Srscheint täglich. Sonntagr au«genomme«. Prei» mit Familienblütter« monatlich S0 Pfg. in'S Hau» gebracht. bei der Sxpedition unb den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch die PsK
begogen vierteljährlich 1,Sö Mk. auiifchließlich Zustellgebühr.
Nnzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder derrn Raum. Steklamezeile 40 Pfg. Für htefige KeschästS- unb Privatanzeigen ermäßigt. — Für di« Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkest übernommen. — Anschlag der Jnserate aus den Plackattafeln der Heidelberger Zeitung und dcn stadttschen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.
Deutscher Reichstag.
BerIin. 16. Febr.
Am Bundesralstisch Staatssekretär Dr. Graf von
Posadowsky.
Das Haus setzt die Beratung des Etats des Reichs-
'amts des Jnnern fort.
Nach der Position: Beteiligung dcs Reichs ao oer Welt-
ausftellung in St. Louis führt Abg. Singcr (too;.) aus:
Die Sozialdemokvaten seien bereit. die gefordertc Snnune zu
dewilligen. Man müsse aber bei der KunftauSftcllung auft die
Tezessioniften hcranziehen. Einflutzreiche, vermögcnde Kreisc
leien Gegner der Sezession, weil sie vielsach' die Not und das
Elend darstelle. Redner weist dann auf die Abneigung des
Kaisers gegen die Sezession hin.
Hieran knüpste sich eine längere Kunstdebatte, an der sich
auch der Staatssekretär Posadowsky beteiligte. Er meinte, die
Dezession scheint mir schon manche Extravaganz ahgestotzen zu
haben. Auch die Alten haben von der Sezession gelernt. Die
stvenge Sezession sage, die anderen können nichts sehen, die
«nderen sagten, die Session könne nichts malen. Die Sezession
Ivolle keine Schule, sondern nur Jndividualität gelten lasjen.
Tie ist im Prinzip nicht von Sl. Louis ausgeschlossen, aber sie
hat sich selber ausgeschlossen, weil ste sich der Jury, in der auch
6 Sezessionisten sihen, nicht unterwersen wollte.
Bis nach 6 Uhr dauerte dcr Nustausch künstlerischer An-
sichten unter den Abgcordnetcn. Es war ein Protest gcgen
die a u t o k r a t i s ch e Bevormundunz und für die
8 reiheit der Kunst. Dann wurde die Weitcrberatung auf
Uiorgeu vertagt. _
DeutsHcs Reich.
— Jn der Budgetkommijsion des Reichstags erklärte
^er Kriegsminister v. Einem bezüglich der R o h r r ü ck -
laufgeschütze: öie Fabriken Krnpp und Erhardt lie-
^erten beide VersuchSgeschütze, die anfangs rein besrie-
digendes Rcsultat ergaben, jetzt aber infolge von Ver-
besserungen den Anforderungen entsprechen. Im Herbst
1899 wnrden bei Erhardt zwei >Geschütze bestellt, die erst
sm Frühjahr 1900 sertig wurden. Gleichzeitig stellte
Krupp der Militärverwaltung Rohrrücklaufgeschütze zur
Rerfügnng. Jm Winter 1900 auf 1901 wurden beide
2lkddelle geprüft. Die Militärverwaltung überzeugte sich
aber, daß ein Urteil über die Brauchbarkeit dcr Geschütze
Uur möglich sei, wenn mit ganzen Batterien operiert
ivürde. Demgemäß wnrde bei Krupp nnd Erhardt je eine
^atterie für Dezember 1901 bestellt, mit denen im Winter
1901—02 in Jüterbogk Versuche stattfanden. Die Ar-
lillerieprüfungskommis'sion sprach sich dahin aus, daß es
lich nicht lohne, mit der Erhardt-Batterie weiter zn ope-
i)eren, weil dieses Geschütz beim Rücklauf in die alte Po-
lüion zurückkehre. Es wnrden daher bei Krupp drei Bat-
lerien mit Mukdenlafsetten. drei mit Wandlaffetten und
eins reitende Batterie zur Erprobung bei der Truppe be-
Üellt. Diese Versuchc fielen befriedigend aus. Bei gc-
Uauer Untersuchung der Geschütze durch die Prüfungs-
saw.mission ergaben sich aber 'doch Mängel. Auf den
^chießplätzen der Schießschulcn wurden die Geschütze abcr
^uch weiterhin brauchbar gefunden. Nebercher machte
i'as Konstruktionsbureau Versuche, um ein Kompromiß-
Uchütz Krupp-Erhardt zu schaffen. Eine solche Batterie
"ürfte wahrscheinlich das beste sein, was bisher in dieser
Beziehung geschaffen iourde. Ein Modellgeschütz dieser
Art soll im Frü'hjahr dem Kaiser vorgeführt werdeii unö
wird mit ziemlicher Sicher'heit auch eingeführt werden.
Die Einführnng von Rohrrücklaufgeschützen mit Schutz-
schilden sei unerläßlich.
— Ueber die Vertagung des Prozesses Hoens -
b r o e ch ° D a s b a ch wissen die „Münch. N. Nachr." fol-
gende Emzelheiten anzugeben: Jnfolge UebereinkommenS
der beiden streitenden Parteien ist der Termin vor dem
Trierer Landgericht auf die Parlanientarischen Osterferien
hinansgeschoben worden. Es scheint jedoch, als wolle
Kaplan Dasbach dic Sache noch weiter verzögern, denn
er vertangt als Frist zur Geibringung des Beweises, daß
der Satz: „Der Zweck heiligt die Mittel" kein jesuitischer
Grundsatz sei, eine Z e i t v o n z w e i I a h r e n, worüber
sich Graf Hoensbroech tn einem 'Aufsatz der „Tägl. Rund-
schau" sehr ereisert.
Badcn.
KarIsruhe, 16. Febr. Herr Finanzminister Dr.
B uchenberger verbrachte eine gute Nacht. Die Tem-
Peratur betrug heute früh 37,7. Das Allgemeinbefinden
des Kranken ist unverändert.
K a r I s r n h e, 16. Febr. Der hiösige jung-
liberale Verein hal in seiner letzten Vorstands-
sitzung beschlossen, einen jährlichen festen Betrag von 500
Mark zu den Kosten sür Anstellnng eines Partei-
sekretärs unter der 'Bedingung auszuwerfen, daß den
jungliberalen Vereinen ein Einsluß auf die Stellenbe-
sctzung eingeränmt werde. Dieser Zuschuß soll durch
freiwillige Bciträge aufgebracht werden, und es soll da-
rüber eine demnächst einzubcrnfende Generalversamm-
lung des Vereins entscheiden. Die Anstellnng eines
Parteisekretärs ist s-chon längst als dringendes Bedürfms
empfunden warden. aber stets an dem Mangel 'der er-
sorderlichen Geldmittel gescheitert.
— Die „V o l k s st i m m e" in Maimhcim schreibt:
Ein schiwerer Verlust droht unserer St-adt Mannheim. Wic
uns soebcn eine Privatdcpcsche aus Karlsrnhe meldet, gilt es
dort als sicher, datz Herr Oberbüvgermeister Beck - Mannhcim
als Nachfolger des hoffnungslos barniederliegendcn Herrn v.
Buchenberger zum F i n a n z in i n i st e r ernannt werden soll.
Bei den zuten Beziehungen, in denen z. Zt. das Oberhaupt
dcs grötzten badischen Gemeinwesens zu den Mitgliedern dcs
Grotzh. Ministeriums stcht, unterliegt es — so berichtet man
uns weiter — keinem Zwetfel, dah Herr Beck sich zur Ueber-
nahmc dcs ihm angebotencn Postcns cntschliehcn wird.
— Wie die „Volksstimme" mitteilt, ist Redakteur
und Abg. Eichhorn am 1. Jannar dieses Jahres aus
der Redaktion der „Bolksstimme" ausgetreten. Die Nach-
richt von seiner Uebersiedelung nach Pforzheim und
seinem Eintritt in das dortige Arbeiterse'kretariat sei js-
doch falsch.
Ausland.
Rnßland.
— Aus Südrußland werden Ausschreitungen
gegen 'die Iude n gemeldet, dic beschuldigt werden, das
Volksgefühl herausgefordert zu haben durch die Behaup-
tung, die Rache des Himmels für 'Kischinew sei gekommen.
Ernstlich glaubt niemand an diese Provokation seitens der
Juden. Ter Zweck 'der geduldeten Ausschreitnngen ist
lediglich, wieder die Juden als Landesfeinde zu denun-
zieren.
Aus Ltadt uad Land.
veideiv e r g, 17. Febrmn.
V Ans dem stadträtlichen Voranschlag. Jn dem Voran-
schlaz sindet 'sick eine Anzahl von Bemerkun-gen; von diescn
geüen wir folgende hier wieder: Das Haus BauamrsgassL
Nr. 6, welches nach der stadtrütlichen Vorlage voni 17. Februar
1902 nicdergelegt werden und an dessen Stelle ein llleubau
trelcn sollte, ivurde s. Zt. mit Rücksicht auf dieses Vorhaben
mietfrei gemacht. Nachdem der Stadtrat aber inzwischen be-
schlossen hat, die Ausführung des betreffcnden Projekres bis
auf Weiteres znrückzusteüen, soll das Haus Bauamtsgasse
Nr. 6 aus 1. April diescs Jahres wieder vermietet wcrden,
was allcrdings üie vorherige Vornahme vcrsckiedener baulicher
Neparaturen erfordert. Dieselben sind auf 400 Mk. veran-
schlagt und bei ß 22a berücksichtigt. Das Haus warf fichher
einen jährlichen Mietzins bon 260 Mk. ab. Es sind hier für
9 Monate 875 Mk. vorgesehen. —. Der zweite Stock des Hauses
Bauamtsgasse Nr. 8 war in den letzten Jahren an einen Rich-
ter des Grotzh. Amtsgerichts gegen das ihm gesetzlich zutom-
meude Wohnungsgeld (früher 020 Mark, seit 1. Januar b. I.
1050 Mark) vcrmietet: vgl. Anm. 8 zum 1809er und Anm.
7 zum 1903er Vorcmschlag. Nachdem dieser Richter infolge
sciner Ernennung zum Ämtsgerichtsdirektor die in Frage ste-
hcnde Wohmmg kürzlich vcrlassen hat und in das Haus Bie-
nenstratze Nr. 7 übergesiedelt ist, soll das Haus Bauamtsgasse
Nr. 8 in der Folge ganz für Zwecke des städtischen Forstamts
verwendet werden, und es sollen in demselben nicht nur, wie
bisher, die Diensiwohnuug des Obersörsters, sondern auch
dessen Bureau-Räume unterge'bracht werden. Letztere Lefinden
sich dermalen in dem Hause Ketiengasse Nr. 12 (vergl. Anm.
8 zum 1901er Voranschlag). Es ist aber im dienstlichen Jn-
teresse dringend erwünscht, datz dieselben in das Haus gelegt
werden, in welchcm der Vorsiand des städtischen Forstamts
scine Wohnung hat. — Dcr ecste Stock des dem allgemeinen
Volksschulpfründefond seitcns der Stadt abgemieteten Hauses
Theaterstratze Nr. 9 ist dem Sekrctär der Schulkommission^
Oberlehrer Schweinsurth, als Dienst'wohnung unter der Be-
dingung überlassen worden, datz er dafür unter Verzicht auf
Len Bezug des ihm zuftehenücn Wohnungsgeldes von 510 Mk.,-
aus eigcnen Mittcln 100 Mk. per Jahr bezahlt. Der zweite
Stock des fraglichen Hauses wird von dein Rektor ber Volks-
schule bewohnt, der hierfür die gleichc Vergütung entrichtet,
dic ihm früher sür seine Wohnung im Schulhaus I berechnet
Ivurde, nämlich 700 Mark per Jahr. Das dritte Stockwert
des fraglichen Hauses ist an einen Privaten zu 1330 Mark
jährlich verniietet. — Jn dem Hause Untere Neckarstratze 108
soll mit Wirkung vom 1. April d. I. an im> unteren Stock die
städtische Desinsektionsanstalt untergebracht werden. Ter
zlveite Stock des Hauses nebst cinem Zimmer im dritten Stock
soll dem Dcsinsektor gegen eincn jährlichen Mietzins von 800
Mark als D-lenstwohnung überlassen wcrdcn, während der
Rest des dritten Stockes, wie seither, an cincn Privaten um
200 Mart vermietet bleiben soll. — Dem Volz'schen Päda-go-
gium Ncucnheim ist die Benützung einer der Turnhallen des
dortigen Schulhauses gegen eine Jahres-Vergütung von 100
Mart in widerruflicher Weise gestattet worden. —
Das ganze zweite Stockwcrk des ehemals Kricger'schcn Hauses
soll auf 1. Juli d. I. dem -städtischen Hochbauamt ü-berlassew
werden, welches bis dahin die Rämne im scither Hormuth'schen
Hause tve-gen Einrichtung dieses HauseS für Zwecke der Ober-
realschule zu verlassen hat. — Bei der Verpachtung der Neckar-
überfahrt in Schlicrbach, trclche im Mai vor. Js. auf weitcre
drei Jahre ftatthatte, ist ini Zusammenhang mit der vor cini-
gcn Jahren eingetrctenen Ermätzi-gung der Ueberfahrtsge-
bühren nur eine Pachtsuinme von 3600 Mark (an Stelle seit-
Sophocles oder Hofmamrsthal?
- Wohl nicht oft ist die Kritik mit ihrcm Urteil so schncll
s^rtig geworden, tvic bet der „Electra" von Hosmannsthäl.
stwe Tragödie frei „nach Sophoclcs"*'), so hatte sie der Dich-
genannt, ,glso schlug man schleunigst im Sophocles nach,
as dessen i^lectra (die meistcn währscheinlich zum erstenmale),
Zrd, nun brauchte man nur von der „ehcrnen Tragik der AI-
dn". die auf „gigantischem Kothurne"cinherschrcite uslv., zu.
,rden, und das absprechende Urtcil war sertig. Unbedingt
R^verfen durfte man allerdin-gs Hofm-annsthal auch mcht,
^Nn er gilt als einer unserer hervorragendsten modernen
^-ichter, also lobte man die Verse (an denen freilich auch nichts
?uszuseh«n Ivar) und sprach im übriqen mitle-idiq -von ciner
^chtertschen Verirrung. —
o. . Äst eine der-artige Kritik nun berechtigt? Keineswegs.
a«de Beurteilung eines Werkes, dic nur nach der Sch-äblonc
:ght. vhE über pw Absichten des Künstlcrs nachzudcnken, ist
Ä'^scht nnd salsch. Lessin-g sagt ein-ni-al vonr Schauspieler: Er
Ultz überall mit dem Dichter denten; cr muh da, wo dcm Dich-
ctivas Menschliches widerfähren ist, für ihn denken. Jn
'ifter Beziehung gilt das auch für jeden Kriti-siercndcn.
ill Hauptsrage, um welche es sich bei der Elcctra handelt,
It dst. Dars moderner Dichter mit modernen Mitteln
^ Stoss verarbeiten, dcr bereits von cinem Dichter in
Zuherer Zeit glücklich bchandelt worden ist? Jch glaube, man
! lln dicse Frage unbedenkllich bejahen. Wird viclleicht heute
„Och jeinnnd Göthe verurteilen wollen, weil er in scincr Jphi-
chUie den-selben Stoff verwandtc, der 2000 Jäbre vor ihm
)wen Euripides begeistert hatte? Jch denke, dah dieses cine
^chtlpiel genügen dürfte, m-öchte äber doch noch daS Zeugms
Dichters anrufen, der heuie geru als „vcralict" vcrachtet
Und doch mitunter durch ganz „moderne" Ansichten über-
ZZsKK nämiich Zriet rich Schiller. In seiner Abhandlung über
^) Fn der zweitcn Auflage s-'nd tirse Wo::w !: eg-ws illen.
n-aive und sentiment-alische Dichtung sagt er einm-al: „— wenn
nian den G-attungsbegriff der Pocsie -z-uvor einseitig aus d-en
alten Pocten absträhiert hat, so tst nichts -leichter, aber auch
nichts trivialer, als die modernen gegen sie herabzusetzen."
Ferner heißt es vorher: „,Jene (n-ümlich die alten Dichter)
rührcn unS durch Natur, durch sinnliche W-ahrheit, durch -le-
bendige Gegenw-art; dies-c (d. h. die moderncn) rühren uns
durch Jdeen". Und endlich schrcibt er einmal an W. von
Humboldt (25. 12. 1796): „Um endlich auch die Erfahrung zu
befrag-en, so werüen Sie inir ein-gestehen, daß kein griech-isch-es
Trauerspi-el d e m -G e -h a l t n a ch sich mit dcmjenigen messen
kaiin, was in dieser Nücksicht von Neuern geleistet werden
k a n n. Eine gewisse Armut und Lecrheit wird m-an immer
dar-an zu tadeln fin-dcn, w-enigstens ist dies mein, immer glcich-
förmig wiederkehrciiides Gefühl." —
Gewiß ist die Elcctra dcs Sophocles ein gewaltiges Werk,
sollte aber aus diesem Grunde eineni Dichter verwehrt sein,
dem gleichen Stoff den Stem-pel seiner Persönlichteit aufzu-
drücken? Hat nicht vielmehr Schiller Recht mit dem, was er
sazt? Auch- des Sophocles Electra rührt uns durch „Natur,
durch sinnliche Währheit, durch lebendige Gegenwart". Denn
lebcndig tritt!vor un-ser geistiges Auge das griechische Thc-ater
in seiner seltsamen, un-s heut-e z-um Teil nicht inehr verständ-
lichcn Einrich-tung, h-alb -Sch-austellung, halb Gottesdicnst, das
Bühnenhaus mtt dcn üblichcn drei Eingän-gen, die Schau-
spieler durch dcn Cothurn uud durch gratze Pcrrückcu sast über-
inenschlich erscheinend, vor dem Antlitz d-ie Maske, deren Schall-
trichter den Ton weit tragen soll. Jm Halbkreis vor der Bühne
bewegt sich um üen Altar des Dionysos der Chor, während auf
den Zusch-auerplätzen die vie-ltauseudköpfige Menge den Wortcn
des Dichters lauscht. Jedrr Zuhörer, auch der geringste,
kennt die Sage von OresteS. der nach JaLren znrücktchrt, nm
den schniählich dah-in-geinordeten Vater zu rächen, jeder wcitz
von Electra, dic d-en Tag der Rache erwartet. Und doch zit-
tern alle, wenn die falsche Nachricht vom Tode des Bruders
cintrifft und Electra vcrzweifelt in die Worte ausbricht:
„Weh mir, der Armen! Dicser Tag gi'bt mir dcn Tod".
Man mutz sich dic leicht erregbaren Südländea
in einem solchen Augenblicke n-ur vorstcllcn.
Ja diese „le-bendige Gegenwart" wirkt eben auf
unis heutzutage derartig, dah tvir in -andercr Hinsicht we-
ntger kritisch sin-d und auf eine eingehende Charatter!-
sierung ücr einzelnen Personen z. B. kaum achten. Jn Wirk-
lichkeit h-aben wir doch- eine dramatisicrte, allcrdin-gs von
einem grotzen- Dichtcr dramatisierte -Sage vor uns, die autzer-
dem den Vorzug hat, -an un-d- für sich schon hochdrnmatisch zu
sein. Aüer können wir denn auch mit diescn Menschen fühlen».
die -der Dichter uns vor Augcn führt, sind jie Fleisch bon un-se-
rem Fleisch, Bein von unserenv Bein? Wenn auch der Ver-
such gemacht wird, die dramatis personae unS menschlich näher
zu bringen, so kann m,an doch sagen, datz es im allgemeinen
Menschen aus einer anderciii sagenhaften Welt sind, die so und
nicht anderS handeln können, weil die Gottheit es ihnen vor-
schreibt. Vergegenwärtigcn w-ir uns doch -kurz die Personen.
der Sophocleischen Elcctra. Zunächst dic Heldin sclbst. Auch
ihr hat der Dichter als Hauptcharakterzug dcn glühcnden Hatz
gegen die Mutt-cr ,md den Stiefvater gcgeben, abe-r sie haßt
Klhtänmestra und A-ogisth iricht n-ur, weil sie ihr den V-ater ge-
mordet häben, son-dern -auch -aus cinem anderen, weit persön-
licheren Grunde. Aegisth h-at mit Klytemnestra Kinder ge-
zeugt, diese werdcn von- den Eltern vorgezogen, und Aga-
memnons Ktnder werden schlecht behandelt. Clectr-as Klage
um den toten Vater ist also wohl mehr religiöser Art, und sie
har-rt sehnsüchtig auf Orcstes, weil dieser nicht nur den Vater
rächen, sondern auch sie, die Königstochter, -aus ihr-cr schimpf-
lichen Lage bcfreien soll. Klytämnestra aber ist der festen
Ueberzeugung, sie sci zu ihrer Tat vollig derechtigt gewesen,
da doch Agamemnon es seiner Zeit zugegebcn habe, daß ihre
Tochier Jphigen-ie geopsert wurde. T-aß dics zu einem höheren
Zweck gc-schehen sei, vermag und will sie natürlich nicht cinsehen.
Jedoch dic Göttcr haben ihre Tat mitzfällig an-gesehen, und
deshalb schicken sie ihr die Strafe, und Vollziehcr diesei:
Die heutige Nummer umfaßt drei Blätter, zusammeu 12 Seiten
begogen vierteljährlich 1,Sö Mk. auiifchließlich Zustellgebühr.
Nnzeigenpreis: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder derrn Raum. Steklamezeile 40 Pfg. Für htefige KeschästS- unb Privatanzeigen ermäßigt. — Für di« Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkest übernommen. — Anschlag der Jnserate aus den Plackattafeln der Heidelberger Zeitung und dcn stadttschen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.
Deutscher Reichstag.
BerIin. 16. Febr.
Am Bundesralstisch Staatssekretär Dr. Graf von
Posadowsky.
Das Haus setzt die Beratung des Etats des Reichs-
'amts des Jnnern fort.
Nach der Position: Beteiligung dcs Reichs ao oer Welt-
ausftellung in St. Louis führt Abg. Singcr (too;.) aus:
Die Sozialdemokvaten seien bereit. die gefordertc Snnune zu
dewilligen. Man müsse aber bei der KunftauSftcllung auft die
Tezessioniften hcranziehen. Einflutzreiche, vermögcnde Kreisc
leien Gegner der Sezession, weil sie vielsach' die Not und das
Elend darstelle. Redner weist dann auf die Abneigung des
Kaisers gegen die Sezession hin.
Hieran knüpste sich eine längere Kunstdebatte, an der sich
auch der Staatssekretär Posadowsky beteiligte. Er meinte, die
Dezession scheint mir schon manche Extravaganz ahgestotzen zu
haben. Auch die Alten haben von der Sezession gelernt. Die
stvenge Sezession sage, die anderen können nichts sehen, die
«nderen sagten, die Session könne nichts malen. Die Sezession
Ivolle keine Schule, sondern nur Jndividualität gelten lasjen.
Tie ist im Prinzip nicht von Sl. Louis ausgeschlossen, aber sie
hat sich selber ausgeschlossen, weil ste sich der Jury, in der auch
6 Sezessionisten sihen, nicht unterwersen wollte.
Bis nach 6 Uhr dauerte dcr Nustausch künstlerischer An-
sichten unter den Abgcordnetcn. Es war ein Protest gcgen
die a u t o k r a t i s ch e Bevormundunz und für die
8 reiheit der Kunst. Dann wurde die Weitcrberatung auf
Uiorgeu vertagt. _
DeutsHcs Reich.
— Jn der Budgetkommijsion des Reichstags erklärte
^er Kriegsminister v. Einem bezüglich der R o h r r ü ck -
laufgeschütze: öie Fabriken Krnpp und Erhardt lie-
^erten beide VersuchSgeschütze, die anfangs rein besrie-
digendes Rcsultat ergaben, jetzt aber infolge von Ver-
besserungen den Anforderungen entsprechen. Im Herbst
1899 wnrden bei Erhardt zwei >Geschütze bestellt, die erst
sm Frühjahr 1900 sertig wurden. Gleichzeitig stellte
Krupp der Militärverwaltung Rohrrücklaufgeschütze zur
Rerfügnng. Jm Winter 1900 auf 1901 wurden beide
2lkddelle geprüft. Die Militärverwaltung überzeugte sich
aber, daß ein Urteil über die Brauchbarkeit dcr Geschütze
Uur möglich sei, wenn mit ganzen Batterien operiert
ivürde. Demgemäß wnrde bei Krupp nnd Erhardt je eine
^atterie für Dezember 1901 bestellt, mit denen im Winter
1901—02 in Jüterbogk Versuche stattfanden. Die Ar-
lillerieprüfungskommis'sion sprach sich dahin aus, daß es
lich nicht lohne, mit der Erhardt-Batterie weiter zn ope-
i)eren, weil dieses Geschütz beim Rücklauf in die alte Po-
lüion zurückkehre. Es wnrden daher bei Krupp drei Bat-
lerien mit Mukdenlafsetten. drei mit Wandlaffetten und
eins reitende Batterie zur Erprobung bei der Truppe be-
Üellt. Diese Versuchc fielen befriedigend aus. Bei gc-
Uauer Untersuchung der Geschütze durch die Prüfungs-
saw.mission ergaben sich aber 'doch Mängel. Auf den
^chießplätzen der Schießschulcn wurden die Geschütze abcr
^uch weiterhin brauchbar gefunden. Nebercher machte
i'as Konstruktionsbureau Versuche, um ein Kompromiß-
Uchütz Krupp-Erhardt zu schaffen. Eine solche Batterie
"ürfte wahrscheinlich das beste sein, was bisher in dieser
Beziehung geschaffen iourde. Ein Modellgeschütz dieser
Art soll im Frü'hjahr dem Kaiser vorgeführt werdeii unö
wird mit ziemlicher Sicher'heit auch eingeführt werden.
Die Einführnng von Rohrrücklaufgeschützen mit Schutz-
schilden sei unerläßlich.
— Ueber die Vertagung des Prozesses Hoens -
b r o e ch ° D a s b a ch wissen die „Münch. N. Nachr." fol-
gende Emzelheiten anzugeben: Jnfolge UebereinkommenS
der beiden streitenden Parteien ist der Termin vor dem
Trierer Landgericht auf die Parlanientarischen Osterferien
hinansgeschoben worden. Es scheint jedoch, als wolle
Kaplan Dasbach dic Sache noch weiter verzögern, denn
er vertangt als Frist zur Geibringung des Beweises, daß
der Satz: „Der Zweck heiligt die Mittel" kein jesuitischer
Grundsatz sei, eine Z e i t v o n z w e i I a h r e n, worüber
sich Graf Hoensbroech tn einem 'Aufsatz der „Tägl. Rund-
schau" sehr ereisert.
Badcn.
KarIsruhe, 16. Febr. Herr Finanzminister Dr.
B uchenberger verbrachte eine gute Nacht. Die Tem-
Peratur betrug heute früh 37,7. Das Allgemeinbefinden
des Kranken ist unverändert.
K a r I s r n h e, 16. Febr. Der hiösige jung-
liberale Verein hal in seiner letzten Vorstands-
sitzung beschlossen, einen jährlichen festen Betrag von 500
Mark zu den Kosten sür Anstellnng eines Partei-
sekretärs unter der 'Bedingung auszuwerfen, daß den
jungliberalen Vereinen ein Einsluß auf die Stellenbe-
sctzung eingeränmt werde. Dieser Zuschuß soll durch
freiwillige Bciträge aufgebracht werden, und es soll da-
rüber eine demnächst einzubcrnfende Generalversamm-
lung des Vereins entscheiden. Die Anstellnng eines
Parteisekretärs ist s-chon längst als dringendes Bedürfms
empfunden warden. aber stets an dem Mangel 'der er-
sorderlichen Geldmittel gescheitert.
— Die „V o l k s st i m m e" in Maimhcim schreibt:
Ein schiwerer Verlust droht unserer St-adt Mannheim. Wic
uns soebcn eine Privatdcpcsche aus Karlsrnhe meldet, gilt es
dort als sicher, datz Herr Oberbüvgermeister Beck - Mannhcim
als Nachfolger des hoffnungslos barniederliegendcn Herrn v.
Buchenberger zum F i n a n z in i n i st e r ernannt werden soll.
Bei den zuten Beziehungen, in denen z. Zt. das Oberhaupt
dcs grötzten badischen Gemeinwesens zu den Mitgliedern dcs
Grotzh. Ministeriums stcht, unterliegt es — so berichtet man
uns weiter — keinem Zwetfel, dah Herr Beck sich zur Ueber-
nahmc dcs ihm angebotencn Postcns cntschliehcn wird.
— Wie die „Volksstimme" mitteilt, ist Redakteur
und Abg. Eichhorn am 1. Jannar dieses Jahres aus
der Redaktion der „Bolksstimme" ausgetreten. Die Nach-
richt von seiner Uebersiedelung nach Pforzheim und
seinem Eintritt in das dortige Arbeiterse'kretariat sei js-
doch falsch.
Ausland.
Rnßland.
— Aus Südrußland werden Ausschreitungen
gegen 'die Iude n gemeldet, dic beschuldigt werden, das
Volksgefühl herausgefordert zu haben durch die Behaup-
tung, die Rache des Himmels für 'Kischinew sei gekommen.
Ernstlich glaubt niemand an diese Provokation seitens der
Juden. Ter Zweck 'der geduldeten Ausschreitnngen ist
lediglich, wieder die Juden als Landesfeinde zu denun-
zieren.
Aus Ltadt uad Land.
veideiv e r g, 17. Febrmn.
V Ans dem stadträtlichen Voranschlag. Jn dem Voran-
schlaz sindet 'sick eine Anzahl von Bemerkun-gen; von diescn
geüen wir folgende hier wieder: Das Haus BauamrsgassL
Nr. 6, welches nach der stadtrütlichen Vorlage voni 17. Februar
1902 nicdergelegt werden und an dessen Stelle ein llleubau
trelcn sollte, ivurde s. Zt. mit Rücksicht auf dieses Vorhaben
mietfrei gemacht. Nachdem der Stadtrat aber inzwischen be-
schlossen hat, die Ausführung des betreffcnden Projekres bis
auf Weiteres znrückzusteüen, soll das Haus Bauamtsgasse
Nr. 6 aus 1. April diescs Jahres wieder vermietet wcrden,
was allcrdings üie vorherige Vornahme vcrsckiedener baulicher
Neparaturen erfordert. Dieselben sind auf 400 Mk. veran-
schlagt und bei ß 22a berücksichtigt. Das Haus warf fichher
einen jährlichen Mietzins bon 260 Mk. ab. Es sind hier für
9 Monate 875 Mk. vorgesehen. —. Der zweite Stock des Hauses
Bauamtsgasse Nr. 8 war in den letzten Jahren an einen Rich-
ter des Grotzh. Amtsgerichts gegen das ihm gesetzlich zutom-
meude Wohnungsgeld (früher 020 Mark, seit 1. Januar b. I.
1050 Mark) vcrmietet: vgl. Anm. 8 zum 1809er und Anm.
7 zum 1903er Vorcmschlag. Nachdem dieser Richter infolge
sciner Ernennung zum Ämtsgerichtsdirektor die in Frage ste-
hcnde Wohmmg kürzlich vcrlassen hat und in das Haus Bie-
nenstratze Nr. 7 übergesiedelt ist, soll das Haus Bauamtsgasse
Nr. 8 in der Folge ganz für Zwecke des städtischen Forstamts
verwendet werden, und es sollen in demselben nicht nur, wie
bisher, die Diensiwohnuug des Obersörsters, sondern auch
dessen Bureau-Räume unterge'bracht werden. Letztere Lefinden
sich dermalen in dem Hause Ketiengasse Nr. 12 (vergl. Anm.
8 zum 1901er Voranschlag). Es ist aber im dienstlichen Jn-
teresse dringend erwünscht, datz dieselben in das Haus gelegt
werden, in welchcm der Vorsiand des städtischen Forstamts
scine Wohnung hat. — Dcr ecste Stock des dem allgemeinen
Volksschulpfründefond seitcns der Stadt abgemieteten Hauses
Theaterstratze Nr. 9 ist dem Sekrctär der Schulkommission^
Oberlehrer Schweinsurth, als Dienst'wohnung unter der Be-
dingung überlassen worden, datz er dafür unter Verzicht auf
Len Bezug des ihm zuftehenücn Wohnungsgeldes von 510 Mk.,-
aus eigcnen Mittcln 100 Mk. per Jahr bezahlt. Der zweite
Stock des fraglichen Hauses wird von dein Rektor ber Volks-
schule bewohnt, der hierfür die gleichc Vergütung entrichtet,
dic ihm früher sür seine Wohnung im Schulhaus I berechnet
Ivurde, nämlich 700 Mark per Jahr. Das dritte Stockwert
des fraglichen Hauses ist an einen Privaten zu 1330 Mark
jährlich verniietet. — Jn dem Hause Untere Neckarstratze 108
soll mit Wirkung vom 1. April d. I. an im> unteren Stock die
städtische Desinsektionsanstalt untergebracht werden. Ter
zlveite Stock des Hauses nebst cinem Zimmer im dritten Stock
soll dem Dcsinsektor gegen eincn jährlichen Mietzins von 800
Mark als D-lenstwohnung überlassen wcrdcn, während der
Rest des dritten Stockes, wie seither, an cincn Privaten um
200 Mart vermietet bleiben soll. — Dem Volz'schen Päda-go-
gium Ncucnheim ist die Benützung einer der Turnhallen des
dortigen Schulhauses gegen eine Jahres-Vergütung von 100
Mart in widerruflicher Weise gestattet worden. —
Das ganze zweite Stockwcrk des ehemals Kricger'schcn Hauses
soll auf 1. Juli d. I. dem -städtischen Hochbauamt ü-berlassew
werden, welches bis dahin die Rämne im scither Hormuth'schen
Hause tve-gen Einrichtung dieses HauseS für Zwecke der Ober-
realschule zu verlassen hat. — Bei der Verpachtung der Neckar-
überfahrt in Schlicrbach, trclche im Mai vor. Js. auf weitcre
drei Jahre ftatthatte, ist ini Zusammenhang mit der vor cini-
gcn Jahren eingetrctenen Ermätzi-gung der Ueberfahrtsge-
bühren nur eine Pachtsuinme von 3600 Mark (an Stelle seit-
Sophocles oder Hofmamrsthal?
- Wohl nicht oft ist die Kritik mit ihrcm Urteil so schncll
s^rtig geworden, tvic bet der „Electra" von Hosmannsthäl.
stwe Tragödie frei „nach Sophoclcs"*'), so hatte sie der Dich-
genannt, ,glso schlug man schleunigst im Sophocles nach,
as dessen i^lectra (die meistcn währscheinlich zum erstenmale),
Zrd, nun brauchte man nur von der „ehcrnen Tragik der AI-
dn". die auf „gigantischem Kothurne"cinherschrcite uslv., zu.
,rden, und das absprechende Urtcil war sertig. Unbedingt
R^verfen durfte man allerdin-gs Hofm-annsthal auch mcht,
^Nn er gilt als einer unserer hervorragendsten modernen
^-ichter, also lobte man die Verse (an denen freilich auch nichts
?uszuseh«n Ivar) und sprach im übriqen mitle-idiq -von ciner
^chtertschen Verirrung. —
o. . Äst eine der-artige Kritik nun berechtigt? Keineswegs.
a«de Beurteilung eines Werkes, dic nur nach der Sch-äblonc
:ght. vhE über pw Absichten des Künstlcrs nachzudcnken, ist
Ä'^scht nnd salsch. Lessin-g sagt ein-ni-al vonr Schauspieler: Er
Ultz überall mit dem Dichter denten; cr muh da, wo dcm Dich-
ctivas Menschliches widerfähren ist, für ihn denken. Jn
'ifter Beziehung gilt das auch für jeden Kriti-siercndcn.
ill Hauptsrage, um welche es sich bei der Elcctra handelt,
It dst. Dars moderner Dichter mit modernen Mitteln
^ Stoss verarbeiten, dcr bereits von cinem Dichter in
Zuherer Zeit glücklich bchandelt worden ist? Jch glaube, man
! lln dicse Frage unbedenkllich bejahen. Wird viclleicht heute
„Och jeinnnd Göthe verurteilen wollen, weil er in scincr Jphi-
chUie den-selben Stoff verwandtc, der 2000 Jäbre vor ihm
)wen Euripides begeistert hatte? Jch denke, dah dieses cine
^chtlpiel genügen dürfte, m-öchte äber doch noch daS Zeugms
Dichters anrufen, der heuie geru als „vcralict" vcrachtet
Und doch mitunter durch ganz „moderne" Ansichten über-
ZZsKK nämiich Zriet rich Schiller. In seiner Abhandlung über
^) Fn der zweitcn Auflage s-'nd tirse Wo::w !: eg-ws illen.
n-aive und sentiment-alische Dichtung sagt er einm-al: „— wenn
nian den G-attungsbegriff der Pocsie -z-uvor einseitig aus d-en
alten Pocten absträhiert hat, so tst nichts -leichter, aber auch
nichts trivialer, als die modernen gegen sie herabzusetzen."
Ferner heißt es vorher: „,Jene (n-ümlich die alten Dichter)
rührcn unS durch Natur, durch sinnliche W-ahrheit, durch -le-
bendige Gegenw-art; dies-c (d. h. die moderncn) rühren uns
durch Jdeen". Und endlich schrcibt er einmal an W. von
Humboldt (25. 12. 1796): „Um endlich auch die Erfahrung zu
befrag-en, so werüen Sie inir ein-gestehen, daß kein griech-isch-es
Trauerspi-el d e m -G e -h a l t n a ch sich mit dcmjenigen messen
kaiin, was in dieser Nücksicht von Neuern geleistet werden
k a n n. Eine gewisse Armut und Lecrheit wird m-an immer
dar-an zu tadeln fin-dcn, w-enigstens ist dies mein, immer glcich-
förmig wiederkehrciiides Gefühl." —
Gewiß ist die Elcctra dcs Sophocles ein gewaltiges Werk,
sollte aber aus diesem Grunde eineni Dichter verwehrt sein,
dem gleichen Stoff den Stem-pel seiner Persönlichteit aufzu-
drücken? Hat nicht vielmehr Schiller Recht mit dem, was er
sazt? Auch- des Sophocles Electra rührt uns durch „Natur,
durch sinnliche Währheit, durch lebendige Gegenwart". Denn
lebcndig tritt!vor un-ser geistiges Auge das griechische Thc-ater
in seiner seltsamen, un-s heut-e z-um Teil nicht inehr verständ-
lichcn Einrich-tung, h-alb -Sch-austellung, halb Gottesdicnst, das
Bühnenhaus mtt dcn üblichcn drei Eingän-gen, die Schau-
spieler durch dcn Cothurn uud durch gratze Pcrrückcu sast über-
inenschlich erscheinend, vor dem Antlitz d-ie Maske, deren Schall-
trichter den Ton weit tragen soll. Jm Halbkreis vor der Bühne
bewegt sich um üen Altar des Dionysos der Chor, während auf
den Zusch-auerplätzen die vie-ltauseudköpfige Menge den Wortcn
des Dichters lauscht. Jedrr Zuhörer, auch der geringste,
kennt die Sage von OresteS. der nach JaLren znrücktchrt, nm
den schniählich dah-in-geinordeten Vater zu rächen, jeder wcitz
von Electra, dic d-en Tag der Rache erwartet. Und doch zit-
tern alle, wenn die falsche Nachricht vom Tode des Bruders
cintrifft und Electra vcrzweifelt in die Worte ausbricht:
„Weh mir, der Armen! Dicser Tag gi'bt mir dcn Tod".
Man mutz sich dic leicht erregbaren Südländea
in einem solchen Augenblicke n-ur vorstcllcn.
Ja diese „le-bendige Gegenwart" wirkt eben auf
unis heutzutage derartig, dah tvir in -andercr Hinsicht we-
ntger kritisch sin-d und auf eine eingehende Charatter!-
sierung ücr einzelnen Personen z. B. kaum achten. Jn Wirk-
lichkeit h-aben wir doch- eine dramatisicrte, allcrdin-gs von
einem grotzen- Dichtcr dramatisierte -Sage vor uns, die autzer-
dem den Vorzug hat, -an un-d- für sich schon hochdrnmatisch zu
sein. Aüer können wir denn auch mit diescn Menschen fühlen».
die -der Dichter uns vor Augcn führt, sind jie Fleisch bon un-se-
rem Fleisch, Bein von unserenv Bein? Wenn auch der Ver-
such gemacht wird, die dramatis personae unS menschlich näher
zu bringen, so kann m,an doch sagen, datz es im allgemeinen
Menschen aus einer anderciii sagenhaften Welt sind, die so und
nicht anderS handeln können, weil die Gottheit es ihnen vor-
schreibt. Vergegenwärtigcn w-ir uns doch -kurz die Personen.
der Sophocleischen Elcctra. Zunächst dic Heldin sclbst. Auch
ihr hat der Dichter als Hauptcharakterzug dcn glühcnden Hatz
gegen die Mutt-cr ,md den Stiefvater gcgeben, abe-r sie haßt
Klhtänmestra und A-ogisth iricht n-ur, weil sie ihr den V-ater ge-
mordet häben, son-dern -auch -aus cinem anderen, weit persön-
licheren Grunde. Aegisth h-at mit Klytemnestra Kinder ge-
zeugt, diese werdcn von- den Eltern vorgezogen, und Aga-
memnons Ktnder werden schlecht behandelt. Clectr-as Klage
um den toten Vater ist also wohl mehr religiöser Art, und sie
har-rt sehnsüchtig auf Orcstes, weil dieser nicht nur den Vater
rächen, sondern auch sie, die Königstochter, -aus ihr-cr schimpf-
lichen Lage bcfreien soll. Klytämnestra aber ist der festen
Ueberzeugung, sie sci zu ihrer Tat vollig derechtigt gewesen,
da doch Agamemnon es seiner Zeit zugegebcn habe, daß ihre
Tochier Jphigen-ie geopsert wurde. T-aß dics zu einem höheren
Zweck gc-schehen sei, vermag und will sie natürlich nicht cinsehen.
Jedoch dic Göttcr haben ihre Tat mitzfällig an-gesehen, und
deshalb schicken sie ihr die Strafe, und Vollziehcr diesei:
Die heutige Nummer umfaßt drei Blätter, zusammeu 12 Seiten