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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Kállai, Ernő: Der Bildhauer Gerhart Marcks
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0123

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persönlichen Verschiedenheiten unberührt ist Widerhall ihres Daseins mit „bürgerlichem Indi-
diesen Künstlern das Erbe gemeinsam, aus dem vidualismus" abzutun. Aber die Vereinsamung
der deutschen Kunst seit jeher bedeutsame des Menschen, die von Mareks so tief empfun-
Offenbarungen erwuchsen: das Leiden an der den und so eindringlich gestaltet wird, hat nichts
Welt. Weit entfernt davon, diese Welt als die mit einem Mangel an gesellschaftlicher Einord-
schönste und beste aller möglichen Welten zu nung gemein. Das ist nicht die splendid isola-
empfinden, sich mit harmonisch erschlossener tion des Schöngeistes und auch nicht das kom-
Sinnlichkeit ihren Erscheinungen hinzugeben, fortable Privatissimum des Kapitalisten. Mareks
wird das Menschentum dieser deutschen Kunst erfühlt den Menschen in einer Tiefe seines We-
bis ins Innerste getroffen von dem Bewußtsein sens, in der auch der perfekteste Sozialist allen
des Widerspruchsvollen, Fragwürdigen und Tra- gesellschaftlichen Einordnungen, allen Siche-
gischen in unserm Dasein. Daß die künstleri- rungen und Stützpunkten des zivilen Lebens bar,
sehen Zeichen dieses bitteren Bewußtseins ge- als hinfällige und unvollkommene Kreatur von un-
rade heute in vermehrter Zahl und stärkster Ein- gewisser Herkunft und vager Zukunft erscheint,
dringlichkeit erstehen, ist bei den zugespitzten Diese Menschenbetrachtung ist freilich unzeit-
Konflikten unserer Zeit, bei der Zerspanntheit gemäß wie alles, was nicht in die optimistische
ihrer Struktur zwischen Maschine und Seele, Trompete des angeblich befreienden, mehr: er-
Masse und Persönlichkeit deutlich zu begreifen, lösenden Materialismus der Gegenwart stößt. Sie
Nichts einfacher, als die Haltung seelischer ist ehrfürchtig und andachtsvoll bis zur Religiosi-
Unerlöstheit in den Plastiken von Mareks, dieses tät, doch ohne gläubig zu sein. Ihrer Religiosität
zaghafte Tasten gleichsam verirrter, ratloser Ge- fehlt das Überschwengliche, die Kraft zum
schöpfe nach einem bejahenden und erfüllenden Pathos. Mir sind unter den Werken von Mareks

„David"

Gerhart Mareks

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