Eingegangen: ist eine Petition des gememnützigen
Verein der Vorstadt Mannheim detr. polizeiliche An-
ordnungen.
Die allgemeine Beratung über den Justizetat
wird fortgesetzt.
Ministerialüirektor Hübsch gibt eine Darstellung der
Grundsätze, Vvn denen sich die Justizverwaltung bei Lxr Prü-
fung und Auswahl Ler Kandidaten leiten läht. Das Matz der
Anforderungen bei den Prüfungen ist lediglich durch die Ge-
fetzgetung derändert worden. Selbstverständl.ich ist der Mast-
jtab jetzt ein strengerer als in Zeiten, W0 die jungen Juristen
gesucht sind. Persönliche Verhältnisse und Vorgänge bleiben
unberücksichtigt.' Wenn auch ein Recht auf Verwendung im
Staatsdienst nicht besteht, so ist doch bei uns Grustdsatz, datz
jeder, der sein Examen bei uns bestaniden hat, mit der Zeit
Anstellunz im> Staatsdienst findet. Wenn Aeutzerungen ge-
fallen sind, die dem widersprechen, so decken sie sich nicht init
der Absicht der Justizvertvaltung. Selbstverftänidlich fteht es
aber dem Kandidaten nicht zu, eigenmächtig zu entscheiden,
ob er sich der streitigen Gerichtsbarkeit oder dem Notariat
zuwenden will. Auch mutz es der Justizverwaltung Vovbehal-
ten bleiben, einen Kandidaten zurückzuweisen, wenn die dicnst-
lichn Verhältnisse eines KaNdidaten Len Ansovderungen nich
entsprechn. Jn der letzten Zeit gestaltete sich der Zugang zur
Amvaltschst wie folgt: 1899 von 63 Kandidaten 9, 1900 von
71 KaNdidaten 17, 1901 von 61 Kaudidaten 13, 1902 von 90
Kandidaten 21, 1903 von 80 Kaudidaten 1b. Jm Ganzen
sind zur Zeit 158 verwendbare Reserendäre vorhanden, von
denen 81 bei der streitigen Gerichsbarteit, 41 bei den No-
taricüen, 8 bei der Anwaltschst, 9 im Reichsdienst und 4 im
städtischen Dienst chschftigt sind, nur 4 volontieren. Die Ver-
hültnisse sind also uicht so schliium, wie es da uud dort ausge-
fatzt wird. Hinter den Resereudäreu stehen allerdings 141
Praktikanten, so datz es als wünschenswert chlrachtet
werden dars, datz der Zudrang zum juristischn Stu'dium
sich etwas mindert. Doch sollten nicht übertviechne Besorg-
nisse verbreitet werden, sonst könnte die junge Juristeirwelt
entmutigt werchn.
Abg. Venedey (dem.) weist darauf hin, dah dte Koustan-
zer AUwälte häufig dädurch in der Verteidigung be>chräntt
werden, daß die Angeklagten zu lange im Unterfuchunzsge-
fängnis zu Waldshut chlassen werchn. Die Schwurgerichle
können in ihrer heutigen Zufammensetzung nicht als Volts-
gertchte chzeichnet werden. Die Einführung von Diäten ist un-
Ledingt erforchrlich. Redner tritt für Lie Abschaffunz t>es
Dtajestätschleidigungsparagraphen ein. Es ist ein unhallbarer
Zustand, datz der Kviser und in neuefter Zeit sogar der Krou-
prinz, cht jechr Gelegenheit in die Politii eingreift. Jch er-
innere nur an das Wort von den „vaterlandslosen Gejeüen".
Präsichnt Gönner evsucht dsn Redner, die Allerhüchsten
Persönlichkeiten nicht in die Debatte zu ziehen.
Abg. Venedey (fortfahreUd): Jch kenne keine Bestim-
mung chr Geschäftsordnung, die es verbietet, dieses Thcma
zu berühren.
Präsident Gönner: Es war immer Sitte, an den Aeu-
tzerungen chr Regenten koine Kritik zu üben. Jch bitte, diese
Sitte beizubehalten.
Venedeh (fortsahren): Jch muß konstatieren, daß es
ein uuhaldbarer Zustaud ist, weun mau aus chr einen Seite
augreifen dars, auf chr auderen äber wehrlos dasteht. Das ist
ein trauriges Zeichen unserer Zeit und 'dient nicht ivenig zur
Vermehrung der Majestätschteidigungsprozesse. Redner be-
zweiselt, ob die Verordnunz vom 27. August vorigen Jähres
chtr. die Vorbereitung zum höheren Justizdieust mtt dem Ge-
richtschrsassungsgesetz sich vereinigen lätzt, che die Ausstellung
von Dienstzeugnissen nicht kennt. Diese Bestimmung ist inso-
fern von großer Tragweite, als von chm Zeugnis etnes Vorge-
setzten unter Umstänchn die ganze Karriere eines jungen Ju-
risten abhängt. Die Einsührung eines Bienniums für An-
wälte halte ich in Uebereinstimmung mit meinem Konstanzer
Kollegen für unzweckmätzig. Es tommt doch auch vor, datz Re-
ferendäre sofort nach dem Examen als Amtsrichter verwendet
wevchn. Mir komtnt es vor, äls ob man mtt dem Bienmum
die chati possichntes, die Anwälte vor allzu grohem Zudrang
zu ihrem Beruf schützeu will. Man sollte an dem bestehenden
Zustand nicht rütteln. Redner weist zum Schlutz auf 'die un-
genügenchu baulichen und räumlichen Zustände des Konstanzer
Landgerichts hiu, die bercits vom Abg. Kist eine eingehcnch
und durchaus zutreffench Beleuchtung erfahren hachn. Ein
Anbau wäre dringend notwendig. Der in die schönfte Prome-
nach, wo die eleaante Welt von Konftanz spazieren aebt, hin-
einspringLude hätzliche Flügel muß endlich entfernt werchn.
Ministerialprästdent Frhr. v. Dufch kann es nicht als
Aufgabe chr Regierung betrachten, alle Einzelwünsche chtr.
Revision der Strafprozetzordnuug zu beantworten. Die Re-
gierung ist aber chreit, den Anregungen, soweit sie die Landes-
justizverw-altung chtreffen, nach Möglichkett Rechnung zu tra-
gen. So wird sie gerne auf Beschleunigung der Gesaugenen-
transporte von Waldshut nach Konstanz hinwirken. Wo die
Kosten in keinem Verhältnis znm Roat stehen, wird 'die Justiz-
chrwaltung gerne im Gnadenwege einen Nachlatz chwirken.
Wenn die Besetzung der Schwurzerichte nicht allen Wünfchen
entspricht, so rührt dies hauptsächlich daher, datz die Geschwore-
nen keine Diäten chkommen. Hier sind wir aber machtlvs,
weil die Prozeßordnung geänchrt werchu mutz. Re'dner
glaubt nicht, im Gegensatz zu Veneidey, datz chr Paragraph 12
Abfatz 2 chr lanchsherrlichen Verordnung vom 17. August
vorigen Jahres gegen das Gerichtschrsassungsgesetz chrstötzt.
Ter Rechtspraktikant ist ein nichtetatmätziger Beamter und
untersteht als solcher 'chr Dienstpolizeiordnung. Von ihm kann
und muß chrlangt werchn, datz er seineu Pflichten nach-
kommt. Es handelt sich ntcht um die Beurteilung, ob er ge-
nüzenich Kenntnisse erworben hat, sonchrn nur um die subjek-
tich Seite. Tie Beschwerden wegen 'chr verschiechnen Ge-
bäude werchn am Schlutz chr Debatte in Zusammerchang ch-
antwortet; chzüglich des Konstanzer Landgerichtsgebäuchs
möchte ich nur bcmerken, daß, wer den Aveck chs Vorbaus nicht
kennt, nichts chchnkliches-dahinter sucht (Heiterkeit). Bei die-
ser Frage spielt die Finanzlage eine grotze Rolle.
Abg. Hennig (Ztr.): Der immer mehr um sich greifench
materielle Geist und das Schwiuden chr religiösen Gesinnung
trägt nicht wentg zur Vermehrunz chr Prozesse bei. Die Ub-
schaffuntz chs Eides und chs Gotteslästerungsparatzraphen
wäre gleichbedeutend mit chm Zurückdrängen des religiösen
Gedankens. Jch wunchre mich, datz Muser, chr dach ein so ge-
bildeter Herr ist, etne so schiefe Ausfassung vom Eid hat. Jn
jedem Katechismus weüden die Kinder auf die Ilbscheulichkeit
chr Lüge und auf die Folgen chs Meineids hingewiesen. Das
kann doch nicht ähne Einwirkung bleichn. Muser wird sich gut
keinerlei Vorschriften macht, so scheint die erwahnte Tat-
sache doch zu beweisen, daß man in den Reihen der Geist-
lichen bei der wachsenden »Kampsbewegung gegen 'den
Alkohol bereits Bödenken trägt, durch die Darreichuug ge-
gohrenen Weines irgend einen Abendmahlsgast einem
Gelvissenszwange auszusetzen.
Deutsch. Berliner: .Na, sagen Sie mal, Mänrveken, wo
kanu Man denn bei Sie een jutes Troppchen Bier
kviechen. — Schwäbischer Bauer: Das versteht koi Sau,
tvas Sie do schwähet, geschweige i und überhaupt, wenn Se d'
Lejt fröge went, na schwätze-t Se deutsch!
untcrhalten, wenn er dem Katechismus eimge Stunden widmet.
(Heiterkeit.)
Abg. Dr. Weitz (natl.) empfiehlt statt der Averfierung
der Notare die allgemeine Einführung einer Bauschsumme. Be-
züglich der Ratschreiber drängt fich etnem die Ueberzeugung
auf, daß der Staat nach und nach sämtliche Lasten auf die Ge-
meinde abzwvälzen sucht. (Sehr richtig!) Bei der Entlohnung
der Ra-tschreiber sollte ma» die Arbeitsstunde, ntcht die absolute
Höhe der Besöldung zu Grunde logen. Nun einmal die Neu-
ordnung getrosfen ist, mutz man eben sehen, woher das Geld
zu nehmen ist. Eine Aenderung der Vorbereitung unserer
Anwält-e halte ich sür dringend wünschenswert. Das Amtsge-
richtsgebäude in Eberbach entspricht seinem Zweck nicht inehr;
der berests in Äussicht genommene Neubau sollte beschleunigt
toerden.
Abg. Franz (natl.) schlicßt sich den Aussührunzen des
Vorrelmers begüglich Äer Grundbuchbeamten an. Die Stadt
Rastatt m-uß beispielsweise für das Grundb-uchamt 1800 Mark
zu'legen. Jm Land empsiudet man dtes als große Härte.
Abg. Harsch (natlZ führt aus, datz die Verhältnisse in
Bretten ganz ähnlich liegen, wie in Rastatt. D-er Staat sollte
doch Beamte, die er vollständig in Anspruch nimml, auch voll-
ständig bezahlen und so dic berechtigten Wünsche der mittlcren
Städte besrte'digen.
Geh. Oberregierungsrat Trefzer betont, datz keine neue
Notariate geschaffen, sondern nur bestehende zu etatmähigen
ausgebaut werden. Die Besürchtung, datz die Zahl der Roia-
ricrte sich ins Ungemefsene vermehren könnte, ist unbezrüudei.
Bet Etnsührung der Neuordnung Lestauden 133 Notariare;
in der 1. Budgetperiode kamen 15, in der 2, 10 hinzu und jetzt
find 5 neue anyefordert. Mit diefen 165 Notariaien glauoen
wir auf die Dauer auskommen zu können. Die Sitze köi'nen
wegen der grohen Ansdehnung manck'-^ Dezirke nicht din'w-
weg in den Amtsstädten errichtet tverden. Aus dieseni Grunde
mutzten, wenn auch ungern, manche Gsmein'den vom seitherigen
Verband losgelöst werden. Dabei ist aber überall mit den
diensttichen Bedürfnissen das Jnteresse der Bevölkerung Hand
in Hand gegangen. Redncr zollt den Ratschrctbern Änerken-
nung, die sich mit grotzem Fleiß und an vielen Orten mit Er-
fotg in die neuen Verhältnisse 'hineiugefuuden haben. «ie dür-
sen für ihre Mühe selbftverständlich nicht blotz Anerkennung,
sondern anch kltngeuden Löhn beanspruchen. Dabet ist aber zu
Lerücksichtigen, daß die Grundbuchsühruug uicht ausschlietzlich
Sache des Staates ist, son'dern dah s. Zt. ausdrücklich gewünscht
wurde, datz die Grundbuchsühruug den Gemeinden vevbleibt.
Das abgelausene Jahr war für die Ratschreiber das günstigste.
Sic bezogen aus der Grundbuchführung inszesamt 680 000
Mari, d. h. mehr als sie im Jahre 1897 aus lausenden Arbei-
tcn erhalten haben. , Jm cinzelnen betrugen die Einnahmen
der Ratschreiber aus laufenden Geschästen 420 000 Mark,
ans Umschreibungen 260 000 Mark gegen die Gesamteinnah-
men von 364 000 Mark aus laufenden Geschäften im Jcchre
1897. Gleichwohl mag es Ratschreiber geben, die von dieser
Gesamtverbefserung nichts zu spüren bekamen; alletn das kann
die Rogierung nicht ändern. Grötzere Letstuntzen für das
Grnudbuchwesen, als jetzt geschieht, kann der Staat nichk auf
sich nehmen, da 'die ersreuliche Mehreinucchme von 600 000
Mark immer noch um 300 000 Mark hiuter dem Abschluß von
1897 zurückblcibt. Zuzugeben ist, dah die Amtsstädte nicht den
gleichen Vorteil von der Neuordnnng haben, wie die Lan'dge-
meiüden und es ist begreislich, datz sie auch zleich den großen
Städten den Rahm abschöpfen möchten; aber wir können die
kleinen Städte gegenüber den Landgemeinden nicht bevorzugen,
sondern es muß bei der bestehenden Ordnung bleiben und die
grotzen Stadte müssen im Jnteresse der Gesamtheit ein Opfer
bringen. (Sehr richtig!).
Um 1 Uhr wird die Sitznng abgebrochen. Fortsetzung
Samstag halb 10 Uhr.
Karlsruhe, 21. Jan. Bei der Beratung des
Etats- der Steuerverwaltung in der Budget-
kommission erklärte die Regierung lt. „B. B.": ,Die G e-
bäude-Neueinschätzung ist nahezu been-
det; eine Denkschrift wird diesem LaNdtage zugchen, ein
außerordentlicher Landtag zur Erledigung der L>teuer-
reform wird nicht einberufen. Die nene Vermö'gens-
sieuer wird nicht vor dem 1. Januar 1908 eingeführt
werden. Die Gesetzesvorlagen gehen voraussichtlich dem
nächsten Landtage 1908—06 zu. Die neu zu erricktenden
drei Bezirke für Steuerkommissäre kommen nach Lahr,
Psorzheim und Neckarbischofsheim. Die Beschaffung eines
Dienstgebäudes sür das Finanzamt Mosba ch veran-
laßte längere Erörteruugen, weil es sich um den Kanf
eines vorhandenen und nicht um die Erstellung eines
ueuen Gebäudes handelt. Der Kaufpreis von 62 000 Mk.
wurde mit Mehrheit genehmigt; er erscheint der Kom-
mission wesentlich niedriger, als was ein Neubau kosten
würde. Wegen des Neubaues eines Dienstgebäudes für
die Steuereinnehmereien uud für zwei Steuerkommissäre
iu Freiburg sür 120 000 Mk. wurden die Pläne von der ^
Kommisston verlangt. Die Wstimmung wurde ausgesetzt.
— Die Biersteuer ergibt nach dem letztjährigen
Durchschnitt 208 850 Dtk. weniger; es berüht dieses nicht
allein auf einem Minderkonsum von Bier, sondern auch
auf der besseren Ausnlltzung von Malz; — vielleicht auch,
weil da uNd dort ein „dünnes" Bier gebraut wird. Der
Titel Zollverwaltung im ordentlichen und außerordent-
lichen Etat wurde genehmigt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
dem Kaufmann Karl Maurer in Barcelon-a das Ritterkreuz
2. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen und
den Telegraphensekretär Friedrich Deimling in Dkannheim
mit Wirkung vom 1. ,Jnli 1903 zum Ober-Telegraphensekretär
bei dem Telcgraphenamie daselbst crnannt.
—- Dem Amtsrevtdenten G. Bickel in Heidelberg wur'de
'die nachgesuchte Entlassung aus dem staatlichen Dienste erteilt.
— Betriebsassistent Hermann Hecker tn Bäden wurde
nach Zell i. W. versetzt.
Karlsruhe, 21. Jan. Der Großherzog emp-
fing heute Vormittqg 11 Uhr den Mnister Dr. Schenkel
zur Vortragserstattung mnd erteilte um 12 Uhr dem
Generalleutnant z. D. v. Liebert Audienz. Um halb 1
Uhr empsing Seine 'Königliche Hoheit den Hofmarschall
Freiherrn von Gemmingen, welcher die Orden seines ver-
storbenen Schwiegervaters, des Obersthofmeisters Frhrn.
von Edelsheim, der anch Ritter des Hausordens der Treue
war, zurückgab. , Jm Laufe des Nachmittags nahm der
Großherzog die Borträge des Geheimerats Dr. Freiherrn
von Babo und des Legationsrats Dr. Seyb entgegen.
Abends wohnen die Großherzo-glichen Herrschaften dem
vom Badischen Landesverband des deutschen Flottenver-
eins veranlaßten und von dem Generalleutnant z. D-
von Liebert gehaltenen Vortrag über Deutschlands Rü'
stung zur See im großen Museumssaal bei.
Aus Stadt und Land.
Heidelbcrg 22 Januar.
Zweiter Bortrag im Volkshochschnlkursuß. Ter ztveide
Vortrag im Volkshochschulkursus, den lic. theol. Wielandt
gestcrnAbeich in der Universität hielt u. der dasThema: „Moses
uud Darwin" behanidelte, hatte gleich dem evsten Vortrag einen
sölchen Besuch zu verzeichnen, datz alle Plätze besetzt ivaren-
Einen kurzen Bericht über die Aussuhrunzen des Redners
werden wir morgen bringen. Nach Schluh des Vortrages
wurden an den Referenten eine Anzahl Fragen gestellt, welchc
zum Teil das gestrige Thema gar nicht berührten, aber alle Be-
cmtwortung sanden. — Nach der Versammlung wurde vcm der
sozialtdemokratischen Partei vor der Universität eine Einladnng
zu einer grotzeu ösfentlichen Versammlung verteilt. Thema:
„Der Tenkende und die Kirche."
V Große Kunst-Ausstellung in Heidelberg. Wie uns mitge-
teilt wurüe, soll bereits morgen, Samstag, die Sammlnng
der Frau Baronin von Wangenheim sowie eine stattliche An-
zahl anderer Gemälde im Hause 'des Herrn F. A. Christm.inn,
Hauptstratze 146, in dem Parterre uud döm oberen Raume sür
kurzc Zeit zum Verkauf ausgestellt werdeu. Der uns voige-
legte Katalog verzeichnet Werkö von Achenbach, Knaus, Grütz-
ner, Stuck, Schleich, Gabo, v. Max, Kröner u. noch andere
mehr. Die Eröffnimg wir'd durch Jitserate bekannt gemacht.
— Polizeibericht. Sieben Personen wurden wegen Bet-
telns verhaftet. Zur Anzeige kamen 6 Personen we-
geu Ruhestörung und Unfugs, 10 wegen unerlaubten Schlit-
tenfahrens und 1 Taglöhuer wezen Körperverletzung.
-s- Schöffengerichtssitzung vom 21. Jcmuar. Vorsitzender:
Oberamtsrichter Dr. Seitz. Max Fränkel von Mannheim,
cmgeklagt wegen Betrugs, wurde sreigesprochen; Johaun Georg
Bauer von hier erhielt wegen Unterschlagung 3 Wochen Ge-
fängnis; Anton Höniz Ehchrau von hier wegen Ruhestörung
4 Tage Hast; Mathias SpaH von Eppelheim tvegen Beleidi-
gung 14 Tage Gefängnis; Johann Jakob Rühle II. von Ep-
pelheim wegen Körperverletzung 10 Mark Geldstrafe ödcr
Tage Gefängnis; Iohann Friedrich von hier wegen desgleicheN
15 Mark Geldstrafe oder 3 Tage Gefängnis; Marie Schilling
geb. Okhs von Kirchheim wsgen Verstrickunzsdruchs 2 Tage Ge-
fängnis; Georg Kocher von Kirchheim- wegen Körperverletznng
2 Monate Gefängnis; Oskar Dillmann von hier in Haft wegen
UnterschlaguNg 3 Monate Gefängnis; Wilhelm Heinrich SalM
von Ulm in Hast wegen Diebstahls 10 Tage Gefängnis.
Mannheim, 21. Januar. (S chw u r g e r i ch t.)
7. Fall. Der Andrang zur hentigen Sitzung, in welcher
der Mord in Heddesheim zur Verhandluug stand, war sehr
stark. Auf Vorplatz, Treppen und Eingangshalle drängt siw
die Menge. Kurz vor 9 Uhr wird der Angcklagte hereinge-
sührt. Ein fast noch knabenhaft aussehender Bursche mit blons
dcm ins Gesicht gekämmtem Haar. Die Stirn ist niedrig iind
der vorgeschobene Mund und das starke Kinn verraten Sinn-
lichkeit. Er -lätzt nnbekümmert die Micke im Saale hermn-
schweisen. Von irgend einer Erregung zeigt er keine Spur-
Bei der Feststellung der Anwesönhcit der Zeugen ergibt sich»
daß mehrere wegen Krankheit nicht erscheinen konnten.
Nach Feststellnng der Personalicn und der Strasliste — dee
Angeklagte ist noch nicht vorbestraft — wird der Eröffnungs-
bcschlutz verleseu. Vorsitzender zum Angeklagten: Sie
sind eines schweren Verbrechens angeklagt. Bekennen Sie siw
schuldig? — Angeklagter: Ich häbe das Mädchcn nichd
gemordet und kann deswegen die Tat anch nicht eingestehen.
Vors.: Es wird behauptct, Sie hätteu mit der Lang ein Ver-
hältnis gehabt und bei Gelegenheit eines Radfahrerballes mü
ihr zu tun gehabt. — Angekl.: Fch war Nicht anf dem Ball-
Jch war unten in der Wirtschast vom „Deutschen Kaiser" und'
habe die La'nq erst airf der Stratze gesehen, als sie bei WilhelM
Walter, Barbara Schmitt und Barbara Ratz und anderen ans
der Stratze stand. Wir sind dann znsarnmen weiter und von
dem Hause der Herrschast der Lang bin ich, wähvend die an-
deren fortaingen, noch etwa eine Mertelstunde bei der Lanl!
stehen gcblieben.
Der Angeklügte äußertc sich des längeren, tvas er an jenern
Samstag Abend, an dem der Mord geschah, getan. Jch habe
um 7 Uhr zu Ncrcht gegeffen, wobei ich etwa eine halbe Stunde
verweilte. Darauf zog ich mich anders an und° bin ban»
hcm'därmelig in den Schessel'schen Laden gegangen, wo ich mir
Zigarren kanste. Nachdem ich dann noch einmal in den Stall
geschaut, wollte ich Adcnn Schmitt aufsnchen, mit dem ich niiai-
vcrabredet hatte wegen einer Wette. Sr hatte nämlich einigc
Tage vorher gesagt, wenn man einen Vtertelliter Wein >"*
W'irtshaus bestclle, bekomme man einen halben Schoppen, wäb-
rend ich bchauptete, der Viertelltter sei nur ein Fünftel. Es
könne höchstens Uhr gewesen sein, als er Schmitt unter-
wegs getroffen habe. Sie seiew dann in die „Krone", ncnn
einer Stunde in den „Engel" nnd von dort aus gegen halb l^
Uhr heim. Uebers Dorf bin ich den ganzen Abend nicht hinaus-
gekommen. — Vors.: Schmitt bestveitct aber energisch, etwas
iwn einer Verabredung zn wissen. — Angekl.: Es ivar be-
stimmt ausgemacht. — Vors.: Wie haben Sie Nachricht b«-
kommen, datz man die Lang gefimden? — Angekl.: AdcrM
Schmitt hat mir gesagt, sie hätte sich den Hals abgeschnittcn-
Es tvar ünter Mittags, ich habe daher erst gegeffen nnd wollte
dann hinaus, aber dann hietz es, es hätte keinen Ztveck, nia"
dürfe doch nicht mehr hin. Der Angeklagte gibt ferner aus
Befragen zu, datz. als man sich erzählte, die Lang sei in der
Hoffnnng, sein Kamerad Karg, der vor ckhm mit der Lang
tun gehabt babe, ihm gratuliert habe, tvoranf er gesagt habe,
er sei eigentlich dcr, der zu gratulieren habe. Die °Lang haN
zu ihrer (Knapvs) Magd gesagt, sie habe mit ihnr noch nickst^
zu schaffcn gehabt. —- Weiter bringt der Vorsitzende eine"
Prozetz znr Svrache, den nn Iahre 1902 das Dienstmädche"
Therese Schmidt wegen ErnähruNqsbestrags gegen den Ang^s
klagten angestrengt hatte. Der Böweis, die Schmidt habe anw
noch mit eincm anderen Manne verkehrt, glückte nicht und dess^
hallb lietz er sich auf eincu Vergleicb ein, wobei er, da das Kiä"
inzwischen gestorben war, nur 150 Mk. zu zahlen hatte. ""
Vors.: Nach dem Gutachten der Sackwerständigen ist es ans'
gescblossen, datz die Knapp Selbstmord beaangvn hat. — A N''
geklagter: Ich kann mit bestem Gewissen sagsn: Ich habb
den Mord nicht begangen. — Vors.: Wenn die Kncrvv lebcN
geblieben wäre und einen Prozetz gegen Sie angestrengt häÜZ
hätten Sie andere Männer angeben köNnen, die auch msti
Lang verkebrten? — Anaekl.: Ia. Karp und Schmitt. ^
Bors.: Bei der Leicbe ist dieses Meffer gefnnden wordcN-
Man findet die Svur einer Bezeichnimq mit I. K. — Ang^
klagter: Das Meffer kenne ich nicht. Wir haben ähnlickn
Mcffer, aber keine gezeichneten. — Vors.: Es ist eine cnm
fallende Tcrtscnbe. datz dieses Meffer gerabc an dem Zeickstst
von mehreren Bersonen erkcmnt wurdc. datz cs in Ibrem HaN^
war und nachbcr dort fehlte. — Angckl: Ich kenne
Meller nicht. Ich babe nnr ein kleines Tascbenmeffer aehnnß
Der Staatsanwalt macbt auk eine Reihe von Wid^^ü
sprüchcn in den srübercn imd ietstaen Angabön. des Anaektnsis,'
aufmerksam. Sa lätzt er seMellen. datz .Knavv früber sawß'
er sei am 26. Avril keinen Anaenblick bei der Lana stehen
blieben und ietzt aebe er eine Viert-lsstmde zu. Weiter
er früher be-hmivtet, ccks er nrit Sckstnitt zusammen getrofs^
sei, könn« es höchstens ?L9 gewesen sein.
Verein der Vorstadt Mannheim detr. polizeiliche An-
ordnungen.
Die allgemeine Beratung über den Justizetat
wird fortgesetzt.
Ministerialüirektor Hübsch gibt eine Darstellung der
Grundsätze, Vvn denen sich die Justizverwaltung bei Lxr Prü-
fung und Auswahl Ler Kandidaten leiten läht. Das Matz der
Anforderungen bei den Prüfungen ist lediglich durch die Ge-
fetzgetung derändert worden. Selbstverständl.ich ist der Mast-
jtab jetzt ein strengerer als in Zeiten, W0 die jungen Juristen
gesucht sind. Persönliche Verhältnisse und Vorgänge bleiben
unberücksichtigt.' Wenn auch ein Recht auf Verwendung im
Staatsdienst nicht besteht, so ist doch bei uns Grustdsatz, datz
jeder, der sein Examen bei uns bestaniden hat, mit der Zeit
Anstellunz im> Staatsdienst findet. Wenn Aeutzerungen ge-
fallen sind, die dem widersprechen, so decken sie sich nicht init
der Absicht der Justizvertvaltung. Selbstverftänidlich fteht es
aber dem Kandidaten nicht zu, eigenmächtig zu entscheiden,
ob er sich der streitigen Gerichtsbarkeit oder dem Notariat
zuwenden will. Auch mutz es der Justizverwaltung Vovbehal-
ten bleiben, einen Kandidaten zurückzuweisen, wenn die dicnst-
lichn Verhältnisse eines KaNdidaten Len Ansovderungen nich
entsprechn. Jn der letzten Zeit gestaltete sich der Zugang zur
Amvaltschst wie folgt: 1899 von 63 Kandidaten 9, 1900 von
71 KaNdidaten 17, 1901 von 61 Kaudidaten 13, 1902 von 90
Kandidaten 21, 1903 von 80 Kaudidaten 1b. Jm Ganzen
sind zur Zeit 158 verwendbare Reserendäre vorhanden, von
denen 81 bei der streitigen Gerichsbarteit, 41 bei den No-
taricüen, 8 bei der Anwaltschst, 9 im Reichsdienst und 4 im
städtischen Dienst chschftigt sind, nur 4 volontieren. Die Ver-
hültnisse sind also uicht so schliium, wie es da uud dort ausge-
fatzt wird. Hinter den Resereudäreu stehen allerdings 141
Praktikanten, so datz es als wünschenswert chlrachtet
werden dars, datz der Zudrang zum juristischn Stu'dium
sich etwas mindert. Doch sollten nicht übertviechne Besorg-
nisse verbreitet werden, sonst könnte die junge Juristeirwelt
entmutigt werchn.
Abg. Venedey (dem.) weist darauf hin, dah dte Koustan-
zer AUwälte häufig dädurch in der Verteidigung be>chräntt
werden, daß die Angeklagten zu lange im Unterfuchunzsge-
fängnis zu Waldshut chlassen werchn. Die Schwurgerichle
können in ihrer heutigen Zufammensetzung nicht als Volts-
gertchte chzeichnet werden. Die Einführung von Diäten ist un-
Ledingt erforchrlich. Redner tritt für Lie Abschaffunz t>es
Dtajestätschleidigungsparagraphen ein. Es ist ein unhallbarer
Zustand, datz der Kviser und in neuefter Zeit sogar der Krou-
prinz, cht jechr Gelegenheit in die Politii eingreift. Jch er-
innere nur an das Wort von den „vaterlandslosen Gejeüen".
Präsichnt Gönner evsucht dsn Redner, die Allerhüchsten
Persönlichkeiten nicht in die Debatte zu ziehen.
Abg. Venedey (fortfahreUd): Jch kenne keine Bestim-
mung chr Geschäftsordnung, die es verbietet, dieses Thcma
zu berühren.
Präsident Gönner: Es war immer Sitte, an den Aeu-
tzerungen chr Regenten koine Kritik zu üben. Jch bitte, diese
Sitte beizubehalten.
Venedeh (fortsahren): Jch muß konstatieren, daß es
ein uuhaldbarer Zustaud ist, weun mau aus chr einen Seite
augreifen dars, auf chr auderen äber wehrlos dasteht. Das ist
ein trauriges Zeichen unserer Zeit und 'dient nicht ivenig zur
Vermehrung der Majestätschteidigungsprozesse. Redner be-
zweiselt, ob die Verordnunz vom 27. August vorigen Jähres
chtr. die Vorbereitung zum höheren Justizdieust mtt dem Ge-
richtschrsassungsgesetz sich vereinigen lätzt, che die Ausstellung
von Dienstzeugnissen nicht kennt. Diese Bestimmung ist inso-
fern von großer Tragweite, als von chm Zeugnis etnes Vorge-
setzten unter Umstänchn die ganze Karriere eines jungen Ju-
risten abhängt. Die Einsührung eines Bienniums für An-
wälte halte ich in Uebereinstimmung mit meinem Konstanzer
Kollegen für unzweckmätzig. Es tommt doch auch vor, datz Re-
ferendäre sofort nach dem Examen als Amtsrichter verwendet
wevchn. Mir komtnt es vor, äls ob man mtt dem Bienmum
die chati possichntes, die Anwälte vor allzu grohem Zudrang
zu ihrem Beruf schützeu will. Man sollte an dem bestehenden
Zustand nicht rütteln. Redner weist zum Schlutz auf 'die un-
genügenchu baulichen und räumlichen Zustände des Konstanzer
Landgerichts hiu, die bercits vom Abg. Kist eine eingehcnch
und durchaus zutreffench Beleuchtung erfahren hachn. Ein
Anbau wäre dringend notwendig. Der in die schönfte Prome-
nach, wo die eleaante Welt von Konftanz spazieren aebt, hin-
einspringLude hätzliche Flügel muß endlich entfernt werchn.
Ministerialprästdent Frhr. v. Dufch kann es nicht als
Aufgabe chr Regierung betrachten, alle Einzelwünsche chtr.
Revision der Strafprozetzordnuug zu beantworten. Die Re-
gierung ist aber chreit, den Anregungen, soweit sie die Landes-
justizverw-altung chtreffen, nach Möglichkett Rechnung zu tra-
gen. So wird sie gerne auf Beschleunigung der Gesaugenen-
transporte von Waldshut nach Konstanz hinwirken. Wo die
Kosten in keinem Verhältnis znm Roat stehen, wird 'die Justiz-
chrwaltung gerne im Gnadenwege einen Nachlatz chwirken.
Wenn die Besetzung der Schwurzerichte nicht allen Wünfchen
entspricht, so rührt dies hauptsächlich daher, datz die Geschwore-
nen keine Diäten chkommen. Hier sind wir aber machtlvs,
weil die Prozeßordnung geänchrt werchu mutz. Re'dner
glaubt nicht, im Gegensatz zu Veneidey, datz chr Paragraph 12
Abfatz 2 chr lanchsherrlichen Verordnung vom 17. August
vorigen Jahres gegen das Gerichtschrsassungsgesetz chrstötzt.
Ter Rechtspraktikant ist ein nichtetatmätziger Beamter und
untersteht als solcher 'chr Dienstpolizeiordnung. Von ihm kann
und muß chrlangt werchn, datz er seineu Pflichten nach-
kommt. Es handelt sich ntcht um die Beurteilung, ob er ge-
nüzenich Kenntnisse erworben hat, sonchrn nur um die subjek-
tich Seite. Tie Beschwerden wegen 'chr verschiechnen Ge-
bäude werchn am Schlutz chr Debatte in Zusammerchang ch-
antwortet; chzüglich des Konstanzer Landgerichtsgebäuchs
möchte ich nur bcmerken, daß, wer den Aveck chs Vorbaus nicht
kennt, nichts chchnkliches-dahinter sucht (Heiterkeit). Bei die-
ser Frage spielt die Finanzlage eine grotze Rolle.
Abg. Hennig (Ztr.): Der immer mehr um sich greifench
materielle Geist und das Schwiuden chr religiösen Gesinnung
trägt nicht wentg zur Vermehrunz chr Prozesse bei. Die Ub-
schaffuntz chs Eides und chs Gotteslästerungsparatzraphen
wäre gleichbedeutend mit chm Zurückdrängen des religiösen
Gedankens. Jch wunchre mich, datz Muser, chr dach ein so ge-
bildeter Herr ist, etne so schiefe Ausfassung vom Eid hat. Jn
jedem Katechismus weüden die Kinder auf die Ilbscheulichkeit
chr Lüge und auf die Folgen chs Meineids hingewiesen. Das
kann doch nicht ähne Einwirkung bleichn. Muser wird sich gut
keinerlei Vorschriften macht, so scheint die erwahnte Tat-
sache doch zu beweisen, daß man in den Reihen der Geist-
lichen bei der wachsenden »Kampsbewegung gegen 'den
Alkohol bereits Bödenken trägt, durch die Darreichuug ge-
gohrenen Weines irgend einen Abendmahlsgast einem
Gelvissenszwange auszusetzen.
Deutsch. Berliner: .Na, sagen Sie mal, Mänrveken, wo
kanu Man denn bei Sie een jutes Troppchen Bier
kviechen. — Schwäbischer Bauer: Das versteht koi Sau,
tvas Sie do schwähet, geschweige i und überhaupt, wenn Se d'
Lejt fröge went, na schwätze-t Se deutsch!
untcrhalten, wenn er dem Katechismus eimge Stunden widmet.
(Heiterkeit.)
Abg. Dr. Weitz (natl.) empfiehlt statt der Averfierung
der Notare die allgemeine Einführung einer Bauschsumme. Be-
züglich der Ratschreiber drängt fich etnem die Ueberzeugung
auf, daß der Staat nach und nach sämtliche Lasten auf die Ge-
meinde abzwvälzen sucht. (Sehr richtig!) Bei der Entlohnung
der Ra-tschreiber sollte ma» die Arbeitsstunde, ntcht die absolute
Höhe der Besöldung zu Grunde logen. Nun einmal die Neu-
ordnung getrosfen ist, mutz man eben sehen, woher das Geld
zu nehmen ist. Eine Aenderung der Vorbereitung unserer
Anwält-e halte ich sür dringend wünschenswert. Das Amtsge-
richtsgebäude in Eberbach entspricht seinem Zweck nicht inehr;
der berests in Äussicht genommene Neubau sollte beschleunigt
toerden.
Abg. Franz (natl.) schlicßt sich den Aussührunzen des
Vorrelmers begüglich Äer Grundbuchbeamten an. Die Stadt
Rastatt m-uß beispielsweise für das Grundb-uchamt 1800 Mark
zu'legen. Jm Land empsiudet man dtes als große Härte.
Abg. Harsch (natlZ führt aus, datz die Verhältnisse in
Bretten ganz ähnlich liegen, wie in Rastatt. D-er Staat sollte
doch Beamte, die er vollständig in Anspruch nimml, auch voll-
ständig bezahlen und so dic berechtigten Wünsche der mittlcren
Städte besrte'digen.
Geh. Oberregierungsrat Trefzer betont, datz keine neue
Notariate geschaffen, sondern nur bestehende zu etatmähigen
ausgebaut werden. Die Besürchtung, datz die Zahl der Roia-
ricrte sich ins Ungemefsene vermehren könnte, ist unbezrüudei.
Bet Etnsührung der Neuordnung Lestauden 133 Notariare;
in der 1. Budgetperiode kamen 15, in der 2, 10 hinzu und jetzt
find 5 neue anyefordert. Mit diefen 165 Notariaien glauoen
wir auf die Dauer auskommen zu können. Die Sitze köi'nen
wegen der grohen Ansdehnung manck'-^ Dezirke nicht din'w-
weg in den Amtsstädten errichtet tverden. Aus dieseni Grunde
mutzten, wenn auch ungern, manche Gsmein'den vom seitherigen
Verband losgelöst werden. Dabei ist aber überall mit den
diensttichen Bedürfnissen das Jnteresse der Bevölkerung Hand
in Hand gegangen. Redncr zollt den Ratschrctbern Änerken-
nung, die sich mit grotzem Fleiß und an vielen Orten mit Er-
fotg in die neuen Verhältnisse 'hineiugefuuden haben. «ie dür-
sen für ihre Mühe selbftverständlich nicht blotz Anerkennung,
sondern anch kltngeuden Löhn beanspruchen. Dabet ist aber zu
Lerücksichtigen, daß die Grundbuchsühruug uicht ausschlietzlich
Sache des Staates ist, son'dern dah s. Zt. ausdrücklich gewünscht
wurde, datz die Grundbuchsühruug den Gemeinden vevbleibt.
Das abgelausene Jahr war für die Ratschreiber das günstigste.
Sic bezogen aus der Grundbuchführung inszesamt 680 000
Mari, d. h. mehr als sie im Jahre 1897 aus lausenden Arbei-
tcn erhalten haben. , Jm cinzelnen betrugen die Einnahmen
der Ratschreiber aus laufenden Geschästen 420 000 Mark,
ans Umschreibungen 260 000 Mark gegen die Gesamteinnah-
men von 364 000 Mark aus laufenden Geschäften im Jcchre
1897. Gleichwohl mag es Ratschreiber geben, die von dieser
Gesamtverbefserung nichts zu spüren bekamen; alletn das kann
die Rogierung nicht ändern. Grötzere Letstuntzen für das
Grnudbuchwesen, als jetzt geschieht, kann der Staat nichk auf
sich nehmen, da 'die ersreuliche Mehreinucchme von 600 000
Mark immer noch um 300 000 Mark hiuter dem Abschluß von
1897 zurückblcibt. Zuzugeben ist, dah die Amtsstädte nicht den
gleichen Vorteil von der Neuordnnng haben, wie die Lan'dge-
meiüden und es ist begreislich, datz sie auch zleich den großen
Städten den Rahm abschöpfen möchten; aber wir können die
kleinen Städte gegenüber den Landgemeinden nicht bevorzugen,
sondern es muß bei der bestehenden Ordnung bleiben und die
grotzen Stadte müssen im Jnteresse der Gesamtheit ein Opfer
bringen. (Sehr richtig!).
Um 1 Uhr wird die Sitznng abgebrochen. Fortsetzung
Samstag halb 10 Uhr.
Karlsruhe, 21. Jan. Bei der Beratung des
Etats- der Steuerverwaltung in der Budget-
kommission erklärte die Regierung lt. „B. B.": ,Die G e-
bäude-Neueinschätzung ist nahezu been-
det; eine Denkschrift wird diesem LaNdtage zugchen, ein
außerordentlicher Landtag zur Erledigung der L>teuer-
reform wird nicht einberufen. Die nene Vermö'gens-
sieuer wird nicht vor dem 1. Januar 1908 eingeführt
werden. Die Gesetzesvorlagen gehen voraussichtlich dem
nächsten Landtage 1908—06 zu. Die neu zu erricktenden
drei Bezirke für Steuerkommissäre kommen nach Lahr,
Psorzheim und Neckarbischofsheim. Die Beschaffung eines
Dienstgebäudes sür das Finanzamt Mosba ch veran-
laßte längere Erörteruugen, weil es sich um den Kanf
eines vorhandenen und nicht um die Erstellung eines
ueuen Gebäudes handelt. Der Kaufpreis von 62 000 Mk.
wurde mit Mehrheit genehmigt; er erscheint der Kom-
mission wesentlich niedriger, als was ein Neubau kosten
würde. Wegen des Neubaues eines Dienstgebäudes für
die Steuereinnehmereien uud für zwei Steuerkommissäre
iu Freiburg sür 120 000 Mk. wurden die Pläne von der ^
Kommisston verlangt. Die Wstimmung wurde ausgesetzt.
— Die Biersteuer ergibt nach dem letztjährigen
Durchschnitt 208 850 Dtk. weniger; es berüht dieses nicht
allein auf einem Minderkonsum von Bier, sondern auch
auf der besseren Ausnlltzung von Malz; — vielleicht auch,
weil da uNd dort ein „dünnes" Bier gebraut wird. Der
Titel Zollverwaltung im ordentlichen und außerordent-
lichen Etat wurde genehmigt.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
dem Kaufmann Karl Maurer in Barcelon-a das Ritterkreuz
2. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen und
den Telegraphensekretär Friedrich Deimling in Dkannheim
mit Wirkung vom 1. ,Jnli 1903 zum Ober-Telegraphensekretär
bei dem Telcgraphenamie daselbst crnannt.
—- Dem Amtsrevtdenten G. Bickel in Heidelberg wur'de
'die nachgesuchte Entlassung aus dem staatlichen Dienste erteilt.
— Betriebsassistent Hermann Hecker tn Bäden wurde
nach Zell i. W. versetzt.
Karlsruhe, 21. Jan. Der Großherzog emp-
fing heute Vormittqg 11 Uhr den Mnister Dr. Schenkel
zur Vortragserstattung mnd erteilte um 12 Uhr dem
Generalleutnant z. D. v. Liebert Audienz. Um halb 1
Uhr empsing Seine 'Königliche Hoheit den Hofmarschall
Freiherrn von Gemmingen, welcher die Orden seines ver-
storbenen Schwiegervaters, des Obersthofmeisters Frhrn.
von Edelsheim, der anch Ritter des Hausordens der Treue
war, zurückgab. , Jm Laufe des Nachmittags nahm der
Großherzog die Borträge des Geheimerats Dr. Freiherrn
von Babo und des Legationsrats Dr. Seyb entgegen.
Abends wohnen die Großherzo-glichen Herrschaften dem
vom Badischen Landesverband des deutschen Flottenver-
eins veranlaßten und von dem Generalleutnant z. D-
von Liebert gehaltenen Vortrag über Deutschlands Rü'
stung zur See im großen Museumssaal bei.
Aus Stadt und Land.
Heidelbcrg 22 Januar.
Zweiter Bortrag im Volkshochschnlkursuß. Ter ztveide
Vortrag im Volkshochschulkursus, den lic. theol. Wielandt
gestcrnAbeich in der Universität hielt u. der dasThema: „Moses
uud Darwin" behanidelte, hatte gleich dem evsten Vortrag einen
sölchen Besuch zu verzeichnen, datz alle Plätze besetzt ivaren-
Einen kurzen Bericht über die Aussuhrunzen des Redners
werden wir morgen bringen. Nach Schluh des Vortrages
wurden an den Referenten eine Anzahl Fragen gestellt, welchc
zum Teil das gestrige Thema gar nicht berührten, aber alle Be-
cmtwortung sanden. — Nach der Versammlung wurde vcm der
sozialtdemokratischen Partei vor der Universität eine Einladnng
zu einer grotzeu ösfentlichen Versammlung verteilt. Thema:
„Der Tenkende und die Kirche."
V Große Kunst-Ausstellung in Heidelberg. Wie uns mitge-
teilt wurüe, soll bereits morgen, Samstag, die Sammlnng
der Frau Baronin von Wangenheim sowie eine stattliche An-
zahl anderer Gemälde im Hause 'des Herrn F. A. Christm.inn,
Hauptstratze 146, in dem Parterre uud döm oberen Raume sür
kurzc Zeit zum Verkauf ausgestellt werdeu. Der uns voige-
legte Katalog verzeichnet Werkö von Achenbach, Knaus, Grütz-
ner, Stuck, Schleich, Gabo, v. Max, Kröner u. noch andere
mehr. Die Eröffnimg wir'd durch Jitserate bekannt gemacht.
— Polizeibericht. Sieben Personen wurden wegen Bet-
telns verhaftet. Zur Anzeige kamen 6 Personen we-
geu Ruhestörung und Unfugs, 10 wegen unerlaubten Schlit-
tenfahrens und 1 Taglöhuer wezen Körperverletzung.
-s- Schöffengerichtssitzung vom 21. Jcmuar. Vorsitzender:
Oberamtsrichter Dr. Seitz. Max Fränkel von Mannheim,
cmgeklagt wegen Betrugs, wurde sreigesprochen; Johaun Georg
Bauer von hier erhielt wegen Unterschlagung 3 Wochen Ge-
fängnis; Anton Höniz Ehchrau von hier wegen Ruhestörung
4 Tage Hast; Mathias SpaH von Eppelheim tvegen Beleidi-
gung 14 Tage Gefängnis; Johann Jakob Rühle II. von Ep-
pelheim wegen Körperverletzung 10 Mark Geldstrafe ödcr
Tage Gefängnis; Iohann Friedrich von hier wegen desgleicheN
15 Mark Geldstrafe oder 3 Tage Gefängnis; Marie Schilling
geb. Okhs von Kirchheim wsgen Verstrickunzsdruchs 2 Tage Ge-
fängnis; Georg Kocher von Kirchheim- wegen Körperverletznng
2 Monate Gefängnis; Oskar Dillmann von hier in Haft wegen
UnterschlaguNg 3 Monate Gefängnis; Wilhelm Heinrich SalM
von Ulm in Hast wegen Diebstahls 10 Tage Gefängnis.
Mannheim, 21. Januar. (S chw u r g e r i ch t.)
7. Fall. Der Andrang zur hentigen Sitzung, in welcher
der Mord in Heddesheim zur Verhandluug stand, war sehr
stark. Auf Vorplatz, Treppen und Eingangshalle drängt siw
die Menge. Kurz vor 9 Uhr wird der Angcklagte hereinge-
sührt. Ein fast noch knabenhaft aussehender Bursche mit blons
dcm ins Gesicht gekämmtem Haar. Die Stirn ist niedrig iind
der vorgeschobene Mund und das starke Kinn verraten Sinn-
lichkeit. Er -lätzt nnbekümmert die Micke im Saale hermn-
schweisen. Von irgend einer Erregung zeigt er keine Spur-
Bei der Feststellung der Anwesönhcit der Zeugen ergibt sich»
daß mehrere wegen Krankheit nicht erscheinen konnten.
Nach Feststellnng der Personalicn und der Strasliste — dee
Angeklagte ist noch nicht vorbestraft — wird der Eröffnungs-
bcschlutz verleseu. Vorsitzender zum Angeklagten: Sie
sind eines schweren Verbrechens angeklagt. Bekennen Sie siw
schuldig? — Angeklagter: Ich häbe das Mädchcn nichd
gemordet und kann deswegen die Tat anch nicht eingestehen.
Vors.: Es wird behauptct, Sie hätteu mit der Lang ein Ver-
hältnis gehabt und bei Gelegenheit eines Radfahrerballes mü
ihr zu tun gehabt. — Angekl.: Fch war Nicht anf dem Ball-
Jch war unten in der Wirtschast vom „Deutschen Kaiser" und'
habe die La'nq erst airf der Stratze gesehen, als sie bei WilhelM
Walter, Barbara Schmitt und Barbara Ratz und anderen ans
der Stratze stand. Wir sind dann znsarnmen weiter und von
dem Hause der Herrschast der Lang bin ich, wähvend die an-
deren fortaingen, noch etwa eine Mertelstunde bei der Lanl!
stehen gcblieben.
Der Angeklügte äußertc sich des längeren, tvas er an jenern
Samstag Abend, an dem der Mord geschah, getan. Jch habe
um 7 Uhr zu Ncrcht gegeffen, wobei ich etwa eine halbe Stunde
verweilte. Darauf zog ich mich anders an und° bin ban»
hcm'därmelig in den Schessel'schen Laden gegangen, wo ich mir
Zigarren kanste. Nachdem ich dann noch einmal in den Stall
geschaut, wollte ich Adcnn Schmitt aufsnchen, mit dem ich niiai-
vcrabredet hatte wegen einer Wette. Sr hatte nämlich einigc
Tage vorher gesagt, wenn man einen Vtertelliter Wein >"*
W'irtshaus bestclle, bekomme man einen halben Schoppen, wäb-
rend ich bchauptete, der Viertelltter sei nur ein Fünftel. Es
könne höchstens Uhr gewesen sein, als er Schmitt unter-
wegs getroffen habe. Sie seiew dann in die „Krone", ncnn
einer Stunde in den „Engel" nnd von dort aus gegen halb l^
Uhr heim. Uebers Dorf bin ich den ganzen Abend nicht hinaus-
gekommen. — Vors.: Schmitt bestveitct aber energisch, etwas
iwn einer Verabredung zn wissen. — Angekl.: Es ivar be-
stimmt ausgemacht. — Vors.: Wie haben Sie Nachricht b«-
kommen, datz man die Lang gefimden? — Angekl.: AdcrM
Schmitt hat mir gesagt, sie hätte sich den Hals abgeschnittcn-
Es tvar ünter Mittags, ich habe daher erst gegeffen nnd wollte
dann hinaus, aber dann hietz es, es hätte keinen Ztveck, nia"
dürfe doch nicht mehr hin. Der Angeklagte gibt ferner aus
Befragen zu, datz. als man sich erzählte, die Lang sei in der
Hoffnnng, sein Kamerad Karg, der vor ckhm mit der Lang
tun gehabt babe, ihm gratuliert habe, tvoranf er gesagt habe,
er sei eigentlich dcr, der zu gratulieren habe. Die °Lang haN
zu ihrer (Knapvs) Magd gesagt, sie habe mit ihnr noch nickst^
zu schaffcn gehabt. —- Weiter bringt der Vorsitzende eine"
Prozetz znr Svrache, den nn Iahre 1902 das Dienstmädche"
Therese Schmidt wegen ErnähruNqsbestrags gegen den Ang^s
klagten angestrengt hatte. Der Böweis, die Schmidt habe anw
noch mit eincm anderen Manne verkehrt, glückte nicht und dess^
hallb lietz er sich auf eincu Vergleicb ein, wobei er, da das Kiä"
inzwischen gestorben war, nur 150 Mk. zu zahlen hatte. ""
Vors.: Nach dem Gutachten der Sackwerständigen ist es ans'
gescblossen, datz die Knapp Selbstmord beaangvn hat. — A N''
geklagter: Ich kann mit bestem Gewissen sagsn: Ich habb
den Mord nicht begangen. — Vors.: Wenn die Kncrvv lebcN
geblieben wäre und einen Prozetz gegen Sie angestrengt häÜZ
hätten Sie andere Männer angeben köNnen, die auch msti
Lang verkebrten? — Anaekl.: Ia. Karp und Schmitt. ^
Bors.: Bei der Leicbe ist dieses Meffer gefnnden wordcN-
Man findet die Svur einer Bezeichnimq mit I. K. — Ang^
klagter: Das Meffer kenne ich nicht. Wir haben ähnlickn
Mcffer, aber keine gezeichneten. — Vors.: Es ist eine cnm
fallende Tcrtscnbe. datz dieses Meffer gerabc an dem Zeickstst
von mehreren Bersonen erkcmnt wurdc. datz cs in Ibrem HaN^
war und nachbcr dort fehlte. — Angckl: Ich kenne
Meller nicht. Ich babe nnr ein kleines Tascbenmeffer aehnnß
Der Staatsanwalt macbt auk eine Reihe von Wid^^ü
sprüchcn in den srübercn imd ietstaen Angabön. des Anaektnsis,'
aufmerksam. Sa lätzt er seMellen. datz .Knavv früber sawß'
er sei am 26. Avril keinen Anaenblick bei der Lana stehen
blieben und ietzt aebe er eine Viert-lsstmde zu. Weiter
er früher be-hmivtet, ccks er nrit Sckstnitt zusammen getrofs^
sei, könn« es höchstens ?L9 gewesen sein.