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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 5.1930

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Hilberseimer, Ludwig: Reichstagerweiterung und Platz der Republik
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https://doi.org/10.11588/diglit.13711#0402

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Die Verfasser versuchten, die jetzige Längsachse
des Platzes der Republik in eine Querachse zu
verwandeln, von der Erwägung ausgehend, daß
der künftige Nord-Süd-Verkehr sich in dieser
Richtung bewegen wird; eine durchaus richtige
Annahme, aber verfehlt in der Art ihrer Durch-
führung, besonders durch die Abrieglung dieser
Längsachse durch die projektierten Querbauten
und der den Verkehr unterbindenden, auf ein
Plateau gestellten Siegessäule. Mit der Betonung
der Nord-Süd-Achse brauchte die Querachse
noch nicht aufgehoben zu werden. Jedenfalls
kann man das Reichstagsgebäude in seiner Be-
deutung als politischer Faktor wie auch als
Bauwerk nicht einfach beiseite schieben und
dann versuchen, den Platz durch irgendwel-
che gegenüberliegenden belanglosen Bauten im
Gleichgewicht zu halten. Vor allem ist das Ver-
legen der Siegessäule aus der Querachse für das
Gleichgewicht des Platzes außerordentlich stö-
rend und trotz der dadurch gesteigerten Beto-
nung der Nord-Süd-Achse im Hinblick auf den
Reichstag nicht gerechtfertigt.

Es ist unverständlich, was nicht genug betont
werden kann, daß gerade dieser Entwurf an erste
Stelle gesetzt wurde. Das Preisgericht betont
zwar in seiner Niederschrift, daß der eigentliche
Erweiterungsbau auf das zur Verfügung ste-
hende Gelände beschränkt ist und einer späteren
Platzgestaltung nicht hindernd vorgreift. Aber
gerade die Platzgestaltung und nicht der zufällige
Erweiterungsbau sollte als das Primäre gelten.
Denn wenn diese Platzgestaltung einmal gelöst
ist, wird die Errichtung von Erweiterungsbauten
für jeden Zweck ohne weiteres durchführbar
sein.

Der Entwurf von Paul Schmidthenner, Stutt-
gart, versucht den Platz mit gärtnerischen Mit-
teln zu gestalten. Bei der Größe und Bedeutung
des Objektes kann die notwendige architektoni-
sche Fassung jedoch auf diesem Wege nicht
erreicht werden. Der als Hochhaus gedachte
eigentliche Anbau beeinflußt überdies in seiner
Masse das Reichstagsgebäude ungünstig. Be-
denklich ist aber auch das Hochhaus selbst, des-
sen relativ enger umschlossener Hof die Licht-
und Luftzufuhr für die an ihm liegenden Räume
behindert.

Absonderlich ist der Vorschlag von Karl Wach,
Düsseldorf, der den notwendigen Raum durch
Anbau und Aufstockung schaffen will. Die jetzige
Reichstagsfassade wird dabei zum Teil erhalten
und wirkt wie eine umbaute Ruine. Das Ganze
aber wie eine Ankersteinbaukasten-Architektur,
bei der die Architekturteile nicht für das ganze
Gebäude gereicht haben.

Von besonderem Interesse ist der Entwurf von
Georg Holzhauer und Franz Stamm, München. Er
sieht den Neubau auf dem in Aussicht genomme-
nen Platz vor. Für die Gestaltung des Platzes
der Republik lehnt er sich eng an die Entwürfe
von Hugo Häring, Berlin, an. Die Achse, die
durch Reichstagsgebäude, Siegessäule und Kroll-
oper gebildet wird, ist bewußt bis zur Spree ver-
längert unter Beseitigung der Siegessäule, des
Bismarck-Denkmals und der Kroll-Oper. Dadurch
erhält der Platz, wie bei dem Häringschen Pro-
jekt, eine vorherrschende Achsenrichtung, wobei
die Querachse Siegesallee—Alsenstraße beibe-
halten ist. Die Bebauung des Platzes ist nur
schematisch angedeutet.

Es ist für die Weiterentwicklung der Bauange-
legenheit des Platzes der Republik immerhin sehr
beachtlich, daß dieses Projekt von Holzbauer und
Stamm, das sich in seiner Gesamtdisposition eng
an die Häringschen Vorschläge anschließt, von
dem Preisgericht an zweite Stelle gesetzt wurde.
Bei dieser Gelegenheit ist es notwendig, auf
den Vorschlag von Hugo Häring hinzuweisen, der
schon vor geraumer Zeit Projekte für die Umge-
staltung des Platzes der Republik gemacht hat.
Härings Vorschläge beruhen auf der bereits er-
wähnten Vorarbeit von Martin Mächler. Hierbei
ist die Bebauung des Platzes nicht irgendwie
schematisch, sondern geht von einem relativ
festen Bauprogramm aus: die Konzentration der
Reichministerien am Platze der Republik und in
Verlängerung der Ost-West-Achse am Schlosse
Bellevue das künftige Palais für den Reichsprä-
sidenten. Die heute zerstreut liegenden Reichs-
und Staatsministerien, deren Raumknappheit
ohnehin Neubauten erfordert, werden im Inter-
esse einer vereinfachten und sparsameren Ge-
schäftsabwicklung zusammengelegt und in be-
triebstechnisch einwandfreien Bürobauten unter-
gebracht. Durch die dazu notwendigen Bauten
wird zugleich ein Dokument einer neuen poli-
tischen Willenssetzung geschaffen.

Der Einwand, der gegen einen so umfassenden
Plan bisher erhoben wurde, betrifft die Unmög-
lichkeit seiner finanziellen Durchführbarkeit.
Trotzdem bereits vor dem Kriege von Fachleuten
festgestellt wurde, daß die Umlegung der Reichs-
ministerien durchaus wirtschaftlich und gewinn-
bringend sei, steht man einem solchen Plan skep-
tisch gegenüber. Kürzlich hat nun der Berliner
Stadtbaurat Martin Wagner im „Neuen Berlin"
die Frage der räumlichen Zusammenlegung der
Reichs- und Staatsbehörden im Kern der Reichs-
hauptstadt erörtert und er kommt in bezug auf
die Möglichkeit der Konzentrierung der Reichs-
behörden zu einem durchaus positiven Ergebnis.

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