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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-150 (1. Juni 1904 - 30. Juni 1904)
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Slkitis, 1«. Zmi lVj. _ Erstes Blatt. 46.»«.-.«133.

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Deutscher Reichstag.

Berlin. d. Jum.

Tns Haus Leginnt die dritte Beratung des Reb-
^ aus g e setzes.

. .Jm Hinblick auf dio baldigo Vcrtagung hat das Haus sich
dics Gesetz fertig zu stellen. Nach im Ganzen unwescnt-
^cher Diskussion hat es das Gesetz nach den Beschlüssen zweiter
^sung rnit geringen redaktionellen Aenderungcn angenommen.

Es folgt die zweite Beratung des Gesetzent-
^urfs, betreffend Kaufmannsgerichte.

8 5 wird debattelos in der KoMmissionsfassung angenom-
men, ebenso die §§ 6 und 7. Zu § 8 beantragt Abg. Gothein
-lr. Vp.), datz die Kosten der Kaufmannsgerichte nicht, wie die
^orlage will, den Gemeinden oder weiteren Kommunalverbän-
?^n zur Last fallen sollen, sondern den betreffenden Bundes-
Uaaten unter Zuweisung der entsprechenden Einnahmen.

Der Antrag Gothein wird abgelehnt und die §8 8 und 9
unverändert angenommen.

In dem von der Kommission eingeschalteten 8 3 a befindet
eine Bestimmung, die dieFrauen vonderMit-
Tliedschaft der Kaufmannsgerichte aus-
schlietzt. Ein Antrag Müller-Meiningen und ein identischer
stntrag Auer fordert die Streichung dieser Bestimmung. Zu-
s?numen mit ZOa wird auch 8 12 beraten: er bindet das aktive
-lsahlrecht zu den Kaufmannsgerichten an das 25. Lebensjahr,
"'ahrend die Kommission dafür das 21. zu setzen beantragt.

Staatssekretär Dr. Gras v. Posadowsky: Der Bundes-
A>t sei entschieden gegen ein aktives und passives Wahlrecht der
N^uen und gegen 'die Herabsetzung der Altersgrenze des 8 12.
7?as das von der Kommission zu 8 11 vorgeschlagene Propor-
^onalwahlverfahren angehe, so stecke darin gewitz ein guter Ge-
^anke, dennoch erbitte er die Wiederherstellung der Regierungs-
"orlage, da die Sache noch neu zu prüfen sei.

... Abg. Trimborn (Ztr.) stimmt trotz aller Sympathien
bie Kommissionsbeschlüsse doch für die Regierungsvorlage,
^>ü das wertvolle Gesetz nicht schcitern zu lassen.

Mg. Lipinski (Soz.) fordert das aktive und passive
""ahlrecht der Frauen.

, Mg. Dr. M ü l I e r - Meiningen (fr. Vp.): Die Mehrheit
>olle dem Bundesrat die Zähne zeigen, sonst werde das Parla-
?^nt zurn Gesetzautomat. Die Verweigerung des Frauen-
lnrnrrrrechts sei eine Rückständigkeit, die sich bedauerlicherweise
?uch in süddeutschen Staaten zeige. Man solle die Verantwor-
Uug für das Scheitern des Gesetzes dem Bundesrat zuschieben
?ud ificht die Frauen auf dem Altar des Kompromifses opfern.
Grotze Heiterkeit.) Es handle sich um die berechtigte Fn-
Eressenvertretung der Frarien.

, Abg. B e ck - Heidelberg (natl.) hat schweren Herzens, um
Gesetz nicht zu gefährden, den inzwischen eingegangenen An-
^ag Trimborn unterzeichnet, wonach die Regierungsvorlage in
e, 3 z wiederhergestellt wird. Die Nationalliberalen seien in
Frage geteilter Ansicht. Er persönlich sei für das aktive und
raiiive Wahlrecht der Frauen. Wenn das Gesetz falle, kämen
watcr wohl wieder Kaufmannsgerichte, aber im Anschlutz an
Amtsgerichte und ohne Wahlrecht weder der Männer noch
^ Frauen.

-. Äbg. Dove (fr. Ver.): Gründe gegen das aktive und pas-
?°e Wahlrcch't seien übcrhaupt nicht vorgebracht worden. Nach
ttfhöhung der Altcrsgrenze aufs 30. Lebensjahr lvürde ja z. B.
tüchfige Mitglied dcs Rcichstages Erzberger nicht wählbar

.^bg. Lattmann (wirtsch. Ver.): Seine Freunde seien
mnsichMch des Frauenstimmrechts geteilter Anschauung.

, Morgen 1 Uhr: Weiterberatung, autzerdem noch Wahlprü-
^"Ngen. _

Deutsches Reich.

Bade«.

^ - Die konservative „Vad. Post." bestatigt, daß die

Charpentiers Dichterschicksal.

> ViN dem Konzerte, das die Stadt Heidelberg für die in
^i ^ntfurt versammelten Tonkünstler veranstaltete, womit sie
Uuk!??nnes und ehrendes Zeichen ihrer regen Kunstfreude
t .n -Kunstpflege gab, hat das eine Werk, nämlich Charpen-
„D i ch t e r s ch i ck f a l" beim Publikum eine fehr ge-
Äow ^ffsuahme erfahren. Tsie einen jubülten dem anwesenden
>tzj^?bonisten zu, während andere sich aus nur künstlerischen
. Unden nicht nfit dem Werke besreunden konnten. Die
^ lle für und wider scheint mir wichttg genug, um hier,
«uch nur in kurzem Raume, es zu versuchen, die künst-
Ig.-Zwen Bedenken, die sich gegen das Werk geltend machen
zu ervrtern.

IZ. wollen uns hier durchaus nicht auf einseitig nationalen
Gsil stellen, sind doch viele franzöfische Künstler- und

Zosen ^ Zuerst in Deutschland gewürdigt und den Fran-

BerU ^leichsam erst neu geschenkt worden; ich brauche nur an
T« "»d den Grafen Gobineau zu erinnern. Aber der
derfiÄ^ukt sollte immer gewahrt werden, dah man von frem-
ieiklü ^ugnissen nur das Beste und Hervorragendste bringe,
e üageserzeugniffe aber bei Scite lasse.
öer I.^ufier ist feinem Können nach entfchieden ein bedeuten-
^Ucnd?'^^^' Ureih das inoderne Orchester mit all' seinen

i>,...,""ckien Klangfarben glänzend zu beherrschen; aber was
iese technische Vollendung, wenn sie wie hier auf
oder, sckgen wir, unser deutsches Kunstempfin-

Uusit . «mngmrvcn gmnzeno zu
üistjMm techmsche Vollendung,

Le,, uiiche oder, sckgen wir, unser

uE verletzende Ziele verwendct wird. Wir
d^iserr s denken uns nnn einmal ein Dichterschicksal und
^usaw - zanz anders als dieser Fvanzose, der in

ÜuLcn -I?chulem Bohäme-Wesen seine volle Besriedigung zu
Wc> ist in diesem Dichterschicksale etwas von
^r bi«,r„^^Erung zu flnden? Nirgends. Die -ersten Bil-
lusfii,j„?.? ^ Äierslächliches Wortgeklingel, daS uns trotz aller
rren und äutzerlich 'wohltörieuden Musik nichts zu sagen

Stellungnahme der Be r f as s n n g s k o m m i s s i o n
der Ersten Kammer jetzt keineswegs eine
dur ch aus negativ,e ist. Sie lehnte zwar den Ge-
setzentwurf in der Gestalt ab, wetche er in der Zweiten
Kammer gefunden hat, sie bemüht sich aber redlich, Aen-
derungen an dem Entwurs vorzunehmen, welche ein Ge-
gengewicht gogen die Einsührung des direkten W-ahlrechts
und ihrer demokratisierenden Wirknng zn gewahren
imstande wären und deren Annahme nicht außerhatb der
Möglichkeit der Zustimmung der Zweiten Kammer liegen
würds. Nachdem die Zweite Kamnrer sechs Monate an
dieser Frage beraten und gearbeitet hat, werde kein ge-
recht Denkender von der Ersten 'Kannner verlangen, daß
sie nun Hals über Kopf dieses- schwierige Material er-
ledige.

Württcmberg.

— Die A b l e h n u n g der B o l k s s ch u l v o r l a g e
dur-ch die ultramontane Mchrheit der Ersten
'Kammer wird' von der großen Mchrheit der württember-
gischen Bevölkerung, die in dieser Frage hiister der Re-
gierung steht, als eine Herausforderung aufge-
saßt, aus welche die Antwort nicht ausbleiben dürse. Die
Zentrumsherren wollen stch gnädig herablassen, daß einige
Bezirksschulinspektoren als selbständige Stellen eingerichtet-
wüvden, aber diese Stellen müßtsn mit Geistlichen
besetzt werden. Einen solchen Eingrisf in sein Ernen-
nungsrecht kann sich der Staat iricht gefallen lassen. Nach
den AnküNdigungen des Ministers dars man erwarten,
daß die Regierung den Schlag, den ihr die Erste Kvmmer
versetzt hat, nicht rnhig hinnchmen wird. I'm. Land
wird man seden Schritt begrüßen, der zur Lüftung des
Fossilienkabinetts, genannt Erste Kammer, von ihr unter-
nommen wird. Die Mehrh-eit der würüembergischen
Pairskanuner hat si-ch den sehr bescheidenen Ansprüchen,
die an ihre politische Einsicht gestellt wurden, nicht gewach-
sen gezeigt. Sie wird die Folgen zu tragen h-aben. Lebhast
erinnert wurde man durch- ihr Verhalten an die Haltung,
welche die Vsrsassungskonttnission der Ersten badischen
Kammer im ersten Augenblick eingenommen h-at. Auch
sie schien für die p-olitischen Unfordernngen der Zeit zu-
erst nur ein verstocktes Nein zu haben. Jnzwischeil scheint
aber ein wenig Verständnis bei ihr aufzudämmern. Wie
sehr die Borgänge in Württemberg zur Vovsicht beim
Schulcmtrag in Prentzen aussordern, das Lars wohl nicht
näher anseinandergesetzt werden. Sehr nnangenehm ist
man in Württemberg davon beruhrt, daß die vier katho-
lischen Prinzen bei der Beratung des Gefetzes fehlten.
Wären sie dagewesen und hätten sie im Sinne des Staates
gestimmt, dann wäre das Gesetz durchgegangen. So
haben sie indirekt aber sehr weseiulich zur Niederlage der
Regierung beigetrag-en. Ter Bischof von Rottenburg
aber, d-er die katholischeu Magnaten anr Leitseil sührt,
triumphiert zunächst. Hofsentlich nicht lange!

Badischer Landtag.

(94. Sitzungder ZweitenKamme r.)

K arIs r n h e, 9. Juni. Die allgemeine Beratting
über das E i s e n b a h n b a u b u ö g e t wird sortgesetzt.

Abg. Hergt (Ztr.) würde dcn Stillstand im Ausbau
unseres Bahnnetzcs sehr bedauern; besonders zu beklageu rst,
datz zwei Nebcnbahnen nicht zur Ausführung kommen, weil die
ttntcrnchmer zurückgetretcn sind (Oberschesflenz-Billigheim u.
Walldürn-Hardheim). Die Regierung würde von ihrem ge-
mischtcn Systcm nichts aufgeben, wenn sie in diesen Fällen selbst
dcn Bau in die Hand nehmcn würdc. Aehnlich liegen dic Ver-
hältnisse bei der Renchtalbahn. Datz grotze Projekte von jungen
Jngenieuren ausgearbeitet werden, glaubt Redner nicht. Aus
ein Experiment mit dem elcktrischen Vollbahnbctrieb könne sich
die Eisenbahnverwaltnng zur Zeit nicht einlasscn.

Abg. Muser (dem.) befürwortct die Petition der Ge-
mcinden Offcnburg-Willstädt u. a. bctr. die Bahn Offenburg-
Kehl.

Abg. Müller (natl.) ersucht die Rcgierung, auf den bal-
digeu Bau dcr Bahnen Mannhcim-Hcddeshcim und Mannheim-
Schriesheim zu dringen. Man hätte dcr Stadt Mannheim
einen bestimmtcn Termin vorschrciben sollen, bis zu dcm die
Bahnen fertiggestcllt sein müssen.

Abg. Mampel (Antis.) tritt für den Bau einer Bahn im
Stcinachtal ein.

Staatsministcr v. Brauer bctont, datz die Eisenbahnver-
waltung nicht daran denke, im Bahnbau cinen Stillstand ein-
trcten zu laffen. Dic Tatsache, datz zur Zeit die Projckte für
bier grötzere Bahnen in der Ausarbeitung begriffen sind, be-
weist das Gcgenteil. Es sind dies die Murgtalbahn, die Bah-
nen Kappel-Bonndorf, Frickingen-Mimmcnhauscn und die Bahrr
bei Wertheim. Die Bahn Walldürn-Hardheim konnte bis jetzt
leider nicht in Angriff genommen wcrden, weil der Unterneh-
mcr vom Vcrtrag zurückgetrcten ist. Wir stehen mit den Ge-
meinden in Untcrhandlungen und es ist Aussicht vorhanden„
datz bald ein anderer Unternehmer gcflmden wird. Für die
Schefflenzbahn ist das Gelände noch nicht gcstellt. Man dars
hoffen, dah auch diescs bald geschieht. Die Bahn Biberach-
Oberharmcrsbach wird noch in diesem Jahre in Betrieb genom-
men. Die Rcnchtalbahn kann vor dem Fahrc 1909 nicht vom
Staat übcrnommen werden, weil erst in diescm Jahre der Be-
triebsvertrag abläuft. Was 1909 zu geschehcn hat und wer
dann an meiner Stelle steht, kmm niemand wissen. Die Stei-
nachtalbahn kann nicht als Staatsbahn gebaut werden; doch
werde der Staat eveutl. einen Zuschuh gewähren. Datz die
Bahuen Mannheim-Heddesheim-Schricsheim noch nicht zur
Ausführung gekommen sind, ist bedauerlich; doch kanu deswegen.
die Staatsaufficht gegen die rührige Stadt Mannheim nicht
einschreiten; denn diese hat noch sehr viele wichtige Aufgaben
zu lösen. Wir können ihr daher das Mcsscr nicht auf die Brust
setzen, sondern müffen ihr eine Frist laffen. Das Haupthinder-
nis liegt darin, dah Mannheim die uncntgeltliche Abtretung deS
Geländes verlangt. Darin kann ich keine Unbilligkeit erblickem
znmal die betr. Gemeinden pekuniär in gutcr Lage sind. Es
wird wohl nichts cmdcres übrig bleiben, als einen Zuschuh zu
leisten. Wir sind gerne bereit, als ehrliche Makler die Ver-
mittlung zu übernehmen.

Abg. Geppcrt (Ztr.) befürwortet dcn Bau einer Bahn
im hinteren Renchtal.

Abg. Dr. Wilckens (natl.) glanbt, dah die Fortsetzung.
der Renchtalbahn vom Staate iu die Hand genommen werdeu
sollte. Die Eiscnbahnschuld von 410 Millionen gebe zwar zum
Pessimismus kcinen Anlah; doch sci die Mahnung zum Mahhal-
ten gerechtfertigt. Damit soll selbstverständlich einer Stagna-
tion im Eisenbahnbau nicht das Wort geredet, es sollen vielmehr
nur nicht dringliche Bauten zurückgestellt werden. Me Bud-
getkommission und dcr Berichterstatter wollten mit ihren Anre-
gungen nur sagcn, dah man die richtige Mitte einhalten soll..
Bczüglich des elcktrischen Vollbahnbetriebs sollte nach unserer
Ansicht unter allen Umständen die Frage gründlich geprüst wer-
den, ob sich die Wafferkräste des Rheins in wirtschaftlicher
Weise sür dic Zwcckc der Eisenbahn vcrwcnden laffen. Redner
tritt sodann warm für die Wünschc der Stadt Lahr ein, die-
tatsächlich durch den Fehler von 1843 schwer geschädigt worden
sei. Redner ersucht um Auskunft über dcn Stand der Hei-
delbergcr Bahnhofsrage.

hat, zum Teile sogar abstötzt oder zu-m Lachen reizt; wie z. B.
di-e grotze Fluchstelle, die ersten-s durch nichts Vorhergehendes,
weder dichterisch- noch musika'lisch begründet erscheint und- sich
-durchaus nicht als Ausflu-ß einer grohen Persönlichkeit, son-
der-n eines schwachen, eitlen Charakters darstellt, und zweitens
in dem melodiösen- Aufbau der Musik in innerem Widerspruche
zu den Worten steht. Mit solchen Rhythmen würden wir viel
-e'her stille Heiterkeit, als einen resignierenden Fluch- aus-
drückcn. Das kraftlose Ersterben dieses Fluches im 'Parlando
des Chores wirkte sast komisch, oder erregte erstaunliches
Kopffchütteln. Und wozu das Alles? Damit der Held zuletz^
bei wüster Zirkusmusik, in srivolstem Genusse von- Wein und
Weib ruhmlos zu Grunde gehe. Dieses letzte Bild mit seiner
tollen Orgie wirkte auf mich und auf viele gediegene Musiker,
die ich sprach, geradezu widerlich.

Das ist kein Dichterschicksal, sondern das versehlte Leben
von vielen jungen- Leuten, die zwar selbst der Meinung sind,
grohe Geister und Ledeutend- veranlagte Nakuren zu sein, iu
ihrer Schwächlichkeit und derbfrivolen Sinnlichkeit aber mit
Recht zu Grunde geheu. So gebärden sich d-ie Mitglieder der
Pariser Boheme; das ist aber meiner Meinung nach kein
künstlerischer Vo-rwurf und ein dentsches Dichterleben nnd
Schicksal müssen wir uns ganz anderS denken. Die Kunst soll
erheben, aber nicht zuletzt nur Gefühle des Ekels erzeugcn.

Da war Kloses symphonische Dichtung doch ein ganz cmderer,
reinerer und edlerer Genutz. Hier spricht doch ein wahrhaft
künstlerisches Gemüt zu seinen Zühörern; und wiewohl das
schwere We-rk in all' scinen Tiesen beim ersten Hören nicht gang
zu erschöpsen ist, so ist es doch so klar ünd schön ansgebaut,
datz die Absicht ünd Lie den Künstler treibenden Gesühlc
jedem musikalischen Empsinden auch ohue Kenntnis des Pro-
gramms sofort klar wurden. Hier empsand ich wahre Kunst.
Und wir Deutsche haben noch so biele sast unbekamfie, vor-
fieffliche deutsche Werkc, man denke an Alexander Ritter, datz
nns in Ansführnngen ganz andere Pflichten und AüfgaLen
erwachsen, -als dcrlc'ü oberflächliche, den Sinn der Franzosen

kitzelnde ausländische Werke, demj Püblikum, das nach wirk-
licher, echter Kunst verlangt, vorzusetzen.

Prof. Dr. Reiühold Frhr. v. Lichtenberg.

Kleine Zeitung.

Hochschnlnachrichten. Der Direktor der Klinik sür innere
Akedizin an der Univcrsität Tübingen, Professor Dr. L.
Krehl, hat, der „Allgem. Ztg." zufolge, dic Berufung nach
Stratzburg als Nachsolger Naunyns angenonimen.

— Frankfnrt, 8. Jum. Die M ä d ch e n h a n d e l s.
Affäre Pfafs und Genossen beschäfttgtc heute die
Strafkammer. Angeklagt waren der Friseur Johann
Pfaff, der Kausmann Richard Klaas und der Mann'heimer
Bordellwirt Franz Münsterer nnd Robert Seuffert, der
in Heidelberg etne Fahrräd-Handlnng besttzt, die
nttnderjährige Emma Fleckenstein niit ihrem Willeifi
jedoch ohnc Einwillignng der Eltern, einem offentlichen
Hause zugefnhrt zn haben. Das Gericht erkanitte nach
längerer Verhaudlnng gegen Pfaff, der wegen Kuppelei
bereits mit 2 Jahren Gefängnis bestrast ist, anf sieben
Monate, gegen die anderen drei Angeklagten auf zwer
Monate.

— Jnnsbruck, 9. Juni. Heute Nacht ist das Hotel
„Seespitz" am Achensee, der Endpmikt Äer Zahnrad-
bahn, ganz niedergebrannt.

— Paris, 9. Juni. Zwei d e u t s ch e -S t u d e n t e n
der Unwerfität Grenoble unternahmen am Somttag
die Befteignng der 2255 Meter hohen Ehamprousse im
Massif Beledonne nnd zwar ohne Nfhrer. Da sie abends
nicht zurückkehrten, wurde Militär aufgeboten, um sie zu
 
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