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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 78-101 (2. April 1904 - 30. April 1904)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14240#0799

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Erste« Blatt

Mmt«», 18, Hril 1«.

Grfchti«t täglich, Sonntag« aulgnrommril. Pret» «it FamilienblSttern monatlich 50 Pfg. in's Haur gebracht, bei der Expedition und den Zwrigstationen abgkholt 40 Pfg. Durch

be»ogrn vierteljährlich 1,85 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

U«reige»preiS: 30 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiefige Geschästs- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von A«»«i>rn
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate aus den Pl»kattafeln der Heidelberger Zeitung und dm stödtischen Anschlagstellen. F:rnsprecher 82.


Zur Gesamtlage in Südwestafrika.

Zu den letzten Ereignissen und der gegenwärtigen
ullgemeiiren Lage im deutsch-südwestafrikanischen Schutz-
gediete erfährt die „Deutsche Warte" von einem Kenner
der dortigen 'Verhältnisse folgendes:

Dem Kriegsplane gsmäß sollte die Kolonne Glase-
napp den Herero den Weg nach dem Osten verlegen, um
ein Entkommen des Gegners über die Grenze zu verhin-
dern. Nach dem verlustreichen Gefecht bei Owikokorero
wandten fich die Tjetjos in südwestlicher Richtnng, sodaß
die Aussicht vorhanden war, dem Feinde den Abzug nach
'dem Grenzgebiete zu verlegen. Es erfolgte dann das
vuch für uns recht verlustreiche Gefecht bei Qkahami, nach
tvelchem aber die Aufständischen sich wieder nach Nord-
osten wandten. Durch diese Schwenkung erreichte der
Feind, daß er sich der voraussichtlichen Umklammer-
ung durch unsere Kolonnen entzog und daß er den
Marsch nach der östlichen Grenze frei bekam. Ueber die
Tätigkeit der Kolonne Glasenapp sind in den Ietzten
Tagen an amtlicher Stelle keiüe klaren Meldungen
eingetroffen. Man vermutet, daß sie zunächst mit dem
nach Nordosten abziehenden Feinde in Fühlung bleibt,
wodurch allerdings die ursprünglich gestellte Ausgabe
nicht gelöst werden kann. Gelingt es den Tjetjos, die
Omccheko-Steinwüste zu erreichen, ohne vorher von unse-
rer Wteilung sestgehalten zu werden, so steht einerU e b er-
fchreitnng der Grenze durch diesen Teil der He-
rero nichts entgegen. Bedenklich erscheint aber auch die
Schwächung des Glasenappschen Detachements durch die
bei -Owikokorero und Okahami erlittenen Verluste, die
doraussichtlich die Operationsfähigkeit der Kolonne nicht
unbeträchtlich geschädigt haben. Es kommt unglück-
ucherweise noch hinzu, daß bei ihr starker Pferdeniangel
herrscht, was 'die Lage der Wteilung auch zu ihren Un-
gunsten beeinflußt. Ob es daher der Kolonne, wenn
fie den Tjetjos nachzieht, gelingen wird, mit ihnen Füh-
lung zu behalten, sie zu einem entscheidenden Treffen zu
veranlassen und ob ein solches überhaupt mit genügen-
dem Erfolge zu bestehen ist — erscheint zweifelhaft. Mel-
leicht wäre es unter diesen erschwerenden Umständen das
heste, wenn das Detachement die Werfolgung einstellt und
gegen die Hauptmacht der Herero, die soeben mit dem
Tros unserer Streitkräfte in zwei Kämpfe verwickelt war,
operiert, denn es kann den Tjetjos' doch nicht mehr die
Dstgrenze sperren und würde durch eine Verfolgung die-
felben erst recht nach Osten 'drücken.

Ueber das letzte Gefecht der Hauptkolonne Dürr bei
Dkarumba verlautet noch nichts, ob dasselbe zu einem
^bedeutenden Erfolge geführt hat. Vermutlich nicht, denn
fonst wäre diese Nachricht gleichzeitig mit den wiederum
wcht'unerheblichen Verlusten zu uns gelangt. Der vorher
dei Onyanjira erfolgte Zusammenstoß kann nach den
horliegenden Meldungen jedenfalls nicht als ein ent-
fcheidender Sieg aufgefaßt werden. Die Herero, die
v>cchrscheinlich in den Tälern des dorttgen Geländes ihr
^ieh untergebracht und starke Stellungen in den Bergen

besetzt gehälten haben, sind wohl durch den Angrisf aus
ihrer Position geworfen worden, haben sich aber dann
wahrscheinlich auf die nächst höheren oder weiter zurück-
liegenden Klippen zurückgezogen. Wir haben zwar Vieh
bei diesem Angriff erbeutet, doch scheint dies nur gering-
fügig im Verhältnis zu der Gesamtmenge, die sich noch
in ihren Händen befindet. Der Charakter des gegen-
wärtigen Feldzuges ähnelt eigentlich sehr dem des Buren-
krieges und es ist sehr wohl denkbar, daß sich üie Nieder-
werfung des Aufstandes noch recht lange hinzieht. Aus
dem Verhalten der jetzt mit der Hauptkolonne in Fühlung
stehenden Eingeborenen läßt sich ohne weiteres der Schluß
ziehen, dah diese sich noch widerstandsfähig fühlen un'd
entscheidenden Schlägen zunächst ausweichen können, Bei
den Ovambos ist gegenwärtig keine Aufstandsbewegung
bemerkbar. Der Teil der Herero, der sich in den Water-
bergen befindet, könnte am ehesten eine Vereinigung mit
ihnen anstreben, doch verlautet auch hierüber nichts. Die
Tjetjos, die sich mehr nach Nordosten gewandt haben,
befinden sich noch zu weit südlich, um in dieser Beziehung
in Frage zu kommen. — Eine nochmalige Verstärkung
unserer Truppen ist gegenwärtig nicht in Aussicht ge-
nommen, da ein derartiger Antrag vonseiten des Gou-
verneurs nicht vorliegt. Natürlich kann jeder Tag neue
unliebsame Ueberraschungen und damit neue Truppen-
forderungen bringen.

Deutsches Neich.

Badeu.

— Die „Karlsruher Zeitung" schreibt: 'Jn verschie-
denen badischen Blättern war in den letzten Tagen eine
Mitteilung über Schnellfahrten mit Wokomotiven der
baüischen Staatsbahnen zu lesen, bei denen angeblich Ge-
schwindigkeiten bis zu 222 Kilometer in der Stunde
erreicht worden sein sollen. Für den Fachmann bedarf
es keiner Erörterung, daß diese Zahl, die ihre Entstehung
einer durchaus mißverständlichen Auffassung der den Ver-
suchen zugrunde liegenden Fahrpläne verdanken dürfte,
unmöglich auch nur annähernd zutreffen känn. 11m aber
weitere Kreise vor Jrrtum zu bewahren, erscheint es an-
gezeigt, den Jnhalt der evwähnten Mitteilung auf das
Tatsächliche zurückzuführen. Dies besteht darin, daß von
der Generaldirektion der badischen Staatsbahnen derzeit
eine Anzahl Versuchssahrten mit der 2,3 gekuppelten
Schnellzugslokomotive unternommen wird, durch 'die -—-
in erster Linie zu mehr wissenschaftlichen als unmittel-
bar praktischen Zwecken — ermittelt werden soll, welcher
höchsten Leistungen diese Maschinen hinsichtlich Velastung
und Geschwindigkeit noch sähig sind. Richtig ist, daß Ge-
schwindigkeiten, welche die auf deutschen Bahnen im regel-
mäßigen Betrieb für Züge zugelassene Höchstgeschwindig-
keit von 100 Kilometer in der Stunde nicht unerheblich
übersteigen, bereits erreicht wur'den; diese Geschwindig-
keiten liegen aber von der eingangs erwähnten Zahl 222
Ktlometer weit entfernt und werden ste auch bei weitem
nicht erreichen können. Zuverlässige Zahlenangaben in
dieser Hinsicht lassen sich aus naheliegenden Gründen erst

machen, wenn die Versuche ihren Abfchluß gefunden
haben.

KarIsruhe, 17. April. Bezüglich der sogenann-
ten Ku r p f u s ch e r v o r I a g e steht die nationallibe-
rale Fraktion dem Gedanken, die Ausbeutung Unwissen-
der und Leichtgläubiger zu verhindern, nicht unsympathisch
gegenüber. Dagegen wird sie der Bestimmung, wonach der
Polizeibehörde unbeschränkte Vollmacht in Erlassung von
Verordnungen auf dem Gebiet des Naturheilverfahrens
eingeräumt werden soll (sog. Blankettgesetz), nicht zustim-
men. Es müßten Tatbestände formuliert werden, um
die Kurpfuscherei treffen zu können, ohne Eingriff in
den Streit zwischen dem Naturheilverfahren und dev
Schulmedizin. Auch die übrigen Parteien stellten sickp
wie wir höreu, im großen Ganzen auf diesen Stand-
punkt. Die Kommission der Zweiten Kammer hat denn
auch das sog. Blankettgesetz der Regierung einstimmig
abgelehnt und will bloß auf die Anzeigepflicht der Natur-
heilkundigen bei ansteckenden Krankheiten, fowie auf die
Registrierung der behandelten Fälle eingehen.

KarIsruhe, 17. April. Früher war bekanntlich
geplant, den Städten die Ermächtigung zur Einführunp
einer W a r e n h a u s st e u e r zu geben. Dagegen haben
sich üie Städte gewehrt, weil sie Lie Streitfrage, ob die
Gesteuerung der Warenhäuser überhaupt gerechtfertigt
bezw. wie sie zu normieren ist, nicht in den Bürgeraus-
schuß hineingetragen wissen wollen. Die Regierung hat
dem Verlangen der Städte in dem neuen Entwurf Rech-
nung getragen, fodaß von Seiten der Städte in dieser
Hinsicht keine prinzipiellen Vedenken gegen denselben
bestehen. Ob aber im Hinblick auf 'den geringen Ertrag
der Steuer (für Karlsruhe ist sie beispielsweise auf 10 000-
Mark veranfchlagt) und auf die in Aussicht stehenden all-
gemeine Steuerreform jetzt eine Sondersteuer eingeführt
werden soll, erscheint fraglich. Die Kommission der
Zweiten Kammer hat eine Entschließung noch nicht ge-
troffen.

Karlsruhe, 16. April. Das Großherzog -
Iiche Paar reist nächsten Montag auf etwa 14 Tage
nach Ouchy zum Besuch der Prinzessin von Wittgenstein.

Bretten, 17. April. Der Großherzog hat
dem Melanchthonhaus heute wieder ein Bild-
nis: Magister Philippus Melanchthon, Deutschlands
Lehrer, „zur Ergänzung der dem Andenken des großen
Reformators gewidmeten Werke" zugehen lassen. Der
Besuch des Hauses war über Ostern und seither ein sehr
lebhafter; insbesondere kommen auch Konfirmanden aus.
den näheren württembergischen Gemeinden.

Vadischev Landtay.

55. Sitzung der Zweiten K a m m e r.

Karlsruhe, 16. April. Fortsetzung der Be-
ratung des Budgets der höheren Lohranstalten.

Eingegangen ist eine Petition der Handelskammer
Karlsruhe, das Biersteuergesetz betreffend.

Abg. Dr. Wilckens bemerkt, öaß der Berichterstatter 'Ob-
kircher ver'hindert sei, der heutigen Sitzung beizuwo'hnen, da
er soeben die telcgrap'hische Nachricht erhalten habe, daß sein

Kleine Zeitung.

— Düffcldorf, 17 .April. Gestern Abend schlug der
BI i tz in die hiesigen Telephonleitungen ein. Zwei
^elephongehilfinnen wurden betäubt, haben aber
keinen ernstlichen Schaden genommen. Auch eiu Beamter
hiesigen Wolff-Bureaus war gerade am Telephon be-
Ichäftigt, als der Blitz in die Leitung schlug. Er war eine
Dtunde lang arbeitsunfähig, hat sich aber vollständig er-
holt.

— Clcve, 16. April. Die Straskammpr ver-
brteilte den Pastor Rosshardt aus Hochemmerich we-
Ten unzüchtiger Handlungen an ihm anvertrauten Sonn^-
^gsschülerinnen in über 20 Fällen zu drei 'Jahren
Äuchthaus und Ehrverlust von gleicher Dauer.

— Das Land mit den mciftcn Poftbcamten ist immcr
Noch Dentschland. Das Heer seiner Beamten für Post
Md Telegraphie zählt nach der neuesten Zusammenstel-
^Nng des Weltpostvereins 242 00<) Köpse. Es wird
^arin von den Vereinigten Staaten von Nordamerika
^cht erreicht, die 239 000 Postbeamte haben. An dritter
Dtelle steht Großbritannien mit 184 000. Alle übrigen
^taaten des Weltpostvereins haben weniger als 100 000
Postbeamte. Die meisten zählt außerdem in Tausenden
tirankreich mit 81, es folgen Britisch-Fndien mit 60
vnd Oesterreich mit 69. Dann kommen Japan und —
'^ußland, die bis aus drei Köpfe 'dieselbe Zahl von Post-
^eamten haben. Zapan hat deren 67 965, Rußland
962, also 3 weniger. Alle iibrigen Postverwalkungen

Haben nnter 50 000 Beamte und zwar Jtalien 31, Un-
garn 22, Schweiz 12, Mexiko 10, Niederlande und Schwe-
den je 8, Belgien und Dänemark je 7, Argentinien 6,
Spanien 6, Griechenland und Norwegen je 3, Ehile 2,
Aegypten, llruguay und Bulgarien je Is^. Recht an-
sehnlich sind auch die kolonialen Postverwaltungen von
Australien, Algier, Jndochina und Niederländtsch-Jndien,
die zwischen 2000 und 6000 Köpfe zählen, Zu berücksich-
tigen ist aber, daß Telegraphen- und Fernsprechwejen in
manchen Ländern mitgerechnet sind, in andern nicht. Die
meisten Postanstalten der Welt zählen die Vereinigten
Staaten mit mehr als 77 000. An zweiter Stelle steht
Deutschland mit 46 268. lliigefähr die Hälfte hat Groß-
britannien mit über 22 000. Britisch-tzndien. hat 14 000,
Rußland 12 000 und Frankreich 11 000. Alle übrigen
Länder zählen weniger als 10 000 Postämter. Me
meisten Briefkästen, 129 000, gibt es in den Vereinigten
Staaten, aber fast ebenso viel, über 126 000, in Deutsch-
tand. Auch nicht annähernd werden diese Zahlen von
den anderen Postverwaltungen erreicht, Frankreich zählt
68 000, Großbratcmnien 68 000, Britisch-Bndien 51 000,
Oesterreich 31 000 Briefkästen usw. Die Postpferde wer-
den nur in wenigen Län'dern gezählt. Deutschland hat
17 608, Rnßland 29 000, Oesterreich 8500, Uruguay
8200 usw.

— Schiitzt dic Vogclncstcr. Um das Brüten der
Vögel nicht zu stören, empfiehlt es sich, das Scheren von
Gartenhecken zwischen dem 1. März und dem 31. Juli
nicht vorzunehmen.

— Vom Aufenthalt der ehemaligen Kronprinzessin
von Sachsen in Ventnor. Die Gräsiii Montignoso, die
frühere Kronprinzessin von Sachsen, sührt auf der Jnsel
Wight in dem Orte Mentuor weiterhin ein ruhiges und
zufriedenes Leben. Die Personen, welche in dem ver-
hängnisvollen Herbst 1902 mit ihr die Oeffentlichkeit so
lebhaft beschäftigten, sind ihr, wie 'dem „Neuen Wiener
Tageblatt" aus Ventuor geschrieben wird, nahezu völlig
aus dem Gedächtnis entschwunden. Sie hat auch den Ver-
kehr mit ihrem Bruder Leopold Wölfling gänzlich ab-
gebrochen, und in den seltenen Augenblicken, in welchen
sie im Gespräche mit ihrer Umgebung noch auf das Ver-
gaugene zurückgreift, gesteht sie ganz offen ein, daß ihr
ihre eigenen Handluugen in jenen Tagen heute völlig
rätselhaft und' geradezu unverständlich feien. Sie ift
Werzeugt, daß sie in jeuer Zeit unter dem Einflusse
einer vorübergehenden Geistesverwirrung gestandeu ha-
ben muß, deren Ursache m ihrem damaligen körperlichen
Zustande zu fuchen gewesen sein dürfte. Die kleine Prin-
zessin Anna Monika entwickelt sich unter der Pflege ihrer
Mutter vorzüglich. Der Anfang April fällige, bis zum
1. Jgnuar d. I. zurückreichende Bericht über das Besin-
den der kronprinzli'chen Kinder in Dresden ist der Grä-
fin dieser Tage zugegangeii. — Gräfin Luise liest viel
und iiimmt bereits wieder lebhaften Anteil an allen
literarischen und Rinstlerischen Tagesfragen. Sie hat
eine kleine BMiothek deutscher Klassik'er bei fich und
zieht im allgemeinen ernste Lektüre vor. Sie erhält
auch ckn« 'AnzaW Zeitungeir und Zcktschristen aus
 
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