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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 26-50 (1. Februar 1904 - 29. Februar 1904)
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unb dn> Zweigstattonen abgeholt 40 Pftz. Durch di« Post

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Smstilg, 26. MkM !364.

Erstes Blatt.

46. ZchWW. - 43.

Z»>

Die

Nationalliberale Versammluncf.

/X Heidclberg, 20. Febr. '
gestrige natiormllibevale Versamnilung im großen

A»ale der „Harmonie" tvar ungemein zahlreich besucht. Prof.

h r h ri r ft begrützte die Parteifreunde und die antvesenden
s.^glieder anderer Parteien, dcren Besuch stets angenehm
, >n werde; er teilte dann mit, daß in der nächsten Zcit da nnd
, P Versammlungen abgehalten werden sollen. So solle im
.ochsten Monat hier in einer Versammlung über die Schulan-
gsoge der nationalliberalen Fraktion gesprochen werden. Pros.

Ogrhurst gedenkt dann in warnren Worten des dahingeschiede-


- ehemaligen Führers, Herrn Fieser, und des vorgestern
rbljchenen Herrn Dr. BIum; er rühmt diese Männer und
^?or Herrn Dr. Blum besonders als dcn stillen, treuen, ge-
^Wrchaften, opferwilligen Arbeiter, dem dic Partei unaus-
„vchlichen Dank schuldiz sei und der von seinen Mitbürgern
dergessen werde. Er erinnerte insbe-sondere daran, wie
Blum seinerzeit die Petitionen aus der Pfalz um Ein-
v»»Ung der Simultanschule vertreten habe und wie er sich
^Urch ein großes Verdienst um die Simultanschule erworben
Redner schließt lnit dem Wunsch, daß es der Partei
e>Uals an solchen Männern, wie diese beiden Dahingeschiede-
es waren, fehlen möge. Zum ehrenden GelÄchtnis Ler
IMen Verstorbenen erhebt fich die Versammlung von den
^chen.

Hierauf ergrifs Geh. Rat Windelband das Wort zu
^Uen, Vortrag über „Hegel und der Liberalismus". Er sei
Äufforderung gern gefolgt, einen historisch-politischen Vor-

- og aus dem Umireis seines Studiengebietes zu halten. Er
j^lle nur eine geschichtliche Plauderei mit einigen Ausblicken

die Gegenwart geben. Dann sührte Redner, kurz skizzicrt,
ynIofichr Folgendes aus: Ter Liberalismus in der ganzen
^ und besonders in Deutschland befindet sich in
s^r schweren Krisis. Nach seinem Jnhalt, seinen Zielen nnd
^tten Gedanken ist der Liberalismns das Ergebnis der mo-
t^«n Geistesbewegung; er ist ihr Niederschlag. Seinen Kraf-

- " und seinen Jnteressen nach ist er ein Erzeugnis dcs er-

stc> . ^

I-^d^rdr Bedrängnis durch Jnteressengegensähe nnd Lciden-

»kenden Bürgertums. Heute befindet er sich übecall

V?Ln.

Dazu ist er geteilt und zersplittert. Wohl ist das

M1L

jOurfms nach Vereinigung da und dort aufgetrsten, aber
»i^, ^vgebnis in Bezug auf die Herbeisührung derselben ist
^ sckpvach. Zwar glaubt Hegel selbst nicht sehr daran, daß
tz-."«hren der Geschtchte besolgt werden. Er meinr, weder die
< n?r noch die einzelnen Menschen pflegten etwas aus der
zu lernen. Jede Zeit hab« eben chre eigenen Pro-
uno müsse dieselben mit etgener Kraft lösen Das ist
aber es wiederholen sich doch auch allgemein« iHel hält-
wo wir aus der Geschichte Nutzen ziehen können. Aller-
'ß derselbe meist nur negativ, indem wir in der Ge-
dü^te Zaunpfahle finden, an denen geschrieben steht: hicr war
^"schheit auf einem Holzweg. Zu Hegels Zeit war das
sd?olem das Aufsuchen eines Mittelweges zwischen zwei gro-
lin ^eg«nsähen; ähnlich liegt die Sache auch heuie. Die Zwil-
dj^^rgebnisse der Aufklärungszeit waren die -Revolution und
^ lllomantik; beide hoben sich von dem Leben der Aufklärung,
sz? denen sie hervorgingen, ab. Untcr sich bildcwn sie Gegen-
Die Revolution erfaßte schvn das Problem des sozialen
die Romantik war eine neue Konstituierung der gro-
bvlitischen Macht der Kirche. Zwischen diesen Gegensähen
oer Liberalismus zur Jugendzeit Hegels gestandeu. Für
^el wgr die Folg« davon, daß er zwischen beide geriet, von
Partei der an'dern zugerechnel, von jeder bekämpft und
verstanden wurde. Man nannte ihn einerseits einen
lvn'kalen, andererseits den Reaktions- und Restcrurationsphi-
zg d- ' Die Frage ist nun, wie hat sich Hegel in Wirklichkeit
Gegensätzen gestellt und wie hat er sich entivickelt?
Jugend wurde bon dem Gedanken der französischen
^ren. -Eion beherrscht. Als Student war Hegel der räbiateste
»yrs?oitKh«ld unter seinen Genoffen. Aber das J'deal der Zeit
sür ihn durch seine Vertiefung in die Antike eine andere
ih^lt an. Aus der Quelle der Antike schöpfte er sein Staats-
si di« antike Färbung dcsselben blieb bei ihm fiir immer.
fill« ^^) fich der Schiller'schen Anffaffung der Antike an, die
^rn^*^lisierung war. Ein schöner, wertvoller, historischer
Für Hegel erscheint der antike Staat als einc fefte
^ossane Einheit nnd Lebensgemeinschafi; der Staat ist ihm
jl^n^ssenborung des Lebens, die lebendig gelvordene Volks-
iittij', Ausgabe des Staates ist die Verwirklichung des
Geistes einer Nation: Er kennt kein Sondcrinteresse,
lndmtduelles Leben autzerhalb des Staates. Mit dieser
^zwsung des Staates färbte sich der Blick Hcgels sür die
^ ^ Welt in seiner Zeit. Jn den in Frankfurt ver-
»«t Handschrtften zum System seiner Philosophie Lezeich-
höcj^llsl den Staat als den sichtbaren Gott, als das Letzte und
^ ber Wirklichkeit. Aus derselben Zeit stamnit auch
n^^?üw.urf zu einer politischen Schrift „Kritik 'dcr deufichen
^ej^ddErfaffung". Da findet er, daß das damalige Deutsche
fiy^.Entfernter von seinem Jdeal des Staates ivar, als je et-
r Welt. Er nennt die deutsche Reichsverfaffunz dte
oulerte Anarchie. Deufichland habe sein höchstes Gut, den
c » ^H^rloren. Er bewundert Napoleon I., hat Respekt vor
!fiert^"^kkigen Erscheinung des Mannes und vor der konzen-
»i« ,Mucht des französischen Staates. Er sieht in ihm
«l,ch?''korperung des Staatsgedankens. Die Katastrophe von
'hir i^o?chgt den Bankerott des Deutschen Reiches und bestätigt
"«l^ 'blner Auffaffung. Jm Jahre 1816 kam Hegel nach Hei-
Unic s^chdem er kurze Zeit Redakteur. eines kleineren Blat-
^rh-^ später Gymnasiums-Direktor gowesen war. Er kam
^ dem staatslosen Geschlecht den Gedanken des
^ Zu predigen. A'ber schon war eine leise Wandlung in
^lch^Z^Tegangen; er feiert schon die Freiheltskriege als daS
"»s des deutschen NationalbewußfieinS, er sieht in ihm
^kst d ^ llooßcn historischcn Momentes jener Zcit. Er
schon auf Preußen hin, dah das Staatsideal wie-
ssri "En, die Nation damit gerettet habe. Aber er feicrt

!' ' llri, -t csuve. i'toer ec >e>ec

ffhkejs : ,.^kaat schon als dic:Grundlage sür eine höherc Tä

Äg j, ? ^iunst nnd Wissenschaft. Damit bricht -

chm durch, denn daS bohcre Jntcreffe

?er Jndividuen

Die heutige

ist nicht recht vereinbar. mit seiner früheren Fdce vom Staat.
Der Staat ist ihm nicht mehr das Letzte und Höchste. Am
Streit der württembergischen Krone mit den Ständen beteiligte
sich Hegel geistig; cr nimmt für den König gegen die Stände
Partei, denn der König repräsentiert ihm hier 'den Staatsgc-
danken, die Stände die Privilegien. Nach der Form sragte
er nicht, ihm war die Hauptsache der Staatsgedanke. Jm
Jahre 1818 kam Hegel nach Preußen. Er fand dort noch das
von Friedrich dem Großen un'd Kant herstammende Pflichtge-
sühl in der Beamtenschast vollständig lebendig. Es gab dort
keinen Klaffenkamps, kein Gegeneinanderwirken der verschicde-
nen Volksschichten. Er begrüßte diesen Staat als den Staat
der Entziehung und Entwicklung. So wird er der preußische
Staatsphilosoph genannt. Er ist zusrieden mit der Gegen-
wart, mit dem Staat, den man hat. Er glaubt an dte Entivick-
lung und darum legt er auf das verzögernde Moment kein
großes Gewicht. Der Weltgeist hat Zeit. So baut sich Hegel
in das Bestchcnde hinein un'd so kann cr zu dem vielangefochte-
nen Satz koimnen: „Alles was ist, ist vernünstig", nämlich
als Moment der Entwicklung. So wird er allmählich ein Ver-
teidiger des Gegebenen. A'ber noch> ist cr in Vielem und Ein-
zelnem> liberal; er verlangt eine Konstitntion, die Preuhcn da-
mals noch nicht hatte, er verlangt Schwurgerichte und Preß-
freiheit. Er sieht im Staat die Entwicklung des Volksgeistes,
aber als Philosoph will er das Bestehen'de begreifen und da
sindet er, daß zur Entwicklung sowohl ein fortschreitcndes wie
ein verzügerndes Moment nöfig sind. Jedes für sich allein hat
unrecht, miteinander stellen sie die wirkliche Entwicklung dar.
So wird Hcgel ein Gegner alles Doktrinarismus. Er ist für
praktisches politisches Lcben. Seine Jünger sehen darin eine
Gegnerschaft gcgen die vorwärts treibenden Fdeen und sallen
von ihm ab. Mit den Ergebniffen des Jahres 1870 wäre
niemand zufriedener gewesen wie Hegel, denn sie brachten eine
schonliche Behandlung' des Bestehenden mit der Richtnng auf
Entwicklung, Es ist die Schwäch« Hegels, daß er im Hinblick
auf die höheren Ziele der Zukunst gegen die Besonderheiten der
Gegcnwart tzleichgiltlg >wird, Das hat seine Lehre innerlich ge-
knickt. Vielleicht haben wir jetzt Momente in der Geschichte
des Liberalismus, wo ettvas Aehnliches sich vollzogen hat.
Nach dcm Fahre 1870 war das Reich da; es war ein Zustand
da, von dev'. mehr als einer meinte, nun werde die Sache
von se!b;' z , wie dieses Hege.l von Preußen im Fcchre 1818
und 1819 meinte. Hegel hielt es nicht sür möglich, daß eine
ernsfiiche Gefahr für die Entwicklung Preußens eintreten
könnte, datz die alten Mächte und Kräfte wieder lebendig iver-
den könnten oder daß destruktive Tcndenzen die Enrwicklung
aufhalten oder gesährden küunteu. So finden wir das eigent-
lich Lchrreiche dieser Betrachtung in der Untcrschähung der
verzögernden und verhindernden Kräfte durch Hegel, in seiner
Meinung, die Sache iverde sich schon von selbst machen. Aber
Jdeen werden niemals durch sich selber durchgesetzt, sondern
nur dnrch den Willen der Menschen, die sich ihnen Hinzeben.
Dieser Wille allcin ist das Siegreiche. Hegel hrt nicht genng
an das Wollen, an das politische Pflichtgefühl appelliert. Wenn
es dähinkommen sollte, daß weitere liberale Kreise ebenso den-
ken, wie Hegel gedacht hat, dann wird auch der Liberalismus
gekuickt werden. Jdecn siegen nur, wenn sich energisclje Lcute
dahiuter machen, um sie durchznsetzcn.

Lebhaster Beifall folgte den intereffanten Darlegungen des
Redners.

Hierauf ergrisf Abg. Dr. Wilckens das Wort. An Win-
delbands ganz hervorragen'den Vortrag anknüpfend, forderte
er zu trcuer politischer Arbeit aus. Es müffe mehr geschehen,
nanientlich 'dürften die gebildeten Kreise fich nicht scheuen, in
die politlsche Arena einzutreten. Dann sktzzierte der Redner
in kurzen Strtchen den bisherigen Verlaüf des Landtags. Er
wies daraus hin, rvie mißlich die Erkrankung des Staatsmini-
sters un'd des Finanzministers unter den gegenwärfigen Um-
ständen sei. Wegen der Abwesenheit Buchenbergers habe keine
allgemeine Finanzde'batte stattgesunden und so würden jetzt bei
der Beratuny 'der Spezialbudgets allgemeine Finanzfragen
besprochcn und dädurch die Debatten verlängert. Unser Bud-
get schließe mit einem Fehlbetrag von 10,8 Millionen. Ab-
striche seien kaum möglich, denn das Budget sei sehr knapp ge-
halten. Ueberschüsse aus früheren Jahren seien nicht vor-
handen. So habe die Reg'icrung eine LOprozenfige Erhöhung
der Einkömmen- un'd der Kapitalrentensteuer vorgcschlagen,
die pro Budgetperiüde 4,3 Millionen bringen würde; außer-
dem will sie die Amortisafionskaffe heranziehen. Die Steuer-
erhöhung set tvegen Buchenbergers Erkrvnkung noch nicht Ns-
kutiert, aber man werde nicht mehr lange damit warten kön-
ncn. Auch in der Fraktton habe noch keine eingehende Erör-
terung stattgefun'den. Die Steuererhöhnng könnte vielleicht
unterbleiben, wenn> man den Zuschuß zur Eisenibahnschulden-
tilgungskasse diesmal streiche oder vcrinindere. Natürlich, die
Zinsen dcr Eisenbahnschuld lnüßten bezahlt wer'den, aber man
könntc vielleicht für einmal die Amorfisafion aussetzen. Es
werde diescs zu erwägen sein. Allerdings müffe man 'bedenken,
dah die Eisenbahnschnld immer noch steigen werde, nainentlich
durch die teueven Bahnhossuntbauten, ferner, daß die Unkosten
bei der Bahnvertoaltung 81 Prozent >der Einnahmen in An-
spruch nehmen. Eine Befferung werde hoffentlich mit der Er-
starkung des wirtschastlichen Lebens hier eintreten. Weiter
werde angesichts der mäßigen Finanzlage zu erwägen! sein,
ob nicht manche Anforderungen des außcrordentlichen BudgetS
durch Kapitalaufnahmen zu decken seien. Ferner wcrde cvtl.
eine Ausgestaltung der Erbschastsstcuer und der Schenkungs-
steucr zu erwägen sein. Ter ordentliche Anfwand im StaatZ-
budget sei schr gestiegen, namentlich durch das Beamtengesetz
bezw. dcn Gehaltstarfi ünd die Erhöhnng des WohnungS-
geldes und dabei werde eine neue Revision des gesamten Ge-
haltstarifs nicht zu umgehen sein. Auch das außerordentliche
Äudgct laffe kcine Abstriche zu; wir seien in Manchem schon
zurückgcblicben, z. B. in der Jrrenpflege. Vor allem aber ver-
kange die Volksschnle weitere Aufwendungen. Das Lcrnd, die
Jugend und die Lehrer dürfen fordern, daß wir d« nicht ge-
genüber anderen, Staaten nicht zurückbleiben. Redner bespricht
im Zusaimnenhang hiermit den nnafionalliberalen Schulan-
trag, dann ivenbet er sich zur Verfaffungsresorm. Er erkennt
an, daß die Regicrung dns ehrlichc und redlickie Bcstreben ge-

zeigt hat, Positives zu Staüde zu brin-gen. Er spricht dann die
einzelnen Punkte durch und bezeichnet zwei als noch nicht ge-
klärt und gcfährlich fiir das Zustandekommen des Werkes. Er-
stens den Zentrumsantrag, daß die Wahlkreise zu 25 000 und
nicht, wie die Regierung will, zu 30 000 Einwohnern cinge-
teilt wcrden sollen. Das Zentrum stellt dieses Verlangen mit
Rücksicht aus das platte Lan'd. Die ganze Kammer hat es in
der vorigen Sesston ebensalls aufgestellt. Un'sere Partei sei
auch jetzt dafür, halte die Sache aber doch nicht für so erheblich,
daß daran die Vorlage scheitern sollte. Das zweite Bedeickn
beziehe sich auf die Erweiterung der Rechte, namentlich des
Budgetrechts, der 1. Kammer. Das gäbe eine starke Verschie-
bung der Stellung beider Häuser zueinander. Unsere Partei
habe große Bedenken, Hand zu einer solchen zu bieten' u. ein
wertvolles Recht der 2. Kammer preiszugcben (Bravo! in
der Versammlung). Ein definitiver Beschluß sei noch nicht
gefaßt; das iverde erst geschehen, wenn am Sonntag in acht
Tagen der wcitere Ausschutz die Frage durchgesprochen haben
werde. Jedenfalls sei eine Verständigung in Betreff der Bei-
behaltung der wesentlichen Grundlagen 'des gcgeriwärfigen
Uebergewichts der Zweiten Kamnier nötig, wenn die Verfas-
sungsreform zu einem gedei'hlichen Ziel kommen soll,

Auch diese Rede sand lebhaften Beifall, dann wurde die
Versammlung von Professor Rohrhurst mit Worten des Dan-
kes und der Aufforderung zu treuer energischer Arbeit ge-
schlossen. _

Deutscher Reichstag.

Berlin, 19. Febr. P o st e t a t.

Abg. Zubeil (Soz.) bespricht eingehend die Gehaltsver-
hältnisse der Posthilfsboten.

Abg. v. Gerlach (fr. Ver.) bemängelt Lesonders di«:
Handhabung des Koalitionsrechts für die Unterbeamten. Den
Staatssekretär solle die Angelcgenheit doch nicht darum für er-
ledigt erklären, weil sie auch von sozialistisqer Scite getadelt
iverde; Graf Posadowsky handle in dieser Beziehung anders.
Redner bespricht dann die Hambul-ger Versammlung, die dor-
tige Postbehöbde habe die Beamten vor dem Besuch der Ver-
sammlung gewarnt und ihn sogar dirckt verboten.

Staatssekretär Kraetkc: Er 'habe bisher nicht die übleir
Erfahrungen gemacht, die der Vorredner voraussetze. ALe
derartigen Unterbeanitenbereine haben bishcr die Autorit«:
untergraben. v. Gerlach habe es sogar geivagt, den Unver-
beamten zu sagen, es werde ihnen nichts geschehen, wenn erst
der Reichstag tage. Es sei doch stark, einenr Staatssekretär ein
solch unehrliches Verhalten vorzuwerfen. (Beifall rcchts.)
Redner billige das Verfahren in dem Hamüurger Vorfall, weil
er die Unterbeamten davor bewahrcn wolle, daß sie sich ver-
führen lassen nnd sich vergeffen, sodaß man gegen sie vorgehen
müffe. Die Bezahlnng der Untevbcamten sei nicht so schlecht,
sonst würden nicht so viele Entlassene um Wle'deranstelluntz
bitten.

Abg. Bell (frets. Vp.) stimmt dem Antrag auf Ein-
sührung von> Postanweisungskuverts zu und wünscht eine libe-
ralere Handhabung der Briessachenbefürdevung, besonders im
kaufmännischen Verkehr. 'Ferner cine weitere AusdehnunK,
der billigen Portosätze sür den Berliner Vorortverkehr.

Staatssekrctär Kraetke: Der billige Tarif sür den Vor-
ortsverkehr habe vielsach zu Portöhinterziehungen gesührfi
indem man ein Paket Drucksachen zu einem Bekannten schickte
und dicsem die einzelne Verscndung innerhalb dcs Ortsver-
kehrs überlietz. Sollte der anläßlich eines solck>en Falles ange-
strengte Prozeß fiir die Postverwaltung ungünsfig ausfallen!„
so würde man cvwägen müffen, ob die geringen Tarise beizube-
halten sind. Der Einfuhrunz der PostanweisungstuivcrtS
ständen Bedenken entgegen.

Slbg. Roeren (Ztr.) bemängelt die Handhabung der Ur-
laubserteilung für die Unterbeamten.

Die weitere Beratung bringt wenig Anerkennenswertes,

Abg. Stöcker (wirtsch. Ver.) befürwortet die Koalifions-
freiheit der Unterbeamten, da dadnrch die christlich-soziale Be-
wegnng gefördert werde. Fedcnfalls müßten sie Ausschüff»
ivählen dürfen, die dem Staatssekretär chre Wünsche und Be-
schlverden vortrügen. Die Sonntagspaketbestellung müffe weg-
fallen.

Abg. Dasbach (Ztr.) meint, die Tätigkeit des Ueber-
setzungsbureaus bei der Oberpostdirektion in Posen bcdeut«
nur eine Schikanierung der Polen.

Staatssekretär Kraetke protesticrt hiergegen: die Post-
verwaltung werde von den Polen schikaniert. Die Frage dcr
Portosreiheit sür Pakete und Briefe der Soldaten sei nichh
so einfach zu regeln.

Morgen Weitevberatung.

Berlin, 19. Febr. Jn dcr hentigen Sitznng der
Reichstagskommission betreffend die Kansmannsgericht»
wuvde der Antrag Trimborn angcnommen, wonach
Rcchtsanwälte und Personen, die als Angestellte von Ber-
einen oder sonst das Verhandeln vor^Gericht gewerbs-
mäßtg betreiben, als sProzäbbcvollmächtigte odcr Bei-
stände vor dem KaufmannSgerichte nicht zngelassen wer>-
den; sie können ausnahmsweise von dem Vorsitzenderr
auf Antrag der Partei zngelassen ivcrden bci glanbhaft
gemachter Derhinderung der Partei oder bei Schwierig-
keit des Falles.

Berlin, 19. Febr. Die Reichstagskommission zu«
Beratung des 'Gesetzentwurfs betreffend Entschädigung
für unschuldig erlittene Untersuchungshaft nahm der-,
erstm Satz des 8 1 in folgender Fassung an: Personen,
die im Strafverfahren freigesprochen oder außer Verfol-
gung gesetzt sind, können sür erlittene Untersnchungshaft
Entschädignng aus drr Staatskasse verlangen, wenn datz
Verfahren ihre Unschuld ergab, Unschuld Üegt auch dann

NuMmer umfaßt vier Mätter, zufammeu 18 Seiten.
 
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