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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 (1. März 1904 - 31. März 1904)
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Z«stia, rs, Mj 1SU.

Erstes Blatt

4K. IihkMs. — ö»L73.

DUMM


Arscheint täglich, Sonntag» aukgenommen. Prei» mit Familienblättern monatlich 60 Vfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zmelgstationen abgeholt 4V Pfg. Durch di« P«st

bezogen vierteljährlich 1,36 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

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an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnierate aui dcn Pla kattafeln der Heidelberger Zeitnng nud d>.ii uädtischen Anschlagstellen. Ferr.sprechsr 82.

Kreisversammlung.

^ Heidrlberg, 26. März.

' -, Die 39. ordvntliche Kreisversammluntz des Kreises Heidel-
wurdc hente Vormittatz Ohs Uhr inr Saale des Bürger-
Hlsschusses von dcm Kreishauptmann Gch. Reg.-Rat Dr.
^ eikex erösfnet.

» Anwesend sind 37 Mitglieder. darnnter als Vertreter oes
D^°^Srundbesitzes die Herren Frhr. A. v. Detzenfelo, Graf
d. Helmstatt, Frhr. v. Gemmingen-Hornbcrtz, Frhr. v. La

^oche-Starkenfels.

Anwesend ist ferner Landeskommtssär P f i st erer auS
"^nnheim.

s. T«r Kreishauptmann begrüßt die Versammlung und heitzt
cn I^nndlichst willkonunen, mit dem Wunsche, datz die Ver-
"^lungen einen guten Verlauf nehmen unü zum Segen für
^l^Kreis gereichen mögen, Darauf wiomet er dem dahin-
^lR^benen Dr. B lu m herzliche Wortc des 'GeLentcns; Blum
K ,^nrch 34jähr. Tätigkeit auf dem Gebiete der Verwaltung ües
^ ri^g aus- engste mit demselben Verlvachsen gewcsen. Dem
^^hauptinann sci es einc Pflicht, und ein persönliches Be-
arsnis, des Verstorbenen hier zu gedenken. Doch wolle er

es

Berufeneren überlassen. die Verdienste des Verblichc
^ des Näheren zu würdigen.

«urn Vorsitzenden tvird Oberbürgcrnieistcr Dr. W i l ck e n s,
m Stell'vertreter Graf Helmstatt, zu Schriftführern
Herren Bürgermeister Betz von Gemmingen und Ge-
Runz von Ziegelhausen gewählt.

Nstj, . ^sbürgermcister Dr. Wilckens übernlmint den Vorsitz
„ Ipricht dcn Wunsch für einen gedeihlichen Verlauf der
^"landl .

Min

die

Uiej

dgi, Herr Kreishauptmaun hat bereits darauf hingewiesen,
des letzten Kreisversammlung der frühere Vorsitzende

.^isausschusses, Herr Dr. W. Blum, aus dem Leben ge-
tvgi, " ist. 34 Jähre lang hat er oie Geschäfte der Kreisver-
^ug geleitet, bis er vor 2 Jahren mit Rücksicht auf seiu
jjs-^rücktcs Alter es ablehnte, dicse Leitung nochmals zu
l,,^^^hmen. Er hat aber noch an der letzten Kreisversamm-
Noi, Vertreter der Heidelbergcr AmiStzemeinden teilge-

t>e,, Seine Verdienste um den Kreis Heidelberg stnd

"Ar bcreits früher eingehend gewürdigt worden. Jch
de,- wiederholen, daß mir in ihm einen treuen Freund
wst E^ibstverwaltung, einen eifrigen Förderer der geistigen
H^-.. s. wirtschastlichen Jnteressen der Kreisbevölkerung, eine
.ikeit von weitcm Gesichtskreis, reicher Erfahrung und
^erständnis für die Aufgaben der Gegcnivart, sowie
äuverlässigen, charakterfesten und unabhängigen Mann
haben, dessen Name allezeit aufs ehrenvollste mit oer
ex des Kreises Heidelberg verknüpft sein wibd. Was

Äahrzehnte langer hingcüungsvoller und uneigennütziger
Niz v, den Krcis gcleistet hat, wird im dankbaren Gedächt-
An! Kreisangehörigen forlleben.

^Nng - ^ nuch noch zwei anoere Mitglieder der Kreisversamm-
bexsk, Nno seit unserer'letzten Tagung aus biesem Leben ab-
worpen. jZs sind dwZ dw Herren Freiherr Ludwig von
bischo-Nnrs zu Nutzloch und Landwirt Adam Schiek in Neckar-
.bez ^hsNin. Beide haben lange Zeit hindurch der Vertretung
Ngh^vises Heidelberg angehört unü sich durch eifrige Teil-
hgftes unsercn Verhandlungen, sowie durch reges und leb-
zeich ^Änteresse für die Angelegenheiten des Kreises ausge-
Auch ihnen wcroen wir stets ein freundliches Ge-

^Ntsw, " Sie nns, meine Herren, das Gedächtnis der drel
^vh^^ nfenen oadurch ehren, daß wir uns von unseren Sitzen

wstA.-?' wird hierauf in die Beratung der Berichte des Kreis-
uises eingetreten.

Allgeniei„xx Geschäftsbericht für das Jahr 1903.

Erstattet vom Kreisausschutz.

^stelbe wird ohne Diskussion zur Kenntnis genomimen.

ung aus. Er sagt dann:

II.

Bcricht über die Armcnkinderpftege des Kreises.

Erstattet von Prof. Fr. Eisenloyr.

Nach einigen Worten des Referenten, welche auf die Aus-
dehnung des Jnstituts der Armenkiuderpflege hinweisen, wcr-
den die Anträgc oes Ausschuffes angenommen.

III.

Bericht über die Kreisaüteilung der Lmsenheilanstalt.

Erstattet von Prof. Fr. Eisenlohr.

Der Berichterstatter tveist auf die bedeutende Zunahmc der
Pfleglinge hin, wodurch auch die Kosten wachsen. Diese Zu-
nähme beweise aber gerade den Nutzen der Anstalt. Alleroings
habe das Steigen der Kosten auch seine Schatlenseite. Da sic
ourch etwas sehr bereitwillige Einweisung von Kindern als
Arme in die Anstalt herrühren, so wird sich fragen, ob- man
nicht oen Gemeindcn ein Drittel der Kosten auferl-egen solle,
damit sie in der Bescheinigung der Armut und des tlnter-
stützungswohnsitzes der betreffenden 'Kinder vorsichtiger zu
Werke gehen.

Herr H a m brccht fragt, ob die Sache nicht so zu machen
wäre, oatz die Gemeinden lieber einen allgemeinen bestimmten
Züschuß zahlen. Es würde mvnchen vom Lande von der Be-
nutzung der Anstalt abschrecken, wenn er höre, die Ge-
meinde solle ein Drittel für ihn bezahlen.

Prof. Eisenlohr hebt demgegenüber hervor, datz die
Gemeinden ja durch> den Äreis zählen. Herr H a mbrecht
erwidert, daß er das wohl wiffe, allein, es gebe doch Viele,
welche dic Anstalt nicht benutzcn, wenn sie wiffen, datz die Ge-
meindc für sie ein Drittel tragen müffe. Herr Neuwirth
macht darauf aufmertsam, datz dcr Zuschuß des Kreises be-
ständig wächst, Es müsse ettvas in dem Sinne des Referenten
geschehcn,

Landeskommissär P f i st e r c r unterstützt die Anregung
des Berichtcrstatters mit dem Hinlweis auf die anderen Kreise,
Nrelche die Anstält benutzen, und es so machen, datz sie einen
Teil der Kosten von dcn Beteiligten bezw. von dein Armen-
verband zurückerheben. Die Anstalt werde in steigendem Nkatze
benutzt, oer Zweck, sie bekannt zu machen, sei völlig erreicht.
Nun könne der Kreis sich ettvas zurückziehen und wenigstens
ein Drittel der Kosten den Beteiligten überlassen.

Der Antrag des Kreisausschusses, wonach vom 1. Juli d. I.
ab ein Drittel von den Beteiligten erhoben wird, sowie die
weiteren Anträge, betr. die Genehmigung der Ueberschreitung
und den Zuschuß des Kreises zur Anstalt, werden angenommen.

IV.

Bericht über die Verpflegung vrn Kreisaneehörigen in der
akademischen Augcnklinik.

Erstattet von Prof. Fr. Eisenlohr.

Der Berichterstatter ergänzt dcn gedruckten Bericht durch
einize mündliche Aussührungen.

Die Anträge dcs Kreisausschuffes lverdcn genehmigt.

V.

Bericht über die Landarmenpflege des Kresses.

Erstattet vom Kreisausschußmitglie'd Landgerichtsrat
Dr. Gautier.

Der Berichterstatter weist daraus hin, datz der Durchschnitt
der letzten zehn Jähre iin letzten Fahre erheblich überschritten
worden ist, namentlich infolge der Ausgaben für Personen,
die an Jrrenanstaltcn und an polizeiliche Arbeitshäuser
überwiesen waren. Auch die Verpflegung in Krankenhäusern
habe Mehrkosten erfordert. Trotzdem hofft man, niit dern
Durchschnit von 32 000 Mk. durchzukornmen.

Die Anträge des Kreisausschusses werden genehmigt.

VI.

Jahresbericht über die Kreispflegeanftalt in Sinsheim.

Erstattet von dem Vorsitzenden 'des Sonderausschusses Bürger-
meister Prof. Dr. Walz.

Ter Berichterstatter weist auf den gedruckten eingehenden
Bericht des Anstaltsdirektors hin. Die Ernährung der Pfleg-
linge dürfe als eine recht gute bezeichnet werden. Weitcr
wolle der Sonoerausschuß in dieser Richtung zunächst nicht

gehen. Jnfolzc dcs Umbaues sei der Betricb eingeschränkt
worden, 'wodurch sich auch einc Aenderung gegenüber deni
Voranschlag ergab, Der Neubau sei im besten Fortschreiten
bcgriffen. Die Anstalt werde sich im ganzen Lande sehen
lassen köunen. Dabei sei abcr nichts Unnötiges a.usgegeben
worden. An di'e nächstc «itzung der Kreisversammlung könnte
sich vielleicht schon oie Besichttgung der Anstalt anschließen.

Amtmann v. Böckh bcmertt, die Anstalt mache dcn Ein-
druck, daß stc den Ansorderungcn der Sicherheit und der Rein-
lichkeit entspreche. Luxus sei nicht getrieben. Zu wünschen
. sei, datz man den alten Bau nach Fertigstellung des neuen
bcseitige, uno zwar schon aus Gründen der Sicherheit. Er
sei eine sehr feuergesährliche Nachbarschaft für den Nenbau,
neben dem cr sich in scineni defettcn Zustan.de gar nicht sehen,
lassen könne. Die Belegung der Anstalt nach Fertigstellung
des Neubaues tverde sich lercht vollziehen, wenn die Gemeinden
darauf sehen, daß Allers- und Jnvaliocnrentner die Anstalt
aussuchen. Dieses würde erlcichtert, wenn die Gemeindcn dafür
sorgten, datz die Betreffenden in einer 'höheren Klasse sich ver-
sichern, Dann könnte dte Rente gerade für den Verpflegungs-
satz ausreichen, *

Bürgcrmeister Dr. Walz bemerkt, den alten Bau wolle
man nicht erhältcn; es sei ja auch schon im vorigen Jähre be-
schlossen worden, ihn zu beseitigen. Die Gemeinden sollten
die Anregnng des Vorredners letr. Alters- und Jnvaliden-
rentner benutzen, damit in der Ueberzangszcit der Raum der
Anstalt völlig ausgcnutzt werdc.

Herr Hambrecht sagt, es halte sehr schwer, eine
Person nach der Anstalt Sinsheim zu bringen. Jetzt tverde
das Wßtraucn tvohl geringer werden, wenn sich die Pfleglinge
in det' neuen Nnstalt wohlfühlen. Die Unterbringung der
Altersrentner in einem Heim mit anständiger Pflege wäre sehr
zu bogrüßen', denn bei ihren Kindern haben es solche alte Per-
sonen oft sehr sch'lecht.

Bürgermeister Dr. Wnlz bittct um Bekämpfung des Miß-
trauens, das in dem neuen Gcbäude nicht mehr berechtigt sei.
Die Verpflegung sei besser, als sie Mancher daheim jemals ha-
ben könnc. Schon das hübsche Aeutzere der Anstalt werde hel-
fcn, das Mitztrauen zu verscheuchen.

Landeskommissär Pfistercr weist darauf hin, Latz iu
allen Kreisen geklagt tverde, die Leute gehen nicht gerne in die
Kreispflegeaustalten. Sie verlieren ihre Freiheit und das
schmerzt sie; an der Anstalt liegt das nicht. Hoffentlich
werde sich die Anstalt in Sinshcim mehr und mehr das Ver-
trauen der in Frage kommendcn Kreise erwerben, da die Für-
sorge in de.r humansten und wo'hlwollendsten Weise ausgeübt
tverde.

Die Anträge des Ausschusses werden angenommen.

VII.

Bericht über die landwirtsch. Kreiswinterschule z« Eppingen.

Erstattet vom Aufsichtsrat.

Dic Anträge des Kreisausschusses 'werden ohne Tebatte
genehmigt.

VIII.

Bericht über die landwirtsch. Kreiswinterschule zu Wiesloch.

Erstattet von Major a. D. C. Koehnhorn.

Der Berichterstatter bezieht sich auf öen gedruckten Bericht

Die Anträge des Krcisausschuffes werden genehmigt.

IX.

Jahresbericht der Kreishaushaltungsschule Neckarbischofsheim
sür das Schuljahr 1902—1903.

Erstattet vom Aufsichtsrat.

.Berichterstattcr Neuwirth bezieht sich auf den gedruck-
ten Bericht. Dic Schule sei jeht völlig eingerichtet, weshalb der
Zuschutz geringer geworden sei. Die Schule gedeihe, zum
erstenmal mutzten Anmeldungen wegen Uebersüllung zurück-
gewicsen werden.

Der Vorsitzende wünscht.V datz die Mnahme der Auf-
wendungen eine dauerndc sein möge. Die Anstalt habe darin
ein gutes Beispiel gegeben.

Die Anträgc des Kreisausschusses wtirden genehmigt.

Ellen Key.

u. sVortrag im Lehrerinnon-Verein.)

^ü>in^i^^^ech, den 28. März, hielt Herr Rechtspraktikant
, 'i/> nharL zu Gunsten des Lehrerinnenvereins einen

'^er Ellen Key sein Beitrag zur Kinder- und Frauen-

D.

^ Sum Sozialismus).
n Äeri >stD^ner hatte es sich ^zur Aufgabe gemacht, aus der
^bfz^stsenge ies gegebenen Stoffes dtejenigen Gesichtspunkte
V^Etj^ riuf dcnen, als einer einheitlichen Grundlage,
, Werke Ellen Kehs aufgebaut sind, diejenizen Jdeen

die nach Ellen Keys Ansicht für die Benrteilung
nijNs. ^ Lösung der großen Zeitfragen ausschlaggebend
^>e nUnü da alle diese Jdeen in eine einzige Lehre,
z^^lausx ^ öer „Befreiung der Persönlichkeik", zusam-
d>i «Zolj V- ^ mußte notwendigerweise den Erörterungen über
. N<,^^"?mus der breiteste Ranm gewährt werden.
psgettii, ^ner längeren Einleitnng wurde etwa Folgendes

^^^'Eung ist 'bedingt durch den Widerstreit von Ge-
»zen b»,,'.füe Entwicklung der menschlichen Kultur kom-
^ruis^iadch zwei Faktoren^'

in Betracht: Egoismus und

,, Die ' ^^elbstgefühl und Mitgefühl.
l^brinen^"^^ tlntersuchung über die knltursördernden und
.sen Cxs 7^" Wirkungen dieser beiden Faktoren hat bie schroff-
tjs M.NA in ihrer letzten Entwicklung den Bollblutindividu-
ichen Nietzsche einerseits, die Utopien des sozialpoli-

^.unftsstaates andererseits gezeitigt.
lic.R'E der Menschen ist zu allen Zeiten auf das

r, Seln„ gewesen. Ein wirkliches Glück kann aber dei

H den ke,.- nnd damit die Gesamtheit — nur erreichen, wenn
N SUw " seiner eigenen Natur folgen, wenn er sein Le-
I. Dstrs. ^Sruck seines Wesens machen kann.
h ^^Se (n„s^5^sarbeitnng der Persönlichkeit steht aber die
^ M j s/'^blchaftsordnnng insofern im Wege, als die öko-
>9 e n V e r h ä l t n i s s e, die durch das Prinzip der

freien Konkurrenz bedinzte Unsicherheit dcr wirtschaftlichen
Cxistenz einen harten Zwang ansüben, vermöge dessen die
Allermeisten den' Gelderwerb znni cntscheidenden Gesichtspunkt
ihres Lebens machen müssen; sie ste'ht diesem Ziele ferner da-
rum im Wege, weil die jetzt herrschendcn Jdcale, vor allcm
das Christentum mit seiner Forderung unbedingter 'Selbstauf-
opferung im Dienste der Mitrnenschen, ein freles, stolzes Aus-
bil-den der Persönlichkeit zu einer verächtlichen 'Selbstsucht stem-
peln. Das Fest'halten an diesem Joeale — deffen Wert für
die kulturelle Entwicklung unermetzlich gewesen ist — obgleich
man längst erkannte, daß es heute in schroffem Widersprnch
steht nüt den Lebensverhältnissen, und das daher die Menschen
nötigte, ihr Leben zu eincm haltlosen Kompromitz zu machen:
das hat, zusamlmen mit üem ökononüschen Druck, -der auf den
Allernicisten lastet, die Charakterlosigikeit nnd den Lebens-
überdrutz gezeitigt, an denen unsere Zeit krankt. Und darunr
ist nach' der Ansicht Ellen Kehs ein kultureller Fortschritt nnr
durch die Schaffung einer sozialen Staatsform zu erwarten,
die den 'Einzelnen aüs dem wirffchaftlichen Zwang befreit, in-
dcm sie das „Recht Aller auf Arbeit" anerkcnnt, die ihre
ethische Lehre in oen Satz zusamnienfaßt, daß das Glück des
Einzclnen — und damitAller — das Ziel des Lebens fft
und sein darf, und daß dieses Glück nur in der Mefreiung der
Persönlichkeit zu finden ist, die also die „Forderungen des
Sozialismus nnd des Jiidividu'alismns zu etner höheren Ein-
'heit verschmilzt".

Eine solchc Lebensauffassunz mntzte Ellen Keh zu einer
scharfen Neaktton sühren gegen das heute hcrrschende Er-
ziehungssystem und die jetzigen Ziele der FranenLewegnng,
gegen eine Erziehungsmethode, die maschinenmätzig arbeiteNde
Thpen und nicht selbsttätig denkende nnd schaffende Menschen
erzeugt, gegen eine Frauenemanzipation, dte — statt eine
knlturelle Frage zu blciben — anf vem Punkte steht,
zu einer „Magenfrage" sich auszuwachsen, indem sie die wirt-
schaftliche Unabhängigkeit und Selbständigkeit Ler Frau zn
ihrer vornehmsten Aufgabe gemacht hat, nnd dabei vergitzt zu

prüfen, ob diese „Befreiung der Frau" nicht vielniehr in Wahr-
heit eine Förderung der Unfrerheit bedeutet, weil sie die Frau
in einen Kampf zwingt, der in der Mehrzahl aller Fälle ihre
innerste Persönlichkeit vergewaltigt.

Wenn Herr Leonhard in der Einleitung seines Vortrags
hervorhob, daß man sicher leicht herausfinden werde, waS
er seinem Berichte über Ellen Key an eigenen Gedanken hinzn-
sügen werde, so mutete er damit doch wöhl der Urteilskraft
des Einzelnen etwas zu vicl zn. Vielleicht trug auch seine
offenbarc Begeisterung für Ellen Keys Anschauungen dazn bei,
daß man nicht immer deutlich erkannte, Ivelche Gedanken von
der schwedischen Schriststellerin und welche von dcrn Redner
stammten. Jedensalls fesselte der intereffante Vortrag vcktr
Anfmig bis zu Ende: man hörte nicht nur ernste, begcisterte
Worte, man fnhlte, datz diese Worte die Frncht tiefen Nachoen-
kens und einer festgegründeten persönlichen Ueberzeugnng,
gewonnen aus schweren inneren Kämpfen, sein mutzte.

Der Lehrerinnenvercin ist dem verehrten Redner zu dem
besten Danke verpslichtet.

Kleine Zeitung.

— Neustadt a. H., 24. März. Jn der heutigsn Sladt-
ratssttzung wnrde einstimmig eine Resoluffon angenom-
men, die den Rücktritt des B ü r g e r m e i st e r s
Hosrat Exter aufs tiefste bedaüert, gegen die unbe-
gründeten peffsönlichen Angriffe auf ihn protcstiert, ihn
des fortgssetzten vollen Vertrauens und der Unterstützung
des Kollegiums versichert und ihn um Beibehaltung seines
Amtes bittet.

— Wien, 24. Mävz. Gegenüber Nachrichten übcr
e i n e 'v ö I l i g e E r b l i n d u n g des Professor 1t d e l
erfährt das „Nene Wiener Tageblatt, datz nach ärztlicher

Die heutige Nummer umfaßt vier Blätter, zusamme« 18 Seite«.
 
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