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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Lotz, Wilhelm: Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0340

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sehen Bedingungen als aus Freude an der de-
korativen Auswertung des Materials in Verbin-
dung mit anderen Stoffen.

Was man auf der Ausstellung in den Innen-
räumen an besonderen Techniken handwerk-
licher Arbeit findet, ist erstaunlich und reizvoll,
vor allem wegen der Erfindung immer neuer Kom-
binationen von Materialien. Furniere, Lacke, Ein-
sätze von Metall in Holz sind von höchster
technischer Vollendung. Eigenartig und für uns
Deutsche etwas befremdend ist der durchweg
schwere Charakter der Möbel, der nur gemildert
wird durch die raffinierte farbige Behandlung der
Räume und die Auflösung des plastischen Ge-
halts durch farbige Kombinationen. Einzelne
Architekturmodelle, die ausgestellt sind, zeigen
starke Anlehnung an Corbusier in einer freien,
ja kühnen Behandlung des Materials und der
Konstruktion. Die leichte, wenn auch dekorative
Behandlung der Bauelemente steht im Wider-
spruch zu dem schweren Charakter der ausge-
stellten Innenräume.

Der Deutsche Werkbund war nun vor die Auf-
gabe gestellt, das deutsche Schaffen der Gegen-
wart eindringlich und einheitlich in dieser Aus-
stellung zu zeigen. Es wäre sicher verkehrt ge-
wesen, wenn man in Deutschland nach ähnlichen
Ausstellungsobjekten gesucht hätte, wie sie die
Franzosen selbstverständlich und natürlicher-
weise zu bieten haben. Es kann und darf nicht
gesagt werden, daß bei uns ähnliche Dinge nicht
geschaffen werden und keine Berechtigung
haben. Sicher ist nur soviel, daß eine derartige
Ausstellung nichts von den großen geistigen, so-
zialen, wirtschaftlichen Problemen, die uns heute
beschäftigen müssen, gezeigt hätte, sondern es
wäre eine Ausstellung geworden, die eine pri-
vate Liebhaberei, aber nicht eine Kundgebung für
einen großen und wichtigen Ideenkomplex ge-
wesen wäre. Der Deutsche Werkbund ist seiner
alten Ausstellungstradition treu geblieben, indem
er einen Mann als verantwortlichen künstle-
rischen Leiter bestellt hat. Man hat Walter
G r o p i u s gewählt. Gropius hat sicher den Vor-
teil, daß er durch seine Arbeit bewiesen hat, daß
er die Fragen der modernen Gestaltung als Ein-
heit sieht und nicht Spezialist auf einem Sonder-
gebiet ist. Er bejaht die sozialen, technischen
und wirtschaftlichen Vorbedingungen aller künst-
lerischen Arbeiten, und man konnte von ihm er-
warten, daß er eine Ausstellung nicht als Selbst-
zweck, sondern als eine Demonstration ausge-
stalten würde. Die fertige Ausstellung zeigt, daß
das Vertrauen des Werkbundes zu Gropius ge-
rechtfertigt war. Vor allen Dingen bestätigen
die Urteile der französischen Presse und die

Bemerkungen ausländischer Besucher, daß in
der Ausstellung diese Verbundenheit mit tech-
nischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen
sichtbar wird. Daß Gropius seine früheren
Mitarbeiter vom Bauhaus, Marcel Breuer, Her-
bert Bayer und Moholy Nagy zur Mitarbeit her-
angezogen hat, ist selbstverständlich und gibt
der ganzen Ausstellung eine einheitliche Haltung.
Denn mag man noch so sehr von der sachlichen
Bedingtheit reden, es ist doch nicht abzustreiten,
daß eine stilistisch einheitliche Haltung durch die
ganze Ausstellung hindurchgeht. Eine zu starke
Hervorhebung des Stilistischen führt zu man-
chen Härten und Unsachlichkeiten, wie bei der
Schmuckvitrine, von der man wirklich nicht be-
haupten kann, daß sie Rücksicht auf das nimmt,
was in ihr aufgestellt wird, also aus ihrer Funk-
tion heraus entwickelt ist. Auch das Transparent
mit der Beschriftung zu den gezeigten Diaposi-
tiven, das viel zu klein und so angeordnet ist,
daß man bei jedem Bild den Kopf verdrehen
muß, um die Beschriftung lesen zu können, ge-
hört in dieses Gebiet. Solche kleinen Mängel
stellen sich leicht ein, wo stilistische Einheit-
lichkeitherrschen soll. Diese stilistische Einheit-
lichkeit verführt auch zu einer etwas strengen
— oder einseitigen — Auswahl und zu einer
Ausscheidung dessen, was nicht in den engsten
Stilkreis gehört, aber sie verstärkt auch den
Eindruck der ganzen Darbietung.

Am stärksten wirkt der große Saal, der die im
Katalog mit 1 und 3 bezeichneten Räume um-
faßt. Die einheitliche Wirkung ist vor allen Din-
gen der Tatsache zu verdanken, daß der Ausge-
staltung eine Aufgabe zugrunde gelegt war, ge-
wissermaßen ein Bauprogramm. Es sind Räume
aus einem zehnstöckigen Wohnhochhaus in der
Art eines Wohnhotels oder Boardinghouses. Das
Modell des Hauses ist ausgestellt, und wir
haben es in unserem Heft auf Seite 283 abge-
bildet. Gropius richtete den gemeinsamen Ge-
sellschaftsraum, Breuer eine Arbeits- und zwei
Wohnzellen ein. Die in der Mitte befindliche
Brücke aus Tezettrosten ist eine Materialdemon-
stration, die in dieser Ausstellung außerdem den
Vorteil aufweist, daß-Tnan die Räume aus der
Vogelperspektive übersichtlich betrachten kann.
Ob allerdings die ebenfalls aus Tezettrosten im
Gemeinschaftsraum aufgebauten Geländer der
Büchereigalerie wegen der vielen Staubablage-
rungsflächen für einen Innenraum günstig sind,
muß bezweifelt werden.

Gegen diesen Raum müssen die anderen
Räume abfallen, weil die konkrete Aufgabestel-
lung fehlt, und es ist wiederum der Beweis er-

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