46. Mznz. — -4S110
Mitmch, ll. M« M. «rste» »latt
be»og«n vierteljährlich 1,35 Mk. auSschließlich Zustcllgcbühr.
»»trigeuprciS: SO Pfg. fltr die Ispaltige Petitzeile »d«r deren Raum. Reklamezeilc 4V Pfg. Für hiestge Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahmc von A»»«i»ru
«« brstimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate aus den Plakattafcln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. F:rnsprecher «.
Des Himmeifahrttagcs wegen erscheint die nnchste
Nnmmer nm Frcitag.
Henry Stanley
London, 10. Mai. Ter Afrika-
sorschcr Lir Henry Morton Ltanley
ist hente friih 6 Uhr gestorbcn.
Nehmen- wir an, es käme heute aus Hammerfest die
tetegraphische Nachricht, daß Andrs dort eingetrosfen sei,
nachdem er an dem Nordpol die norwegische Flagge auf-
gepflanzt habe, so können wir uns eine ziemlich genaue
Vorstellung von der Sensation machen, die in der gebil-
deten Welt vor nun mehr 32 'Jcchren entstand, als es
hieß, ein gewisser Manley habe !den verloren geglaubten
Lidingfwne in Zentralafrika aufgefund>en und sei mit
feinen Tagebückiern zur Kifte gekommen.
Der bis dahin nnbekannte Stvnley war mit einem
Schlagc ein weltberühinter Mann. Alle politischen und
alle llnterhaltungsblätter beschäftigten sich mit ihm; in
aüen illustrierten Zeitungen war sein Bild zu sehen, was
danrals me-hr bedeutete als in der Zeit der Scherl'schen
Woche. 'Seine Lebensgeschichte wuvde in hundertfacher
Vearbeitung dem Prrblikum Largeboten, war sie doch
abenteuerlich genug und bot sie doch ein Prächtiges Bei-
spiel zu dem Satze, daß ein Mann, der sich von keinem
Hindernis abschrecken läßt, alle Hindernisse besiegt und
borwärts kommt.
Gciboren im Jahre 1841 in Englan'd als der Sohn
eines armeir Ackerers, namens Rowland, wurde James
Roland, der sich nachmals Henry Stanley nannte, bis
zu seinem 13. Jahre im Armenhause erzogen, was in
Englan'd nicht nur sehr wenig angenehm ist, sondern als
desonders schinipflich gilt. Als Schiffsjunge kam er 1854
nach Amerika und wurde dort sehr bald völli'g zum Ame-
rikaner. Als Kaufmannslehrling na'hm er den Namen
leines Prinzipals Stanley an; man sagt, er sei von dem
M-anne ckdoptiert worden. Während'des Bürgerkrieges
trat der abenteuerlustige Bursche zunächst in das Feldheer
der Süd- und später in die Marine der Nordstaaten, um
wit 24 Fahren, als Gordon Bennett, der Verleger der
Zeitung „Newyork Herald", seine Begabung erkannt
hatte, oöllig zur Presse überzuge'hen. Als Berichterstatter
im grötzeren Stil hatte er schon einige bemerkenswerte
Proben abgelegt, als ihn Bennett ausschickte, Livingstone
rn finden. Von der Expedition war nur wenig in die
Oeffentlichkeit gedrungen, umso größer war die Ueber-
raschung der Welt, als Stanley die Ausfindung des be-
riihmten englischen Forschers meldete.
Jederzeit hat Stanley nicht nur verstan'den, Erfolge
M erzielen, sondern sie auch auszuschlachten. Von 1874
'dis 1877 durchquerte er Afrika vom Osten nach Westen
Und löste dabei die uralte Frage nvch der Nilquelle und
hie Kongofrage; ein Triumph für ihn, a'ber auch für die
steographisckie Wissenschast. Bvld darauf trat er mit dem
Eönig von Belgien in Verbindung und schus in dessen
^uftrag die Anfänge des Unternehmens, aus dem später
Kongostaat erwuchs. Jm Jahre 1887 Machte er sich
von der Westküste Afrikas auf den Weg, um Emin Paschä
zu „retten", d. h. ihn aus Zentralafrika herauszusühren,
da er den Plänen des Kongostaates im Wege war. Nach
einem ungeheuer beschwerlichen menschenmörderischen
Mäbsche durch den Urwald gelang es ihm 1889, EMin zu
erreichen und ihn 'hakb mit Gewalt aus seiner Provinz
herauszriführen. Enrin Pascha wollte den Schwarzen
nicht dqs Weispiel bieten, daß sich zwei weiße Männer
bekämpsen und so gab^ er d-em Verlangen Stanleys nach,
kehrte aber von der Küste als deutscher Reichskourmissar
alsba'ld nach de'nr Jnnern zurück. Tas Märchen von der
Rettring wurde erst nach und nach als das erkannt, was
es war.
Damit h-atte Stanley seine Tätigkeit inr Wesentli-chen
abgeschlossen. Nachdenr er fich London zum Ruhesitz er-
koren h-atte, trat er noch mit 60 Jähren in den Ehestand
und ließ sich auch ins englische llnterhaus wählen, ohne
aber dort eine irgen'dwie hervorragende Rolle spielen zu
könn-cn. Die Zeitungen, in denen Stanleys Name wäh-
rend der 12 Jahre von 1877 bis 1889 fast täglich ge-
nannt zri werden pflegte, haben seitdem köinen Anläß
mehr geha-bt, sich mit ihm zu befchäftigen. Seine Erfolge
in Afrikä erzielte Stanley dadurch, daß er nach Art der
arabischen Sklavenjäger mit starker bewaffneter Macht
auszog und rücksichtslos mit den Bkerrs-chenlöben umging.
Eharakteriftisch für ihn ist, daß er auf dem Wege zu Emin
Pascha es ferlig brachte, in seinem Zelte behaglich zri
schMaüsen, während seine zu Skeletten abgemagerten
Bcgleiter Hungers starben. Die Erhaltring des Füh-
rers, meinte er krihl, sei geboten aus Rücksicht aus die
Gesamterpedition. Trotz des üußern Erfolges hat nichts
jo sehr wie diese Reise dazu beigetragen, den Sterir des
rücksichtslosen Mannes zunr Verbleichen zu bringen. Ein
wissenschaftlicher Forscher war Stanley nicht, dazu sehlte
ih'in die Norbildung, nur geographisck)e Tatsackzen ver-
mochte er festznstellen. Seiner ringeheureir Energie stan-
-den -e'benso große Selbstsucht, Reizbarkeit u. llnverträglrch-
keit gegenüber, sodaß sein Charakterbild durchaus kern
glärrzen'des ist. Tie Folgen der ausgestandenen Stra-
pazen rin'd Fieberansälle machten sich. in seinerr letzten
Lebensjähren sehr benrerkbar. Leider hat seine Art vor-
bildlich gewirkt. An seiner Bahre wollen wir den Wuusch
aussprechen, daß späiere Zeiten sich uur an den tüchtigen
Seiten seines Wesens ein Beispiel nehmerr mögeu.
Dre rinmrttelbare llrsache des Tbdes' Stanleys war
eine Brustsellent'zündung.
Deutscher Reichstag.
' Berlin, 10. Mäi.
i Die dritte Lesring des Etats wird forckges-etzt beim
Etat 'des Reichsamts! des Jnnern.
Nachdcm eine Rcihe Redner verschiedener Parteien ihre
Wünsche vorgctragen haben, nimmt Staatssekrctär Posa-
d o w s k y das Wort und bemerkt zunächst: Was die intcr-
nationale Bekämpfung des Mädchenhandels anlangc, so wcrde
darübcr durch Vermittlnng des answärtigen Amtes vcrhandclt.
Die Vcrhandlungcn seien noch nicht abgeschlossen. Was die
von eincm Vorredner berührte neuc Handwerker-Enqucte an-
lange, so würden schon in diesem Sommer die Fragebogen ans-
geschickt werden. Was die Privatbeamten-Versicherung betreffe,
so wcrdc das von den Privatbeamten gesammclte Material im
Reichsamt des Jnnern gesichtet wcrden. Bei dcr nächsten Ge-
werbe- und Berufszählung werde festgestellt werden, wie viele
Privatbeamte es eigentlich gebe.
Abg. S ch m i d t - Frankfurt lSoz.) sragt an, was an dem
Gerede wahr sei, datz eine geheime Enquetc crfolgt sei über
Prügeleien von Arbeitern unter einander.
Staatssekretär Posadowsky erklärt, das sei eine große
Ente. — Auf cine wcitere Anfrage beftreitct der Minister die
Aeutzernng, „der Handwerkerstand sci dem Absterbcn nahe", ge-
tan zu haben. Er habe allerdings erklärt, datz dem Handwerker-
standc mit dem allgemeinen Befähigungsnachweisc nicht zu hel-
fc» sei. An cine Einführung dcs allgemeinen Befähignngsnach-
weiscs sei nicht zn denken.
Nach wciterer unerheblicher Debatte schlictzt die Etat-De-
batte.
Bci eincm weiteren Titel empfiehlt
Abg. Pachnicke (fr. Ver.) eine von ihm eingebrachte und
von dcn Konservativen, dcr Rcichspartci und den Nationallibe-
ralcn mitunterzeichnete Resolution, den Reichskanzler zu er-
snchen, bei der Verteilung der Fonds zur Unterstützung der deut-
schcn Kunst beidc Zentral-Gcnossenschaften der deutschen Künst-
lerschaft zu berücksichtigen. Rcdner bitte, seine. Resolution an-
znnehmen, er sei aber auch einverstanden mit der inzwischen
vom Zentrum beantragten anderweitigen Fassung, welche ver-
langt, daß alle Richtungen (statt beider Zentral-Organisatio-
nen) der Kunst berücksichtigt werdcn.
Diese Fassung wird von einer Rcihe Rcdner befürwortep
während
Staatssekretär Posadowsky erklärt, die Frage, welche
hicr berührt werde, müssc von Fall zu Fall entschieden werden.
Hierauf wird die Resolution in der Fassnng Kirsch (Ztr.)
angcnommcn.
Bci dem Titel Reichs-Kommissariat sür das Schulwesen
plaidiert
Abg. Kulerski (Pole) für die Ausdehnung der Kompe-
tcnz der Reichs-Schulkommission.
Bei dcm Kapitel Gesundheitsamt kommt
Abg. Scheidemann (Soz.) zurück auf die Frage den
Verschmntzung der Flüsse, besonders des Rheins und der Wup-
per.
Aach weiterer unerheblicher Debatte vertagi sich daS Haus
anf morgen 1 Uhr mit der Tagesordnung: Militäretat.
Deutsches Reich.
Bade«.
D o n a u e s ch i n g e n, 10. Mai. Heute Nackynit-
tag sand große FesttaseI statt, währestd' welcher dte
Konstanzer Regimentsmüsik konztzrfferte. Als weitere
-Iagdgäste sind- im Schlosse eingetroffen: Prinz und Prin-
gessin Karl Enffl nn'd Prinz Franz Ratibor. Die Abreise
pes Kaiserpaares ersolgt voransstchtlich morgen (Mitt-
woch). — Die Kinder, welche vorgetragen huben, häben
von der 'Kaiserin Prachtvolle goldene Broschen mit Na-
pienszng unL Krone erhalten. Auch foll dem- „Don.
Dochenbl." zusolge zur Erinnerung an deu Huldigungs--
>tag eine besoüdere Medaille geprägr und 'd-en Teilnehmern
perliehen werden.
Gütenbach. Die Großh. Regierung hat nnterm
29. April Ler kat h o l. Psärrgcmeinde 'die alleinige
Benütznng der Pfarrkirche eingeräumt nnd die s. Zt. er-
hobene Beschwerde des a l t k a t h o l i s ch e n Kir-ckMvor-
standes -als unbegründet verworsen. DerKir-
'chenwechsel hat spätestens am 2l. Mai, älso Ende
nächster Woche, stattznsinden.
^ dramatische Aufführung des Hebbelvereins
(Französische Vorstellung).
Heidelberg, 11. Mai.
. Einc Aufführnng in sranzösischcr Sprache ist in unsercr Zeit
Twst in den grotzcn Städten Dcutschlands, sofern sie nicht im
^ebiete dcr Sprachgrenze licgen, ein seltenes Ereignis; dem
-äeidelberger Publiknm war gestern Abend Gelegenheit zu sol-
wern Genntz gcbotcn. Einc Anzahl Talente, welche der Zufall
7?or zusammcngeführt hat (sämtliche Herren autzer Herrn Oli-
ffer gehörcn zur Pension Scherrer), und welche vielleicht
" esisigen Monaten bereits nach allen Winden zerstreut sein
w^rdcn, hatten das llnternehmen zu Stande gebracht.
si Programm war interessant genug; an erster Stellc
Bud: „Lx Singe de la Mode", cine Komödie von Fricdrich dem
^stotzen. Wenn auch allgemcin bekannt ist, datz der grotze Kö-
>8 anch ein grotzcr Frcnnd der Künste und Wissenschaften
nin''' ^ ?"rften doch dic künstlerischen und literarischcn Erzeug-
s>g dencn er selbst hcrvorgctretcn ist, nur in sehr be-
^'^Psttem Maße bekannt sein, und sicherlich haben nur die aller-
eine Ahnung von dcr Existenz des kleinen Lustspiels
Lhaot, welchcs gestern über die Brctter unseres Theaters ging.
^ tzeben hier in Kürze den Jnhalt des Stückes.
Aü"" blutjunger Marquis, erfüllt von allen Torheiten seines
nnd darin bestärkt durch den Umgang mit gleichgearte-
lo^, ^ff^nden, ist der Modenarrheit vcrfallen. Er kleidet sich in
tzisjOrlichcn Putz, weil es Mode ist, er treibt Künste und stu-
t„ Iwwton, wcil cs Modc ist, er bemüht sich um eine Mai-
stttweil es Mode ist. Dieses Treiben und ganz besonders
öas zulctzt genanntc Zicl gerichteten Unternehmungen
de» höchste Mitzfallcn seincs bigotten Onkels, welcher
ten ff'wstinnigcn Neffen mit dcr Tochter einer ihm befreunde-
Nunli ""-^b.perheiraten und dadurch auf den Weg der Ver-
Heri- /yrückführen möchtc. Die Hestigkeit, mit welcher der alte
leine Pläne durchzusetzen strcbt, ist natürlich nicht geeig-
nct, dcn jungen Narren zu bckehren; da findet sich glücklicher-
weise ein „homme scnse", welcher die Vermittclung übernimmt;
er saht dcn Marquis an seiner schwachen Seite, indem er ihm
einredct, es sei Mode gcworden, sich jung zn verheiraten. Die
Flunkerei findet sofort Glaubcn, der Onkel sieht die von ihm
gewünschte Verlobung bollzogen und schenkt aus Freude darüber
seinem Neffen cin Landgut.
Dic Veranstaltcr der gestrigen Aufführnng woll-
ten das Publikum mit ciner geschichtlichen Ku-
riosität bekannt machcn; künstlerische Zwccke haben sie bei der
Wahl dcs „Singe de la mode" nicht geleitet; nnd so wollen auch
wir anf cine kritische Besprechung des Stückes verzichten. Was
tvürde sie nns bieten könncn? Die Erkenntnis, datz Künstler-
lorbccr nicht immcr das Haupt schmückt, welches eine Königs-
krone trägt? Das würe wohlfeile Wcisheit, um derentwillen
wir nicht ins 18. Jahrhundcrt zurückzugehcn branchen. Be-
lustigend mag es uns immerhin dünken, datz cs der Verfasser
dcs „Singe dc la mode" war, welcher sich unterfing, den Dich-
tcr dcs „Götz von Berlichingen" zu schulmcistern. Nun, datz
war eben damals „die moderne Richtung", wclche dem König
nicht Paßtc. Aber dcshalb werden wir doch dem „alten Fritz"
seine harmlosc Jungcndsünde nicht verübeln; so einc kleine Ko-
mödie ist ja cine gar bescheidene Art fürstlicber Kunstproduk-
tion; eine halbe Stunde des Wachens nach 100 Jahrcn histo-
rischcn <ochlafes wird man ihr wohl gönnen mögen; ehe man
Zcit hat, ihrc ungelenken Bcwegungen unangenchm zu emp-
finden, hat sich das dürftige Wesen wieder zur Ruhe gelegt.
Sich eiucii solchen „Singe" etwa in weitzem Marmor ausgcführt
zu denken, zur dauernden Peiniguug von Gcnerationcn, das
ist allcrdiugs cinc Vorstellung, die ihre Schrcckcn hat.
Mit gröhcrcm Glück als in der dramatischen Poesic hat sich
Friedrich dcr Grotze in der musikalischcn Komposition versucht;
anch hiervon bctämcn wir gestern intcressante Proben zu höreu.
Hcrr Schmiedcl, der crste Flötist dcs städtischen Orchesters, !
brachte, von Herrn S t e i n, dem unermüdlicheu, am Flügel !
bcglcitct, mit anerkennenswerter Technik und Ausdauer einige -
Flötensonaten zu Gehör. Dieselben zeichnen sich zwar nicht
Die heutige Nummer umsaßt vier Biätter, zusammeu 16 Seiteu.
durch bcdeutende musikalische Jdeen, wohl aber durch den leich-
ten Flutz der Melodie und gediegene technischc Arbeit vorteil-
haft aus. Viel von diesem altmodischen Zuckcrwerk können wir
heute allerdings nicht mehr vertragen; dic Ouantität, welche
man uns gestern bot, erreichte bcreits die Grenze dessen, was
einc Lunge zu geben und ein modernes Ohr aufzunehmen ver-
mag-
Der zweite Teil des Abcnds brachte Moliöres Lustspicl
„Le Medecin malgre lui"; mit einem Schlage war die von den
Nntiquitäten des crsten Teils ansgehende Mnsenmsstimmung
vcrjagt, der gclehrtc Stanb hinweggeblascn durch den Hauch
eines lcbensfrischen, köstlichen Werkcs, übcr dejscn Jugend mehr
als zwei Jahrhundertc keine Gewalt gehabt haben. Unvergäng-
lich wie Fricdrichs des Großen Kricgsrnbm ift Molieres Dich-
terhcrrlichkeit; um sic in vollcm Glanze crstrahlcn zu lassen,
müssen allerdings verschicdcne Bedingnngcn crfüllt sein; zu-
nächst mutz der Dichter in seiner Sprachc zu uns reden; denn
welche llcbersetzung wäre im Standc, scinc Werke wiederzuge-
ben, ohne die tausend kleinen Fnnken anszulöschcn, welche in
dem kunstvoll geschliffenen Dialog schimmern wie das Feuer
eincs köstlichen Edclsteins? Sodann mutz die Darstellung frei
scin von. den stilwidrigen Neucrnngen, welche dnrch die Wieder-
gabe moderner, ganz anders geartcter Dichtungen gefordert,
allmählich zn Bühnengewohnheiten gcworden sind.
Dic Sorge für die Stilreinheit dcr gesttigen Aufsührung
ivar gntcn Händcn anvertraut. Herr Jean Jacques Öli-
vier, übcr dcsscn literarische Tätigkcit und Kennerschaft in
der Geschichte dcs Theatcrs sowic der Bühncntechnik an dieser
Stclle bcreits ausführlich berichtet worden ist, hat alle Vor-
bereitnngcn gcleitet. Es mag ihm zn Mute gewesen sein, als
sci dcr Gcgenstand sciner wisscnschaftlichen Studien aus einmal
dcm Nebel dcr Vergangenheit enttnNcht: da war sie ja, durch
scinc Bcschwörnng zu ncuem Leben erweckt, die französische Ko-
mödie in der Pfalz, dercn Geschichte er mit so viel Sorgfalt
erforscht hat. Wenn man bedenkt, dah Hcrr Olivier zur Ver-
wirklichung seines Zieles keine Bcrufskünstlcr, sondern nur
Dilettanten zur Verfügung hatte, 'so mntz man angesichts des
Mitmch, ll. M« M. «rste» »latt
be»og«n vierteljährlich 1,35 Mk. auSschließlich Zustcllgcbühr.
»»trigeuprciS: SO Pfg. fltr die Ispaltige Petitzeile »d«r deren Raum. Reklamezeilc 4V Pfg. Für hiestge Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahmc von A»»«i»ru
«« brstimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate aus den Plakattafcln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. F:rnsprecher «.
Des Himmeifahrttagcs wegen erscheint die nnchste
Nnmmer nm Frcitag.
Henry Stanley
London, 10. Mai. Ter Afrika-
sorschcr Lir Henry Morton Ltanley
ist hente friih 6 Uhr gestorbcn.
Nehmen- wir an, es käme heute aus Hammerfest die
tetegraphische Nachricht, daß Andrs dort eingetrosfen sei,
nachdem er an dem Nordpol die norwegische Flagge auf-
gepflanzt habe, so können wir uns eine ziemlich genaue
Vorstellung von der Sensation machen, die in der gebil-
deten Welt vor nun mehr 32 'Jcchren entstand, als es
hieß, ein gewisser Manley habe !den verloren geglaubten
Lidingfwne in Zentralafrika aufgefund>en und sei mit
feinen Tagebückiern zur Kifte gekommen.
Der bis dahin nnbekannte Stvnley war mit einem
Schlagc ein weltberühinter Mann. Alle politischen und
alle llnterhaltungsblätter beschäftigten sich mit ihm; in
aüen illustrierten Zeitungen war sein Bild zu sehen, was
danrals me-hr bedeutete als in der Zeit der Scherl'schen
Woche. 'Seine Lebensgeschichte wuvde in hundertfacher
Vearbeitung dem Prrblikum Largeboten, war sie doch
abenteuerlich genug und bot sie doch ein Prächtiges Bei-
spiel zu dem Satze, daß ein Mann, der sich von keinem
Hindernis abschrecken läßt, alle Hindernisse besiegt und
borwärts kommt.
Gciboren im Jahre 1841 in Englan'd als der Sohn
eines armeir Ackerers, namens Rowland, wurde James
Roland, der sich nachmals Henry Stanley nannte, bis
zu seinem 13. Jahre im Armenhause erzogen, was in
Englan'd nicht nur sehr wenig angenehm ist, sondern als
desonders schinipflich gilt. Als Schiffsjunge kam er 1854
nach Amerika und wurde dort sehr bald völli'g zum Ame-
rikaner. Als Kaufmannslehrling na'hm er den Namen
leines Prinzipals Stanley an; man sagt, er sei von dem
M-anne ckdoptiert worden. Während'des Bürgerkrieges
trat der abenteuerlustige Bursche zunächst in das Feldheer
der Süd- und später in die Marine der Nordstaaten, um
wit 24 Fahren, als Gordon Bennett, der Verleger der
Zeitung „Newyork Herald", seine Begabung erkannt
hatte, oöllig zur Presse überzuge'hen. Als Berichterstatter
im grötzeren Stil hatte er schon einige bemerkenswerte
Proben abgelegt, als ihn Bennett ausschickte, Livingstone
rn finden. Von der Expedition war nur wenig in die
Oeffentlichkeit gedrungen, umso größer war die Ueber-
raschung der Welt, als Stanley die Ausfindung des be-
riihmten englischen Forschers meldete.
Jederzeit hat Stanley nicht nur verstan'den, Erfolge
M erzielen, sondern sie auch auszuschlachten. Von 1874
'dis 1877 durchquerte er Afrika vom Osten nach Westen
Und löste dabei die uralte Frage nvch der Nilquelle und
hie Kongofrage; ein Triumph für ihn, a'ber auch für die
steographisckie Wissenschast. Bvld darauf trat er mit dem
Eönig von Belgien in Verbindung und schus in dessen
^uftrag die Anfänge des Unternehmens, aus dem später
Kongostaat erwuchs. Jm Jahre 1887 Machte er sich
von der Westküste Afrikas auf den Weg, um Emin Paschä
zu „retten", d. h. ihn aus Zentralafrika herauszusühren,
da er den Plänen des Kongostaates im Wege war. Nach
einem ungeheuer beschwerlichen menschenmörderischen
Mäbsche durch den Urwald gelang es ihm 1889, EMin zu
erreichen und ihn 'hakb mit Gewalt aus seiner Provinz
herauszriführen. Enrin Pascha wollte den Schwarzen
nicht dqs Weispiel bieten, daß sich zwei weiße Männer
bekämpsen und so gab^ er d-em Verlangen Stanleys nach,
kehrte aber von der Küste als deutscher Reichskourmissar
alsba'ld nach de'nr Jnnern zurück. Tas Märchen von der
Rettring wurde erst nach und nach als das erkannt, was
es war.
Damit h-atte Stanley seine Tätigkeit inr Wesentli-chen
abgeschlossen. Nachdenr er fich London zum Ruhesitz er-
koren h-atte, trat er noch mit 60 Jähren in den Ehestand
und ließ sich auch ins englische llnterhaus wählen, ohne
aber dort eine irgen'dwie hervorragende Rolle spielen zu
könn-cn. Die Zeitungen, in denen Stanleys Name wäh-
rend der 12 Jahre von 1877 bis 1889 fast täglich ge-
nannt zri werden pflegte, haben seitdem köinen Anläß
mehr geha-bt, sich mit ihm zu befchäftigen. Seine Erfolge
in Afrikä erzielte Stanley dadurch, daß er nach Art der
arabischen Sklavenjäger mit starker bewaffneter Macht
auszog und rücksichtslos mit den Bkerrs-chenlöben umging.
Eharakteriftisch für ihn ist, daß er auf dem Wege zu Emin
Pascha es ferlig brachte, in seinem Zelte behaglich zri
schMaüsen, während seine zu Skeletten abgemagerten
Bcgleiter Hungers starben. Die Erhaltring des Füh-
rers, meinte er krihl, sei geboten aus Rücksicht aus die
Gesamterpedition. Trotz des üußern Erfolges hat nichts
jo sehr wie diese Reise dazu beigetragen, den Sterir des
rücksichtslosen Mannes zunr Verbleichen zu bringen. Ein
wissenschaftlicher Forscher war Stanley nicht, dazu sehlte
ih'in die Norbildung, nur geographisck)e Tatsackzen ver-
mochte er festznstellen. Seiner ringeheureir Energie stan-
-den -e'benso große Selbstsucht, Reizbarkeit u. llnverträglrch-
keit gegenüber, sodaß sein Charakterbild durchaus kern
glärrzen'des ist. Tie Folgen der ausgestandenen Stra-
pazen rin'd Fieberansälle machten sich. in seinerr letzten
Lebensjähren sehr benrerkbar. Leider hat seine Art vor-
bildlich gewirkt. An seiner Bahre wollen wir den Wuusch
aussprechen, daß späiere Zeiten sich uur an den tüchtigen
Seiten seines Wesens ein Beispiel nehmerr mögeu.
Dre rinmrttelbare llrsache des Tbdes' Stanleys war
eine Brustsellent'zündung.
Deutscher Reichstag.
' Berlin, 10. Mäi.
i Die dritte Lesring des Etats wird forckges-etzt beim
Etat 'des Reichsamts! des Jnnern.
Nachdcm eine Rcihe Redner verschiedener Parteien ihre
Wünsche vorgctragen haben, nimmt Staatssekrctär Posa-
d o w s k y das Wort und bemerkt zunächst: Was die intcr-
nationale Bekämpfung des Mädchenhandels anlangc, so wcrde
darübcr durch Vermittlnng des answärtigen Amtes vcrhandclt.
Die Vcrhandlungcn seien noch nicht abgeschlossen. Was die
von eincm Vorredner berührte neuc Handwerker-Enqucte an-
lange, so würden schon in diesem Sommer die Fragebogen ans-
geschickt werden. Was die Privatbeamten-Versicherung betreffe,
so wcrdc das von den Privatbeamten gesammclte Material im
Reichsamt des Jnnern gesichtet wcrden. Bei dcr nächsten Ge-
werbe- und Berufszählung werde festgestellt werden, wie viele
Privatbeamte es eigentlich gebe.
Abg. S ch m i d t - Frankfurt lSoz.) sragt an, was an dem
Gerede wahr sei, datz eine geheime Enquetc crfolgt sei über
Prügeleien von Arbeitern unter einander.
Staatssekretär Posadowsky erklärt, das sei eine große
Ente. — Auf cine wcitere Anfrage beftreitct der Minister die
Aeutzernng, „der Handwerkerstand sci dem Absterbcn nahe", ge-
tan zu haben. Er habe allerdings erklärt, datz dem Handwerker-
standc mit dem allgemeinen Befähigungsnachweisc nicht zu hel-
fc» sei. An cine Einführung dcs allgemeinen Befähignngsnach-
weiscs sei nicht zn denken.
Nach wciterer unerheblicher Debatte schlictzt die Etat-De-
batte.
Bci eincm weiteren Titel empfiehlt
Abg. Pachnicke (fr. Ver.) eine von ihm eingebrachte und
von dcn Konservativen, dcr Rcichspartci und den Nationallibe-
ralcn mitunterzeichnete Resolution, den Reichskanzler zu er-
snchen, bei der Verteilung der Fonds zur Unterstützung der deut-
schcn Kunst beidc Zentral-Gcnossenschaften der deutschen Künst-
lerschaft zu berücksichtigen. Rcdner bitte, seine. Resolution an-
znnehmen, er sei aber auch einverstanden mit der inzwischen
vom Zentrum beantragten anderweitigen Fassung, welche ver-
langt, daß alle Richtungen (statt beider Zentral-Organisatio-
nen) der Kunst berücksichtigt werdcn.
Diese Fassung wird von einer Rcihe Rcdner befürwortep
während
Staatssekretär Posadowsky erklärt, die Frage, welche
hicr berührt werde, müssc von Fall zu Fall entschieden werden.
Hierauf wird die Resolution in der Fassnng Kirsch (Ztr.)
angcnommcn.
Bci dem Titel Reichs-Kommissariat sür das Schulwesen
plaidiert
Abg. Kulerski (Pole) für die Ausdehnung der Kompe-
tcnz der Reichs-Schulkommission.
Bei dcm Kapitel Gesundheitsamt kommt
Abg. Scheidemann (Soz.) zurück auf die Frage den
Verschmntzung der Flüsse, besonders des Rheins und der Wup-
per.
Aach weiterer unerheblicher Debatte vertagi sich daS Haus
anf morgen 1 Uhr mit der Tagesordnung: Militäretat.
Deutsches Reich.
Bade«.
D o n a u e s ch i n g e n, 10. Mai. Heute Nackynit-
tag sand große FesttaseI statt, währestd' welcher dte
Konstanzer Regimentsmüsik konztzrfferte. Als weitere
-Iagdgäste sind- im Schlosse eingetroffen: Prinz und Prin-
gessin Karl Enffl nn'd Prinz Franz Ratibor. Die Abreise
pes Kaiserpaares ersolgt voransstchtlich morgen (Mitt-
woch). — Die Kinder, welche vorgetragen huben, häben
von der 'Kaiserin Prachtvolle goldene Broschen mit Na-
pienszng unL Krone erhalten. Auch foll dem- „Don.
Dochenbl." zusolge zur Erinnerung an deu Huldigungs--
>tag eine besoüdere Medaille geprägr und 'd-en Teilnehmern
perliehen werden.
Gütenbach. Die Großh. Regierung hat nnterm
29. April Ler kat h o l. Psärrgcmeinde 'die alleinige
Benütznng der Pfarrkirche eingeräumt nnd die s. Zt. er-
hobene Beschwerde des a l t k a t h o l i s ch e n Kir-ckMvor-
standes -als unbegründet verworsen. DerKir-
'chenwechsel hat spätestens am 2l. Mai, älso Ende
nächster Woche, stattznsinden.
^ dramatische Aufführung des Hebbelvereins
(Französische Vorstellung).
Heidelberg, 11. Mai.
. Einc Aufführnng in sranzösischcr Sprache ist in unsercr Zeit
Twst in den grotzcn Städten Dcutschlands, sofern sie nicht im
^ebiete dcr Sprachgrenze licgen, ein seltenes Ereignis; dem
-äeidelberger Publiknm war gestern Abend Gelegenheit zu sol-
wern Genntz gcbotcn. Einc Anzahl Talente, welche der Zufall
7?or zusammcngeführt hat (sämtliche Herren autzer Herrn Oli-
ffer gehörcn zur Pension Scherrer), und welche vielleicht
" esisigen Monaten bereits nach allen Winden zerstreut sein
w^rdcn, hatten das llnternehmen zu Stande gebracht.
si Programm war interessant genug; an erster Stellc
Bud: „Lx Singe de la Mode", cine Komödie von Fricdrich dem
^stotzen. Wenn auch allgemcin bekannt ist, datz der grotze Kö-
>8 anch ein grotzcr Frcnnd der Künste und Wissenschaften
nin''' ^ ?"rften doch dic künstlerischen und literarischcn Erzeug-
s>g dencn er selbst hcrvorgctretcn ist, nur in sehr be-
^'^Psttem Maße bekannt sein, und sicherlich haben nur die aller-
eine Ahnung von dcr Existenz des kleinen Lustspiels
Lhaot, welchcs gestern über die Brctter unseres Theaters ging.
^ tzeben hier in Kürze den Jnhalt des Stückes.
Aü"" blutjunger Marquis, erfüllt von allen Torheiten seines
nnd darin bestärkt durch den Umgang mit gleichgearte-
lo^, ^ff^nden, ist der Modenarrheit vcrfallen. Er kleidet sich in
tzisjOrlichcn Putz, weil es Mode ist, er treibt Künste und stu-
t„ Iwwton, wcil cs Modc ist, er bemüht sich um eine Mai-
stttweil es Mode ist. Dieses Treiben und ganz besonders
öas zulctzt genanntc Zicl gerichteten Unternehmungen
de» höchste Mitzfallcn seincs bigotten Onkels, welcher
ten ff'wstinnigcn Neffen mit dcr Tochter einer ihm befreunde-
Nunli ""-^b.perheiraten und dadurch auf den Weg der Ver-
Heri- /yrückführen möchtc. Die Hestigkeit, mit welcher der alte
leine Pläne durchzusetzen strcbt, ist natürlich nicht geeig-
nct, dcn jungen Narren zu bckehren; da findet sich glücklicher-
weise ein „homme scnse", welcher die Vermittclung übernimmt;
er saht dcn Marquis an seiner schwachen Seite, indem er ihm
einredct, es sei Mode gcworden, sich jung zn verheiraten. Die
Flunkerei findet sofort Glaubcn, der Onkel sieht die von ihm
gewünschte Verlobung bollzogen und schenkt aus Freude darüber
seinem Neffen cin Landgut.
Dic Veranstaltcr der gestrigen Aufführnng woll-
ten das Publikum mit ciner geschichtlichen Ku-
riosität bekannt machcn; künstlerische Zwccke haben sie bei der
Wahl dcs „Singe de la mode" nicht geleitet; nnd so wollen auch
wir anf cine kritische Besprechung des Stückes verzichten. Was
tvürde sie nns bieten könncn? Die Erkenntnis, datz Künstler-
lorbccr nicht immcr das Haupt schmückt, welches eine Königs-
krone trägt? Das würe wohlfeile Wcisheit, um derentwillen
wir nicht ins 18. Jahrhundcrt zurückzugehcn branchen. Be-
lustigend mag es uns immerhin dünken, datz cs der Verfasser
dcs „Singe dc la mode" war, welcher sich unterfing, den Dich-
tcr dcs „Götz von Berlichingen" zu schulmcistern. Nun, datz
war eben damals „die moderne Richtung", wclche dem König
nicht Paßtc. Aber dcshalb werden wir doch dem „alten Fritz"
seine harmlosc Jungcndsünde nicht verübeln; so einc kleine Ko-
mödie ist ja cine gar bescheidene Art fürstlicber Kunstproduk-
tion; eine halbe Stunde des Wachens nach 100 Jahrcn histo-
rischcn <ochlafes wird man ihr wohl gönnen mögen; ehe man
Zcit hat, ihrc ungelenken Bcwegungen unangenchm zu emp-
finden, hat sich das dürftige Wesen wieder zur Ruhe gelegt.
Sich eiucii solchen „Singe" etwa in weitzem Marmor ausgcführt
zu denken, zur dauernden Peiniguug von Gcnerationcn, das
ist allcrdiugs cinc Vorstellung, die ihre Schrcckcn hat.
Mit gröhcrcm Glück als in der dramatischen Poesic hat sich
Friedrich dcr Grotze in der musikalischcn Komposition versucht;
anch hiervon bctämcn wir gestern intcressante Proben zu höreu.
Hcrr Schmiedcl, der crste Flötist dcs städtischen Orchesters, !
brachte, von Herrn S t e i n, dem unermüdlicheu, am Flügel !
bcglcitct, mit anerkennenswerter Technik und Ausdauer einige -
Flötensonaten zu Gehör. Dieselben zeichnen sich zwar nicht
Die heutige Nummer umsaßt vier Biätter, zusammeu 16 Seiteu.
durch bcdeutende musikalische Jdeen, wohl aber durch den leich-
ten Flutz der Melodie und gediegene technischc Arbeit vorteil-
haft aus. Viel von diesem altmodischen Zuckcrwerk können wir
heute allerdings nicht mehr vertragen; dic Ouantität, welche
man uns gestern bot, erreichte bcreits die Grenze dessen, was
einc Lunge zu geben und ein modernes Ohr aufzunehmen ver-
mag-
Der zweite Teil des Abcnds brachte Moliöres Lustspicl
„Le Medecin malgre lui"; mit einem Schlage war die von den
Nntiquitäten des crsten Teils ansgehende Mnsenmsstimmung
vcrjagt, der gclehrtc Stanb hinweggeblascn durch den Hauch
eines lcbensfrischen, köstlichen Werkcs, übcr dejscn Jugend mehr
als zwei Jahrhundertc keine Gewalt gehabt haben. Unvergäng-
lich wie Fricdrichs des Großen Kricgsrnbm ift Molieres Dich-
terhcrrlichkeit; um sic in vollcm Glanze crstrahlcn zu lassen,
müssen allerdings verschicdcne Bedingnngcn crfüllt sein; zu-
nächst mutz der Dichter in seiner Sprachc zu uns reden; denn
welche llcbersetzung wäre im Standc, scinc Werke wiederzuge-
ben, ohne die tausend kleinen Fnnken anszulöschcn, welche in
dem kunstvoll geschliffenen Dialog schimmern wie das Feuer
eincs köstlichen Edclsteins? Sodann mutz die Darstellung frei
scin von. den stilwidrigen Neucrnngen, welche dnrch die Wieder-
gabe moderner, ganz anders geartcter Dichtungen gefordert,
allmählich zn Bühnengewohnheiten gcworden sind.
Dic Sorge für die Stilreinheit dcr gesttigen Aufsührung
ivar gntcn Händcn anvertraut. Herr Jean Jacques Öli-
vier, übcr dcsscn literarische Tätigkcit und Kennerschaft in
der Geschichte dcs Theatcrs sowic der Bühncntechnik an dieser
Stclle bcreits ausführlich berichtet worden ist, hat alle Vor-
bereitnngcn gcleitet. Es mag ihm zn Mute gewesen sein, als
sci dcr Gcgenstand sciner wisscnschaftlichen Studien aus einmal
dcm Nebel dcr Vergangenheit enttnNcht: da war sie ja, durch
scinc Bcschwörnng zu ncuem Leben erweckt, die französische Ko-
mödie in der Pfalz, dercn Geschichte er mit so viel Sorgfalt
erforscht hat. Wenn man bedenkt, dah Hcrr Olivier zur Ver-
wirklichung seines Zieles keine Bcrufskünstlcr, sondern nur
Dilettanten zur Verfügung hatte, 'so mntz man angesichts des