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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 78-101 (2. April 1904 - 30. April 1904)
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Grschri»t tägltch, Sonntag» ausgenomme«. Prei» «it Familienblätter« monatlich bv Pfg. in'S Hau» gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 4V Pfg. Durch di« P«ß

bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. auSschließlich Zustellgebühr.

AnzrigrnpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für htesige GeschäftS- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzrigrn
an bestimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate anf den Pla kattafeln der Heidelberger Zeitung und dm städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.


n

Cin angeblicher Attentatsversuch geflen den
König von Spanien.

Die Reise des jt ö n i g s AlsonL nach Barcelona
sollte Lie „Wiedereroberung Kataloniens" bringen, wo die
Dtitzslinnnnng in der Bevölkernng sich zn einem bedenk-
ftchen Grade gesteigert hat. Aber der Versuch gotz,
lvie man zn sagen Pslegt, Oel ins Jenier. Der sunge
ftöiftg hat ja nirgends sle'inde nnd ware sür sich überall
sieundlich ansgenommen worden, aber in seiner Beglei-
iung beftnden sich der klerikale Ministerpräsident und der
keatftonäre General Polavieja; beide haben mit den Par-
ieien in den Katalonien manchen Ttrauß schon ausgesoch-
Een und sind dort verhatzt. Jnfolgedessen rührte der Be-
luch -es Kömgs alle Politischen Leidenschaften wieder anf.
^erschiedene einflußreiche Gesellschaften beschlossen, sich von
^llen Festlichkeiten sern zn halten; eine Anzahl Orte
ll>eigerte sich, dasür irgendwelche Ausgaben zn machen.
^ie antimonarchischen Sftidenten kündigten deni Bürger-
llteister von Barcelona an, daß sie sich der Herausgabe der
'tahnen der Fakultäten entschiedcn widersetzen würden.
^ie Katalonisten bereiteten einen Aufrus an das „kata-
witische Volt" vor. Die Repnbltkaner wollten ein halbes
chundert Versammlungen abhalten. Tie Feuerwehr wei-
3erle sich, irgeitd etwas zn tun, was nicht unmittelbar mit
vem Feiierlöschdienst in Verbindiing steht. Anderseits
^afen anch die Behörden allerhand Vorbereitungen. Die
^omatenes erhielten Befehl, bei der Parade auf dem
ftmrilserrat nnr den Äönig und üie Jnngfran von Lllont-
^rrat hochleben zn lassen nnd mit nngelaüenen Gewehren
konimen (!) Die Gendarmerie wurde verstärkt. Ge-
aftnipolizei aus Madrid nnd Ferez traf ein, bewachte die
^ahnhöfe nnd einlaufenden Schifse nnd verhastete jeden,
dr ihr verdächtig erschien.

Ülls der König in Barcelona eintraf, war sein Em-
Rang hoch frenndlicher und wärmer, als man gehofst
latte; er fiel über Erwarten glänzend aus, so daß einige
drejts vyn der Niederwersung des Katalanismus spra-
An den Begrütznngskunügebungen beteiligten sich
^Uiientlich auch Damen, die zahllose Blumen warfen und
chunhxxte von Tanben aiiffliegen ließen. So schien es,
°otz die Reise des Königs in das Hauptqnarfter der Re-
,-^blikaner, Sozialisten nnü Anarchisten befriedigend ab-
^beßou werde.

Run hat sich aber doch ein bedanerlicher Awischensall
^bignet. Als der König vorgestern die Arbeitsausstellung
^reß, platzte eine Bombe und verwnndete zwei
^ondieute. Mit Bomben ist in Barcelona in den letzten
^hren mehrfach gearbeitet worden. Man erinnert sich,
bei der Einweihung des Teatro Liceo zwei Bomben
itz - Orchesterraum geworfen wnrden, die zahlreichen
^-.^lonen das Leben kosteten: dätz eine sriedliche Prozes-
burch einen Anschlag gestört wnrde; datz noch 1W2
^ einem Kloster eine Tynamitbombe Verheernngen an-

Ht?Eete, von weniger folgenschweren Ansschreitnngen unü
'uotuten aller Art ganz zn schweigen.

^ Was dieses neneste Bombenattentat betrifft, i'o hat
nach dem kurzen gestrigen Telegramme annehmen


erriationaler Kongreß für Schulhygieno.

ii.

.^se wissen-schaftlichen Vorträge eröffnete Geheimer
tz^^Linalrat Universitätsprofessor Dr. Hermann C o h n-
sij^au niit dem Thema: Was haben die Augenärzte
Schulhygiene geleistet nnd was müssen sie
biei! ^isten? Ter Vortragende verwies zunächst auf die
tz^wchen Bemühnngen, die wahren llrsachen, die znr
hn ^ ^! ichtigkeit führen, wissenschastlich festzustel-
Das sei bisher nicht gelungen. Aktuell sei die Frage
ch,k> ^jvder wegen der von Ttilling aufgestellten Theorie,
Vü "'o Kurzsichtigkeit nicht als Krankheit, sondern als

anfzufassen sei. Das sei völlig verfehlt.

uqZ .ch für die Prophylaxis bei Schulkindern sei es, daß
^er'?^b>'inken Kopfes vermieden werde. Hier sei
gvgj-^otz after h<-ute vorhandenen Hilfsmittel die päda-
Belehrnng in erster Reihe von Wichtigkeit. Von
!rh>-i/bung s<>i nnch die Jräge der Steil- oder Schräg-
- sowie der Ersatz der Schiefertafeln dnrch Tinte,
Dintenschrift besser sichtbar sei nnd ein geringeres
^lle,,, "^gen des Körpers erfordere. Geprüft müsse vor
!edx^ ^ber werden, was heute mittels eines Zeilenmessers
!orh„ ^"!o könne, ob eine Buchschrift den hygienischen An-
^dx,ft^8en genüge. Die in der Mehrzahl leider schlecht
^hre bayrischen Schulbücher hätten in den letzten
^ ^ider nicht ab- sondern zugenommen. Dagegen
^^iiiier Schulverwaltung in dankenswerter
>oine Schriftenbestinimnngen angenommen. Ganz

müssen, datz es dem Kvnig galt. Die nun vorliegenden,
immer noch sehr nnbestimmten Rachrichten lassen dies
jedoch als zweiselhaft erscheinen. Nach der Darstellung
Madrider Blätter erlönte vorgestern Abend 9 Uhr in Bar-
celona in dem Flur eines Hanses der Rambla, wo eine
große Menschenmenge den König erwartete, der voni Be-
snch der Inüustrle-NiiSstellnng zurückkümmen sollte, ein
fiirchtbarer Knall, der Schrecken und Verwirrung hervor-
rief, da man glanbte, datz eine Bombe geplatzt wäre, Dec
Zündkörper enthielt Glassplitter. Verwundet wnrden
zwei Personen. Später beruhigten sich die Leute wieüer.

Vorausgesetzt also, datz spätere Meldungen d!e jetzige
Auffassnng nicht berichtigen, darf man das Vorkommnis
als verhältnismätzig harmlos ansehen.

Reaktion der Deutschen gegen tschechische
Minoritäten.

Tie jüngsten Vorgänge in Böhmen, besonders die
Prager Exzesse, haben bei den Tentschen ganz Oesterreichs
einen Eindruck hervorgerufen, der stellenweise in einer
entschiedenen Neaktion der Dentschen gegen üie tschechische
Rkinoritäten znm Ausdriick kommt. So wird anS den
Alpenländern berichtet, datz dort sich eine tiefgehende Be-
wegung dnrchznsetzen beginne, wie sie selbst in der er-
regten Zeit der Badenischen Regiernng und ihrer Nach-
wirknngen nicht vorhanden gewesen sei. Die Dentschen
der Alpenländer siihlen ein zorniges Bedürfnis, ihre
Teilnahme an den Bedrängnissen ihrer böhmischen und
mährischen Stammesgenossen zu betütigen. Da es nicht
deutsche Art ist, so wie die Prager und Brüiiner Tschechen
blntige Ansläufe in den Gassen zu veranstalten, nimnit
der Kampf hier wirtschastliche Formen an. Er trifft so
naturgemätz zuerst und am stärksten die mirtschastlich
Schwachen. Man entledigt sich überall der tschechischen
Tienstboft'n, teils sreiwillig, teils gezwnngen durch die
Umgebung, die die Mißstimmiing gegen die Dienstgeber
zum Ausdrnck bringt. Auch den tschechischen Arbeitern
begegnet man bereits mit Widerwillen, nnd man zahlt
lieber dem heimischen Arbeiter höhere Löhne, als den
Fremden heranznziehen. D-er heimische Arbeiter ist schon
darum für dieses Vorgehen eingenommen, weil er hier-
dnrch seins Lebenslage verbessert. Am meisten spürt
aber die durch alle Bevölkernngsschichten gehende Bewe-
gung der tschechische Handwerker, der Kleingewerbetrei-
bende. Dieser, an sein Geschäft gebunden, das er sich
mühsam begr-ündet, wird ein Opfer der tschechischen Poli-
tik, die darin besteht, Deutsche in tschechischen Gebieten wie
rechtlose Eindringlinge zu behandeln. Was Wunder,
wenn nnn anch Deutsche anfangen, dort, wo sie die Mehr-
heit bilden, den Tschechen gegenüber eine gewitz noch sehr
nulde Art der Vergeltnng zu üben. Mancher tschechische
Handwerksmeister in den dentschen Alpengegenden nintzle
sein Geschäft auflassen nnd znm Wanderstab greifen, nni
sonst wo sein Brot zu snchen. Schon seit einer ganzen
Weile war an manchen Orten die Losnng aiisgegeben
Ivorden: „Keine tschechischen Dienstboten, keine tschechi-
schen Arbeiter! Beschäftigt keine tschechischen Geschästs-

besonders empfehlenswert seien die nach den vom Ber-
liner Lehrerverein aufgestellten Grundsätzen gedrnckten
ftlassikeransgaben. Die kosteten nur 10 Pfg. niehr als
die entsetzlichen' Reklain Ausgaben, -die ,vom Neichsge-
snndheitsamt verboten werden mützten. (Lebhafte Zu-
stimmnng.) Uebrigens habe ihni jetzt dieser Verlag mit-
geteilt, datz er, nachdem anf so vielen Schnlen die Bücher
zurückgewiesen worden seien, daran gehen wolle, so zn
drncken, wie es die Hygieniker veclangten. (Lebhafter
Beifall.) Weiter wünscht der Vortragende eine genanere
Prüfnng der Lichtverhültnisse in den Schulzimmern und
einpfiehlt dazu die Leonhard Webersche Ersindnng des
Meterkerzen- nnd Raumwinkel-Messers. Ein Platz dürf?
zum Schreiben nnr gebraucht werden, wenn er 50 Qua-
drat Raumwinkel und 10 Meterkerzen Tagesli-cht habe.
(Ziistiinmnng.) Der Vortragende hat eine eingehende
Uiitersnchiing der in den Schnlen znr Verwendnng kom-
mendeu Fenstervorhänge angestellt. Nkan könne nicht vor-
sichtig genng hierbei sein, wenn man in Schnlen Fenster-
vorhänge Vorsinde, die 95 Prozent Lichtverliist verursach-
ten. (Hört! hört!) Aber anch die hellsten, besten Vor-
hänge verschluckten noch 40 Prozent Licht. Anch das Ge-
biet der Ueberanstrengung der Schüler berühre innig den
Aligenarzt. Zwar beginne man jetzt die Schiilarztfrage
in Teutschland ernster zu behandeln, aber es müsse der
Aiigenarzt mehr herangezogen werden. Er hab-e bei
seinen Untersuchnngen, die er seit 25 Jahren in Zwi-
s-chenrünmen mehrmals angestellt habe, leider feststellen
müssen, daß trotz aller prophylaktischen Maßnahmen die

leute!" Durch das jüngste Vorgehen der Tschechen ist
diese Strömung unter den Dentschen bedeutend verstärkt
worden.

Deutsches Rerch.

— Der Staatssekretär des Reichsamts des F-nnern
Dr. Gras von Posadowsky hat am 0. ds. den Hanptvor-
stand des G e w e r k v e r e i n s der H e i m a r b e i t e n-
den in Teutschland in Audienz enipfangen. Bei dcc
Andienz richtete eine der Heimarbeiterinuen, eine
Frau Okraffka, in warmen Worten die Bitte an den
Staatssekretär, d-atz die I n v a l i d e n v e r s i ch e r n n g
dnrch Bnndesratsbeschluß ans die H ausind u st r i e l-
l e n und H e i ni a r b e i t e r i n n e n der Bekleidnngs-
indiistrie ausgedehnt werden möge. Es knüpfte sich hieran,
wie man der „Franks. Ztg." telegraphiert, eine lebhaste
Besprechung:

Graf Posadowsky führft aus, daß er die K r a n k e n ti c r -
s ichcr u n g zur Zeit für oas dringendsft für die -Heimarbel-
ftrinnen halte, der dann fpäter die Jnvalidenversichernng fol-
gen inüsse. Frau Schiffler, ein mit 42 Jähren oöllig
invalioc gewordenes Mitglicd, zeigft an ihren Lebenserfahrun-
gen, wie notwcndig gerade auch die Jn-validenverficherung für
die arbeitsunfäh-ig gewordcne Heiniarbeiterin sci. Dein Grafen
Posadowsky sowohl wie dem Gch. Rat Caspar erfchien die dop-
pelte Belastung dcr so niedrig cntlohntcn Arbeiterklasse durch
die Beiträge zu beiden Versichernngen als cin besonders großes
Hindernis für die Einführung. Tie anlvesendcn Heiinarbei-
ftrinnen üetonten Lemgegenüber, daß sie licber dft doppelftn
Opfer bringen wollten, uni auch in den Gennß dcr Jnvaliden-
versicherung zu gelangen. Zur großcn Freudc der Enipfange-
nen faßte Graf Posadowsky nun die Möglichkcit Ler gleichzei-
tigen Einführung beidcr Verficherungen ins ?luge und wies
auf die dadurch notwendig werdcnde Annieloepflicht dcr Haus-
gewerbetreibenden hin. Am Schluß der über eine halbe Stunde
währcnden Audienz gab der Staatssckretür noch seiner Aner-
kennung für die Wichtigkeit und N o t w e n o i g k e i t
der Organisation de r H e i m a r L e i t e r i n n e n
energifch Ausdruck und wünschte ihr besfts Ge-deihen.

— Dem „Berl. Lokcil-Anzeiger" zufolge joll Lem
Bimdesrat noch ein G e s e tz e n t w n r f zngeheii wegen
Herabsetziing der T o t a l i s a t o r st e n e r nnd
Errichtung st a a t I i ch k o n z e s s i o n i e r t e r
W e t t b u r e a u s. ttrsprünglich war beabsichtigt, die
Herabsetzimg der Totalisatorstener schon in der dem
Reichstag vorliegenden Novelle zum Stempelstenergesetz
zn beantragen, jedoch wnrde davon Abstand genommeni
mit Rücksicht aus die weitergehenden Zwecke, die zugleich
erreicht werd-en sollen. ttm nämlich den Ertrag dec
neuen herabgesetzten Totalisatorstener sicher zn stellen, soll
der Privatwettbetrieb verboten nnd nnter Strafe gestellt
werden. Tasür sollen amtlich konzcssionierte Wettbureaiis
errichtet werden, ähnlich den Lotteriestellen. Der Gesetz-
eiitwurs wird als Antrag Prentzens an den Bnndesrat ge-
bracht werden.

— Die „'Teiitsch-Südwestasrikanische Zeitnng" schreibt
schreibt vom 8. März aus Swakopmnnd: „Die mik der
„Darmstadt" hierher gesandten TrnPPen wurden während
der Reise an Bord gelöhnt un-d dabei wnrden nuch die in

Kurzsichtigkeit nnter den Studierenden dieselbe geblieben
sei, nämlich 60 Prozent. (Beim Ban von Schulen müsse
daraiif Riicksicht genommen werden, datz nicht später durch
Neubaiiten in einem bestimmten ttmkreis das Licht in
den Schulzimmem abgesperrt werde. Aüe Bestrebungen
werden aber wirkungslos bleiben, wemi das Elternhaus
uris nicht unterstützt. (Beifall.) Anderseits aber erwachse
daraus den Augenärzft'n die Pslicht, der Belehrimg der
Eltern, wie sie zu Hause das Auge des Kindes zu behan-
deln haben. (Lebhafter Beifall.) Die Schule uud die
Schulhygiene werden aber erst dami auf dem Gebiete der
Augenpslege wirklich ersprietzlich wirken köimcn, wenn
überall der Satz Geltimg haben werde: Keine Schule
ohne Augenarzt! (Stürmischer Beifall!) '

Geheimrat Dr. Writzdorff macht den Vortragenden
darans aufmerksain, daß er sich über die Befngnisse des
Reichsgesundheitsamtes in emer irrigen Aufsassung be-
finde. Dieses könne gar nicht ein Verbot besonderer
Drucke erlassen. Das wäre Sache' der Landesregierimgen
imd das Reichs-gestmdheitsamt kömite nnr durch den
Reichskanzler den Erlatz besonderer Bestinmmngen in
Empfehlrmg bringen.

Geheimrat Cohn: Wenn er 'sich anch in der Adresse
geirrt habe, so möchte er doch wünschen, datz die einzelnen
Bundesstaaten bald zn einem Verbot der für das Auge
besonders schädlichen Trucke kommen möchten. (Lebh.
Beifall.) Damit schlotz die erste Plenarsitzimg.
 
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