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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 51-77 (1. März 1904 - 31. März 1904)
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TrschetNt tägltch, SonntagS auSgenommen. Prei» mit Familienblätter» monatltch 50 Pfg. in's Hau» gebracht, bei der Expcdition und den Zwelgstationen abgeholt 40 Pfg. Durch di« Psst

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an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Pla kattafeln der Heidelberger Zeitnng uud dui städtischcn Anschlagstcllen. Fcrnsprecher 82.

ZMttslag, 2L. Msy 1864.

Erstes BLatt.

46. Mrgm. — ^71.

Deutsches Neich.

— Nach einer Meldung der „Brannschw. Landesztg."
^nterliegpes keinem Zweifel, datz derKaise r mit seiner
^orjährigen Reise nach Kopenhagen eine A nnähe -
n g an das Haus C u ni b e r I a n d angestrsbt hat.
^urch geflissentliches Ausiveichen des Herzogs hat sich der
»kaiser sehr verletzt gefühlt und gegenübec einem Regie-
^ungsbeamten geäutzert, nun laufe er dem Herzog aber
^cht mehr nach. Dies kann das genannte Blatt als un-.
rEdingt verbürgt bezeichnen. Gleichzeitig wird demselben
^atte mitgeteilt, das Gerücht über eine Verbindung des
vauses Cumberland sei keineswegs aus der Luft ge°
I^iffen gewefen. Die Herzogin häbe diesem Plane sehr
^Nlpathisch gegenübergestanden und sei bemüht gewesen,
chren Gemahl dafiir zu gewinnen, habe aber keinen Erfolg
2bhabt„ weil eine von Haunover erschienene Ilbordnung
°dn Herzog gegen diesen Plan einzunehmen gewutzt hatte.
^ Ein höchsl origineller und schier einzigartiger
^treitfall erregt zurzeit, wie man dem „Berliner
jt^alanzeiger" schreibt: in beiden F ü r st e n t ü m e r n
^hutz grotzes Aufsehen. Ein Regierungsbeamter geht
gegen seinen Landesherrn auf dem Klagewege vor.
Kammerdirektor Dr. -Oehrl, welcher von Gera, wo
vortragender Rat im Minifterium war, in die fürst-
^che Kammer nach Greiz versetzt wurde, hatte laut Be-
^Untmachung im Amtsblatt anlätzlich seiner Ernennung
Kammerdirektor üen Titel Geheimer Ober-Ka-
inettsrat erhalten. Das war am 1. Dezember 1903.

einigen Wochen nun hieß es plötzlich, der Herr Ge-
^bunerat erledige seine Geschäfte von Gera aus, es stimme
stvas „jxht ttnv wirklich: Dasselbe Amtsblatl, das
^vierzejt die Titelvcrleihung konstatierte, bringt in der
btzten Ausgabe die Nachricht, datz der Fürst den Kammer-
,^ektor nicht zuni Geheimen Ober-Kabinettsrat ernannt
vbe und deshalb Dr. Ochrl nicht berechtigt sei, den Tilel
^ führen. Man stand vor einem Rätfel, das 'ich jetzt
^durch löst, datz Dr. Oehrl bekannt gibt, er habe gegen
Fürsten Heinrich XIV. von Reuß j. L., Regent von
^uß ä. L, fiei denr zuftändigen Gericht unter Vorbehalt
übrigen Rechtszuständigkeit Klage erhoben mit fol-
^tzeni Äntrag: „Hochderselbe habe bei Festsetzung der
^ktragsbedingungen über die Ernennung des Klägers
Oehrl zum Kammerdirektor und stellvertretenden
^.orstand des Geheimen Kabinetts für Greiz diesem dcn
Ä^l Gehbimer Ober-Kabinettsrat zugestanden und dem-
^?vütz das dem PP. Oehrl erteilte Dekret durch Zufü-
dieses Titels zu ergänzen." — Der 71jährige Fürst
^oint dieses Zugöständnis entweder vergessen zu haben,
dje ganze fatale Sache hängt 'damit zusammen, datz
-zch Mkünftige Regent von Reutz ä. L., Erbprinz Heinrich
j. L., Dr. Oehrl nicht sonderlich gewogen sein soll.
--i ^ ungeblich verlichene Titel wäre übrigens für Reutz
-wvuin gewesen.

^ Baden.

tz^orrach, 22. März. Ein eigentümlicher
Zj ' o > k besteht seit etwa 14 Tagen bei dem hiesigen
^ iögericht, ein Streik der Rechtsan -

wält e. Um einen Amtsrichter wegzuüekommen, der
ihre Tätigkeit und ihr Ansehen bei dem rechtsuchenden
Publituin durch die Art seines Berhaltens gegen die
Rechtsanwälte ihrer Ueberzeugung nach beeinträchtigt
hatte, haben sämtliche fünf bei dem Hiesigen Amtsgericht
zugelassenen Anwälte die Uebernahme der Verhandliings-
tätigkeit vor diesem Richter eingestellt und sich in einer
Eingabe an das Landgericht zur Beseitigung der Miß-
stände gewandt. Das dienstlich vorgesetzte Landgericht
hat nach dem „Schw. Merkur" bereits die Untecsuchung
der Angelegenheit aufgenommen. Die Streikenden lassen
sich entweder dnrch Rechtsagenten bei den Zivilprozessen
vertreten oder vereinbaren als Gerichtsstand das Land-
gericht in Freiburg.

— Der n a t i o n a l s o z i a l e Verein K a r I s-
r u h e hat einstimmig den Beschluß gefatzt, dem Verband
nationalsozialer Vereine Süddentschlands beizutreten, so-
daß diesem iiunmehr alle bayrischen, württembergischen
und badischen Vereine angehören werden. Zur Jührimg
der Geschäfte nnd Leitung einer planmäßigen Agitation
hat der Verband, wie die „Bad. Landesztg." schreibt,
einen Sekretär angestellt, der ini nächsten Monat sein
Amt antreten wird.

Karlsruhe, 23. März. Der Vorstand des
I n n g l i b e r a 1 e n Verei n S Karlsruhe beschloß,
am 17. April eine B i s m arckfeier auf dem Wattkopf
bei Ettlingen (Bisniarckdenkmal) abzuhalten. Weiter
faßte der Vorstand in seiner letzten Sitznng folgenden Be-
schlutz:

Der Vorstand des jungliberalen Vereins erachtet
für dringend geboten, eine Anssprache der national-
liberalen Partei mit der Großh. Staatsregierung dar-
über herbeizuführen, welche Gründe für die Großh.
Regiernng bei ihrer Zustimmung zur A n f h e b n n g
des K 2 des I e s u i t e n g e s e tz e 8 maßgebend waren.

Karlsruhe. 23. März. Eiiie außerordentlich
stark besuchte- Bei sammlung oeS hiestgen N a t u r h e i l-
vereins faßte gestern einftinimig solgenden Beschluß:

Die heutige im Eintrachtsaal tagende Versammlnng
Protestiert aufs neue gegen die Abänderung des Polizei-
strafgesetzbuches betr. die Freiheit der Heilmethode. Sie
erblickt in der Vorlage eine Einichrünkung der Heil-
methode nnd ersucht den Landtag, dieselbe unbedingt
abzulehnen.

Jn der Diskussion teilte der sozialdemokratische Abg.
L u tz mit, in der Kommission hätten die sozialdemokra-
tischen Mgeordneten die Ansicht Vertreten, daß das Gesetz
überhaupt abzulehnen sei (Bravo). Es sei unverständlich,
wie man ein solches Gesetz einbringen könne, da einige
Paragraphen gegen das Reichsgesetz verstoßen nnd daher
imdiirchführbar seien. Man müsse mit diesem Gesetz vor-
sichtig sein, da es ein sogenanntes Blankettgesetz sei und
wir im Lande Baden schon schlechte Ersahrungen gemacht
haben, so daß wir der Regierung kein solches Blankett-
gesetz anvertrauen können. Der Redner gibt selbst zu,
daß er eine scharfe Sprache führe, die im Landtag nicht
erlaubt sei, weil sonst gleich der „Großglockner" komme,
aber in der Kommission werde anders geredet. Er for-

dertc die Anwesenden auf, zn kämpfen gegen jede Be-
schränknng der Knrfreiheit. So viel an ihm liege, werde
er bestrebt sein, dem liederlichen leichtfcrtigen Gesetz die
schlimmsten Gistzähne anszubrechen oder noch besser das
ganze Gesetz in den Orkns des Papierkorbes zu versenken.
Wir werden dem Minister eine klipp und klare Erklärung
abzwingen, ob er die Naturherlniethode treffen will oder
nicht. Die Freiheit über alles! Auf zum Kampf für die
Freiheit des Denkens! — Nach dieser, in bekannt bur-
schikoser Art nüt Zitaten und Mätzchen gespickten Rede
des „roten Apothekers" wurde die Versammlung gegen
lxilb 12 Uhr geschlossen.

Vadischer Larrdtag.

6, Sitzung der Ersten Ka ni m e r.

Karlsrnhe, 23. März. Vizepräfident Graf

Bodman eröffnet um 10 Nhr die Sitzung nrit geschäft-
lichen Mitteiliingen.

Geh. Hofrat Dr. Buhl berichtet übcr das Budget L-es Mi-
»istcriums des Jnnern; zu Titel I. Anfordcrunz cines zwei-
tcn Ministerialdirektars bemerkt Ver Berichterftatter, daß der-
selbe als zweiter Bevollmächtigter beim, Bnndesrat in Berlin
bestellt wevdcn soll.

Geh. Kommerzienrat Rciß gibt dem Gedanken Ausdruck,
daß ble Fabrikinspektion sich ein-gebürgert habe und segens-
reicher tmrke gegen früher. Sie habe-den hohen Berus, Fvie-
den zu stiften un-d auszugleichen.

Präsident Lewald bcmerkt oazu, wenn in diesen Aus-
führungen cin Vorwnrf gegen den früheren Vorsitzenden
der Jnspektion gemacht werdcn solle, so stimme dies nicht über-
ein mit der allgemeinen Meinung über ütesen Beamten. Red-
ner befürwortet, das; die Streitigkeiten in Krankenversiche-
rungssachen ciner besvndercn Spruchbehörde unterstellt werden.

Minister Schenkel führt aus, das; es Aufgabe 'der
Fabrikinspektion sei, die Arbeiterschutzgesctze im Jnteresse der
Arbeiter durchznführen unter schonender Berücksichtizung der
Unternehnier, im Sinne der Bersohnung und des friedlichen
Zusammenwirkens. Eine Refornr der gesamten Arbeiter-
schutzgesetzgebung sei geboten, ooch habe in Baden die Ver-
weisung der Krankenversicherungsstreitigkeiten an den Veriwak-
tungsgericktshof cine cinheitliche Regelung im Gefolge gehabt.

Geh. Kommerzienrat Sander fnhrt aus, datz der vcr-
storbcnc Wörishofer das Vertrauen der Arbeiter wie auch
Arbeit gcber gehabt habe und datz auch dieser Beam-te be-
strebt gewescn sei, ein freundliches Verhältnis zwischen Arbeit-
zeber un>d Arbeitnehmer herzustellen.

Frhr. v. La Roche besürwortet das Zusammenlegen der
Pfälzer Kirchweihen ans einen Sonntvg.

Geh. Kommerzienrat Reitz nimmt den Mannheimer Po-
lizeidirektor gegen die Angriffe in der Zweiten Kammer In
Schutz.

Prälat Oehler tritt den Aussührnngen des Frhrn. bon
La Rochc bei, der Sonntag solle der Sonnentag- des Volkes
scin.

Graf HeImstatt führt aus, datz die Kirchlveihen auch in
seiner Gegeno nach demsclben' Festprogranrm gefeiert wübden.

Minister Schenkel meint, datz die Polizeimacht hier
nicht viel machen' könne, die Bezirksämter hätten äber die
Weisung, die Tan'z'belustigungen nur an bestiminten Tagen
zu zestatten. Das Ministerinm lvirke gern dahin, datz eine
Zusammenlegung der Kirchweihen stattfinde, eine bcstimmte
Anweisung könne das Ministerium aber nicht geben.

Die übrigen Punkte wevden 'debattelos angenommen.

Geh. Hofvat Dr. Nümelin berichtet über die Petition
der KlnSgarnsischcr des Bodensecs, die Maschenweite der
Netze betr., die dcr Regierung zur Kcnntnlsnahme überwiesen
wird.

Ein parlamentarischer Abend.

Hisi.^lfsksruhe, 23. März. Die „Bad. Presse" berichtci:
Naj Staatsmtnistcrinm hatte gestern Abend Exz. Geh.
DyhiHT'f- Re'inhard in scincr Eigenschaft äls Grotzh.
^»Nj,-?)1"direktor die Mitglioder der beiden Kammern der
^ts^/^ude, sowte dic Chcfrcdakteure und Landtagsbericht-
R der hiesigen Presse zn einem parlamcntarischen Abend
^ Musenin eingeladen, cinem Abend, der autzerdcm zu
h » ^ Hrobe der Leistungen der Staatsbrauerei Rot-
">> H^,P>d dcs Weinüaues des Lädifchen Domänenärars
'' ss'burg Gclegenheit geben sollte. Es waren un-
>>'0 Personen anwesend, darunter die Abgeordneten
in x — von dcn Sozialdemokraten hattcn die Herren
^isfit ^ützkind dem Sirenenrus der Regierung Folge ge-
Herren Minister Dr. Schenkel, Dr, Frhr.
> ck, Dr. Beckcr und andere hohe Beamte der Re-
chh sowie von Hofämtern der Borstan'd des Geh. Kabi-
Rte,''ch- Rat >o. Babo, der Präsident der Großh. Zivil-
cheatixT?' Nicolat, der Generalintendant des Grohh. Hof-
^^vde' Dr. Bürklin, usw. Die Namen der an-
^rzejch" Parlamcntarier nennt am sichersten das Mitglieder-
der beiden hohcn Häuser 'des Lan'dtags, denn sie
k>ollzählig zu dieser seierlicheu Sitzung erschieneii,
)-rIedigung der Tagesordnung von crncm bcschlutz-
Müsü -R^use vorgenommen werden konnte. Da diese Be-
de», uahin erstreckten, sowohl dem Grotzh. Rothaus-Bicr
Meersburg-Wein die volle Anerkennung aus-
TFjr» -' ist die Konstatierunz dicser Tatsache cmgesich-ts
Okcht zu^u'^w"- für alle Teilnehnier bindenden Beschlüsse
Tex ^ 0) chützeu.

kC^kauk uahm einen in jeder Beziehung angcnehmen

N^digkeü Dr. Reinhard machte mit großer Liebens-
Aste^ s uch Honneurs und war unermüdlich darin, sich dcn
i >- die nach dom siegreichen Sturm auf die

Äcträ^'i ^ruer schätzenswerten Upmann sich der Prüfung
Uke wje der gemeinfamen geinütlichen Unterhaktung

un> so zwangloscr hingaben. Der Zufall hatte dabei oft die
hetcrogensten politischen Elementc an cinem Tisch zusammen-
geführt, aber gerade 'dieser Umstartd trng dazu bei, dcn Ver-
lauf des Abends zu einem besonders intercssantcn zu machen.
Der Tisch, an dem sich die Presse 'häuslich niedergelassen hatte,
gchörte angenscheinlich zu den besonders bevorzugten. Von
den Ministcrn unterlictz es keiner, längere Zeit in dem Krcise
zu verweilen, in denen zwischen den Vertretern der einzelnen
gegnerischen Blätter ein überaus kollegialer Ton herrschte und
von denen gcstern- die Opposition auch ohne die geringsten
Ministersturzäbsichten zn dieser Abendsitzung erschienen war.
Wer darauf ausging, nnt heiligem Eifer Staatsneuigkeiten
für dic nächstcn Wochen auf Vorrat zn sammeln, dem war hier
entschicdeu Gelegenhcit zu fleißiger 'Arbeit gegeben. Dcnn
die Minister gingen ausnahmslos mit großer Offenheit auf
die einzelnen aktuellen Gesprächsthemata ein. Ein nachdenk-
lichcs Kopfnickcn rief es u. a. her-vor, daß gerade 'der Kultus-
ministcr es sein rnußtc, der daraus aufmerksam machte, datz
die als beste Qnalrtät der Rothaus-Bicre erkannten Flaschen
den HinweiZ trugen, datz die Quelle des guten Trankes von dem
frühererr Benediktinerkloster in St. Blasien erschlossen worden
sei. Eimge gesästoorene Klostcrgegner gaben darnufhin sofort
das Biertrinken auf und widmeten stch dem vorzüglichen See-
wein, den übrigens im Laufe des Abends hinsichtlich seiner
Herkunft eirr immer dichtcres Geheimnis umgäb. Bon dcr
Rothausbranerer, dre für den Gerstenbau und seinen preis-
wcrten Absatz in Bonndorf und Umgegend ein so wichtrges und
gutcs Untcrnehmen wnr'de, nnd dem Meersburger Werri'ban
wutzte Exz. Rcinhard so interessant zn erzählen, datz nran
gar nicht rccht gewahr wurdc, wie der DornLnendirektor selbst
sich als Nlkoholgcgner der Beweisführung serner Darlegung
cntzog. Da aber der würdi-ge Zentrumstämpe, Landgerichts-
direktor Lauck, gleichsam als -vererdigter Sachverständiger das
Lob dcs Grotzh. bad. Getränkes vor dem journaliftischen
Areopag unwrstützte, so -war die Einstimmigkeit der Pvesse
gl-cich jener der beiden Häuser des Landtags in dieser Frage
unschwcr zu erzielen. Der Prästdent der Bndgetkommissron,

der Zeutrulnsabgeordnete Gietzler, der stets zur Presse die
freundlichsten Beziehungen cingchalten hat, fühlte sich augen-
scheinlich auch diesmal in ihrcm Kreise wöhl, rn dern u. a. auch
Präsident Dr. Nicolai, Generalintendant Dr. Bürklin, Geh.
Nat Hübsch, Oberregieruugsrat Dr. Lange u. a. vorüber-
gehend ihren Sitz aufschlu-gen. Die meistcn dcr Hcrren des
Ministeriums fühlten in srch ihre Erinnerungeir als chemalige
Regierungsbcrrchterstatter über die Kam-mersitzungen wieder
wach werden. Dte Abgeord-ncten hielten sich gegenüber dieseni
lieüenswürdigen „Sichvertcilen" der Minister — wobei u. a.
auch der neue Finanzminister Geh. Rat Dr. Bccker als solcher
zum erstenmal mit der Presse in Fühlung trat — mehr „unter
sich"; doch erschienen später noch von dcn Natronalliberalen
die Herren Goldschmit nnd Bin'z nn-d -der freisinnige Ab-geord-
ncte Frühauf in dem setzh-aftcn 'Ringc.

'Aus 'den Aeutzerungen sämtlicher A'bgeordneter wie der
Minister konnte man übrigens entnehmen, wie wcnig sie alle
von den endlos sich hrnziehenden Dcbattcn des Landtags ent-
zückt waren und es mntz 'desh-alb schon Wunder nehmen, datz
es den Herren nicht müglich rst, untcr srch sclbst den unauf-
'hörlichen Wiederholnngsreden krästiger zu steuern. Der ent-
spcechen'de Appell des Abg. Dr. Wilckens scheint bisher ziemlich
wirkungslos verhallt zu sein. Nach der gestern mehrsach aus-
gesprochcnen Meinun-g können sich die Landtagsverhandlungen
in diesem Sommer sicherlich bis Endc Juni hinzichen. Bci
den unterhaltsnmen Gesprächen, in Äenen- übrigens von „es
wissen müssender Seite" -auch öie „Mottl-Brief-Angelegen-
heit" a-uf das entschiedenste dementiert Ivurde — gingen die
Stunden rm> Flng-e dahin. Sie hinterlietzen wohl ans allen
Sciten den angenehmsten Erndrnck, da das „persönliche Füh-
lung gewinnen" sich auch für die Bchanolurrg mancher öffent-
licher Fragen gar oft als sehr glücklich erwiesen hat. Die Nn-
erkcmrung, die der Grotzh. Domänendireftron für diesen par-
lamentarischen Abend gezollt wurde, nm dessen Arrarrgement
neben Exz. Reinhard selbst u. a. auch Herr Geh. Finanzrat
Elbs sich sehr verdient machte, war darum eine allgc-meirre
und herzliche.
 
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