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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 (1. März 1904 - 31. März 1904)
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Erstes Blatt.

äii. AidkMg. — 68

FllAi,. 18. »j M4.

Erschei«t täglich, SonntagS auSgenommen. Prei» mit Familienblättern monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedition und dm Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch di« V»st

bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

AnzeigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigm
an bestimmten Tagm wird keine Verantwortlichkeit übemommen. — Anschlag der Jnserate anf den Pla lattafeln der Heidelberger Zeitung und dm städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Heute und täglich

znm 25. März kömien Bestellungen auf die „Heidel-
^erger Zeitung" bei den Briefträgern gemacht werdeu.
Briefträger fragen bei jcdeni Postabouneuten an, ob
Zeitung auch für das II. Vierteljahr bestcllt werdcu soll
ersuchen wir daher unsere verehrlichen Abonncuten, die
^stelluug sogleich zu bewirken.

Außer den Briefträgern nehmen die Postanstalten, uuserc
genten und Boten Bestellungeu auf die „Heidelberger

A

^cit

ung" cntgegen.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 17. März.

Zunächst werdcn die N a ch t r a g s e t a t s für 1903
stnd die E r g ä n z u n g s e t a t s fllr 1904 beraten.
g. Abg. Dr. Spahn (Ztr.) beantrcrgt Ueberwcisung an die
^bLgetkom-mission.

.. Abg. Stockmann (Reichsp.) empfiehlt, die bciden Er-
Mnzuiigsetats mit dcm Hauptetat sür Sudwestafrika in ein-er
nM'mission zn cinem einhcitlichcn Etat zn vcrarbeiten.

Abg. Bebel (Soz.) sagt, er schätze die tLesamtkosten des
vereroaufstandes für das Reich auf 50 Millionen Mark; Las
Wste'. batz der Nutzen der Kolonialpolitik in gar kemem Ver-
e^ttnis zn üen aufzuwenideniden Kosten stehe. Die Ursache
Aufstandes sci ausschließlich auf deutscher Seite zu
^Uchen. Es sei ein V e r z w e i f l u n g s t a m p f der He -
^ ros , die man ihrer Existenz beranben
I I o. Boi jedemi an-deren Volke wnrde inan einen solchen
'^cirnpf nts einen Lewunderunzswürvigen He-
i>°ssmus bezeichnen. Das wucherische, blutsaugerische
7-^eiben der europäischen Händler sei der Hauptgrund der Un-
"Ufriedenheit der Hereros. Den weißen Frauen, die den He-
ros tne Hände gefallen seien, sei kein Haar gekrümmt
iwi m J'hni sei es sehr zweifelhaft, ob die Weißen ebenso
. U don Hererofrauen verfahren wnrden. Die
Iten hätten
--^cein"

verfahren
bisher gegenüber dem Etat

Sozialdcmo-
nnr ein klares

Abg. Patzig (natl.) charakterisiert das Verhalten
in.s S o z i a l d e m o k r a te n. Die Deutschen seien doch keine
aubor- sie «rfüllen in den Kolonien Kutturaufgaben. Dic
^sreros, die Bebel so liebenswürdig und so harmlos findet,
fe r ^ nnterworfen und entwaffnet werden. Ueber den Waf-
^uhandel müsse eine scharfe Kontrolle geübt werden. Die
j^tionalliLeralen stimmen der Nachtrags- und Ergänzungs-
n ^rung zn nnd hoffen, datz alle bürgerlichen Parteien einig
.„'u, deri schlimmen Eindruck der Nede Bebels im Ausland
^ Serstören.

Kolonialdirektor Dr. Stübel: Für Einzelheiten bezüg-
der Entschädigungsfrage müsse der Bericht des Gouver-
abgewartet Irerdcn. Znr Erörlterung der Schuldsrage
tvo?^ 3«it noch nicht gekommen; dic einen sagen, die Weißen
Su hart auf, die anderen, der Gouverneur war zu
Daß Fehler gemacht worden sind, wer könnte das bei
Schmäche der mcnschlichpn Natnr bestreiten! Jetzt sei es
^Oicht, öeri Aufstand niederzuwerfen. Bebel habe sür die
N„^ ^ tschon 'die stärksten Ausdrücke, für die Hereros
i B^orte der Bewundernng gehabt.
if Die Abgg. v. Normann (kons.) und Eugen Richäer
^ ' Bp.) bedauern auf das ticfste die Worte
I s , sotzt, wo deutsche Soldaten ihr Blut nnd Leben cin-
An'iä Richter sagte, er wolle jctzt keine Anklagerede gc-

üio Kolonialvcrwaltnng halten; jeht heitze es, Lcben und
^8-cn-tnin unserer Landslente schützen (Lebhafter Beifall.)

Die Jugend und deu Alkohol.

dg. Ersuchen des Lehrcrinnenvereins 'hielt Herr Privat-
Dr. Gaupp am Mittwoch in der „Harmonie" cinen
Aj^^^g.über „dic Jugend und der Alkohol". Ter geschätzte
sjsr führte etwa Folgendes aus:
i>rz 20. Jahrhundert wird mit Necht „daS Jahrhundert
dnz Kindes" genannt. Und wir ttm wohl daran, datz wir
i'chens ^ i" Len Mittelpunkt unsercs Denkens und Wün-
^llen; denn auf der Zugend berüht die Zukunst der
öie Was wird jetzt nicht alles getan für die Ernährung, für
s-Dllehung unserer Kinder. Welche Aufmerksamleit schen-
ig>ie ^utzutage denr Schulwesen, nnd welche Rücksicht ivird
vi^. jii'E d<.K^ipj,n aus die Gesundheit genommen. Gar
t>»„ A^vlei praktische Neuerungen, wie z. B. die Errichtung
^Un §^l^lassen für körperlich und geistig schwächer Begabte,
^ öur Genüge dar. Und doch- hören die Klagen in der
'Uen ^ ü-ber die Schul-e nicht auf. Jm Gegenteil, sie neh-
Beschwerden über Unfähigkeit, die Zahl 'der Be-
visi dun einzelnen Füchern wachsen. Wie ist es nun
dez Mindcrbegaibten, Schtvachen, Kranken? Die Art

tvohs^BUlunterrichts, des imnier besser werdendcn, kann doch
jein verantwortlich geniach-t werden für ihr Vorhanden-
Cltx Z'Zi^ Wachsen an Zahl. Fragen wir nun aber nach den
bnn ' .^jvr Kinder, so wird nns manches klar: die Verer -
iivii si>>elt eine grotze Rolle: Beschränttheit und Schiivach-
vielen Lttndern angeboren, weil sie von trnnt-
Clt^),,^^u Eltern stammen. Hat stch nur der eine Teil des
Ach „^vures dem Trunke ergeben, so kann das Kind noch ziem-
V l ö ll'i», trinken beide Eltern, so ist dem Kinde der

siegs 4 ^ » » gewitz. Ein Schweizer Jrrenarzt hat festge-
ÜÜrken t'u' Jdioten- und Epileptiker-Anstailten zu Zeiten
zeit, Wcingenusses, wie zur Weinlese und zur Foschings-
Ueiie/.' desonders ftarken Zuspruch crfahren. Und es sind
bcn. uicht nur die Mäimer, die sich dcm Trunkc crge-

^i^hcr v Frauen illmmt die Trunksucht zu. Währcnd

e o,e Frnnen und Mädchcn im allgemcinen gleichgiltig

Abg. Schrader (fr. Ver.) und Abg. Dr. Arerrdt
(Rp.) schließen sich dem- Vorredner an.

Abg. Graf R e v e n'i l o w (wirtsch. Rcformver.) charakte-
risicrt das Ber'halten Bebels.

Abg. Bebel (Soz.) weist darauf hin, daß man bei den
Kämpfen nur von toten, nie aber von gefangenen Hereros hörc;
das lasse daraus schließen, datz man alles niedermache.

Abg. Dr. Stöcker (christlich-sozial) : Wenn auch von
Seiten der Wcitzen Frcveltaten vorgekommen seien, so dürfe
dies den grotzen Kolonisationsprozeß nicht aufhalten. Die
Rcgierung müsse noch mehr Missionen in den Kolonien ver-
Ivcnden und- den Krieg nicht mit unnötiger Grausamkeit süh-
ren.

Abg. Scmler (natl.) ist cbenfalls der Ansicht, daß jctzt
keine Zeit sür eine Kritik dcr Kolonialverwaltung sei.

Abg. Graf Reventlow (wirtsch. Resormver.) hebt her-
vor, daß die Hereros sich anch gegen Frauen und Kinidcr ver-
gangen haben. Bcbel solle doch- seine Kulturideen auf die
Hereros zn übcrtragen suchen, die den Znkunftsstaat cmtizipiert
hätten.

Der Nachtrags- und Ergänzungsütat wird hierauf der Bud-
igctkommission überwiesen.

Jnzwischen ist dem Reichstag ein durch die Nicht-
fertig'stellung des Etats nötig gewotdener Gesetzentwurf
zugegangen betrcfsend vorlänsige Bewilligung von
zwei B u d g e t z w ö l f t e l n für April und Mdi 1904.

Es folgt die Beratnng des Marineetats.

Bei Titel „Staatssekretär" bringt Abg. Bebel (Soz.)
wiedernm den Fall Hüsscner zur Sprache.

Staatssekretär v. Tirpitz hat dem, was er im vorigen
Jahre darüber gesagt habe, nichts hinzuzusetzen.

Abg. Dr. Scmler (natl.) sührt Klage über den wirt-
schaftlichen Niedergang Wilhelmshavens, woran die Bevor-
zugung Kiels teiltveise die 'Schrttd trage, und befpricht dic
Gehaltsverhältnisse verschiedener Beamtenkategorien.

Staatssekretär v. Tirpitz: Die Marineverwattung habe
ein großcs Jnteresse an der Stadt Wilhelmshaven, das zcige
die B-öwilligimig eincs Zuschusses für die Stadt. Die Unzn-
friedenhei't sei wbhl darauf zurückzuführcn, datz der Appettt
Leim Essen kommt. Die Marineverwaltung habe Len Bauver-
ein unierstützt, weil die Wilhelmshavener HauStvirte von Len
Arbeitern zu hohe Miete forderten.

Schatzsekretär Frhr. v. Stcngel macht darauf anfmerk-
fam, daß man den Wünschen einer einzelnen Beamtenkategorie
nicht ohne weiteres nachkommen könne, ohne Konsequenzen für
andere Beanttenklassen. Erst mützten die Reichsfinanzen m
Ordnung sein, dann erst könnten dic Beamtenwünsche berück-
sichtigt werden.

Es folgt eine Auscinandersetzung zw-ischen den Abgg.
Gamp (Rp.) und Gothein (sr. Ver.) über die Verwen-
dung von Konserven in der Mnrine.

Staatssekrctär v. Tirpitz: Die deutschen Konferven seien
recht gut.

Abg. Fürst znDohna - S chlobitten (kons.) brmg't
Wünsche für die Hafffischer und die Stadt Pillau vor.

Staatssekretär v. Tirpitz bedauert, infolge der Finanz-
lage und da die Marine unmittelbare Jnteressen an Pillau
nicht habe, kaum ettvas tun zu körmen.

Um 6 Uhr wird die Weiterberatung auf morgen vertagt,
autzerdem Nachtragsetat.

Deutsches Reich.

Baden.

— Jn einer Besprechnng der Beschlüfse der Kom'mls-
sion für die Verfassungsreform meint der
Karlsruher Korrespondent des „Schwäb. Merkur": Jm
ganzen sind die Aussichten für das Zustandekommen der
Verfassungsrevision nicht g ü n st i g. Der Wille zur

ivarcn gegen den Genuß geistiger Getränke, ist das jetzt nicht
i mehr dcr Fall. Ganz bcsonders beklagcnswert ist die Be-
gicrde vieler Fraucn, während der Schwangerschaft alkohol-
haltige -Getränke zu genietzen. Sogar Schnaps wird unmittel-
bar vor der Geburt genossen. Ein großer Teil dieser Fvaucn
sündigt aus Unwissenhei't, andere aus Feigheit oder Gleichgil-
tigkeit. Dkanche Frauen nehmen auch im Wochenbett, mcist m
der besten Absicht, starke Weine zu sich, was von der schädlich-sten
Wirkung ist: der Wein geht in die Milch über nnd vergiftet sic
geradezn. Es gibt Frauen, die während dcs -Sttllens täglich
1—7 Flaschcn Bier zu sich ne-hmen; ebenso wird den Aimnen
Wcin und Bicr in möglichst reichem Matze -gewährt. Die Fol-
gen davon sind nach ärztlichen- Untcrsnch-ungen sehr hänfig die
gefürchteten Zahnkrämpfe, auch Gichter genannt. Sehr schäd-
lich sin-d- natürlich auch die in Eognac getauchtcn Schnnller,
die zur Bcruhigun-g und Emschlüferung nicht selten ange-wandt
werden; der Cognnc ivirkt in diesem Falle auf die Kleinen
ungefnhr wie Chloroform auf Erwochsene. — Eine sehr
lehrreiche Untcrsnchung hat Professor Denner angestellt: Er
beobach-tete 12 Jahre lang 10 Familien, in denen alkoholartige
Getränke mäßig genosscn wnroen und 10 solche, in dcncn
Trunksncht herrschte: die erste Gruppe wies 61, die zwcite 57
Kinder auf. Von der erstcren entwickelten fich 82 Pro. normal,
von der zweit-cn nur 17 Prozent; die übrigen 83 Prozent
ivaren schwach^sinnigc, zwergenhafte, epileptische oüer mißge-
staltete Kinder. — Eine 1740 gcborene Trinkerin hmterlietz
iimerhalb 150 Jahrcn 834 Nachkommen; von 708 derselben,
die alle mehr oder weniger entartet warcn, wurde Genaueres
festgestcllt; in der vicrten Generation wies diese Nachkommen-
schaft überhaupt nnr noch- Dirnen nnd Verbrecher auf und
kostetc dem Staate im ganzen über 5 000 000 Mark.

T-as Ergebnis von alledenr ist: Gewohnheitsmätziges Trin-
ken ist schädlich, bewirkt kürperliche, geistige, sittliche Minder-
wertigkeit und Entartunz.

Und doch müssen wir uns geste'hen, datz der Biergenutz in
den letzten 10 Jahrcn schr zugenom-men hat; gerade auch bei
den Frauen. Die traurigen Folgen davon, die die Kinder

Verstän'digung scheint überall, selbst bei der äußersten
Linken, vorhanden zn sein, und gerade diese müßte ver-
Pslichtet werden, an der Verständigung teilzunehmen, dai
mit der Zwcck der Verfasstingsreform, Beruhigung des
Landes und Ermögtichung fruchtbarer parlamentarischer
Tä-tigkeit auf anderen Gebieten, anch wirklich erreicht
wtbd.

K a r l s r u h e, 17. März. Nach dem neuesten Ver-
zeichnis gibt es z. Zt. in Baden 161 Gerichtsvoll-
zieher, darnnter sind 14 Hilfsbeamte.

K a rlsr n h e, 17. März. Jm Monat April 1904
wird eine I u st i z a k t n a r s p r ü f u n g abgehalten
werden. Die Anmeldungen hierzu sind im Monat Diärz
bei dem INinisterium der Justiz, des Knltus und des Un-
terrichts einznreichen.

Sachscn.

Dresden, 17. März. Jn der heutigen Sitzung
der Zweiten Kammer kam die Jnterpellation über die
Anfhebung des Z des Je su i t en g e s e tz e s zur Be-
ratnng. Die Jnterpellation wurde von dem Konserva-
tiven Opitz nnd dem Nationalliberalen Rollfuß begrün-
det. Kultusminister v. Seydewitz erwiderte, nach
Auffassung der Regierung bleibe die Bestimmung der
sächsischen Werfassung, daß weder nene Lklöster errichtet^
noch Jesuiten oder andere geistliche Or'den jemals in
Sachsen aufgenommen werden d-ürsen, auch na-ch der Auf-
hebung des ganzen Jesuitengesetzes- bestehen. Die Regie-
rnng werde energisch an dieser Auffassung festhalten. Die
Auffassung des Ministeriums in der Jesuitenfrage habe
die oolle Zustimmung d-es Königs gefunden. Allerdings
bestehe nicht volle Sicherhcit, ob 'die ordentlichen Gerichte
der Nnffassung der Regiernng beitreten.

Vadischev Landtag.

(45. Sitzung der Zweiten Kammer.)

Karlsrnhe, 17. März. Eingegangen: Eine
Petition der Stadt Neustadt betr. die 'Errichtung
einer Realschnle, des Freih. S t. Andrtz in K-önigs-
ba-ch nm Errichtung einer Haltestelle beim Uebergang an
der Bahntinie Bretten-Gölshausen, serner ein Gesetzent-
lvurf betr. die Ausgabe von S ch a tz a n w e i s n n g en
zur Tilgnng der Ansgaben für den Eisenbahnbau in den
Jahren 1902—1903.

Die Beratung über das Land-Wirtschafts-
bndget wird fortgesetzt.

Abg. A r mb r u ste r (Ztr.) empsiehlt den Landwirten die
Buchsiihrung und lcn-kt die Aufnierksamkeit des Hauses auf
den Vercin sür ländliche Wohlsahrtspflege, üer sich die Be-
kämpfung der Lcmdflucht, die Erhaltung dcr heimischen Trach-
tcn und Banwcise, die Verbrcitung guter Jugendschrisien zur
Aufgabe gesetzt hat und durch zwcckentsprechende Unterhaltuw-
-gen (Volksschauspiele) Geist und Gemüt des Landvolks zir
he-ben und Jnteresse für das Landleben zu erivecken sucht.

Abg. Hauser (natl.) schildert dic wirtschaftlichen Ver--
hältnisse der Heuberggemcinden, die unter den Schuldzinsen,
der Dienstbotcnnot, den durch die politischc und soziale Gesetz-
gebun-g -der letzten Jahrzehnte hcrvorgerufenen Lasten (Ver-
sicherung), 'den hohen Unilagcn zu leiden haben und einew
düsteren Blick in die Zukunft werfen.

Abg. Büchner (Ztr.) uuterbreitet der Rcgierung Vor-

tragen, werden dann aus die verschiedenartigstc Weise be-
kämpft: durch-cine bessere Ernährung, durch Sport, durch Ent-
lastung -von häuslichen Schularbeiten, von UnwissenLen wohl
auch durch Genutz von Rokwein, Malaga, Cognac. Diese Ge-
tränke wirken aber kcineswegs stärkend, w-as auch von manchen.
Aerzten noch nicht gcnügcnd berücksichtigt wird; von Blutbil-
dung durch sie kann natürlich nicht die Rede sein. Ein Arzt er-
zühlte, daß er zn einem kleinen Kinde gerufen wurde, das bei
seiner Ankunft starb: vom 6. Tage ab hatte cs statt der Milch
Alalaga erhalten nnd- so während seines ze-hntngigen Le-bens
eine ganze Flasche Malaga getrunken. — Dcr Rheini'sche Ver-
'band gcgen Len Alitzbrauch geistiger Getränke sagt in einein
Flugblatte ungefähr Folgendes: Der Genutz von Alkohol
hemmt die Entwickelung, macht träge, unbotmätzig, schlaflos,
nervös, gefährdct Verstandesentwickclung und Sittlichkeitsge-
fühl, begünstigt und verlüngert Krankheitcn jeder Art. —-
Und nichts wird schneller zur Gewohnheik. auch bei Kindern^
als das Trinken. Ein Wiener Schuldireitor 'hat die Leistungs-
noten von 374 Mädchen- und 217 Knaben von unserem Ge-
sichtspunkte aus untcrsucht: Von 134 Kindern unter der ge»
nanniten Zahl, die noch keinc gcistigen Getränke gcnossen, be-
kamen 41 Prozent die Nole „g u t"; von 164, die auSnahms-
wcisc derartige Geträitte zu sich nähmen, 36 Prozent; von
219, die täglich einmal einem solchen Getränk zusprachen, 27
Prozeitt; von 71, vie es täglich zweimal takcn, 24 Prozent^
und von 8 Kindern, die täglich dreimal Alkohol zu sich ncch-
men, hatte kcines üie Note g u t. — Aber mehr noch als die
geistige Kraft wird die körperliche Gesundheit durch Alkohol-
genutz gcfährdet: die Kinder blciben tlein und schwächlich, sind
geneigt zu Krankheiten, hauptsüchlich zu Fieber-Krankheiten;
dic Cholera ist 'hier ganz Lesonders anzuführen. Die vermeint-
lichcn Vorteile, die der Genutz von Alkvhol bietet, sind nicht
vorhanden: Von Nahrhaftigkeit kann keinc Redc sein, die Ver-
dauiing wird dnrch i'hn nie ge-fördert, seine stürken-de Wirkung
ist Fabel. Der Alkohol vermag nichts Iveiter, als die Müdig-
keit zu betäuben. Der bald erfolgende Rückschlag ist aber um
so stärker, weshalb Menschen, die dauernd Äraft brauchen, wie
 
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