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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 26-50 (1. Februar 1904 - 29. Februar 1904)
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MontG, 29. Febrllllr 1894.

Grstes BLertt.

46. JahrßMg. — 50.

Srschelst täglich. SonntagS auSgenomme». Prei»

^amilienblLtter« monatlich Sv Pfg. in'S Hau» gebracht, bei der Lxpedttion und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch dt« lßFß

begogen vierteliährlich 1.85 Mk. auSfchUeßlich Zustellgebühr.

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Landesversaunnlmkg der nat.-lib. Pariei.

, Karlsruhe, 28. Februar. Der Landesausschuß
uationalliberalen Partei trat heute hier zusainmeu,
zu den Verfassungsvorlagen Stellung zu nehmen.
Vorsitzende des geschästsführenden Ausschusses Abg.
7-r. B i n z eröffnete uni 12 Uhr die Sitzung nnd entbot
aus allen Teilen des Landes zahlreich erschienenen
^rlegierten einen herzlichen Willkommgruß. Entschuldigt
^aren die Bezirke St. Blasien. Schopfheim. Bonndorf
Und Oberkirch. Znm Votsitzenden wurde per Nkklamation
^ll- Dr. Wilckens, zu Schriftführeru Stadtrat
7?stertag und Landg-erichtsrat Scherer gewählt.
stog. Dr. Wilckens begrüßte die Anwesenden. gab
-^ner Genugtuung über den starken Besuch der Versamm--
st"^g Ausdruck -nnd gedachte sodann der seit der letzten
sdvgung verstorbenen hervorragenden Parteigenossen,
^ommerzienrat Krafft von Schopfheim, Fabrikant Karl
-ocajer von Tchopfheim, Landgerichtspräsident Dr. Fieser
Finanzminister Bnchenberger, zu deren ehrendem
^bdächtnis sich die Dersammlung von den Sitzen erhob.
ük.. ^^raus na'hm Ab-g. Obkircher das Wort zum Referat
.oer die Grundzüge der'Verfassungsvorlagen. Der Gefetzent-
dieAcnderung desWahlrechts wollc mit -denKautelen
hnbe abcr gewisse Grundlagen, die von dcn Kautelen
Pcht weit entfernt sind un-d mit dem Wort „Gegengewichte"
^st^ichnet werden, Die Regierungsvorlage will der Zweiten
. ^NiMer ein Vorrccht cinräumen bezüglich der Einnahmen
Lco Ausgaben i:n Budget und der direkten und indirektcn
^ceuern. Aber dicses Vorrccht ift nichts weitcr als eine leere
stfwni, u»» der Regierung selbst als ein „Ehrenvorrecht"
üeichr,^^ wird. Die Zweite Kammer erhält wohl die Vorlage
rst, ein Vorrecht besteht insafcrn nicht niehr, als allch
Zustimmung der Ersten Kammer zu den einzelnen Po-
^uonen verlangt wird. Wenn eine Differenz entsteht, so wird
Zeute Beschlußfassung gesordert; kommt auch dann eine Ei-
d^Ung nicht zu Stawde, so findet eine gcmeinschaftliche Sitzung
^'cder Kammern statt und die Stimmen iwerden durchgezählt.

dem- bisherigen Recht der Zweiten Kammer soll alsa ein
st 'der Ersten Kammer gcschaffen wcrden, so daß d-iese

^ dex Lage ist, die Zweite Kanimier zu majorisieren. Jn
z^fstequenz davon sind auch erhebliche politische Rechtc gefähr-
P,. Ter Entwurf sieht nämlich weiter vorstdaß die Zahl der
^ sehr (tzon 29 auf 38 oder me-hr) verst'ärkt

j^Dhsri soll. Eine weitere Beschränkung des Wahlrechts ist
ivi Mtrofftn, daß die Wä'hler zwei Fähre ansässig sein und
^ wtzten halbenAähre ihrerSteukrpflicht genügt haben müssen.

» des Wählverfahrens ist bestimmt, daß beim ersten
P.iang die absolute Majorität entscheiden soll; ist diese nicht
so soll bei der zweitcn Wahl die relative Mehrheit
x, ncheiüen. Es soll also künftig der Iwcite Wahlgang nicht
stu Kan-didaten der ersten Wahl beschränkt sein. Wir hät-
Aivei vollständig neue Wahlkämpfe. Dieser mögliche
d^.?fc>idatenwechsel hat schou in der Verfassungskommission Be-
^Pen erregt; man wollte denselben ausschließen. Die Wahl-
iq 'deiwteilung ist auf dem Prinzip aufgebaut, daß die Städte
z,..^hrere selbständige Waistbezirke, das Land in Wahlbe-
durchschnittlich 30 000 Einiwohnern eingeteilt wer-
svn' Dic Frage, ob die Städteprivitegien erhalten bleiben
^ der Kommisston nicht unbestritten geblieben. Man
do-, Pich das Proportionalwahlverfahren und eine Grundziffer
Äz. 000 Einwohnern vorgeschlagen, so daß die Z-ahl der
»^wPdnetcn nicht unwesentlich erhöht würde. Die sachlichen
ubersichtlichen Darlezungen des Referenten wur-den mit
"Ptem Beifall aufgenommcn.

ii^Z"sdann lcgte Abg. Dr. Wilckens dcn -StandpunU der
Ivj^ ri-alliberalcn Landtagsfratti-on dar in dem Sinne,
er es kürzlich in Heidelberg in der dortigen

nation-alliberalen Versammlnng getan, worauf hier Bezug ge-
nommen -werden kann. Er suhr dann fort: Die Zweite Ltam-
mcr verliert aber nicht nur ihr Ueberge-wicht in den Finanz-
angelegenheitcn; sie ist übcrdies noch der Eventualität aus-
zesetzt, daß ein von i'hr mit Stinimenmehrheit in Budgetsachen
oder in Sachen des Finanzgesetzes gefaßter Beschluß, niit dem
die Erste Kammer nicht ein-verstanden ist, von dieser 'in ihrem
Sinne auf dem Wege der Durchzählung beider Ltammern kor-
rigiert wird. Eine 'derartige V e r s ch l e ch t e r u n g der
Lage der Zweiten Kam-mer haltcn wir für u n a n n eh in b a r,
und zwar umsomehr, als auch in den meisten deutschen Staaten
mit Zweikammerstzstem nach dem Vorbitd englischer Pnrla-
mentsgewohnheiten der Z-weiten Kammer auf sinanziellem Ge-
biet gewisse Vorzüge eingeräunit sind, indem man eben davon
ausgeht, daß die eigentliche steuerzahlende Kraft -des Volkes
im Abgeordnetcnhaus vertreten ist. Darin stimmen sämtliche
Leutschen Versassungcn übercin, daß alle Anträze über Staats-
auflagen oder Finanzgesetzentwürfe zuerst der Zweiten Kam-
mer vorgelegt werden müssen. Das N-echt dcr Ersten Kammer
gegenüber üem gesaßten Beschluß der Zweiten Kammer ist aber
berschieden bestimmt. Nach der preußischen Verfassung be-
schrünkt sich beim Staatshaushaltetat die Befugnis der Ersten
Kammer darauf, denselben im ganzen anzunehmen oder ab-
zulehnen; cbcnso in WürtteMberg und Hessen. Jn Bayern und
Sach-sen bcste'ht eine solche Beschrünkung der Ersten Kammer
nicht. Jn Württemberg werden, wie bei uns, wenn das von
der Zweiten Kammer angenommene Budget von der Ersten
Kammer ab-gelehnt ist, die Stim-men der beiden Kammern zu-
sammenzezählt. Der preußischen Verfassung ist ein solches
Auskunftsmittel unbekannt. Tagegcn ist in Preußen und in
Württemberg die Erste Kammer befugt, über einzelne Posi-
tionen, bezüglich deren die Erste Kammer dem Beschluß der
Zweiten Kammer nicht beitritt, eine nochmalige Be-
s ch l u ß f -a s s n n g der Z w e i t e n Kammer herbeizu-
führen, wobei sodann auch die sachlichen Gegengründc der Er-
slen Kammer geeignete Würdigung finden können,

Das tönnte viclleicht noch auch bei uns eine Brücke zu
einer V e r st ä n d i g u n g bieten. Man könnte sich damit
cinverstanden erklären, daß die Erste Kam-mer das Budget
im einzelnen durchberaten und -daß bei Differenzen eine noch-
malige Beschlutzfaffung dcr Zweiten Kammer herbeigeführt
ivürde. E n t sch e i de n d müßte aber schließlich ohne
Stimmendurchzahlung das V o t u m> ü ew Z w e i t e n Kam-
mer sein. Auch dagegen wäre nichts zu erinnern, daß der
Vezriff der Gesetze, welche die Finan-zen betreffen, näher präzi-
siert, un-d auf die Gesetze beschränkt würde, hinsichttich welcher
seither kcine Differenz der Meinungen bestanden 'hat. Es ist
überhaupt eine Besonder'heit in Baden, daß das verfassungs-
mäßige Uebergewicht der Zweiten Kammcr sich nicht auf den
Staatshaushalt, sondern anch auf alle Gesetze erstreckt, die sich
auf Finanzen beziehen. Was unter solchen Gesetzen zu ver-
stehen ist, war aber immer mehr oder -weniger bestritten und es
könnte däher vielleicht -gerade hier noch mit einer Konzession
unsererseits eingesetzt wer-den. Davon aber, daß man das
finanz. Uebergewicht der Zweiten Kammer aufhebt und -die bei-
den Kammern- in diesen nicht nur gleichstellt, sondern zugleich
auch der Ersten Kammer eigentlich eine noch günstigere Po-
sition verschafft, als der Zweiten Kammer, tann unseres Er-
achtens keine Rede sein. Diese Prürogative der Zweiten
Kanimer wurden seit Anbe-ginn der Berfaffung als ein wert-
volles Recht der Volksvertretung angesehen, als eine liberale
Errungenschaft, ein althergebrachtes Recht, das scit Anbeginn
-der Verfaffung bcsteht und seither niemals angetastet wurde.
(Bravo! Sehr richtig.)

Es. wird nun vor allem darauf ankommen, wie fich Reyie-
rung unb Erste Kammer dazn stellen, wenn wir an dem finan-
ziellen Uebergewicht der Zweiten Kammcr grundsätzlich fest-
halten. Trotz der Erklärung des Ministers in der Kommisston
brauchen wir die Hoffnung nicht aufzugebcn, daß,
wenn >die Regierung> steht, daß -die Zweite Kammer ihre Be-
fugniffe cruf finanziellem Gebiet und insbesondere in Sachen
des Budgets nicht opfern will, sie schließlich Konzesstonen macht,

Stadttheater.

Heidelberg, 1. März.

vixst'A' räfin Fritzi", Lustspiel in 3 Akten von Oskar Blu-
"Sal.

.den stärksten Dranien Blumenthals gehört die Gräfin
Ücherlich nicht. Die Hauptmotive sind stark abzenutzt
vvr °^raltet, und dabei verschmä'ht es der Dichter, fie modern
d^^oUputz^^ Den älteren Herren in der Mitte der fünfziger,
Bffz ^ch einmal toben möchtc, hat man schon so oft auf der
Äesehcn, -daß man ihn niit einigem Vergnügen nur
^ieder begrüßt, wenn er sich- in einem neuen Gewande,
A^nigsten doch mit einer modernen Krävatte präsenbiert,
der Kommerzienrat Meinhard bringt gar nichts mit,
Eunm'Uls Entschuldigungszettel für ihn angesehen werden
stne Tie Kommerzi-cnrätin andererseits, die sich geniert,
ihrx Mnstlerin zu besuchen, un-d- ihr, als sie es doch tut um
itatt s^'itvirkung bei eincm Wohltätigkeitstonzert zu gewinnen,
Un^.Z^chenswürdiger Worte Anzügliches sazt, ist heute ganz
dyx s.dl'ch. Man glaubt einfach nicht an siej obgleich man sie
t>e» "'jt sieht. Manche nickt üble Äusführungen über -das Le-
Theater, und die Natur der Mnstlerinnen knüpft der
un dic Person der Gräfin Laray, welche Süngerin war
öur Bühne znrückkehrcn will. Die Ausführungen
dyA uber durchaus t'heoretisch, denn kaum fällt zum Schlnß
dert "iebe, so sind sic verweht un-d der Zuschauer wyn-
^vha: L ^rdentlich, wie leicht und wie unverwartet das Kar-
a»f umgeblasen wnrde. Di-e Handlunz weist manche Länge
^rkbar^ istoziell im dritten und letzten Att doch recht be-

d^^"^merhin ist Blumenthal ein gewandter Mann, der auf
i'e» >F >^brett der Bühne die Figuren hin und her zu schie-
^ '>ud im Laufe eines Abends m-anche nicht nnin-
iiua ^kellung herausbringt, durch einen i»nd den andcrn
^igte s' wanche kleinc Ueberraschunz crreicht. Das Publikum
Itck dankbarpwo immer der Tichter einen Nagcl oder ein

Nägelchen einschlug, war es bereit, i'hm mit fröhlichcm Lachen
ein Kränzchen oder einen grünen Zweig daran zu hängen.

Mehr als über das Stück durftc man sich über die Auf-
führung freuen; ste zeigen uns, daß wir in dieser Saison doch
recht tüchtige künstlerische Kräfte besitzen, die unter der Leitung
des Herrn Direktor Heinrich zu einem ebenmäßigen Ensemble
zusammcn-gearbcitet worden stnd. Sch-ade, datz es so bald
immer wieder zerflattert. Welche tüchtige und angenehme
Naive haben wir doch in Frl. W a g ne r, die -gestern in der
Rolle des Kommerzienr-atstöchterlcins Hedda dgs originelle
Element in dem Stück — leider allein — zu repräsentieren
hatte, ein Mädchen, das ihren Jugendgespielen und Vetter niit
umfo größerer Zuversicht als ihrew zukünftigen Gatten rekla-
miert, je stärker er sich in eine Andere verliebt zu haben scheint,
Eine herzige, erfrischende Leistnng! Wie erfreulich hat sich nuch
Frl. Hartmann in ihrer Kunst emporgcarbeitet! Mit der
Gräfin Laray sind ja teine besonderen Trinmphe zu ernten,
der Dichter zeigt sie in Wirtlichkeit weniger inter-'ss-ant, als
cr uns glaub-en nrachcn möchte, allcin die Rolle wrll doch ge-
spielt scin. Die Dame mit -dem gräslichen Namen und !x'n
leisen Anklängerr an die Welt der Bretter, die sich znrücksehnt
vor die Rampe und wie erlöst aufatmet, als sie von Ferne den
Harich der Bü'hnenluft spürt, sic muß in fcsten sicheren Linien
gehalten sein, wenn sie überzeugend wirken soll, Das Lrinzt
Frl. Hartmann heute se'hr gut fertig. Frl. Bonne verstand
es, der mißtrauischen Kommerzienrätin eine gewi'K Jndividu:-
nlität zn verleihen und -das Komische an der Rolie ins rechte
Licht zu setzcn, was se'hr anzuerkennen ist. Frl. Bukovics
als Operettendiva und Herr Steinmann als alter brum-
miger Kapellmcister Loten ein 'hübsches Bilochen aus dem
Theaterleben, das zivar für das Drama als ziemlich überflüs-
sig erschien, aber an sich doch recht niedlich war. Den Lieb-
haber — diesmal war es ein Rechtsanwalt väl! LebenSlust onü
Ernst'— spielt Herr Eckhof mit Glück und Geschick. Herr
Schneider hatte -wieder eine jener Rollen, in denen er iich
Lesonders wohl und behaglich fühlt. Etwas leger war sein

welche uns die Zustiminung ermöglichen. Wohl ist die Cin-
fü'hrung des direkten Wahlrechts von -großer Wichtigkeit. Jm
ganzcn Lande wird diesclbe gewünscht. Aber um den Preis
eines wichtigen, sun-damentalen Rcchtes der Volksvertretung
wäre sie unseres Erachtens zu teuer erkauft. (Lebhafter Bei-
fall.)

Der Vorsitzende stellt hierauf folgende Resolution zur
Debatte:

Der Lan-desausschuß erkennt die von der Regierung vor-
gelegken Gesctzcntwürfe in Betreff der Verfassungsreform
nls eine im allgenieinen geeignetc Grundlage für elne Ver-
ständigung unter ^en zesetzgebenden Faktoren über diesen
wichtigen Gegenstand an und erklärt eine solche Verstän-
digung für -dringend crwünscht, spricht aber seine Meinung
zugleich Lahin aus, daß die nationallibcrale Partei dcm Ne-
formwerke nur dann zustimmen kann, wenn es gelingt, in
demselben das verfaffungsmäßige Uebergewicht, welches die
Zweite Kammer der Ersten Kammer g-egenüber auf sinan-
ziclleM' und budgetärem Gebiete seither beseffen hat, grund-
sätzlich zu erhalten.

Jn der anschließen-den Diskussion gaü Landgerichtsrat
Scherer namens der I u n g.l i L e r a I e n die Erklärung
ab, daß sie die Schmälerung des Büdgetrechts der Zweiten
Kammer prinzipiell ablehnen und jcde Konzession bezüglich des
Budgetrechts für aus-geschloffen halten.

Nechtsanwalt Basser m a n n-Mannheim hat den Ein
druck, daß die nationalliberale Partei vor einem Begräbnis
ste'he. Sorgen wir dasür, daß es wenigstens ein Begräbnis
1. Klaffe wird,, indem wir uns einmütig auf den Standpuntt
der Fr-aktion stellen. Die Regierung erblickt in dem in-direkten
Wahlrecht «nm-er noch einen Damm gegen die Sozialdemokra-
tie, was es' durchaus nicht ist; es ist vielmehr ledizlich eine
lästige Form, mit -der sich die Sozialdeniotratie längst abge-
funden hat. Bezüglich des Budgetrechts schlicße ich mich derr
Ausführungen der Abgeordneten Obkircher und Wilckens an,
Ein Punkt liegt uns Mannheimern besonders am Herzen:
die Proportionalwähl in den größeren Städten. Die°vorge-
schlagene Distriktseinteilung kann ich nnr als einen kurzsich-
tigen Standpunkt bczeichnen. Ministcr Schenkel hat gcgenüber
der Sozialdemotratie im Lan-dtag falsch op-eriert. So sehr ick
dieArbeiterpartei für berechtigt halte, so entschieden bestreitc ich
die Berechtigung Ler Sozialdemokratie. Tiese hätte allen
Grund, die Rede des Ministers Schenkel nicht bloß in ihrer
Presse, sondern auch durch Maueranschläge zu verbreiten (Hm-
tcrkeit, Beisall). Die Vorgänge in Hambnrg zeigtcn deutlich,
wohin die Distriktseinteilun-g sührt. Wir müssen uns heute
fragen: wohin geht die Fahrt? Auch wir können einmal ein
gemäßigt schwarzes Ministerinm bekommen (Heiterkeit). Man
braucht nur auf Bayern hinzusehen, wo Minister von Podewils
vor dem Zentrum kapituliert h-at und auf Preußen, wo soeben
die marianischen Kongregationen in dcn Schulen wieder zuge-
laffen wurden. Jch kann nur schmerzlich bedauern, daß ich
die Aussichten der Wahlrechtsreform sur sehr trübe ansehen
muß. Den Nutzen des Scheite.rns wird, wie von den meisten
Fragen der Gogenwart, nnr dcr Radikalismus in rotem und
schwarzem Gewand haben. (Sehr richtig.) Man wird eben
die wählen, die am meisten schimpfen, die Regierunz möge
sich -darüber nicht täuschen: Es geht ein radikaler Zug durch
die Welt und die Wählerschaft. Gibt die Regierung nicht nach^
dann wird sie nur den Radikalismns fördern'und das Resultat
wird sein: noch me'hr Sozialdemokraten! Die nationalliberale:
Landtagsfraktion hat ihre Schul-digkeit getan; ich bin über-
zeugt, daß das ganze Lcmd, so-weit es liberal dentt, hinter ihr
steht. (Lebhafter Beifall!)

Nach weiteren knrzen Äusführungen der Herren Niombach,.
Dr. Binz, Obkircher, König, Gebhardt, Frhr. v. Röder, Clautz
und Scherer wird die Resolution e i n st i m m i g ange-
n o m men.

Der Vorsitzende stellte mit großer Genugtuung dieses Ne-
sultat fest, das für die Fraktion in den kritischen Zeiten eine
Stärkung sei auf dem eingeschlagenen Weg. Er gebe die Hoff-

Kommcrzicnrat gehalten, aber er verpaßte keine Gelegenheit,
wo es möglich war, einen Effekt zu erhaschen. Ten zweiten
Liebhaber stellte Herr Kehr , einen Jüngling, mit dem es der
Dich-ter nicht gut meint, denn um einzelner komischerWirkungen
willen stößt er ihn gelegentlich ohnL Skrupel aus seiner lliolle
heraus, so daß es für den Darsteller schwer ist, die Einheitlich-
keit der Person zu wayren. Jn der episodischen Rolle des Sa-
nitätsrats zeigte Herr Haah, daß er es versteht, eine Per-
sönlichkeit charakteristisch anzulegen. b". tVI.

Kleine Zeitung

— Von der Hinrjchtung dcs Matrvsen Kohlcr werd-en
'dem „B. L.-A." ans Aurich uachstehende Einzelheiten be-
richtet: Koh-ter, d-er in aller Stille unter Aufsicht eines-
Feldwebels vom S-eebataillon rmd eines Unteroffiziers
von der Torpedoabteilung in Zivilkleidung von Wil-
helmshaven ans in d-as Landgerichtsgefängnis nach
Aurich geschafft worden war, hatte noch bis z-nm Tage
vor seinem Tode auf Begn-a-digung gehofft. Als er mit-
tags vorr seiner am nächsten Morgen stattfindendeir Hin-
vichtung in Kenntnis gesetzt wurde, zeigte er grotze Ruh-e,
nur -als ihm der Abschiedsbrief seiner Eltern, der bereits
-längere Zeit beim Wilhelmshavener Kriegsgericht ge-
leg-en 'hatte, iibergeben wnrde, erfatzte ihn Reue. Den
geistlichen Zuspruch des katholisch-en Pfarrers von Aurich
n-ähm er dankbar an. 'Während seiner letzten Nacht hatte
Kohler kein Ange geschlossen: fast -ununterbrochen erzählte
er dem ihn mit ausgepflanzten Seitengewehr bewachenden
Mlitärdoppelposten nnd dem Wärter von seinen Krerrz-
nnd Qnerfahrten in Amerika und auf See. DienstaA
 
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