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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Schwab, Alexander: Zur Abteilung: "Städtebau und Landesplanung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0108

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Rangordnung eine Reihe von Bedürfnissen aufzählt,
die „zu beachten" sind.

Wenn so der Gesetzgeber abdankt, was
pflegt dann im heutigen Deutschland zu geschehen?
Dann gleitet seine Macht in die Hände der Ver-
waltung.

XI.

Und damit sind wir bei dem zweiten Pro-
blem: dem der Willensbildung, konkret ge-
sprochen, der Frage nach dem Bauherrn.

Bauherren waren einmal die Könige und die Prie-
sterkasten. Es wurde schon gesagt, daß dies vor-
bei ist. Aber die neue Lösung ist noch nicht gefun-
den. Denn die Bürokratie als Bauherr: das ist keine
Lösung, sondern ein Verlegenheits-Provisorium.

Hier ist § 6 des Entwurfs des Städtebau-
Gesetzes lehrreich. Er sagt: „Bei den Vor-
arbeiten für Flächenaufteilungspläne und Orts-
satzungen sind die Reichsbahngesellschaft, die
Kunststraßen- und Kleinbahnverwaltungen, die Lan-
deskultur-, Forst-, Wasser- und Bergbehörden sowie
die für das Gebiet zuständigen amtlichen Vertretun-
gen der Wirtschaft und Arbeit, und solange amtliche
Vertretungen der Arbeit nicht bestehen, die Ver-
treter der tariffähigen Gewerkschaften der Arbeiter
und Angestellten zu hören." Sehen wir einmal davon
ab, daß die meisten dieser Stellen wiederum Behör-
den und Verwaltungen sind, untersuchen wir nicht,
wieweit die „amtlichen Vertretungen der Wirt-
schaft", d. h. die Handelskammern und Handwerks-
kammern, hier richtig am Platz sind, und verschluk-
ken wir vollends das Wort „Gewerkschaftsbürokra-
tie" — hier kommt es auf eins an: alle diese Stellen
sind „zu hören". Nichts weiter.

Man weiß, was das in der Praxis heißt. In der
Mitte der Regierungspräsident, er verschickt seine
Entwürfe an die einzelnen Stellen, verhandelt mit
ihnen einzeln, bekommt seine Gegenäußerungen —
und macht zum Schluß, was er für richtig hält. Er
kann die Beteiligten nach Belieben gegeneinander
ausspielen, braucht keine gemeinsame Aussprache
zu veranlassen, ist an nichts gebunden.

Wagt schon der Gesetzgeber keine Richtlinie der
allgemeinen Landesplanung und (aus ihr folgend) des
Städtebaus aufzustellen — und man kann ja auch
zweifeln, ob er dazu imstande wäre —, so ließen
sich immerhin Versuche vorstellen, um einem völligen
Abdanken in die Hände einer unproduktiven und will-
kürlichen Bürokratie vorzubeugen. Man könnte z. B.
an die Einschaltung besonderer Organe denken, zu-
sammengesetzt aus sach- und lebenskundigen, un-
abhängigen Menschen aus allen an der Landespla-
nung und an den Siedlungsfragen der einzelnen
Stadt beteiligten Kreisen — eine Art von sehr „pla-
tonischer" Akademie. Als Parallele, wenngleich man-
gelhaft konstruiert, bietet sich der Reichswirt-
schaftsrat. Ob ein solcher organisatorischer Ge-
danke inmitten der heutigen bürokratisierten Gesell-
schaft sich verwirklichen ließe, ohne daß dieses
Organ binnen kurzem auch wieder zur Bürokratie
(oder aber zur Dekoration) wird, ist freilich zweifel-
haft.

Jedenfalls aber sollte die Kölner Ausstellung auch
diese Frage aufwerfen und nach Lösungsmöglichkei-
ten suchen. Schon allein deshalb, weil heute doch
auch die Stadtbauräte, wenigstens die besten unter
ihnen, erkennen, daß ihre Position im Grunde kaum

mehr möglich ist. Sie selbst fühlen zum Teil schon,
daß sie, überlastet mit Tagesaufgaben, für weitrei-
chende grundsätzliche Entscheidungen sich auf ein
größeres und nicht zur Stadtverwaltung gehöriges
Gremium stützen müßten.

Es käme also, um es noch einmal zusammenzu-
fassen, bei diesem Problem der Willensbildung (der
Bauherrnfrage), darauf an, Wege zu zeigen zu einer
Lockerung und Anreicherung des Minerals „Bürokra-
tie", das heute ein wenig starr und klotzig auf allen
unsern Feldern liegt. Man würde damit wahrschein-
lich einen Sonderfall der Problematik behandeln, die
in der Abteilung „Ordnung des Staates" unter einem
Stichwort wie etwa „lebendige Selbstverwaltung"
breiter dargestellt würde. Was in einer einzelnen
Stadt auf städtebaulichem Gebiet unamtlich und
dennoch wirksam durch ein solches zwischen
Verwaltung und Leben eingeschaltetes Organ ge-
leistet werden kann, hat der Berliner Cityausschuß
schon in manchen Ansätzen bewiesen.

XII.

Es wurde schon gesagt: daß die Stadt einge-
bettet ist in einen größeren Zusammenhang, und
daß daher an die Gegebenheiten der Stadt die For-
derungen der Landesplanung herantreten. Das ist
nun freilich durchaus dialektisch zu verstehen: so-
wenig eine Stadt losgelöst von „ihrem" Land leben
kann, so wenig auch ein Land ohne seine Städte.
Und weiter genügt ein Blick auf Hamburg, Berlin,
Köln (auf Paris, London, New York), um zu zeigen,
wie sehr auch die Fäden von Land zu Land, wirt-
schaftliche, politische, kulturelle Fäden, in Wahrheit
zwischen den großen städtischen Konzentrations-
punkten schwingen.

Will man aber in Köln zeigen, was Landesplanung
in Wahrheit ist, so wird man nicht bei jener schema-
tischen Aufteilungsmethode stecken bleiben dürfen,
die heute dort vorkommt, wo die Technik an Stelle
der Sache selbst unterschoben wird. Man wird sich
vielmehr bewußt bleiben müssen, daß Landesplanung
immer so etwas wie eine „königliche Kunst" bleibt,
d. h. eine staatspolitische Kunst im höchsten um-
fassenden Sinne des Wortes. (Eine schlechte Poli-
tik, die die kulturellen Kräfte vergißt!)

Was kann man hier ausstellen? Sicherlich auch
die technischen Details wie Ruhrsiedlungsverband,
Mitteldeutschland und dergl. Aber wenn der gute
Vorsatz der Konzentration auf das Wesentliche in
Köln Einschränkungen erfordert, so werden am ehe-
sten diese technischen Details zu opfern sein. Das
Wesentliche ist auch hier und gerade hier: die Ziel-
weisung.

Man könnte sich denken, daß es dabei ohne einen
gewissen Relativismus nicht abgehen wird. Denn in
staatspolitischen Fragen, wie es die Landesplanung
ist, besteht in Deutschland nun einmal keine Ein-
mütigkeit. Es wäre gut denkbar, daß die verschiede-
nen Auffassungen der siedlungspolitischen Zusam-
menhänge, wie sie den bestehenden großen staats-
politischen Strömungen (ja nicht etwa den Parteien!)
entsprechen, dargestellt werden. Und zwar, im In-
teresse der Klärung, möglichst in scharfer, zuge-
spitzter Formulierung. Man könnte etwa sich vor-
stellen: ein auf nationale Autarkie gestelltes, dem-
gemäß stark landwirtschaftlich betontes Programm,
auf Unterbindung der Landflucht und möglichste Ab-

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