Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0318
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Romdahl, Axel L.: Das österreichische Kunstgewerbe
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Melodie und Rhythmus Element und Ausdruck ihrer
Andacht und Fröhlichkeit sind. Diese Gemütsart mag
manche Nachteile haben; aber hat nicht gerade
diese Fähigkeit, sich aus Not und Sorge zu edleren
Dingen zu erheben und nicht wie Barbaren in Furcht
und Stumpfsinn einem harten Schicksal zu erliegen,
diesem am schwersten von allen Völkern geprüften
Volke über die bittersten Leidensjahre hinwegge-
holfen?
Kunstgewerbe liegt dem österreichischen Volke
ebenso im Blute wie Musik. In der Barockzeit zog
ein endloser Strom von Bildhauern, Malern und Bau-
leuten aus den Tälern zur Kaiserstadt und zu den
reichen Chorherrenstiften an der Donau.
Die lächelnde Grazie des XVIII. Jahrhunderts fand
in der kaiserlichen Hausindustrie, dem zierlichen
Wiener Porzellan, unvergänglichen Ausdruck.
Das bürgerliche Wien am Anfang des XIX. Jahr-
hunderts schuf sich Möbel und andere Einrichtungs-
gegenstände, die in ihrer technischen Vollendung
und in ihrem beherrschten Geschmack einzig da-
stehend waren. Geschicklichkeit, Freude an einer
Silberschalen schönen Arbeit blieben charakteristisch für Wien
Werkstätte Karl Hagenauer, Wien auch jp ^ rfer 0hnmacht des Kunstgewerbes,
da die Nachahmung der historischen Stile das ein-
zige war, das man wagte und vermochte.
Das österreichische Kunstgewerbe hat sich nie- Geschicklichkeit und Arbeitsfreude sind immerhin
mals so hohe Ziele gesetzt. Es begnügte sich mit große Werte, deren Pflege bewahrt zu werden ver-
einem Ziel, das zugleich bescheidener und an- diente, als man vor ungefähr einem Menschenalter
spruchsvoller ist: Schönheit zu schaffen mitten im
Werktagsleben und dem Nützlichen zu dienen, ohne
sein Sklave zu werden. Es ist natürlich wie das .
Lachen, der Tanz und der Gesang. Und wie diese
hat es seine Voraussetzungen im Wesen des Volkes
und in der Natur der Heimat. Wer mit Österreichern
verkehrt, weiß, wie selbstverständlich sie das Maß
des Schönen an das Dasein legen, wie leidenschaft-
lich sie Natur, Musik und alles Schöne lieben, wie
Andacht und Fröhlichkeit sind. Diese Gemütsart mag
manche Nachteile haben; aber hat nicht gerade
diese Fähigkeit, sich aus Not und Sorge zu edleren
Dingen zu erheben und nicht wie Barbaren in Furcht
und Stumpfsinn einem harten Schicksal zu erliegen,
diesem am schwersten von allen Völkern geprüften
Volke über die bittersten Leidensjahre hinwegge-
holfen?
Kunstgewerbe liegt dem österreichischen Volke
ebenso im Blute wie Musik. In der Barockzeit zog
ein endloser Strom von Bildhauern, Malern und Bau-
leuten aus den Tälern zur Kaiserstadt und zu den
reichen Chorherrenstiften an der Donau.
Die lächelnde Grazie des XVIII. Jahrhunderts fand
in der kaiserlichen Hausindustrie, dem zierlichen
Wiener Porzellan, unvergänglichen Ausdruck.
Das bürgerliche Wien am Anfang des XIX. Jahr-
hunderts schuf sich Möbel und andere Einrichtungs-
gegenstände, die in ihrer technischen Vollendung
und in ihrem beherrschten Geschmack einzig da-
stehend waren. Geschicklichkeit, Freude an einer
Silberschalen schönen Arbeit blieben charakteristisch für Wien
Werkstätte Karl Hagenauer, Wien auch jp ^ rfer 0hnmacht des Kunstgewerbes,
da die Nachahmung der historischen Stile das ein-
zige war, das man wagte und vermochte.
Das österreichische Kunstgewerbe hat sich nie- Geschicklichkeit und Arbeitsfreude sind immerhin
mals so hohe Ziele gesetzt. Es begnügte sich mit große Werte, deren Pflege bewahrt zu werden ver-
einem Ziel, das zugleich bescheidener und an- diente, als man vor ungefähr einem Menschenalter
spruchsvoller ist: Schönheit zu schaffen mitten im
Werktagsleben und dem Nützlichen zu dienen, ohne
sein Sklave zu werden. Es ist natürlich wie das .
Lachen, der Tanz und der Gesang. Und wie diese
hat es seine Voraussetzungen im Wesen des Volkes
und in der Natur der Heimat. Wer mit Österreichern
verkehrt, weiß, wie selbstverständlich sie das Maß
des Schönen an das Dasein legen, wie leidenschaft-
lich sie Natur, Musik und alles Schöne lieben, wie