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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 (1. März 1904 - 31. März 1904)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14240#0607

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Erste» Matt.

4K. ZMzm. — 70

Grschei»t täglich, Sonntag» au»gcnomme«. Prei» mit FamilienblSttern monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedition und dcn Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch di« V«st

bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

AnzeigenpreiS: 20 Pfg. für bie Ispaltige Petitzcile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige GeschäftS- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate aufden Plakattafeln der Heidelberger Zeitnng nnd dui städtischen Anschlagstellen. Ferrrsprecher 82.

Heute und täglich

bis zum 25. März können Bestellungen auf dic „Heidel-
berger Zeitnng" bei den Briefträgern gemacht werdcn.
Die Briefträger fragen bci jedeni Postabonnenten an, ob
die Zeitung auch für das II. Vierteljahr bestcllt wcrden soll

und ersuchen wir daher nnsere verehrlichen Abonnente», die
Bestelluug soglcich zu bewirken.

Außer den Briesträgern nehmen die Postanstalten, unsere
Agenten und Boten Bestellungen anf die „Heidelbcrger
Zeituvg" entgegen.

Frankreich und die Schulorden.

Artikel 1 der Vorlage über die A b s ch a f f u n g des
D r d e n s ii n t e r r i ch r s lautet in der von der französ.
Kammer mit 299 geaen 242 Stimmen angenommenen
Jassnng:

Der Unterricht jeder Stufe und jeder Art ist in Frank-
reich den Orden untersazt. Die ausschließlich für
den llnterricht ermächtigten Orden -werden in einer Frist von
höchstens zehn Jähren aufgelöst. Tasselbe wird geschehen
Mit Orden und Anstalten, die, obwohl ermächtigt für mehrere
stwecke, sich tatsächlich aiw I. Januar des J-ahres 1-903 aus-
ichließlich deni Unterricht widmeten. Die erniüchtigten Orden
Uwd die, welche zugleich sür den Unterricht und sür andere
Zivecke um Ermächtigung nachsuchen, behalten den Rechtsvor-
der Ermächtigung oder des Gesuchs um Ermächtigung nur
tür die in ihren Satzungen vorgesehenen Dienste, die dem
"nterricht sernliegen.

Am Montag setzte die Kammer die Erörterung der
Borlgge mit der Beratung des Artikels 2 sort. Dieser
Artikel lautet:

Von der Veröffentlichung dieses Gesetzes an können dic sich
uusschließlich nnt Unterricht bejassenden Orven keine ncucn
^uitzlieder aufnehmen, und ihre Iloviziate werden von Rechts-
tvegen ausgelöst. Sie müssen innerhalb des dieser Veröffent-
,'chung folgendcn Monats dem Präfekten in doppeltcr, vor-
tchriftsmäßig beglaubigter Ausstellung die Listen einliefern,
welche Artikel 15 des Vereinsgesetzes voru 1. Juli 1901 sic
äu halten verpflichtet, Diese Listen werden cine Variatur
uvs Mityliederverzcichmsses jedes Ordens ausstellen; sie künnen
^ur solchc Ordensniitglieder aufzählen, die großjährig uud
^udgiltig vor der Vcrösfentlichung dicses Gesetzes in den Or-
eiuzetreten sind. Jede lügnerische odcr unrichtige Ein-
jchreibung oder jedc Weigerung der Mittcilung dieser Listen
uurd mit den in Abschnitt 2 d-es Artikels 8 des Gesetzes vom
Juli 1901 vorgesehenen Strafen geahndet.

Den ersten Abschnitt dieses Artikels hat üie Kammer
mit 300 gegen 225 Stimmen angenomnien. Die
weiter: Debatte bezog sich auf ein Amendement des frü-
wreii Ministers Leygues, das Üiejenigen Novizmte
^i'tbestehen tassen wilt, die das Lehrpersonal für die
^chuten in den Kolonien, in den Protektoratslän-
j'stn und im Ausland ausbilden. Der Nationalist L a -

^ j e s beantragte, die Debatte auszusetzen, um den Mi-
chster des Aeutzern über die Bedeutung der Ordensschulen
^"1 Drient anzuhören. Der Ministerprästdent Combes
^klärte sich gegen die Vertagung, die mit großer Mehr-
^>t abgelehstt wird. Leygues begvündete daranf sein
, ^endement. Er erinnerte daran, daß die von ihm ver-
^chte Ausnahme ursprüngtich in der Regierungsvortage

stand, aber von der Kommission abgetehnt worden war.
Der Redner schilderte die Dienste, wetche die Kongrega-
tionen den französischen Jnteressen im Orient erwiesen.

Kotomatminister Doumergue erwiderte, er habe
ein Rundschreiben an die Gouoerneure aller Kotonien ge-
sandt. Die erhaltenen Antworten sprächen sich für die
Verwelttichung der Schuten aus, so in Französisch-West-
afrika und La RÄmion. General Gallieni, Gonvernenr
von Madagaskar, spreche sich in wiederholten Berichten
gegen das Fortbestehen der Qrdensschulen aus und ver-
tange kategorisch die Kündigung des bisherigen Vertrags
mit den Brüdern der christtichen Toktrin. Gallieni sei der
tteberzcugnng, daß die weltlichen Schuten altein dem
französischen Einftuß dienen. Er habe deshaib bereits
mit der ttnterdrücknng der -Ordensschuten begonnen, aber
'die Missionen llersuchen ihr Mögtichstes, nm das Verbot
zu umgehen, und der Gouvernenr mußte wiederholt ein-
schreitcn, nm die Missionen zn verhindern, den Einge-
borenen Gcschenke abzunehmen. Donmergue bestreitet
schließlich unter Hinweis aus Jndochina, daß die Ordens-
schnlen immer die französische Sprache verbreiteten, in
Ostasien widersetzten fich die Bischöfe selbst dem franzö-
sischen ttnterricht, weil er den Geist der Annamiten ver-
wirren könnte. Der Minister bemerkt aus eine Frage,
daß in Madagaskar mehr Protestantische ats katholische
Schuten bestehen, und daß gerade deshatb die Verwelt-
tichnng im Jstteressc des Friedens nötig sei.

Nach Tonmergue erklären stch Etienne und
Delo n c l e, beide Wortführer der Kotonialpartei, s ü r
das Amendement Leygnes, das der Berichterstatter der
Kommisston, Buisson, bekämpst. Alsdann schließt
die Debatte und der AntragLeygue s wird mit 283
gegen 272 Stimmen angenomme n.

Das ist die gteiche Mehrheit, wetche auf Antrag
Caillaur die Wirknng des Gesetzes aus zehn Jahre aufge-
schoben hatte. Die Abstimmungen über die Zusätze wäh-
rend der ersten Veratung haben keine entscheidende poli-
tische Bedeutung, trotzdem trägt auch dieses Votum zur
B e I e b ii n g des gegen das Kabinett eingetei -
teten FeIdzuges bei.

Einer großen Anzaht yon Deputi-erten teüt das 'Ka-
binett schon zu lange; ste möchten setbst Minister werden.
Daher der unerwartete Vorstoß von Millerand vor eini-
gen Tagen, daher jetzt das Vorgshen Leygues. So
wird möglicherweise das Kabinett Combes mitten in
seiner Arbeit fallen, gestürzt von Repnblikanern zur
Fr-eude der Kterikalen!

Ein Bundesgenosse ist dem Kabinett, ist dem Mini-
sterium Combes in dieser kritischen Zeit zur Hilfe geeilt
und zwar ist es kein anderer, ats der P a p st setbst.

Pius X. hatte bisher in seinen öffenttichen Knnd-
gebnngen einen scharfen Ton gegen die sranzösische Regie-
rung sorgfättig vermieden. Er hat wohl im allgemeinen
über die schtechten Zeiten geklagt, abcr einen bestimmten
Hinweis anf die Bestrcbungen der französischen Regie-
rung unterlassen, die Staatsautorität gegenüber den
kirchlichen Ansprüchen zu verteidigen und zu erweitern.
Am letzten Samstag aber ist er aus seiner Reserve heraus-

gelreten. Die Kardinäte gratntierten ihm zu seinem Na-
menstag nnd diese Gelegenheit benutzte er, um gegen
Frankreich deutlich zu wer'den, ihm den Fehdehandschuh
hinznwerfen. Er sagte mit Bezug auf die im Gange
befindtiche Ordensgesetzgebnng in Frankreich: Wir be-
klagen und mißbilligen laut solche Härte, die durch-
aus dem 'Begriff richtig verstandener Freiheit widerspricht
sowie den Grundgesetzen des Landes, den inhärenten
Rechten der katholischen Krche und den -Grundsätzen der
Zivilisation setbst, die verbietet, friedliche Bürger zu
tresfest, die, auch indem sie 'sich unter denr Schutze des
Gesetzes christlicher Erziehungstätigkeit histgaben, doch
jeder den den andern Bürgern auferlegten Pflichten und
Lasten nicht weniger nacht'amen. Wir können es uns in
dieser Hinsicht auch nicht versagen, unsern Schmerz aus-
zudrücken über die Verfügung, dem Staatsrat als rechts-
widrig ehrerbietige Briefe zu unterbreiten, die einige
ivohtverdiente Bischofe, von denen drei Aditgtieder des
heiligen Kollcgiums sind, an den obersten Beamten der
Repubtik gerichtet haben, gteich als ob es eine Schutd
ausmachen könnte, 'sich an das Staatsoberhanpt zu wen-
den, um seine -Aufmerksamkeit aus Gegenstände zu tenken,
die mit den gebietenschsten Pflichten des Gewissens und
mit dem öffenttichen Wohte eng verbnnden sind.

Die französische repnblikanische Presse verwahrt sich
sehr energisch gegen diese Einmischung und setbst Herr
de Lanessan vergißt im „Sidcte" seine Abneigung gegen
Pelletan nnd vertangt die Abbernfung des Gesandten am
Vatikan nnd die Einleitung der nötigen Borbercitungen
znr Kündignng des Konkordats. 'Jnsofern ist, wie gesagt,
die Einmischung des Papstes günstig für das Kabinett
Combes. Jndessen trotz dem gelten die Aussichten für
seinen weiteren Bestastd ni-cht als sonderlich günstig.

Deutsches Reich.

— -Zur Frage der R e ch t s g i l t i g k e i t der A u f-
hebnng des 8 2 des I e s u i t e n g e s e tz e s nimmt
in der „Nationalztg." au-ch der Bertiner Rechtslehrer
Konrad Bornbtatt das Wort. Auch er hält 'das- Aufhe-
bimgsgesetz für r e ch t s n n g ü I t i g, hält es aber für
bedenktich, öffentlich-rechttiche Fragen nach formellen ju-
ristisckien Schlußfotgerungen wie im Zivitprozeß zu ent-
scheidcn.

— Der nächste Truppentransport für
D e u t s ch-S ü d w e st a f r i k a wird Donnerstag
Abend mittets Sonderzugs vom Lehrter Bahnhof, Berlin,
abgehen und Freitag früh 6 Uhr in Hamburg eintreffcn,
wo sofort die Einschiffung der Mannschaften an Bord
des Reichspostdampfers „Fetdmarschall" erfolgt. Bereits-
nm 8llthr vormittags wird der Dampfer den Hamburger
Hafen vertassen.

Baden.

Lörra ch, 23. März. Der hiösige soz. Wahtverein be-
schäftigte sich in zwei Versanimlungen mit den Verhand-
lungen des badischen Pastteitages. Beide Sitzungen
waren sehr gut besticht; insbesondere sprach man stch ein-
gehend aus über die ewig wiederkehrende Stellungnahme-

Kleine Zeitung.

,,,^ ^ Hochschul»achrichtc„. Der Privatdozent sür Phtlosophie
-pädagogik an der Universität Gteßen Dr. A. Messer
ka a. o. Professor ernann-t wor-den. — Amtltch wird be-
I a , tzeniachp: Der o. Professor Dr. C. W e r n t ck c in B r c s-
Hstt tn gleicher Eigenschaft in die medizinische Fakultät
y»b dcr o. Honorarprofessor, tünftige Obcrlandes-
dj- R^pyäsident in Kiel, Dr. Vierhaus in Berlin, ist in
luristischo Fakultät der Universität Kiel versetzt worden
h ^ Frankfurt a. M., 21. Marz. Vergangene Nacht
H,, chen aus dem hiesigen ttntersuchungsgefängnis am
a, ^ch^rfetde 9 1t n t e r s u ch u n g s g e f a n g e n e
' die meist wegen geringer Vergehen in Haft genom-
geh^ ^ren. Dieselben hatten ein Loch durch die Mauer
„„/ochen nnd waren so ins Freie gelangt. Dem Ver-
h>ord^" sind die meisten wieder festgenommen

e^. . Stnttgart, 22. März. Jn -dem Vorort Gaisberg
^^Viodierte in einer Wirtschast ein Acetylen-
d^^ st a r a t. Dem 'Wirt flog ein Stück Eisen an
Uan, er wurde so schwer verletzt, daß der Tod

Ownigen Minuten eintrat.

g g , ^"udau (Pfatz), 16. März. Das Kriegs-
hem? 3- bayer. Tstvision verhandelte in seiner

«Itznng gegen 'den Lentnant Withelm WaIter
Mss, Änfanteric-Regimcnt in Germersheim wegen
^erß und Belestngung von Untergebenen. Die

^olß^« ergab, daß der Angeklagte in a-cht Fällen
chuler Kompagnie durch Schläge ins Gesicht,
nnd Gewehrstößen anf dic Brnst, Zerren am Ohre ^

sowic Hetmaufstanchen auf den Kopf m i ß h a n d e l t e,
zwei Sotdaten außerdem noch durch Schimpfworte belei-
digte. Das Gericht vernrteilte den Angeklagten zu 35
Tagen Stubenarrest.

- Saarbrnckcn, 19. März. K ü n st l e r e t e n d.
Die Opemsängerin Franziska Walter, die gestern
versucht hatte, sich- zu ertränken, machte nachts ini Bürger-
hospital noch einen Setbstmordversuch, indem sie das
Handgelenk an 'der Putsader durchbeißen wollte. Die
ttngtückliche, welche ein tadelloses Leben führte, ist durch
materielle Sorgen zu diesem Schritt verantaßt worden.
Sie hatte kein Sommerengagement gcfunden und oben-
drein für cine atte Mutter zu sorgen.

- Gccstcmündc, 20. März. Ungehenre Fisch -
fänge sind in der vergangenen Woche von Jsland
an den hiesigen Markt gebracht worden. So kehrten u.
a. sieben Dampfer der Tampffischerei-Gesellschaft „Nord"-
see" mit einem Gesamtfange von 900 000 Pfund zurück.
Die Kapitäne berichten, daß sich bei Mtand riesige Fisch-
schwärme anfhalten, wetche hänsig schon nach einviertel-
stündiger Fangzeit das große Schteppnetz his zum Bersten
anfüllten, während die gewöhntichc Schleppzeit gegen drei
Stundcn beträgt. Jür die bevorstehende Karwoche, die
den größten Jischkonsum des ganzen Jahres bringt, bieten
diese Meldungen günstige Aussichten.

- Hambnrg, 22. März. Der Lusstnörder Mailau
aus Bonn, der eine Prostituierte ermordete. wnrde
heute in Attona hingerichte t. Maitau gestand vor
der Hinrichstmg. nicht nur die Prostituierte Schmidt, son-

dern a n ch die Prostituierte Ählert ermor 'det zu
haben.

— Das Straßburgcr Dcnkmal dcs jungen Goethc.

Die Feier der Enthüllnng des Goethe-Denknials zu Straß-
burg wird Sonntag, den 1. Mai, stattfinden.

— 500 Menschcn von rcligiöscm Wahnsinn bcfallc».
Durch eine Reihe sogen. Evangelisationsgottesdienste, die
turzlich anf der Jnsel Beal im Staate Maine stattfanden,
wurden gegen 500 Emwohner der Jnsel von religiösem
Wahnsinn erfaßt. Sie verbrannten eine Anzahl Hunde-
nnd Katzen als Opfer nnd schickt-en sich danach an, ihre
eigenen Kinder den Flammen zu übergeben, woran ste
nur dnrch die rechtzeitige Ankunft mehrerer Scheriffs ver-
hinbert wurden. Die Fanatiker zer^örten große Mengeu
Tabak sowie Schmucksachen nnd Juwelen. Eine Anzcchk
von ihnen wurde irch Irrenhaus gebracht.

— Die grösste Photogrnphic der Wclt. Jn derr
nächsten Tagen wird in London die größte Photographie
der Welt in der Dor6 Gallery anf 1 bis 2 Wochen aus-
gestellt sein. Es ist eine Photographie der Bncht von
Neapel, die ans dem Wege nach der Ausstellung von St.
Lonis ist. Die Photographie ist 45 Fuß tang und 5 Futz
hoch un'd- auf einew einzigen -Bogen Papier gedruckt.

— Ernc Kntze als Brandstiftcrin hat in dem havel-
tändischen Dorfe Bamme am Freitag voriger Woche
großes Unheil angerichtet. Sie hatte in der Wohnstube
des Bauergutsbesitzers Otto eine brennende Erdöttampe
vom Tisch herabgerissen, wodurch diese ptatzte und daS
Fell der .Katze in Brand setzte. Von Schmerz gepeinigt.

Die yeutige NuMmer uwfaht drei Blätter, zusammeu 14 Seiten.
 
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