Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

DOI Artikel:
Schwab, Alexander: Zur Abteilung: "Städtebau und Landesplanung"
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0107

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VIII.

Wenn gegenüber der abstrahierenden Methode
des geometrischen Städtebaues hier das konkrete
Verfahren, das jede Stadt als gegebenes histori-
sches Individuum sieht, den positiven Wertakzent
bekommt, so ist ein Vorbehalt wohl angebracht: man
kann hoffen, daß die Kölner Ausstellung sich nicht
darauf einlassen wird, die gewisse muffige Atmo-
sphäre verbreiten zu helfen, die überall aus dem stil-
len aber wirksamen Bündnis von lokalen Kunstgrö-
ßen und Stammtisch-Kommunalpolitikern, von Hei-
matkunst und Bodenspekulation aufsteigt.

Dieses vorbehalten, sollte jedoch Köln versuchen,
Städteindividuen in typischen Beispielen zu zei-
gen. Etwa in Reihen unter verschiedenen Gesichts-
punkten geordnet: reine Typen (Essen, Bremen,
Wiesbaden), gemischte Typen (Berlin, Frankfurt a.M..
Breslau), Seestadt, Flußstadt, reine Binnenstadt, —
Stadt im Flachland und in den Bergen, — alte Groß-
stadt, Stadt mit kleinem alten Kern, junge Stadt,

— Grenz- und Binnenstadt — Stadt mit stabiler
oder fluktuierender Bevölkerung, Ab- und Zuwan-
derung usw.

Dies zuerst einmal, um die Gegebenheiten klarzu-
machen, mit denen der Städtebau zu arbeiten hat.
Um zu zeigen, wie man heute, in verbindender —
und nicht mehr wie früher in isolierender — Betrach-
tung diese Dinge sieht. Will man dann zeigen, wie
an dies gegebene Material die entwickelnde For-
derung herantritt, so wird man drei Gruppen solcher
Forderungen unterscheiden müssen: die allgemeinen

— die individuelle Leistungsaufgabe im engeren
Sinne — die abgeleiteten, technischen und gesetz-
geberischen Notwendigkeiten.

Die allgemeinen Forderungen sind freilich aus dem
Individuum Stadt nicht zu begreifen. Sie treten viel-
mehr diesem Individuum gegenüber als Konsequen-
zen aus dem größeren Zusammenhang, in den jede
Stadt eingebettet ist, d. h. sie sind Ausfluß des um-
fassenderen Vorganges der Landesplanung — über
den noch zu sprechen sein wird.

Die individuelle Leistungsaufgabe sollte an ein-
zelnen Beispielen gezeigt werden, an ein paar
(relativ!) einfachen wie etwa Stuttgart. Bremen,
Königsberg, und an einem komplexen Beispiel, am
besten Berlin.

Alles andere erscheint hier in abgeleiteter und
dienender Position, so die ganzen technischen Fra-
gen des Verkehrs, der Kraftversorgung, der Güter-
zufuhr, der Bauzonenordnung, der Verwaltungsgren-
zen, des Bodenrechts, der Grünflächenpolitik, des
Ausstellungswesens usw.

IX.

Diese letzten Andeutungen lassen schon genug-
sam erkennen, daß sie über das eigentliche Problem
hinweggleiten. Nun: hinweggleiten über das eigent-
liche Problem — das ist heute eine typische Be-
wegung fast überall, wo jemand mit diesen letzten
fragen des Städtebaus zu tun bekommt. D. h. also
mit den Fragen der Zielsetzung und der organisier-
ten Willensbildung. Die Ausstellung in Köln kann
Entscheidendes leisten, wenn sie dieser Bequemlich-
keit eine Grube gräbt, in der sie unerbittlich alles
Halbe und Unklare verschwinden läßt.

Auch der Entwurf eines preußischen Städtebau-
gesetzes, oder bis dahin auch das Gesetz selbst,
falls es nicht wesentlich besser ausfallen sollte,

wird voraussichtlich in dieser großen Versenkung
verschwinden.

Denn der Entwurf ist zwar eine fleißige Arbeit
— das versteht sich von selbst; auch ist er als
ein erster Versuch, an dem sich manches lernen
läßt, begrüßenswert. Aber die grundlegenden Pa-
ragraphen sind Schulbeispiele dafür, wie die
bürokratische Umgehung eines Problems an die
Stelle staatsmännischer Bewältigung tritt. Nicht
zu polemischen Zwecken, sondern zur sachlichen
Klärung im Rahmen der Programmdiskussion sei
dieses Schulbeispiel hier kurz erörtert, da es nun
einmal aktuell und bequem zur Hand ist.

X.

Lehrreich ist schon der erste Satz in § 1 des Ent-
wurfes. Er versucht die grundlegende Zielsetzung zu
umschreiben und lautet: „Die städtebauliche Ent-
wicklung der Gemeinden soll durch Aufstellung von
Flächenaufteilungsplänen vorausschauend geordnet
werden". Eine nähere Bestimmung bringt der § 3:
..Bei der Gestaltung des Flächenaufteilungsplanes
sind das Wohnbedürfnis, die Bedürfnisse der Wirt-
schaft, des Verkehrs, der Landeskultur, der öffent-
lichen Gesundheitspflege und der Natur-, Denkmal-
und Heimatpflege zu beachten.'' Dazu gibt es zwar
eine ausführliche Begründung, die viel schöne Worte
enthält, doch können wir uns sparen, sie hier abzu-
drucken, denn sie gewinnt ja keine Gesetzeskraft.

Die städtebauliche Entwicklung soll vorausschau-
end geordnet werden. Dieser Satz läßt nur zwei
Deutungen zu. Entweder ist gemeint, das „Voraus-
schauen" ergibt ein zweifelfreies Bild der Zukunft,
und man braucht also nur noch zu „ordnen", damit
das Werdende, das man „vorausschaut", auch glatt
geht. Aber mit dieser Deutung wäre der Bürokratie,
die das Gesetz durchführen soll, eine Propheten-
gabe zugemutet, die sie wohl selbst nicht für sich
in Anspruch nehmen wird. Auch wäre ein solches
Maß von geschichtsphilosophischem Determinismus,
ja Fatalismus, wohl überhaupt kaum vereinbar mit
so aktiven Tätigkeiten wie Gesetze geben und Ver-
walten. Diese Deutung scheidet also praktisch aus.

Die zweite Deutung ist, daß der Gesetzgeber,
falls er dem Entwurf zustimmt, sich absichtlich
bescheidet, daß er zwar ein gewisses Maß recht-
zeitiger Voraussicht kommender wirtschaftlicher
und sozialer Entwicklungen verlangt, daß er
ferner eine Handhabe geben will, um die städte-
baulichen Auswirkungen dieser Entwicklungen zu
regeln, daß er aber mit Bewußtsein darauf ver-
zichtet, irgendeine Richtlinie für den Gebrauch die-
ser Handhabe aufzustellen. Die Lektüre der Begrün-
dung zeigt, daß diese zweite Deutung zutrifft.

Natürlich waren die Verfasser des Entwurfs klug
genug, zu wissen, daß die „vorausschauende Ord-
nung" der städtebaulichen Entwicklung letzten
Endes immer eine Frage politischen Entschlusses
bleibt, daß ein Willensakt dazu gehört, dessen Wir-
kungen in der vorausgeschauten Zukunft wiederum
mitenthalten und mitzuberechnen sind. Aber sie
fanden nicht den Mut, im Gesetz selbst eine
geistige Grundlage für solche Entschlüsse zu for-
mulieren, einen positiven Gedanken als Richtpunkt
aufzustellen.

Als Ersatz dafür ist dann der oben zitierte § 3
geschaffen worden, der unverbunden und ohne

81
 
Annotationen