Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930
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Riezler, Walter: Kogan und die Griechen
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selbst immer wieder in die Nähe der Griechen
geraten. Denn schließlich ist die Zahl der Mög-
lichkeiten frei und dabei harmonisch bewegter
menschlicher Körper nicht unbeschränkt.
So hat zwar die Frage, die wir oben stellten,
nur für das beschränkte Gebiet der Plastik Sinn
und Geltung, — aber sie ist deshalb nicht weni-
ger wichtig. Denn es ist in der Tat bemerkens-
wert, daß in unserer Zeit ein so harmonieerfüll-
tes Kunstwerk überhaupt entstehen kann. Nur
derjenige braucht sich nicht darüber zu wundern,
für den das Kunstwerk ein von allem übriger,
losgelöster Ausdruck eines ,,Talents" ist, das
wie es der Zufall will, einmal in diese, einmal in
jene Richtung wachsen kann. An diese Freiheit
des Talents, in jeder Zeit jede Form hervorzu-
bringen, können wir nie und nimmer glauben. Wo
es so etwas gibt, da sind es Talente von der Art
Dossenas, und vielleicht sind diese zum minde-
sten in der Baukunst der jüngst vergangenen
Epoche häufiger als man glauben sollte. Aber
was diese Talente hervorbringen, das gibt sich
für jeden Urteilsfähigen sehr bald zu erkennen
als leere Form. Kogans Arbeiten aber sind nicht
leere, sondern wahrhaft erfüllte Form, und ge-
hören als solche nicht mehr dem Bereiche des
»Formenspiels" an. Hier herrscht nicht mehr
die Lust am Spiel, sondern die Notwendigkeit:
Dieses Talent „muß", aus einem inneren Drange,
über den es selbst nicht Herr ist, der vielmehr
stammt aus jenem Reiche, das man wohl als
das des „Zeitgeistes" bezeichnen darf. Niemals
kann ein derartiges Schaffen, auch wenn es noch
so sehr dem zu widersprechen scheint, was
sonst in der Zeit entsteht und wenn es daher
auch nur einem ganz kleinen Kreise von Zeitge-
nossen verständlich und innerlich vertraut ist,
wirklich „unzeitgemäß" sein. Wenn es so er-
scheint, so ist ein Irrtum dessen, der von einer
vorgefaßten Meinung aus, ein ganz bestimmtes
Bild vom „Geist der Zeit" im Herzen, urteilt.
Gerade heute, da endlich wieder ein starkes Ge-
fühl für die Gegenwart lebendig wird und es die
mutige Entscheidung für das Heute und das
Kommende, ganz ohne Rücksicht auf das, was
war, wieder gibt, liegt das Mißverständnis nahe,
als könnten wir von irgendeinem angenommenen
Terrakotten
Moissej Kogan
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geraten. Denn schließlich ist die Zahl der Mög-
lichkeiten frei und dabei harmonisch bewegter
menschlicher Körper nicht unbeschränkt.
So hat zwar die Frage, die wir oben stellten,
nur für das beschränkte Gebiet der Plastik Sinn
und Geltung, — aber sie ist deshalb nicht weni-
ger wichtig. Denn es ist in der Tat bemerkens-
wert, daß in unserer Zeit ein so harmonieerfüll-
tes Kunstwerk überhaupt entstehen kann. Nur
derjenige braucht sich nicht darüber zu wundern,
für den das Kunstwerk ein von allem übriger,
losgelöster Ausdruck eines ,,Talents" ist, das
wie es der Zufall will, einmal in diese, einmal in
jene Richtung wachsen kann. An diese Freiheit
des Talents, in jeder Zeit jede Form hervorzu-
bringen, können wir nie und nimmer glauben. Wo
es so etwas gibt, da sind es Talente von der Art
Dossenas, und vielleicht sind diese zum minde-
sten in der Baukunst der jüngst vergangenen
Epoche häufiger als man glauben sollte. Aber
was diese Talente hervorbringen, das gibt sich
für jeden Urteilsfähigen sehr bald zu erkennen
als leere Form. Kogans Arbeiten aber sind nicht
leere, sondern wahrhaft erfüllte Form, und ge-
hören als solche nicht mehr dem Bereiche des
»Formenspiels" an. Hier herrscht nicht mehr
die Lust am Spiel, sondern die Notwendigkeit:
Dieses Talent „muß", aus einem inneren Drange,
über den es selbst nicht Herr ist, der vielmehr
stammt aus jenem Reiche, das man wohl als
das des „Zeitgeistes" bezeichnen darf. Niemals
kann ein derartiges Schaffen, auch wenn es noch
so sehr dem zu widersprechen scheint, was
sonst in der Zeit entsteht und wenn es daher
auch nur einem ganz kleinen Kreise von Zeitge-
nossen verständlich und innerlich vertraut ist,
wirklich „unzeitgemäß" sein. Wenn es so er-
scheint, so ist ein Irrtum dessen, der von einer
vorgefaßten Meinung aus, ein ganz bestimmtes
Bild vom „Geist der Zeit" im Herzen, urteilt.
Gerade heute, da endlich wieder ein starkes Ge-
fühl für die Gegenwart lebendig wird und es die
mutige Entscheidung für das Heute und das
Kommende, ganz ohne Rücksicht auf das, was
war, wieder gibt, liegt das Mißverständnis nahe,
als könnten wir von irgendeinem angenommenen
Terrakotten
Moissej Kogan
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