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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 26-50 (1. Februar 1904 - 29. Februar 1904)
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Montag, 22. Febrnar 1V4.

Erstes Blatt.

ik. ZchrWß. — 4L.

Ersch«i»t täglich. Sonntag« aurgenommen, Prel» «it KamiltrnblLttrr» monatlich 8V Pfg. ü>'S Hau» -rbracht, bri d«r Sxpedlti-n u»d dnr Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch dt« W»ß

bq-a« di»rt«ljährlich 1.3b Mk. -u,schltetzlich Zustrllgebühr.

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a» bestimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate aus den Plackattafeln der Heidelberger Zeitung und dcn städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher SS.

Finanzminister Vuchenberger

Karlsruhe, 20. Fcbr. Finanzministcr Tr. Buchcn-
^gcr jst hcute Nachmittag halb 4 Uhr gcstorben.

Nach siebemvöchigem schmerzoollen Krankenlager
^Buchenberger Lurch einen sanften Tod von sei-
Isbn schmeren Leiden erlöst worden. Zweimal mußte er
einer gefährlichen, schmerzhaften Darmoperation un-
^ziehen, wiederholt sahen sich die Aerzte genötigt, durch
^nstiche in die Brusthöhle dem Kranken Linderung zu
^rschaffen. Gleichwohl Hegte man bis in die vorige
^oche hinein Hofsnuug, daß die zähe Natur des Pa-
^bnten den Sieg davontragen werde. Jn den letzten
E^gen aber schwand auch diese Hoffnnng, weil infolge
allzu langen künstlichen Nahrungszusuhr die Kräfte
^chch abnahmcn. Schon im Laufe des Freitags mußte
^ Herztätigkeit durch Kamphereinspritzungen belebt
^erden. Ter Todeskamps trat Samstag Mittag ein.
Die Krankheit Buchenbergers trat ganz unerwartet
Jn der Nacht vom 24. zum 25. Dez. v. I. äußerten
plötzlich furchtbare Schmerzen. Dem Vernehmen nach
^sprcmg die Krankheit sog. runden Magen- und Darm-
Uchwiiren, deren eines in die Bauchhöhle dnrchbrach.
^ahrend in der Regel in solchen Aällen eine hitzige Ent-
^sndung des gesamten Bauchfells rasch den Tod herbei-
^hrt, hutten sich hier die ausgetretenen Massen in der
Nauptfache zwischen Darin nnd Leber eingekapselt oder
^ schien wenigstens so. Bei der Opcration vom 2. Ja-
^uar hofften die Aerzte, daß eine weitere Verbreitung
lener Massen nicht mehr erfolgen werde; dies mar aber
^u kleinen Mengen viellcicht schon vorher geschehen, denn
.sd fortschreitende Vereiternng griff auch in die Brust-
Uohle iwer und ließ sich trotz mehrerer gelungener chi-
iUrgischer Eingrisfe nicht mehr aufhalten. Alle Kunst
Md Aufopferung der Aerzte vermochten nicht mehr
us kostbare Leben zu erhalten.

^dolf Buchenberger wurde am 18. Mai 1848
Sohn des Amtsgerichtsarztes Julius Buchenberger
u Dl osbach geboren. Die Eltern siedelten später nach
ÄashEM über und Buchenberger besuchte das Gym- j
uimm in Wertheim. 'Seme Universitätssllidien machte >
r in Jreiburg, München und Heidelberg. Er wurde
»uch absolviertem Staatscxamen 1869 Kameralprakti-
uut und^ 1874 als Regierungsassessor Mitglied der
T^uerdirektion des Wasser- und Straßenbaues. Jnr Jahr
wurde er als Mimsterialassessor in das Handels-
berufen und trat nach dessen Anfhebung
i, ol iu gleicher Eigenschast in das Ministerium des Jn-
^ demselben Jahre wurde er Ministe-

ten "k Jn dieser Eigenschast leitete er die ausgedehn-
^ . ^nhebnngen über die Lage der Laudwirtschaft in
^ s ^u, deren Ergcbnisse er in einem 3bändigen, nnge-
» ur gehaltvollen Werk „Erhebungen über dre Lage der
d "^uirtschaft im Großherzogtum Baden, veranstaltet
ltellr ^us großh. Mn. d. Jnnern, 1883" znsammen-
Die Hingebung, mit der er sich dreser Arbeit
ch "'dte, trug ihm allseitige Anerkennung cin und machte
rg .?um erktärten Liebling der landwirtschafttreibenden
^ olkerung, griff aber anch serne Gesundheit merklich
erholtc er sich bald. Als er 1893 nach dem
E Ellstätters zum Präsidenten des Jinanzmini-
^ Urns ernannt wurde, bedauerten dies die bädischen
^lvohl sre ihm die Besörderung gönnten; es
deZ ^uuen aber zu Mnt, als hätten sie im Minrsterium
" >wnern einen unersetzlichen Freund verloren.

war ein Mann von großer Spann-
ihn, urr nngemein leicht arbeitete. Die Sätze flossen
Zr, ^ aus der Feder, ohne vieler Vcrbesserungen
tzst^°urfen. So konnte er als Finanzminister noch
üems^ ^chrerben: 1899 erschienen seine „Grundzüge der
Ax Agrarpolitik" und 1902 zum Jubiläum des

ivr seine „Finanzpolitik und Staatshanshalt

Bv^°llherzogtiim Gaden 1850—1900". Dabei war
dio ch"^^^er ein anregender, heiterer Gesellschafter, Lem
Aan, seiner Repräsentationspftichten leicht fiel.

Ang„/^Sport war er nicht fremd; Radsahren,

Uvr > >5<rgd betrieb er. Gerade in den letzten Tagen
chgdc, Erkranknng nahm er an mehreren Treib-
Tchj, ' uuch derjenigen, bei der Oberforstrat
^ angeschossen wuvde, wohnte er an. Er war

kultbssv ^ Angeschossenen jund schüüelte

sich Schrotkörner aus dem Rockkragen, ohne

udhcNN'"^ ^ou d« Mtivirkung an späteren Jagdzügen
iKnnin iusien. Buchenberger hatte ein glückliches
sür ^uleben. obwohl seine Gattin häufig leidend war;

schp^.^ «OF die plötzliche Erkranknng des Gattcn eine
uuere 'tzeimsnchnng.

Was Adolf Bnchenberger gewesen, das kann
nicht in wenigen Worten zusammengesatzt werden. Hier
seien nur drei Momente hervorgehoben, die sich jedem
Kenner unserer Verhältnisse von selbst ausdrängen: Bu-
chenberger als Referent für Landwirtschaft im badischen
Ministerinm des Jnnern, Buchenberger als Mann der
Wissenschaft und Wuchenberger als Finanzminister.

Bnchenberger als L a n d w i r t s ch a f t s r e f e r e n t
hat der badischen Regierung in musterhafter Weise die
Wege vorgezeichnet, die in der für die Landwirtschaft so
kritischen Zeit des Emporkommens des Jndustriestaats,
der Herrschaft der Maschinen, der Avbeiterbewegung, der
billigen Getreidecinsnhr geräde für die besondere Art der
badischen Laüdwsrtschaft die ersprießlichsten waren. Wie
wir heute vor dem badischen landwirtschaftlichen Budget
stchen und schen, wie dasselbe die Landwirtschaft in allen
möglichen Zweigen bedenkt, wie es die vielen kleinen
Miktel zu einer gewaltigen Fürsorge für die ganze Land-
wirtschaft vereinigt, cine Fürsorge, die es zuweg gebracht
hat, daß unsere badische Landwirtschaft trotz und wegen
ihrer besonderen Art groß und achtunggebietend dästcht,
so ist das ein Stück der Lebensarbeit Bnchenbergers.

Aus der Praxis heraus entwickelte sich dann der
Theoretiker. Was Buchenberger Grotzes geschrie-
ben, das gilt der badischen Lalldwirtschast, das hebt sich
aber auch in ganz besonderer Weise vor vielen, auch sich
wissenschaftlich nenncnden agrarpolitischen Erscheinungen
der letzten Jahrzehnte hervor. Ganz besonders atmet die-
sen Buchenberger'schen Geist sein zweibändiges Werk über
Agrarpolitik in der Rau-Wagner'schen Sammlung. Hier
ist nirgends ein einseitiges, etwa durch eine Parteibrille
getrübtes Ilrteil, hier erfrent sich der Leser, einerlei, wel-
cher wissenschaftlichen Richtnng er angchört, vielmchr an
einer nach jeder Seite hin abgeklärten, 'sorgfältig maß-
haltenden, durchaus reifen nnd durch die Praxis maß-
gebend beeinflußten, tunlichst objektiven Beurteilung der
vielen agrarischen Streitsragen. Das ist Holz, aus dem
Staatsmänner geschnitzt werden.

Es war eine hervorragende Tat unseres 'Grotzherzogs,
bei Ellstätters Ansscheiden aus dem Unanzministerium
Buchenberger als F i n a n z m i u i st e r zu berufen.
Kauw hatte er sich mit seinem neuen Ressort vertraut ge-
macht, so trat auch hier seine schöpserische Kvaft und sein
moderner Geist in Tätigkeit. Er wagte es, mit unserem
alten Ertragsteuersystem zu brechen und an seiner Stelle
das den modernen Gedanken entsprechende Vermögens-
steuersystem als Grundlage für eine anJubahnende Steuer-
reform zu proklamieren. Was er hierin durch seine ver-
schiedenen Denkschriften und durch seiue vorzüglichen
Kammerreden geleistet hat, das ist in aller Mund. Buchen-
bergers Schriften zu leseu, das ist eiu 'Genuß! Seine Vor-
lagen zeichneten sich alle dnrch besondere Klarheit und
Uebersichtlichkeit aus, das Budget selbst hat durch ihn
einige erhebliche Fortschritte in seiner äußeren Ausge-
staltung ersahren. Die Steuerresorm in seinem Sinn
durchzuführen, das war das zweite Lebenswerk Buchen-
Lergers.

Mitten aus diesem heraus ruft ihn nun der unerbitt-
liche Tod! Die Lücke, die dadnrch entsteht, wird in unserer
Kammer und namentlich in unserer gegenwärtigen Zeit,
da bei nngünstigen wirtschaftlichen Verhältnissen die ganze
Finanzwirtschaft sozusagen im Fluß ist, da die Bezie-
hnngen zwischen Reich und Einzelstaaten noch immer un-
geklärt sind, ans Jahre hinaus sühlbar sein. Wer aber
auch berufen sein mag, in diese Lücke zu treten. jedenfalls
wäre ihm Buchenberger'sches Wissen, Bnchenberger'scher
Fleiß und Bnchenberger'scher Geist zu wünschen!

Deutsches Reich.

— Der Reichstag erledigte am Samstag den
Postetat. Der Bericht über die Sitzung folgt in
nächster dkummer d. BI.

Baden.

Karlsruhe, 21. 'Februar. Von Staatsminister
Dr. v. Brauer sind günstige dkachrichten eingelaufen.
Er hat die Strapazcn der Reise gut überstanden.

Vadischer Landtag.

31. Sitzung der Zweiten Kammer.

»t a r i s r u y e, 20. Febr.

Jn die monotone' Generaldebatte.über das Budget
des M i n i st e r i n m s des Innern, die auch heute
noch nicht zu Ende ging, brachte der Protest gegen die
Schwetzinger Nachwahl einige Abivechslung.

Abg. Wc ygoldt crstattete auch diesinal wieder den Be-
richt der WahlprüsungSkomntisiion. Die Einsprache stnht sich
auf folgende Bebauptungen: i. Die Zinladung an die
Hockenheimer Wahlmänner crfolgte scchs (anstatt siebenj'Tage

vor der Wahl. 2. Hauptlchrer Stein in Hockenheim soll den
Alt- und Neulußheimer sozialdemokratischen Wahlmännern
100 Litcr Bier versprochen haben, wenn sie Jhrig wählen. 3.
Landtagsabg. Neuhaus habe in Schwetzingen am Wahltag
an die sozialdemokrattschen Wahlmanner Zigarren vcrteilt.
4. Es sei, um die sozialdemokratischcn Wahlmänner zu ver-
hehen, das Gerücht ausgesprengt ivorden, Gemeinderechner
Pflaum in Hockenheim hätte gesagt, er kenne die Lumpen,
die sozialdemokratische Wahlmänner nm vier Schoppen Bier
kausen. Die Wahlprüsungskommission hat dem ersten Punkt
keinc erhebliche Bcdeutuny beigemesscn; dagegcn crachtcte ste
nähere Erhcbungen über bie anderen Behauptungen für nol-
wendig schon im Jntercsse der angezriffencn Personen; sie
stellte daher den Antrag, die Wahl Jhrigs zu bean-
standcn und übcr die aufgestellten Behauptungen nähere
Erhebungcn zu veranlassen. Der Antrag wnrde nach kurzen
Aussührungen der Abgg. Zehnter, Heirnburger und
S ü ß k i n d, sowie des Geh. 'Oberregierungsrats Glockner
e i n st i ni m i g a n g e n o m m e n.

Die Kammer setzte dann die Beratung des Bndgcts
des M i n i st e r i u m s des Innern fort. Bericht darüber
folgt.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog habew
dem Privatmann Gustav Hummel in Mannheim das Rit-
terkreuz des Ondens Berthold des Ersten verliehen.

Professor Jellinek über Japan und das
Völkerrecht.

Der offizielle russische „R e g i e r u n g s b o t e''"
sagt (laut Mtteilung des Wolff'scheu Bureaus) am 20.
d. M. in seiner Darstelluug des Kriegsanfangs: „Ob--
gleich der Abbruch der (diplomatischeu) Beziehungew
durchaus nicht die Eröffnung der Feindseligkeiten be-
deutet, verübte die japanische Regierung bereits in der
Nacht auf den 9. Februar, sodann im Lause des 9. und
10. Februar eine ganze Reihe empörender Angriffe atts
russische Kriegs- und Handelsschisfe unter Verletzung
des bestimmten internationalen Rechts.
Der Befehl des Ltaisers von Japan, betreffend die Er-
klärung des Krieges an Rußland, erfolgte erst am 11.
Febrirar." Auch in Deutschland, in der Presse und bei
politischer Kannegießerei hinter dem Biertisch, trifst man
sehr hänsig die entrüstete Meinung, Japcm habe den
Krieg eröfsnet mit einem Bruche des Völker-
rechts; uur dieser heimtückischen Verletzung des den
internationalen Verkehr zu Grunde liegenden, gehei-
ligten Völkerrechts 'habe Japau seineu ersteu großen mili-
tärtschen Erfolg, den glückgekrönten Angriff auf die
ähnungs- und harmlose russische Fiotte zu danken. An--
gesichts solcher umlaufendeu Ansichten dürfte es, zur
Steuer der Wahrheit, zur Klarstelluug und uni zu ver-
hüten, daß eine solche Meinung zur „öfsentlichen"
Meinung sich auswächst, vou höchstem Juteresse sein, wie
eine anerkanute wissenschaftliche Autorität auf eben die-
seni Gebiete des Völkerrechts sich zu dieser aktuellen
Koutroverse stellt. Jn seiuer Vorlesung über „Völker-
recht" tcilte beim Kapitel „Anfang des Krieges" Herr
Hofrat Professor Dr.- Georg I e I l i u e k, der Lehrer
des öffeutlichen Rechts an unserer Universität, am letzten
Freitag mit, daß eine Reihe von Zeitungen und Zeit-
schriften, zum Teil telegraphisch, bei ihm angefragt
hätteu, ob er bereit sei, gegeu Japaus Dölkerrechtsbruch
durch den Schiffsaugrifs zu schreibeu. Die Ausichten des
Publikttms über diesen Puukt seien außerordentlich wirr.
Ju der völkerrechtlichen W'issenschaft aber sei man sich
darüber klar und einig. Wohl seten srüher feierliche
Kriegserklärungen (durch Fetialen, Herolde, gedruckte
Zettel) üblich gewesen, deren Zweck war, dem anderen
Staat bekannt zu geben, datz er angegriffen werde. Jn
der 'Gegenwart seien solche Kriegserklärungen nicht
notwendig. Aus dem einsachen Grunde, weil heute ein
Staat den anderen mcht überfallen könne. Heut-
zutage sei ein Staat über die militärischen Verhältuisse
uud Truppenbeweguugen des andereu — durch Presse
und Spiouagedieust — sehr gut, wft besser als der be-
treffcude Staat selber, orientiert. Jmmer aber müsse
der Eröfsnung der 'Feindseltgkeiten der Abbruch der
ds p l o m a t i s ch e n BeZiehungen vorangehen.
Die Russen selber hätten 1847 die türkische Grenze über-
schritten -— ckhne Kriegserklärnng! Jormelle Kriegserklä-
rungen könnten dem Kriegsanfang eventuell nachfolgen.
Ein Zwischenstadium zwischen der etwaigen bedingten
Form der Kriegserklärung, dem Ultimatum, und den
Feindseligkeiten sei nicht notwendig. Nur der W i?I e
zum Krieg müsse deutlich, unzweideuttg sein. Deshalb
müsse der Staat den Krieg seinen eigenen Untertanen
(durch Maniseste) bekannt geben und ferner den Krieg
gegenüber drrtten Mächten konstatteren (denn nur dann
treten die Pflichten der Neutralen ein). — Hierans er-
gibt sich uns, daß vom Standpunkt des hentigen Völker-
 
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