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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 102-125 (2. Mai 1904 - 31. Mai 1904)
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46. IahrgkU. — 106.

Areitllg, K. Mi 1984.

so Pfg. in's Hau» gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Dnrch

bqogen vierteljährlich 1,85 Mk. auSschließlich Zustellgebühr.

NnzeigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile «der derrn Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hieflge Geschästs- und Prtvatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme v»n Anzeigm
a« bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate aus den Pl-rkattafeln der Heidelbergcr Zeitung und !-en städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher W.

Deutschev Reichstag.

Berlin, o. Mai.

Eine Reihe von Rcchnuirgssachen nnrd deibattelos er-
^ledigt.

' Sodann wird die zweite Beratrmg des> Gesetzentwurfs
betreffend Enlschäüigung fiir unschuldig erlittene
Ä u t e r s u ch u u g s h a f t fortgesetzt.

Wg. Stadthagen (Soz.) begründet die von den So-
zialdemokraten eingebrachten, über die Kommissionsfassung
hinausgehenden Anträge, die darauf hinzielen, daß nicht nur
^iejenigen Entschädigungen beanspruchen können, gegen welche
Ikntersuchungshast verhängt ist, sondern auch die, die sistiert,
dorläufig festgenommen odcr vorgesührt sind, wenn sie rechts-
träftig freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt werden.
Dse Mehrheit sei in der Kommission vor den Ünannehmbar-
reitserklärungen des Bundesrats zurückgewichen. Tann habe
doch eine Kommissionsberatung keincn Zweck.

Abg. Storz (>deutsche Vp.): Er sei überzeugt, datz die
Gründe des Bundesrats in der Kommission einer energischen
Haltung der Aiehrheitsparteten nicht Stand gehalten hätten.

äuhert vcrschiedene Bedenken gegen die sozialdemokratischen
Änträge. Seine Partei werde für die Kommissionsanträge
mmmen, damit wenigstens etwas zu Stande komme.

Abg. Jtsche r t (Ztr.): Ans realpolitischcn Gründen
"nd zum Teil sachlichen Bedenken gegen die sozialdemokrati-
lchen Anträge tverde das Zentrum fiir die Kommissionsfassung
st'mmen.

Wg. Bargmann (fr. Bp.) und seine Freunde lverden

sozialdemokratischen Anträgen und im Falle der Ablehnung
^rrsel^n den Kommissionsanträgen zustimmen.

Nach längerer Debatte wird der Pavagraph 1 des Entwurfs
vach -xr Kommissionsvorlage angenommen.

Paragraph 2 behandelt die Fälle, wo der Entschädigungs-
"uspruch ausgeschlossen ist. Er wird unter Ablehnung der
iretsirmtgcn und sozialdemokratiscken Amendements gleichfalls
"«ch den Kommissionsvorschlägen angenommen, ebenso Para-
Traph g, bestimmt, daß der Gegenstand des Ersatzes der
^rrch die Untersuchungshaft entstandene VermögenSschäden ist.
V«ragr«ph 4, wonach das Gericht über die Verpflichtung der
^iaatskaffe zur Entschädigung besonders zu Leschließen hat,
««rd mit einem Amendement Müller-Meiningen angenom-
^n; die übrigen Paragraphen werden nach den Kommissions-
°«rschlägen angenommen.

^ Movgen: Resolution Gröber betrefiend Aenderung des
^ti litärftra fge setzb uchs.

Deutsches Reich.

„ - Die Münzkomm i ssio n Äes Reichstags

^hnt alle Anträge aus Aendernng der von der Regierung
.^kgeschlagenen Prägung ^des 60 Pfennig-Stücks, sowie
«ie Resolntion, die Stücke Ku dürchlochen, ab. Dagegen
^nvdg ein Antrag auf Wioderausprägung von 3 Mark-
^iücken nnt großer Mehrheit angenommen. Die Rddner
,^er Parteien sprachen sich für die Beibehaltung der Ta-
Er aus. Der Reichsschatzsekretär Freiherr von Sten>g>el
chÜnschte die Vctlvandlung des Antrags in eine Resolution
stellte dafür eine wohlwollende Erwägung in Aus-
pcht. Die Kommission beschloß aber, das 3 Mark-Stück
^ die Vorlage einzufügen. Mit dieser Abänderung
"^urde das ganze Gesetz angenomtnen.

- — Jn F ra n k fu r t - L eb u s steht sogar noch ein

^fitter bürgerlicher Kan>didat in Aussicht.

christlich-sozialen und evangelischen Avbeitervereine
i^Een den Sekretär Franz Wehrens aufstellen. Me

^ wsckeem malKre Im. — Molisre und die
Aerzte.

Von Jean-Jacques Olivier.

meckecin malgire lui" (Der Arzt wider Willen), das
^fstck von Moliere, welches der Hebbelverein am 10.

im Stadttheater zur Aufführung bringen wird, ist am
^^ugust 1666 in Paris zum erstcn Malc gespielt worden,

Swar auf der Bühne des Palais Rohal.

Gleich bei seinem
slOcheinen hatte das Werk einen glänzenden Erfolg, welchcr
^ auch seither treu geblieben ist. Dtit stets gleichem Ver-

begrüht man dieses geistsprühende Stück, welches in
übermütig burlesken Handlung eine gewisse Verwandt-
mit der Posse zeigt, durch die Feinheit der Charakter-
?s«hnung jedoch weit üver diese Kunstgattung cmporragt und

dex

Komödie hohen Stils znstvcbt.

kiigeben hier in aller Kürze die Handlung des Stückes,
t?? tvelche der Dichter ohne Zweifel die alte Erzählung (Fa-
^«n) vom Vilain Mire, dem Bauer als Arzt, zum
«»bild genommen hat.

^ Reisholzbinder, namens Sganarelle, hat sich mit seii.cr
Martine, gezankt und sie schlietzlich durch Hiebc zur
^ruunft gebracht. Dte Beleidigte gelobt sich, Rache zu üben,
^, ?SU ihr bald Gelegenhcit geboten wird. Die Diener eines
Bürgers aus der Nachbarschaft besragcn sre um einen
^.'ckrckten Arzt für die Tochter ihrcs Herrn, welche plötzlich
^ Tprache perloren habe. Martine schickt die Suchenden zu
M«Narelle; sie preist dessen unvergleiHIiche Geschicklichkeit in
scki «rsüichen Mnst, erwähnt ab'er nachdrücklich, daß er nur
zur Ausübung seincs Talentes zu bewegen sci, daß er
^«rtnäckig seinen Beruf verleugne und dann nur durch
"(llge Prügel zum Geständnis gebracht Iverden könnc.
U.j.^mrti7ie's Rat wird gründlich befolgt. Sganarelle, der
^ Gewalt in Geronte's Haus gesührt wird, findet sich bclld

konservativen Organe, wic „Reichsbote" und „Kreuzztg."
vedauern diese Zsrsplittenmg. Die „Kreuzzeitung" meint,
man habe zwar der konservativen Partei als der stärk'sten
in diesem Wahltreise keinen Verzicht zunmteü können,
nachdem aber eiunial die konserv'ative Parteileitung sich
'damit eiuverstandeu erklärt 'habv, wüvden die konser-
vativen Wähler gut tun, der Parteiparol-e zu folgen.

Badischer Landtag.

67. Sitznng Äer Zweiten Kammer.
Karlsruhe, 5. Mai. Präsident Gönner er-
öffiret um 9 Uhr die Sitzung. Am> Regierungstisch Bfini-
-ster SchenkeI.

Abg. Dr. WilckeNs berichtet über -den Gcsetzcntwurf
die Vereiniguntz der Gemeinde Brötzingen mit Pforz -
heim betr. Die -Stad-t Psorzheinr befürwortet dieselbe. Wg.
Eichhorn betont, datz Brötzingen 600 000 Mk. in die Ver-
einigung mitbringe, woMgen Nbg. Wittum hervorhebt, daß
Pforzheim grotze Kosten erwachscn.

Denr Entwurs wird schlietzlich zugestimmt.

Abg. E i ch'h o r n begründet -die Jnterpellation
über die Ausweisung ru 'ssischer Staatsange -
höriger, dic anderswo schon ausgewie'sen worden seien.
Er halte dieselbc für cine Liebedienerei vor Preutzen und
Rutzland und Preußen handle in dieser Frage skandalös und
bezeichnet sein Berhalten Rußland gegcnüber fiir unwürdige
Kriecherei. Präsident Gönner rügt diesen Ausdruck.

Wnister Sch-cnkcl verliest eine Erklärung, in welcher
betont wird, daß diese Ausweisungen sich bezogen haben äuf
die russischen Studenten, wclchc von den preußischen Behörden
wegen ihr-es Berhaltens ausgcwiesen worden seien. Die Aus-
weisung stütze sich auf dic Norm des Völkerrechts und auf den
Paragraph 4 des Aufenthvltsgesetzes und sei nötig gewesen,
um den Zweck der preutzischen Ausweisung nicht zu vereiteln.
Die preußische Regierung habe dävon Baden Mitteilung ge-
macht und anhcimgegcben, ob nicht die Jmmatrikulallon zu
Verlveigern sei. Baden habe mit vollem Recht die Leute aus-
gewiesen, die cin jo auflehnen-des Verhalten gegen die höchstcn
Reichsbeamten gezeigt hätten. Jede Regierung hätte die na-
tionale Pflicht, dafiir zu sorgen, datz solche Elemente austze-
schieden wcvden. Die Staatcn erfiilltcn eine Pflicht der Soli-
darität ihrer politischen Jntcressen. Von ciner Liebedienerei
gc-gen Rutzland sei nallirlich keine Rede. Die Russen seien
ausgewiesen worden, weil sic das Gastrecht verletzt und sich
gegen deutsche Gesetze ausgelehnt haben. Baden habe dabei
nicht im> Entferntesten. unter irgend ivelchem preutzischen Druck
geh-andelt; er bedauere aber auch, >daß die Interpellallon ein-
gebracht worden sei, weil sie sich auf >Schrfikstücke stütze, die
nur durch die Pflichtvergcssenheit cines 'Beamten in die Oef-
fentlichkeit gelangt seiu könnten. Bemerken möchte er aber
noch, datz in Baden durchaus nicht eine besondere Ueber-
wachung der Ausländer bestehe; man werde aber nicht dulden,
datz bei uns Studenten Aufenthalt nehmen, die an anderen
Hochschulen durch ihre 'hetzerische Tällgkeit und durch ihr Ver-
halten gegen den Reichskanzler sich unmäglich gcmacht hätten.

Abg. Venedey ist von dieser Antwort nicht befriedigt.
Die 'Austoeisung entspreche weder der Gerechllgkeit noch dem
geschriebenen Gesetz.

Wg. Dr. Wilckens ist der Ansicht, daß die Regierung
mit dcr Ausweisung nur ihre Pflicht erfüllt habe.

Wg. Fe -'hrenLach sch'Iießt sich dem Vorredner an.

Nach kurzer -Polemik Eichhorns gegen die Vorredner ist
die Jnter'pellation erledigt.

Abg. Süßkind begrün-det die Jnterpellallon über das
Verbot 'der M a i fe stzüge und betont, datz dieselben
in Württemberg und -Hessen gestattet waren. -Seine P-artei
habe sich den Gesetzen gcfügt und verlange gleiches Recht mtt
den anderen Gesellschaftsklassen.

in seine ärztliche Würde. Ein Zufall enthüllt ihm die Ursache
der Krankheit, die er heilen sollte. Lucinde hat sich nur stumm
gestellt, um die Heirat mit einem ungelicbtcn Männ, den man
ihr aufzwingen will, zn berciteln. Leandre, der begünstigte
Liebhaber des Mädchens, bittet Sganarelle um Hülfe; etn
Beutcl Gcldes gibt seincn'Worten Gewicht nnd bald stcht er,
als Apothekcr verkleidet und von Sganarelle eingeführt, der
Geliebten gegenüber." Schon sind die beiden Liebenden zur
Flucht enschlossen, da erhält Leandre die Nachricht, dah sein
reicher Onkel gestorben ist und ihn znm Erben cingcsetzt hat.
Nun hat auch Lurindc's Vater, Görontc, gegen die Verhei-
ratung -seiner, von der Stummheit rasch geheilten, Tochter mit
Leandre nichts mehr einzulvenden. Sganarelle hat seine Prü-
gel bckommen, sein kühnes Spiel hat ihn sogar einen Augenblick
in die Gefahr gebracht, gehängt zu werden, aber er hat bei der
'Sache ein hübsches >Sllick Geld verdient und beschlietzt, sich nnn
ganz der Mcdizin zu widmen; denn dies HM er für das vor-
teilhafteste Handwerk, weil es immer begahlt wird, mag der
Arzt seine >Sache gut oder schlecht gemacht haben.

Anf dem Untergrund dieser sehr geschickt gesponnenen Hand-
lung sind nnn dic Charakterc der Hauptpersonen mit entzücken-
d'er Kunst hcrausgearbeitet.

Von Meistcrhand gebildct steht die Figur des Sgcmarelle
vor uns. Er ist cin Trnnkenbold, ein Frauenjäger, gewalt-
tällg, zornig und>'h-absüchtig; aber sein gesunder Verstand, sein
Geist und scine Lebhaftigkeit machen seine Fehler vergessen.
Geronte ist der reich gewordene Bürger, für wetchen das Geld
dcr Jnbegriff von Vcrstand, Ehre und Tngend ist. Martine
endlich zeigt sich durch ihre schlaue Rache, Lurch ihr gullnüllges
Verzeihen der erlittenen Kränkungen und durch ihren heiteren
Sinn als würdige Gefährlln ihres Mannes. Die Szenc, wo
sich die beiden versöhn'en, um gemeinschaftlich einen Nachbarn
zn prügeln, welcher dcn Streit der Gatten schlichten will, ist
ein Meisterstück der Beobachtung. Mit wenigen Strichen hat
Moliere hier ein Stück Volkslcben in bewundcrungswürdiger
Naturtreuc gezeichnct.

Minister Schenkel crklärt, daß das Verbot im Einklang
mit den- gesetzlichen Vorschristen steht. Die Matznahme zurück-
zunehmen, besteht für die Regierung keinc Veranlassung. Mit
Vergnügen habe er gesehen, datz das arbeitende Volk sich am
Maifeiertage belusllgt habe. Auch in Versammlungen konnte
man seinem Aenger über dic Regierung Lnst machen. Jn
Mannheim mogen besondcre Gründe für das Verbot der Tanz-
belustigung vorgelegen haben. Das Erstaunen über das Ver-
bot der Umzüzc ist befremdlich. Die Regierung ist schon lange
der Ansicht, daß demonstrative Umzüge zur Verherrlichung
sozialdemvkratischer Jdcen unstatthaft sin-d. Bisher sind gegen
solche Verbote keine Beschwerden erhoben worden. Sützkind
wüvde diel besser daran tun, wenn er seine Genossen auf den
Beschwerdeweg verwcisen würde, als wenn er hier austritt und
über die Parteilichkeit der Regierung loszieht. Die Maifeier
wird nicht nur für die von Süßllnd genannten Zwecke, fondern
für allgemeine Zwecke der Sozialdemokratie benützt. (Sehr
richllg! bei dcn Sozialdemokraten.) Die Maifeier soll zu
eincm' internallonalcn Klassenfeiertag ausgestaltet werden,
der den Klassenhatz verschärsen und den nationalen Gedanken
in der Brust des Arbeiters ertöten, die Mon-archie bescitigen
und die gesellschastliche Ordnung umstürzen soll. Das ergibt
sich schon aus den Berichten über diese Versammlungen, die
in der Rege'l mit einem Hoch auf die internationale Sozial-
demokratie geschlossen werden. Durch die Maifeier an Werk-
tagen soll ein Druck auf die Tlrbeitgeber ausgeü-bt wcvden.
Diese Gesichtspunkte waren für das Verbot der demonstrattv-
politischen Umzüge mahgebend. Da die sozialdemokrallsche
Partei eine Ausnahmcstellung zu unserem «taatswesen ein-
nimmt, muß sie sich auch etne andere Behandlung gesallen
lassen als religiöse oder gesellschaftliche Vercine. Dazu
wurdcn die Straßen nicht hergestellt, Latz sic zu Demonstra-
tioncn gezen 'das lotiale Bürgertum benützt werden, dcm da-
durch nach dem „Volkssreund" Gruseln und Hcrzklopfen bei-
gebracht werden soll.

Slbg. Fehren'bach (Ztr.) ist, trotz der Begvündung
SützkiNds, mit der Antwort des Ministers nicht einverstanden.
Maßgebend sei ihm selbstperständlich nicht die Parallele mit
der Fronleichnamsprozession. Vielmehr erblicke er in dieser
Matzrcgel kein wirksames Mittel gegen dte Sozialdemokratte.
Jm Gegenteil durch solche Verbote -werdcn die Avbeiter nur
gereizt. Gewährt man dagegen die Umzüge, so verlieren dies«
niit der Zeit von selbst den Reiz. Die Matzregel kann nur
schädigend wirken.

Abz. Dr. Wilckens (natl.) glaubt, datz -die Gesetzmäßig-
keit der Maßregel nicht Lestristen webden kann. Dagegen kann
man über die Zweckmäßigkeit verschiedener Meinung sein. Jn
unserer Fraktion ist die Minderheit.der Ansicht, datz man den
Dingen freien Lauf kassen und nur «inschreiten soll, wenn ein
begründeter Anlatz dazu vorliegt. An-dere glauben, datz gegen
eine Feier in geschlossenem Rauni nichts einznwenden, eine
öffentliche Demonstration mit prövokatorischem Charakter aber
zu untersagen ist. Darüber sind wir einig, datz der Regie-
rung aus ihrem Verhalten kein Vorwurf zu machen ist.

Abg. Heimburger bezweifelt die gesetzliche Unterlag-e
des Verbots.

Nach einigen weiteren Bemerkungen >der ALgg. Lehmanrr
und Lutz ist diese Interpellallon erlMgt.

Samstag: Eisenbähnbndget.

Karlsruhe, 5. Mai. Die Justizkomnnssion der
'Zweiten 'Kammer beschäftigte " sich irv ihrer gestrigen.
Sitzung mit dem Gesetzentwurf ützer die Verteilung der
Erträgnisse ber städllschen GrUnMnchämter, wonach die
Stäidte in Zuknnst neun Zehntel der Ueberschüsse an dis
Staatskasfe absühren sollen. Bei der Abstimmung loulld'e
die Regierungsvorlage abgelehnt nn-d ein
Verinittlnngsvorichtirg, wonach Fünfzehntel des Ueiber-
schnsses der 'Staatskasse znsallen sollen, an'genonllnen.
Die „Volksstirmne" berichtet hierzrr: Nach den Versicher-

Und doch war es nicht so sehr die Wsicht des Dichters, eine
Eharakterkomödie zu schaffen, als vielmehr eine derbe -Satire
aus Aerzte und ärztliche Kunst. Man weitz, wie lebhast er
alle die Jünger des Hippocrates mit ihren schwarzen Talaren
und spitzen Hüten hahte, welche im 17. Jahrhundert nnt Ader-
latz und Purgiermitteln unter ihren Zeitgenossen wüteten. Jn
sieben seiner Komövien (I-s möclsein volant, Oon lluan, tt'.lmour
möcksein, I,o mcäsein blalgrs lui, 1'b.vsrs, monsisnr äs Uour-
essugnae st Is ms1s.cks imsginsirs.) hat Moliöre seinen nieversiegenden
Spott über die Heilkunst und ihre Vertreter nusgegossen.

Was waren die Gründe dieses unversöhnlict)en, hartnäckigen
Grolles?

Zunächst darf man nicht vcrgessen, datz Moliere an einer
besondcrs schmerzhaften Krankheit litt, wclche ihn körperlich
und geistig niederdrückte, und gegen die cr vergebens bei den
medizinfichen Autoritäten seiner Zeit Hülfe suchte. ^ Weder
die Leibärzte des Königs, noch die Profcssoren der Universität,
noch die Kurpfuscher (denn auch solche hatte er konsultiert)
konnten ihm Erleichterung verschaffen. 'Das haüe er ihnen
nicht vergessen, und dic ganze damals in ihreu Anfängen
liegende ärztliche Kunst galt ihm als Trug und Faselei.

Andererseits — und damit berühren wir sicherlich Zen Haupt-
grund seiner so strengen Vernrteilung — war dsi philosophische
Anschauung unseres Dichters den Bestrebungen der Medizin
durchaus entgegengesetzt.

Moliere's Philosophie erblickt die höchste Lebensweisheit in
der vollkommenstcn Uebereinstimmung mit den Forderungen
der Natur, der liebevollen Mutter und treuen Ratgeberiu der
Menschen. Mit diescr Ansicht erscheint Moliere als Erbe von
Robclais, als Vorgänger von Diderot. „Folge der Natur^
sie täuscht niemals", pvedigen diese; und als Trägcrin desselben
Gedankens stellt Molieve: die prächllge Gestatt der Umm«
Jacqueline unter die Personen des „bleckecin malgre lui";
durch ihren Mund spricht er aus, !vas ihm innerfte Ueber-
zeugung war, datz jedes Beginncn, ivelches sich den Natur-
gesetzen entgegenstellt, jedcr Bersuch zu deren Dekämpsung als
 
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