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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 102-125 (2. Mai 1904 - 31. Mai 1904)
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LitkstW, 24. M IZN.

Vrstes BlÄtr.

46. FchrßKZ. — M.

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PnV» «V Familienblättern monatlich 50 Pfg. in's HauS gebracht, bei der Expeditton und den Zweigstationen abgeholt 4V Pfg. Dnrch dt»
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«trd teine Veremtworttichkeit ttbernommen. — Anschlag dcr Jnserate auf den Pla kattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen. Fernfprech« ST

Frankreich und der Vatikan.

Der Besuch des Präsidenten Louber in Rom beim
König von Italien hat zu einem schweren Zerwürfnis
zwischen FranLreich und dem Batikan gesührt. Bekannt-
lich entpsängl der Papst ein kathokisches Staatsoberhaupt
tticht, das Len König von Jtalien in Rom besucht. Das
^ar die kathotischen Monarchen bisher abgehalten, den
König von Jratien in seiner Hauptstadt zu besuchen. Prä-
Udent Loubet, Ler zwar kein Monarch, äber während der
Dauer seiner Prästdentschaft doch Staatsoberhaupt ist,
Hat stch stber die Bedenken der Monarcheu hinweggesetzt.
Trotzdem der Batitan gegen seine Reise aufs energischste
arbeitete, hat er den Besuch in Rom ausgeführt. Einige
6eit hindurch erörterte man dic Frage, ob Pius X. Herrn
Loubet nicht doch empsangen werde. Bakd wur'de aber
klar, dah dies nicht zu crwarten sei. Aber nicht genug
wit der Ablehnnng des Empsanges, die vatikanische Dik
blomatie ist noch einen Schritt weiter gegangen. Sie hat
'knie Protestnote an die katholischen Mächte gerichtet. Hier-
E>ei ist dem noch jugendlichen Staatssekretär Merry del
^al eine klnbedachlsmnkeit Passiert: Er hat die gleiche
Nore an alle katholisckien Mächte gerichtet; aber in der
Note, die nach Frankreich abging, hat er einen Satz
heransgelassen, einen Satz, in dem gesagt ivurde, wenn
öer Vatikan seinen Nunrins in Paris dennoch nicht ab-
herusen Habe, so sei dies aus Rücksicht auf andere Dinge
imterblieben.

An dieser Stelle hat nnn die sranzösische Diplomatie
einen Nagel eingeschlagen.

Die „Agentur Stesani" meldet: Ter sranzösische Bot-
schaiter Nisard begab sich am 20. ds. znm Staats-
lekretär M er r y del Val und sragte ihn im Namen
'einer Regierung, ob der Satz über den Nuntius, der in
öem von der Hümanitö veröffentlichten Text der vatika-
nischen Einsprnchsnote enthalten sei, sich wirklich in der
öen katholrschen Mächten übermittelten Note besinde,
^vährend er in dcm Frankreich zugesielllen Schriststück
föhle. Dkerry del Val antwortete, der Satz sei allerdings
w der für die französische Rsgierung besümmten Note
ousgelassen worden, aber stn Gegensatz zu der Empfin-
öiing, die man in Frankreich davon geha'bt habe, sei dies
ohne jpde böse dlbficht gegen die sranzösische Regierung
Aescheheo. Tas Sekretariat des heiligen. Stuhles hätte
'öen Satz nnterdrückt, weil er in Frankreich eine andere
Benrwiluiig gestmden haben würde, als er bei den übri-
gen Mächten erfahren habe. Ter Satz sei eine beden-
tnngsvolle Mahnung an diese Mächte gewesen, daß im
Falle eines Besuches katlwlischer Souveräne in Rom die
^ertreter des hl. Stuhles an dercn Hösen würden zurück-
öernsen werden. Man sollte sich nicht ans den Präzedenz-
^all berufen können, daß der päpstliche Nuntins m Paris
berblseben sei trotz Herrn Loubets' Besuch in Rom, weil
Äen Lorenzelli nur aus sormellen Gründen seinen Posten
vicht verlassen habe. Das und nichts anderes bedente der
Satz; er habe in der an Frankresch gesandten Note nicht
enthalten sein können, weil er eine Beleidigung Frank-
leichs enthalten hätte, die der Vatikan nicht beabstchtigte.

Ni'sard hob daraus hervor, der Satz lasse es an Rück-
sicht gegen Frankreich sehlen, und dieser UMstand werde
dadurch erschwert, daß die Note mit 'dlesem Satz den
frem'den Mächten übermittelt worden sei, ohne daß
Frankreich bavon Kenntnis gehabt habe. Er
sügte hinzu, daß er Erklärungen des Kardinal-Staats-
sekretärs, wie die -eben gehörten, seiner Regiernng über-
mittelt haben würde. Merry deIVal äußerte einem
Kardinal gegenüber, er habe die Folgen der Notc nicht
voraussehen können. Jn den vatikamschen Kreisen
ist 'der 'Eindruck des Zerwürsnisses gewältlg.

Nach einer anderen Lesart hätte der Staatssekretär
dem sranzösischen Botschaster sede Aufklärung über die
Note verweigert, was noch schlimm'er wäre.

Am Mittag des 21. d. begab stch der französische Bot-
schafter Nisard nochmals nach dem Watikan, wo
er mit den üblichen 'Ehrenbezeugnngen empfangen wurde.
Er kündigte dem Staatssekretär Merry deI VaI an,
daß er auf Befehl seiner Regiernng abends Rom ver °
lassen werde. Beim Mschied geleitete der Staats-
sekretär den Botschaster bis. zur Türe 'des Gemaches.

Der Botschaster ist nicht offiziell abberufen worden,
auch ist 'die dip'lomatische Dertretung Fmnkreichs beim
Vatikan nicht völlig unter'brochen, vielmehr wird der erste
Botschastsrat die laufenden Geschäfte der Botschast erle-
digen. Andererseits läßt der Vatikan seinen Nuntius in
Paris auf seinem Posten. Düs Ganze läust aus eine
Niederlage des vatitänischen Staatssekretürs hinans, der
seinen Platz wohl bal'd ränmen wird. Die älteren vati-
kanischen Diplomaten haben s. Zt. mit Mißmut die Be-
rusnng des jungen Merry del Väl anfgenonimen. Er
hat viele Gegner, 'die nun seinen Mßgrisf ausnützen,
sodaß cs im Vatikan hente allgemein heißt: Merry del
Val allein ist an der Sache schuld, Das stärkt natürlich
'die Position der französischen Regierung, denn selbst die
Klerikalen in Frankreich geben unter solchen Uniständen
shrer Regierung Recht. Dies hat seine Bedentnng sür
die sranzöstsche Politik. Aber die vernnglückte Protestnote
schwächt auch 'den vatikanischen Protest als solchen sehr
äb. Wenn man protestiert und muß sich nachher berich-
stgen oder gar entschnldigen, so verlisrt der Protest seine
Kraft. Er erscheint als ungerechtserstgt. Statt den kätho-
lischen Staatsoberhäuptern den Weg nach Rom zn er-
schweren, hat Merry del Val ihn ihnen erleichtert.

Deutsches Reich.

— Gegenüber den mchrfachen Versuchen konservativer
Blätter, die Angrisse des Grafen Mrbach und des
Frei'herrn v. Pkanteufsel im H e r r en h a u s e gegen den
Reichskanzler Grasen Bülow abzuschwächen, schreibt
dic agrarische „Dentsche Tageszeitung":

Die „Konservative Korrespondenz" bemüht sich lebhaft, den
selbstverständlichen Eindruck zn verwischen, datz der Borstotz des
Grafen Mirbach und des Freiherrn von Manteuffel im Herren-
hause einen Beweis sür den Willen der konservativen Partei
in Prcutzen sei, der jetzigen Wirtschaftspolitik nunmchr ernst-
haft cntgegenzutretcn. Dicse Bemühungen sind vollständig
zwccklos, denn die Stimmung der Konservativen im Lande ent-
spricht, wie wir schr gcnau wissen, vollkommen unserer Darle-

gung. Wenn taktische Gründe bei einzelnen konservativen
Führern zu dcr Zeit wieder eine weniger strasfe Haltung, viel-
leicht infolge einer Einwirkung von anderen Stellen, für ange-
messen erachten, so ändert das nichts an der Stimmung im
Lande, die sich durch derartige Erwäguugen nicht beeinflussen
lätzt.

Der agrarische Flügel will also den Kampf
gegen Bülow sortsetzen.

— Major von Runckel im Generaistabe des 11. Armee-
korps ist in den großm Generalstab versetzt und behufs Bei-
wohnung des russissch-japanischen KriegeS zur
russischen Armee kommandiert. Es ist der driite Offizier,
den Deutschland als Berichterstatter zur russischen Armee nach
Ostasien cntsendet.

— Der plötzstche Tod des jungen Herzogs Paul
F ri e 'dr i ch von Mecklen 'burg in Kiel ist aus Herz-
lähmung insolge eines Falles zurnckzusühren. Der Her-
zog war noch am Wend vorher sehr heiter mit einigen
Kameraden znsammengöwesen nnd hatte für den näch'sten
Tag eine Segelparste verabredet. Man fand ihn am
Morgen 'des 20. ds. tot vor. Der Tod war nachts vor
2 Uhr eingetreten, wie die Sekston ergab, infolge eines
Unglücksfalls bei gymnastischen Uebnngen, die Se. Hoheit
vor dem Schlafengehen angestellt hat.

Badcu.

Karlsruhe, 20. Mai. Das Großhcrzogspaar
wird Dicnstag zum Sommeraufenthalt nach Baden über-
siedeln. — Staatsminister v. Brauer, der heute von seiner
Erholungsreise hier eintreffen wollte, wird noch übcr die
Pfingstfeiertage am Vierwaldstättersce verweilen nnd am
nächsten Mittwoch hier eintreffen. Der Alinister hat stch
von seiner schweren Erkrankuug so gut erholt, daß cr die
Geschäfte des Staatsmimsteriums in vollem Umfange wieder
übcrnehmen kann.

K ar 'lsrnhe, 21. Alai. Die K r o n P r r n z e s s i rr
von Schweden und Norwegen ist hente Abend

Uhr aus Venedig hier angekommen und wnrde vom
Großherzog, der Großherzogin und 'dem Erbgroßherzogs-
paar am Bahnhofe einpfangen. Sie reist mit dsm Groß-
herzogspaar am Dienstag nach Baden nnd bleibt daselbst
einige Wochen.

Karlsruhe, 23. Mai. Wie der „Kreuzztg." aus
Gmunden gemeldet wird, tver'den fich an der dorstgen
Hochzeitsfeier bei der Vermählung des Großherzogs von
Mecklenburg-Schwerin und der Prinzesfin von Kumber-
land vom badischen Hofe der Erbgroßherzog nnd die Erb-
großherzogin beteiligen.

Elsafi-Lothringcn.

Straßbur g, 21. Mai. 'Bei der hentigen Reich s-
t a g s e rs a tz w a h I im Kreise S t r a ßb u r g - L a n b
erhielten das Landesausschiißmitgsted Rechtsanwalt Blu-
menthal (Demokrat), Kan'di-dat der Liberalen und Demo--
kraten, der bisherige Vertreter, 7855 Stinimen, das Lan-
besansschußmitglied Redakteur Hauß (klerikäl) 8243
Sstmmen, der Schreiner Laurent Meyer (Sozialist) 1487
Sstmmen. S tichwahl zwischen Blnmenthal und Hauß.
Das Mandat Mumenthals wnrde fiir ungültig erklürt,
werl einige Mirgermeister und Beamte Wahlanfrnfe mit

Kleine Zeitung.

Hochschulnachrichten. G ietzen. Die Frcquenzziffer der hlesigen
Oniverfitäl wlrd im laufendcn Semester vorausstchllich die Höhe
»es Sommcrstmesters 1903 mit 1092 immatriknlierten Studierenden
Wcht ganz erretchen. Sie wird etwa auf 1075 kommen. — Mar-
^urg. Nach dem Verzeichnis der Stnvierenden der hiesigcn Uni-
uersität während des gegenwärtigen Sommeisemesters beträgt deren
Aesamtzahl 1421. Davon entfallen auf die cinzelnen Fakultäten:
sbeologische 159, jnristische 982, medizinische 169, philosophische 720.
^azu kommen noch 80 Hörer, darunter 12 Damen. Es beträgt
wnach die Gesamtzahl der zum Hören Berechtigten 1501, eine Zahl,
»ie noch niemals erreicht wurde. Jm letzten Wintersemester betrug
Pe Gesamtzahl der zum Hören Berechtigten 1227 und im vorigen
Sommersemester 1383.

— Würzburg, 21. Mai. Nach einem hierher gelang-
^n Briefe ist auf dem Truppenübungsplatz Hammel-
öurg dre Ge nickstarre ausgebrochen. Das 2. Fel'd-
ortillerie-Regimcnt von hier hält z. Zt. Schießübungen
öort. Bei der 3. Batterie sind sünf M-ann erkrankt.

— Kobnrg, 21. Mai. Großfürst Kyrill von Rnß-
-and traf nachmittags zum Besuche der Herzogin Lllarie
kin. Er wnrde aus dein Bahnhvs von der vormälrgen
^roßherzogrn v on Hessen, d-er Erbprrnzest'rn
bon Hohenlohe-Langenburg, der Prinzesfin Beatrice und
öeni rnst'ischen Geschäftsträger Baron Mengden empfan-
llen. Die Verlobung des Großfürsten mrt der geschre-
öenen Großherzogin von Hessen dürfte in Bäl'de erfolgen.

Liebespaar ist gleichaltstg; peide werden in diesern
vwhrtz 28 Iahre alt, der Grotzfürst inr September, dre
Leschietz-xne Grotzh-erzogin im Novernber.

— Friiiiensrndiirm in Württcmberg. Dem württem-
bergischen Staatsanzeiger zufolge hat das Kulstismrnr-
sterium angeordnet, daß Reichsängehörrge wstblichen Ge-
schlechts nnter den g'leicheir Voraussetzrrngen wie männ-
tiche Personen an der llniversität Tübirrgen als
ordentlrche S tu d re r e n d e rmmatrikuliert wevden
können.

— Dic Rnle Britannia-Ouvesturc Richard Wagncrs.

'Mit Bezug aus 'die nenlrch veröffentlichte Mittstlung von
der Ausfindnng des Manuskripts der „Rrrle Bsttannia-
Ouverture" von Richar'd Wagner in Leicester schreibt Frau
-Käthleen Schlesinger air die „Trmes", daß sie im Jahre
1899 in Bayrenty wegen dieser Onverstire anfragte, nnd
von Fran Cosima Wagner die von dem 11. November
dasterte Antwort erhielt, datz sich das Manuskript der
Rnle Brrtannia-Ouvertnre rn dem Archiv von Wahnfsted
befin'de nnd da'tz es nicht beabsichtigt sst, dre Komposiston
zu veröffcntlichen. Die in England ansgesnndene Partitur
ist also eine 'Abschstst, wcmr die Meldnng von dem Fnnd
überhaupt richtig ist.

— Entdecknng rincr wichtigen Jnschstft. Prof. Rn-
dolf Herzog ans Tübingen, dem wir die Ausgrabungen
des Aesknlapünipels anf K o s' verbanken, hat dort eine
sür die Geschrchte der Gallier wrchstge gstechische Jnschstst
entdeckt. Sie besagt: Gegen den Monat Ustirz 278 haste
die Städt Kos ersähr-en, dic GaIlier seien rnr Dezem-
ber 279 vor Telp h iaznr ü ckgeschIagen worden.
Tie Stadtbchörde saßte daher stnen Beschluß, um die
Frende über dieses Ereignrs anszudrücken. Sie dankt

Apollo, 'denr Gott der Sta'dt, der selbst ers-chienen, nrn
sein Volk zu resten. Die Abgesandten von Kos brachten
ihm einen Stier mit vergoldeten Hörnern zum Opfer, er-
baten seine Schutz, danrit er Woh-lstand und Erntracht
imter ihnen erhalte. Sie bitten ihn, immerwäürendes
Glück den Griechen zu gewähven, welche dem Tempel
Hilfe gebracht. Wertere Opfer wurden Jnpiter unü Vrk-
korra gäbracht. Ter Opfertag soll ein Festtag sein, alle
Ernwohner sollen Kränze tragen. 400 T-rachmen ivurden
sür 'die Qpser in Delphia, 160 fiiv diejenigen in K'os
'bewillrgt. Anßer-dem wubde beschlossen, drese Anoed-
nungen rn einer Mannosttelle einzugraben, die im Tenrpel
des Aeskulap zu Kos aufgestellt wird. Diese Stelle ist
nun unverletzt gestmden wonden.

— Qiicdlinüiirg, 20. Mai. Heute wurde hier bei
starker Beteilr-gung von Nah un'd- Fern das Guts
M u th s - De n k m a t, von 'dessen beabsichtigter Er-
richtung wir seinerseits Nachricht gegeben hatten, im Bei-
'sstn des deutschen Turnlshrervereins und des Zentral-
-arisschusses für Volks- und ^ugendspiele ffeierlich enthüllt.
Der Vost'itzende A'Lg. v. Sche n kendorfs überrstchte
der Stadt Onedlinbnrg als Festgäbe das erste Exemplac
des setzt in 'die Oeffentlichkstt gehenden neuesten Westes
des Zentralänsschusses „Wehrkrast dnrch Erziehung". —
Joh. Chststoph Fstedrich Gnts Mnths (1759—1839),
langsähstger Leiter der gymnasstschen llebungen an Salz-
nianns Erziehungsanstalt zu Schnepfenthal in Thürm-
gen, hat sich als Pädagoge und Asttbegründer der Tnrn-
knnst verdient gemacht.
 
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