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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-150 (1. Juni 1904 - 30. Juni 1904)
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, 1. Illlli 1884.

Eestes Blatt.

46. ZahrMß. — -N 126.

MMUM

u»«ch7


V»«, »it FamiliinblSttern monatlich 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition u»d de« Zweigstationen abseholt 40 Pfg. D«rch d, Och

br»ogr» vterteljährlich 1,S5 Mk. auSschließlich Zustellgebühr.

« P«tU>«ik ch« b««« »au«. Rrklamrzeile 40 Pfg. Für hiefige GeschäftS- und Privataiyrtge« «rmäßigt. — Für dte ««fnahme «»

übrinomm««. — Anschlag der Jnserate auf den Plaiattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher

Des Fronleichnamsfcstes wegen erscheint die nächste
Nummer Freitag.

86.

Vadischev Landtap,.

itzung der Zweiten Kanimer.

K arIsruhe , 31. Mai. Die allgemeiue Beralung
uber das Domänenbudget wird sortgesetzt.

Geh. Rat Reinhard bemerkt zu ciner Anregung des Abg.
Süßktnd, datz dic Domänenverwaltung das in dcn Krallen be-
dält, was sie einmal erworbcn hat. Nur in Ausnahmefällen,
ivo die eigcnartigen Verhältnisse von Gemeindcn es rechtfertigen,
wird Domänenärar abgegcben.

Abg. Lutz (Soz.) will die programmatische Stellung der
Äozialdemokratie zum Jagdwesen darlegen. sHeiterkeit.) Die
^ozialdemokratie ist fiir den ganzlichen Abschuß des Wildes. Die
don der Domänenverwaltung proklamicrten wirtschastlichen
Grundsätze finden unsere Anerkennung. Auch wir halten den
Regiebetrieb fur die bcste Form. Die Jagd ist kcin schönes,
herrliches Vergnügen, sondcrn ein grausamer, abscheulicher
^Port, der cincs gcbildcten Menschen unwürdig ist. (Lachen.)
Der alte Satz: „Fische fangen, Vögel stellen, verdarben schon
wanchen jungen Gesellen", ist heute noch wahr. Mancher ver-
uachlässigt wegen der Iagd sein Geschäft. Die verächtlichsten
-oäger sind jene Mütziggänger, die sich von Waldhütcrn das Wild
sutreiben lasscn und dann crbarmungslos zusammcnknallcn.

Abg. Dr. Wilckens lnatl.) verurteilt die Uebertreibungcn
des Vorredners, die weit über das Zicl hinausschietzen. Die
Eudgetkommission war der Mcinung, datz die Regiejagden nicht
sehr ausgcdehnt werden dürfen. Redncr kommt dann auf die
Frage dcr Erhaltung des Heidclbergcr Schlosses zu
Wrechen und sührt aus: Schon auf dem letztcn Landtag haben
wir pjxse Frage eingehend behandelt nnd der vcrstorbene Finanz-
winister Buchenberger hat damals jich für die Erhaltung des
Schlosses, vornehmlich des Ltto Heinrichbaues ausgesprochen,
uch aber auch, wcnn dies 'nicht möglich, für eine Rcstauriernng
srklärt. Eine völlige Klärung darüber, ob Erhaltung oder Re-
Üaurierung, ist nocki nicht crfolgt. Mein Standpunkt ist der der
^rhaltung, des jetzigen Zustandes. Wenn das aber un-
wöglich scin sollte, mütztcn wir uns sür eine R e st a u -
sierung entschlietzen. Tic Rcgierung möchte ich bitten, die
letzt vorgeschlagencn Projcktc für den Otto Heinrichsbau genau
Ürüfen zu lassen und dazu Sachverständige allcr Richtungcn bei-
öuziehen.

Abg. Obkircher: Die Frage des Heidclberger Schlosses
üi von höchster Bcdcutung, und er sei mit der Grundtendcnz der
Rcgierung in ihren Anschauungen einvcrstanden. Die Regierung
wi nnt Eifer nnd Gründlichkeit der Frage gegenüber gctreten.
Mst Sachlichkeit und Ruhc müsse man an diese Frage herantreten.
-Ait groher Wahrscheinlichkeit müsse die Frage nach der Erhaltung
Otto Heinrichbaues in seincm ruinenhasten Zustand vcrneint
wcrde.n Dic Regierung habe die Neigung, die Verdachung durch-
Nlührcn; doch finde dieselbe in der Oesfentlichkeit eine gcwisse
'heanstandung. Die Sachverständigen lösten sich oft schwer von
wner vorgefatzten Meinung los und das scheine auch in der vor-
swgenden Fragc der Fall zu scin. Zwei Schulen bekämpften sich
wer auf das heftigste. Bei der Bedachung und der Verglasung
ver Fcnster würde das Ruinenhafte des Schlosses verschwindcn;
we Crfahrung, die man mit dem Friedrichsbau gcmacht habe,
rfweisc, dah dersclbc so ziemlich ein Neuban geworden sei.
^rfchiedene Meinungcn herrscbten jetzt schon übcr die Art der
Fedachung; die Stiltreue verlange ein flaches Dach, die historische
^reuc verlange wieder ein anderes Dach. Auch über dcn inneren
«usbau fei manches zu sagen im Hinblick auf den Ausbau des
'Niedrichsbaus, bei dem die Phantäsie und die Kunstneigung
rs Architekten einc allzu grotze Rolle gespielt habe. Das einzige
S>el der Majorität dcr Kommission sei gewesen, den völligen
uusbau deS Schlotzhofcs hcrbeizuführen; dann werde cs sich doch
°ch fragen, ob das Bild so prächtig sei, wie Obcrbaurat Meckel
wine. Wenn der gesamte Ausbau des Schlohhofes gcplant
^wde, dann wärc es ihm lieber, man lietze dcn Schlohhof in

Jules Michelet in Heidelberg.

^ Bis das Jahr 1870 ihnen die grausame Ernüchtcrung brachte,
d^ D«utschland in der Auffassung der französischcn Schriftsteller
Land der Poesie, der Träumerei, der in Tageshelle webcnden
^hniantik. Von Madamc de Stael an ist so das „Land der
-richtcr und Denker" vornchmlich von Victor Hugo (Le Rhin),
,-.?»er Marmier, Saint-Renö Taillandier dcm Ver-
^undniZ der Franzosen nahe gebracht worden. „Deutschland ist

^uwctät, Poesie nnd Mcthaphhsik", diese Formel prägt Jules
.-^ichelet, nachmals der populärste, freigeistige Geschichts-
wrecher Frankreichs. Von scinem Freunde Edgar Quinet,
LZ. sum Studium deutschen Wesens sich seit längerer Zeit in
Z^äclberg aufhielt, ermuntert, machte sich Michelet, Professor
de-^ ^cole Preparatoire (Normale), in seinen Sommerferien
A?.sahres 1 8 2 8 erstmals auf zur Fahrt ins romantische Land.

Grund des Tagebuchs schildert sein Biograph, der Historiker
^wricl Monod, diese Reise im letzten Hefte der „Deutschen
^evue", Am 16. August vcrlätzt er Paris, und nachdcm er cinen
c,i?8 >n Baden und eincn in Karlsruhc sich aufgchalten, trifft cr
ein August inHeidelberg ein. Ouinet vermitteltc ihm
u Logis bei Frau Kahser, der Tante seiner Braut Minna
b„o>e. Nun machte er den gefeierten und von ihm aus der Fcrne
u w'uüerten Heidelberger Grötzen seinen Besuch. Vornehmlich
> is n ^ Akichelet den Mythologcn Georg Friedrich Creuzer,
äii' oon et vensrkiblo 6rsursr", „Is pstriurobs cks I'sru-
Leb"^ ^ äs lu pbilosopbis", von dessen religionsgeschichtlichem
"^werk er schon ein Jahr zuvor an Quinct geschrieben
lkue tous los livrss gus j'ui lus, o's?t Is sisu gui m'u

roi le plus ck'iässs. tzus js 8sruis bsursux cks Is

äuu' vonuit b Lsris!" Jn Heidelberg hatte er

öu Gelegenheit, ihn zu sehen. Schlosscr war,

dü i, grohem Bcdaucrn, abwesend, dafür glückte es ihm,

^ vorubcrgehend anwcscndcn Ludwig Tieck und Joseph
sdi--^ ^ ^ ^ ^ V^»s grand- genie de I'Allemagne", zu

Ferner besuchtc cr P a u l u s und M i t t e r m a i e r.

sciner jehigen Gestalt und banc ein neues Schlotz auf dem Hei-
ligenberg auf. Und wenn man die Kosten in Betracht ziehe, so
befürcbte er, datz dic geplante Restaurierung ungezählte Mil-
lionen kosten werde. Wenn irgend möglich, sollte man die Ruincn
zu erhalten suchen, müsse man aber dazu übergehen, einen Ein-
griff zu machen, so müsse man bcmüht sein, das Bild nach Mög-
lichkeit zu erhalten; vor allem müsse man bestrebt sein, die Fafsade
in ihrer jetzigen Beschaffenheit zu erhalten, er bitte deshalb ein
internationales Preisausschreiben zu crlassen.

Minister Becker dankt dcn Vorredncrn) datz sie den Stand-
punkt der Regierung gebilligt habcn. Aus der Schwierigkeit der
Frage erklärt sich dic Langsamkeit dcs Vorgehens der Regierung.
Dcr Sachverständigenkommifsion wurde nur die Frage vorgelegt:
Können (nicht sollenl) wir dcn Otto Heinrichsbau erhalten?
Diejenigen, welche die Erhaltungsmüglichkeit behaupteten, muh-
tcn auch die cntsprechendcn Mittel angeben. Nur Eggert zeigtc
cinen Weg, der aber von der Kommission nicht für gangbar er-
achtet wurde. Ohnc umfasscnde Wiederherstellungen ist die Er-
haltung des Schlosscs unmöglich. Auf diesem Standpunkt steht
jctzt auch der konservativste Konservator Gabriel Seidl. Die
Regierung würdc sich freuen, wenn die Stände der freundlichen
Einlädung des Nbg. Wilckens Folge lcisten und sich persönlich
von dcm Stand der Schlohbaufrage überzeugen würden. Jm
Otto Heinrichsbau soll nur das Erdgeschoh ausgebaut werden;
der zweite und dritte Stock soll leer bleiben. Jm gläsernen
Saalbau sollen städtische Sammlungen untergebracht werden.
Die übrigen Vauten bedürfcn vorerst kciner Herstellung; nur
der achteckige Turm soll zum harmonischen Abschlutz ausgebaut
werden. Ueber den Kostenpunkt sind phantastische Zahlen ver-
breitet. Der Friedrichsbau hat ca. 600 000 Mk. gekostet. Da
die innere Ausgestaltung des Otto Heinrichsbaus nicht so weit
geht, so dürfte einc Summe von 600 000 Mk. genügen. Die
Ausgcstaltung des gläsernen Saalbans würde ca. 160 000 Mk.
erfordern. Die Mittcl würdcn aus dcm Domänengrundstock
gcnommcn, so datz dic angenblickliche Finanzlage wenig ins Ge-
wicht füllt. Der Minister bezweifelt, ob man auf dem Wege
eines internationalen Ausschrcibens zu einem besseren Resultat
kommt. Die Frage, können wir crhalten?, mntz leider verneint
werden, so schmerzlich es uns berührt. Es ist aber alles ge-
schehen, was möglich war. An eincm vorsichtigen Vorgehen von
Seiten der Rcgicrung fchlt cs nicht. Erst nach Anhörung weiterer
Sachversländigcn wird die Regierung ihre Entschlietzungen
treffen.

Abg. Dr. Binz (natl.) rcpliziert kurz auf die Aussührungen
des Geh. Rats Reinhard betr. das Jagdwesen.

Nach belanglosen Ausftihrungen der Abgg. Kopf und
Köhler (Ztr.) erklärt Vencdey (Dem.), dah er bezüglich
dcr Schlotzfrage den Standpunkt Obkirchers vollständig teile.
Ohne zwingende Not sollte man den jctzigen Zustand nicht än-
dern. Wenn dies aber nicht zu umgehen ist, dann sollte die
hcutigc Technik Mittel und Wcge finden, um die Erhaltung der
Ruine zu ermöglichen. Man gcwinnt den Eindruck, datz von
gewisser Seite auf die Wiederherstellung hingearbeitet wird.

Gch. Rat Reinhard beklagt die Landflucht auf dem
Schwarzwald, wo fich die Leute an die Domäncnverwaltung
förmlich hcrandrängen und ihren Besitz antragen. Die Ver-
wältnng verdienc jedenfalls nicht dcn Vorwurf, datz sic Expan-
sionspolitik auf Kostcn dcr kleinbürgerlichen Elemente macht.

Abg. Hergt (Ztr.) glaubt, dah Obkircher ein anderes
Urteil über die Schlotzfrage gefällt hätte, wenn er den Bau ge-
sehen hätte. Ohne Uebcrdachung ist an eine Erhaltung der Ruine
nicht zu denken. Die Frage, ob das ganze Schlotz wieder auf-
gebant werden soll, ist von der andern betrefsend dic Erhaltung
des Otto Heinrichsbaus vollständig zu trennen. Zum Wiederauf-
bau solltcn nur dcutsche Künstler beigezogen werden. Jn Schäfer
haben wir ein Künstlergenie ersten Ranges; cs wäre unverant-
wortlich, wenn man dicsen Mann ausschlietzen würde. Die Wie-
derherstellung des Fricdrichsbaus war insofern nicht zwecklos,
als jcder Kunstverständige aus dcr prachtvollen inneren Aus-
stattung Anregungcn schöpfen kann.

Abg. Obkircher (natl.) möchte auch nicht wünschen, datz
Schäfer von der Konkurrenz ausgeschlossen wird. Er habe nur

angeregt, datz man nicht den Herstellungsfanatikcrn das ganze
Feld überlätzt. Die Ausführungen des Finanzministers bieten
Garantie, datz mit der nötigen Vorsicht vorgegangen ist.

Ilm halb 2 Ilhr wird die Sitzung abgebrochen. Fortsetzung:
nachmittags 5 Ilhr.

87. Sitzung der Zweiten Kamme r.

KarIsruhe, 31. Mai. Präsident Dr. -G ö n n e r
eröfsnet die Sitzung um 5 Uhr. Die Beratung über das
Tomänenbudget wird fortgesetzt.

Abg. Dr. Wilckens (natl.) gibt seincr Bcfriedigung über
die wohlwollendc Stellung des Hauses und der Regicrung zur
S ch I o h b a u f r a g c und Ler Hoffnung Ausdruck, dah der
Landtag noch in dieser Session das Schlotz üesichtigen wird. Cin
Ausschreiben wird kanm einen Zweck haben, da die Lösung der
Fragc eine genauc Lokalkenntnis vorausseyt. Dic Regicrung hat
Recht, wenn sie die Sache als cntschieden bctrachtct und cin prak-
tischcs Ergebnis anstrebt. Dem Ausgang der Beratnngen darf
man mit Ruhe entgegensehen, nachdem die Regierung versichert
hat, datz sie mit Vorsicht vorgehen wird. Oberbaurat Schäfer
hat mit dcm Friedsrichsbau Hervorragendes geleistet und unZ
die Gewähr gegcbcn, datz auch die Restauricrung des Otto Hein-
richsbaus mit vcrhältnismätzig bescheidenen Mitteln durchgeführt
werden kann. Man darf jedenfalls die Hoffnuiig hegen, dah die
Regierung die hochwichtige Aufgabe in befriedigcnder Wcise lösen
wird.

Abg. Dr. Weitz (natl.) weist darauf hin, dah viclc Gemein-
den Jagdschaden zu tragcn haben von Jagden, die ihncn nicht
gehören. Hier wäre bei einer Aendernng des Jagdgesetzes die
bessernde Hand anzulegen. Bezüglich der Schlotzfrage ist Redner
dasür, datz man dcn jehigen Zustand pietätvoll erhalten nnd mög-
lichst wenig ändern soll. Erschreckt ist Redner davon, datz man
an die Herstellung des achteckigen Turmes denkt. Diesen sollte
man unter allcn Ilmständen in seiner jehigen Form erhalten.

Nach weiterer belangloser Disknssion erhält Berichterstatter
Kriechle (natl.) das Schlutzwort. Er bedauert, datz man
drei Tage lang ein solches Gerede anhören
mutzte, da doch das wohlgeordnete Domänenbudget in zwei
Stunden hättc erledigt werden können. Es wäre
bcsier gewesen, man hätte auf zlvei Tage den Schwihkasten ver-
lassen nnd in dcr Bonndorfer Gegend frische Luft geschöpft.
Die Bevölkernng hätte sehr gerne einmal die Spitzen der Be-
hörden und die Volksvertreter bei sich gesehen. Der Bericht-
crstattcr betont schliehlich, datz es ein wahres Unglück wäre,
wcnn die Branerei Rothaus in andere Hände überginge,

Jn dcr Spezialberatung bittct Abg. Greiff (natl.), den
Neubau eincs Dienstgebäudes für das Domänenamt Wiesloch
zn beschlennigen.

Die Erstellung eines Doppelforsthauses in Donaueschingen
wird mit allen gcgen 3 (dem.) Stimmen genehmigt. Die
übrigen Positionen wcrden einschlietzlich des Nachtrages ohne
Dcbatte angenommen. Schluh der Sitzung halb 8 Uhr. Akorgen
9 Uhr: Biersteuergesetz.

Deutsches Reich.

Baden.

Baden-Baden, 31. Mai. Der Jnnglibe-
rale Verein Badcn, der in seiner gestrigen Monats-
versammlung die Haltung der nationalliberalen Fraktion
des Pretitzischett Abgeordnetenhauses in Sachen der
Schulfrage einstimmig vernrteilte, nahm folgende
Resolntion an: Der Jungliberale Verein Bäden hält eA
angesichts der drohenden Gefahr der Konfessionierung
des Schnlwesens im Jnteresse der liberalen Sache sür
dringend angezeigt, datz der Landesverband der Iunglib.
Vereine sich mit dem Landesausschutz der nationallibe-

Ullmann machtc auf ihn einen mittclmätzigen Eindruck. Znr
Vcrvollkommnung in der deutschen Sprache bot sich ihm keine
Gelegenheit, da alles aus Courtoisie mit dem Gaste französisch
sprach. Tafür versenkte er sich viele Stunden auf der Univer-
sitätsbibliothek in die deutsche Literatur; hier durchblätterte er
cine unzählige Mcnge von Bänden u. stellte die Liste derjenigen
fest, welche er täufen will; hier wurde cr crstmals mit den
Arbeiten Jacob Grimms bekannt, mit dem er späterhin in
Briefivcchsel trat und dessen „Rechtsaltcrtümcr" vorbildlich
für cigene nächstc Publikationen wurden; gleichwie bei dem
italienischcn Geschichtsphilosophen Giambatista Vico — den er
üücrsetzt hatte — fcsselt ihn bei Grimm die stete Beziehung von
Gcschichte, Sprachforschung, Poesie und Recht. „Einen Teil
seiner Zeit widmete er Quinet, mit dem er Spaziergänge
zum Schlosse, zum Wolfsbrunnen, an den Ufern des Neckar
machtc, aber er fand seine Gesellschaft erniüdend durch die be-
ständige Geistesanspamning, die sein Freund von ihm ver-
langte". Am 4. September verlätzt er Heidelberg nnd nennt
es zum Abschied „Is ssjour Is plus ckslioieux cku monäs".
Ueber^ Frankfurt und Mainz geht die Neise nach Bonn, und am
18. September trifft er wieder in Paris ein. Jn Heidelberg
hattc man ihm das Haus gczeigt, in dem Luther gewohnt
haben soll, und ein Bild des toten Luther. Es war eine Frucht
des Heidelberger Aufcnthalts, wcnn er sogleich nach der Rück-
kunft in Paris an eincr Luther-Biographie zu arbeiten beginnt;
dicsc „Memoires de Luther" crschienen erst 1836. — Noch cin-
mal ist Jnles Michelet nach Deutschland gckommen, auf der
Höhe seiner Laufbahn, als Professor der Geschichte und Moral
am Collcge de France; aber diese Rcise, vom 19. Juni bis 31.
Juli 1842 nnternommcn, nm vor der Melancholie — womit
ihn dcr Tod der Gattin und der Freundin zu umnachten drohte
— zu flüchten, hat Hcidelberg nicht berührt. Jmmer hat er
sein Lebtag mit grötztcr Verchrung und Dankbarkeit von Deutsch-
land und seinen Genien gesprockien; aber als dieses Deutsch-
land der Wisienscbaft und Dichtung sich cinig und waffengewaltig
erwies, da sandte Jules Michelet, ans allen Himmeln seiner

Jllusioncn gestürzt, in seiner „France dcvant l'Europe" einen
flammcndcn Protest in die Welt gegen die im Namen der deut-
schen Einhcit vollführte Verstümmelnng Frankreichs. Sein
Freund Edgar Quinet hatte — aus längerem Aufenthalt —
die deutsche Natnr tiefer erkannt: 1831 bereits kündete seine
Schrift „L'Allemagne ct la Revolution" prophetisch die Geburt
eines neuen geeinigten Deutschlands an untcr Preutzens Füh-
mmg. H. H.

Kleine Zeitung.

— Tas dcntsche Echntzcnfest 1966 soll i» M ü n ch e n

abgehalten werden. Die Hauptschützengesellschaft Mün-
chen will 50 000 Mark, der Münchener Schützen-
buud 20 000 Mark zeichnen, Der Magistrat beschlotz
in Uebereinstiinmung mit dem Gemeindekolleginm, als
Garanticfonds der Stadtgemeinde einen Betrag von
60 000 Mark zn zeichncn.

— Tonanwörth, 31. Mai. Fn den Salonwagen des
Prinzen A r nulf vonB a y e r n wnrde bei Dillingen
ein Stein geschleudert. Ter Prinz bliob nnver-
letzt, obwohl das Fenster des Abteils zertrümmert wnrde.
Vom Täter fehlt jede Spur.

— .Hannovcr, 31. Mai. Zu dem b l n t i g e n R e n-
kontre, das in der letzten Nacht zwischen Offi -
z i e r e n des BeurlanLten st andes nnd P o l i-
zeibeamten hier stattsand, ist noch mitznteilen: Die
Herien Baron von Bodenh a u s e n, Hanptmann a.
D. Besscr, Bergwerksdirektor Heye nnd ein Offizier a. D.
Reinbeld kamen gegen 3 Uhr morgens in lebhaster

Die heutige Nummer «msaßt drei Blätter, zusammen 14 Seiten.
 
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