt, damit, betastet ihn — aber ansehen tut er ihn nie.
weil sie mehr als sicher funktioniert, weil sie Die optische Form wird nie erwogen, nur die Griffig-
durch das, was der deutsche Konstrukteur ihr gibt, keit und die Führungsmöglichkeit der Hand erprobt,
eine geheimnisvolle Sicherheit der Funktion hat, die Ganz ähnlich geht die Formung in der Technik vor
bei der Konstruktion über die Errechnung hinaus sich. Es ist ja viel weniger Berechnung und viel
gefühlsmäßig ihr vermittelt ist. Stellen Sie bei uns mehr Funktionsgefühl bei der technischen Gestal-
einen Käufer vor die Wahl zwischen zwei Radio- tung ausschlaggebend, als man gemeinhin annimmt,
apparaten, die gleiches leisten, und der eine ist In Erwartung einer eingehenden Auseinander-
solider gearbeitet, so wird der Käufer, wenn es ihm setzung mit meinen Ausführungen begrüße ich Sie
sein Geldbeutel nur irgend erlaubt, den solider ge-
arbeiteten kaufen, wenn er auch weiß, daß die Lei- als Ihr ergebener
stung die gleiche ist. Das sind nicht hinwegzuleug- W. Lötz

1932

ANMERKUNG DES HERAUSGEBERS

Die Äußerungen zu .,1932" mehren sich,—sosehr. gilt vor allem für das Programmschema von Dr. v.

daß wir künftig wohl nicht mehr alles werden brin- Müller — mehr eine Enzyklopädie der Gegenwart als

gen können. Das ist ein erfreuliches Zeichen des eine Ausstellung einzuleiten scheinen. Nur die unmit-

wachsenden Interesses, das wohl deshalb erst so telbare anschauliche Lebendigkeit dessen, was eine

spät erwacht zu sein scheint, weil die Neuheit und Ausstellung enthält, nicht die Systematik ihrer Glie-

Ungewohntheit des Jäckhschens Programms erst derung, verbürgt ihren Erfolg. Um es etwas über-

einmal einige Verblüffung hervorgerufen hatte. Es trieben auszudrücken: auch die Ausstellung, die

ist nicht leicht, sich über seine eigene Stellung zu einer Idee dient, muß eher einem Jahrmarkt ähnlich

solchen Ideen und Projekten klar zu werden. Wenn sein als einem „Lexikon der Gegenwart",
wir nun sagen dürfen, in welche Richtung wir gerne Freilich, auf die Idee kommt es an, und darüber

die weitere Diskussion lenken möchten, so gibt uns muß zum zweiten die Diskussion weitergehen. Ich

gerade der Beitrag von Dr. v. Müller einen Hinweis: sehe es als eines der Hauptverdienste des Jäckh-

er befaßt sich u. a. mit der höchst wichtigen Frage, sehen Programmes an, daß es als Grundlage für

was denn nun von all dem, was das vorgelegte Pro- diese Diskussion dienen kann. Und die Hauptfrage

gramm enthält, wirklich ausstellbar ist, und verneint dabei hat ja schon Dr. Schwab in seinen Ausfüh-

diese Frage für einen nicht kleinen Komplex der rungen dieses Heftes angeschnitten: ob man Ziele

in dem Programm angedeuteten Probleme. In dieser setzen oder nur einen Querschnitt durch die ver-

Richtung muß jetzt die Unterhaltung weitergehen; schiedenen Bestrebungen der Zeit legen soll. Diese

die Klärung dieser Frage ist wichtiger als die Auf- Frage ist die schwierigste. Wahrscheinlich ist sie

Stellung neuer, noch so umfassender, noch so geist- nicht für die ganze Ausstellung in dem gleichen

voll gegliederter Programme, die manchmal — das Sinne zu lösen. R.

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