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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 78-101 (2. April 1904 - 30. April 1904)
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Erste« Blatt.

4K. UkM-. — 79

Erschrixt täglich, SonntagS au»genommm. Prelr mit FamiltrnblLttrr« monatlich 50 Pfg. in's HauS gebracht, bei der Expedition und den Zwelgstationen abgeholt 40 Pfg. Durch dk Wt"

brzogen vierteljährlich 1,35 Mk. ausschließlich Zustellgebühr.

>»zeige»preiS: 30 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Wr hiesige GeschäftS- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzei-en
an bestimmten Tagen wlrd keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnscrate auf den Pla-kattafeln der Heidelberger Zeitung und dui stödtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Die Wahlrechtsreform in Vahern.

Die von der Regierimsi aussiearbeitete Wahlge -
ietzoorlag e, durch die das direkte Wahlrecht zur Ein-
luhrung kommen sollte, war bekanntlich von der baye-
rischen Abgeordnetenkammer trotz dieses un-
Eugbaren Fortschritts abgelehnt worden, weil die
^iberalen und Freisinnigen in der damit verbundenen
Ueuen Wahlkreiseinteilung eine starke Begünstigung des
3entrums erblickten und unter solchen Bedingungen
uicht für das Gesetz zu haben waren. Trotzdem ist der
^ntwurs noch der Kammer der Reichsräte zu-
S^gangen, und es fragt sich nun, wie diese sich zu ihin
i'iellt. Nimmt sie entsprechende Aenderungen vor, so geht
^se Vorlage an die Abgeordnetenkammer zurück und
^iese hat noch einmal iiber sie zu beraten. Tatsächlich
iollen nun, wie die „Frankf. Ztg." erfährt, in der Kam-
sster der Reichsräte Anstrengungen gemacht werden, Ab-
andernngen zum Zwecke eines K omPromisses
herbeizuführen. Tiese Bestrebungen werden oon der Re-
öierung nach Möglichkeit unterstützt. So soll sie das
3entrnm bestimmt haben, aus die „relative Mehrheit" in
Er Wahlfrage zu verzichten und die von den Liberalen
^rlangte „absolute M ehrhei t" anzunehnien, ob-
^sahl, wie es heißt, erstere dem Zentrum 10 vis 12 Sitze
^ingebracht haben würde. Weitere Bemühungen sollen
"ahin gehen, die W a h l k re i s e i u t e i I u n g aus dem
^erfassungsmäßigen Rahmen des Wählgesetzes hinauszu-
uringen und dem V e r o r d n u n g s w e g e zuzu-
^ aisen. Die Regierung soll damit einversianden sein,
Und es würde so sür die Abgeordnetenkanimer die Grund-
^ge sür eine Verständigung gegeben sein, wenn — em
.arartiger Bcschluß der Reichsratskammer tatjächlich zu-
llande kommt und es nicht bloß bei den Änregungen
illeibt, und weun iu der Abgeordneteukammer Zentrum
^ud Liberale bereit sind, ihre frühereu sehr Lestimmt ab-
^egebenen prinzipiellen Erklärungen im Fnteresse des
^ustandekommens der Wahlreform zn modifizieren.

Deutsches Reich.

» — Wie Berliner Blätter melden, wird der G e -

^ÜHrentaris sür die Schlachtvieh- und
^ ^ ischbe s ch a u einer Revision unterzogen wer-
.bn, nachdem ein Jahr seit seinem Jnkrafttreten ver-
uricl^en sein wird. Bei dieser Gelegenheit würden auch
Zntage getretenen Wünsche wegen Ermäßigung der
llitersuchungsgebühren ciner Prüfung unterzogen wer-
Das ist sehr erfrenlich, daß auch die Wünsche
^gen Gebühren-Ermäßigung geprüst werden sollen.
l "rr das hätte schon längst geschehen inüssen, denn es
Al'rsst)en hier ganz unglaubliche Zustände. Hnndert-
^ ^ use n d e werden von den Beteiligten sür Untersuchun-
erhoben, die an sich zwecklos sind. So wurde un-
^gst gemeldet, daß die Margarinefabrikation am Rhein
^ o<>o Mark Untersuchungsgebühren für Fette zu zah-
^ habe, die noch niemals beanstandet wurden. Das
natürlich wie eine Sondergewerbesteuer. Für Un-

tersuchung von Därmen, dic eine halbe Stunde Zeit er-
sorderten, mußten 8 M. Gebührcn bezahlt werden nsw.
Da tnt eine Revision allerdings dringend not, denn die
'hier herrschenden Zustände sind in Wahrheit g r a n e n -
haft!

— Der „Reichsanzeiger" veröfsentlicht eino Verord-
nung, durch die für Deutsch - O st afrika das D e -
ziniaImüuzsy st e m eingeführt wird. An Stelle der
Rupie zu 64 Pesa soll zu einem vom Gouverneur zu be-
stimmenden Zeitpunkt an die Rupie zri 100 Hellern
tr-eten.

— Mit dem von Hamburg uach Deutsch-S ü dwe st-
a srika iu See gegangenen Dampfer „Helene Wörmann"
haben sich 260 I tali e n e r eingeschifft, die als Lohn-
arbeiter für die nach den Otavi - M inen in Deutsch-
Südwestafrika sührende, im Bau begriffcne Eisenbahn
nach Swakopmund gehen.

— Das welfische Blatt „Brunonia" sagt, daß dcr
Kaiser seiner Zeit in Kopenhagen für den Kron-
prinze n um die Prinzessiu AIex a n d r a h-abe wer-
ben wollen. Der Herzog von CumberlaNd sei abgereist,
weil die Prinzessin Alexandra beveits heimlich mit dem
Großherzoge von Mecklonburg-Schwerin verlobt war. —
Das ist wohl ein Versnch, die Mreise des Herzogs im
iinlderen Lichte erscheinen zn lassen, vielleicht sogar ein
Nersnch, einzulenken.

Badru.

- Die infolge Ernennung des Reichstagsabgeordneten
Landgerichtsdirektors Zehnter in Mannheim zum
Landgerichkspräsidenten in Offenburg erforderliche Er-
satzwahl in 14. badischen R e i ch s ta g sw a h I k r e i s
(Wertheim-Taubepbischofsheim) findet am Donnerstag
den 21. d. M. statt. Zum Wahlkommissär wurde Großh.
Gch. Regierungsrat Dri Becker in Heidelberg ernannt.

Karlsruhe, 1. Ilpril. Bis jetzt hat zum Ein -
tritt a I s I nziPient ber einem Amtsgericht oder
Bezirksamt die Absolviernng von fünf Jahresklassen eines
Gymnasiums oder einer Realmittelschule oder der Nach-
weis einer enksprechenden Schukbildnng durch Ablegung
einer besonderen Prüfung genügt. Das Justizministeriuin
war außerdem berechtigt, die Ablegung einer besonderen
Prüfung zu erlassen. Bei den sich stets mehrenden An-
forderungen, welche an die Leistungsfähigkeit der Kanzlei-
beanilen sowohl im Justizdienste (Gerichtsschreiber) als
auch im Verwaltungsdienst (Revisionsdsenst der Be-
zirksämter usw.) gestellt werden, erschien es angezeigt,
anch die Ansprüche an die Vorbildung zn steigern. Es
ist deshialb durch landesherrliche Verordnung bestimmt
worden, daß von nun an das -R e i f e z s u g n i s zum
E i n j ä h r i g - F r e i w i l l i g e n d i e n st, also die
Absolvierung von sechs Jahreskursen eines Gymnäsiums
oder einer Realmittelschule, erforderlich ist. Gleichzeitig
ist die Ermächtigung, Kandidaten, welche nicht die vorge,
schriebene Schulbildung nachweisen können, die Ablegung^
der besonderen Prüfung zu erlassen, anfgehoben worden.

Sachscn.

— Dcr B e z i r k s s ch u 11 eh re r Frits ch in
Dresden wnrde vom -Offizierkorps des Äandwehvbezirks

Dresden I zum R e se r v e o f s i z i e r des in Zittau
garnisonierenden Jnfanterieregiments Nr. 102 gewählt
nnd vom König ernannt. Dies ist die erste Beförderung
eines Volksschullehrers zum Reservelcutnant in Sachsen.

Aus der Karlsruher ZeiLung.

— Seine Königliche Hoheit der Großhcrzog h-abcn
dem Bricfträger Johann Bischoff in Mannheim die sil-
berne Veroienstmedaille verliehen, niit Wlrkung vom 1. Mai
d. I. ab dem Postdirektor Balthasar Leuthner in Mann-
'heim die Vorsteherstelle bei dem Postamte in Heidelberg und
'dcm Obcrpostinspektor 'Karl Weiland in Köln unter Er-
nennung zum Postdirektor die Vorsteherstellc üei dem Post-
amt I in Mannheim übertragen.

K arIs r uhe , 2. April. D-er Großherzog cmpfing
heute Vormittag den Großherzoglichen Gesandten in
INünchen, Geheimerat Freiherrn von Bodman, in Au-
dienz. Danach wurde Geheimerat Freiherr von Bödrnan
auch von dcr Großherzogin empfangen. Prinz und Prin-
zessin Max nahmen an der Frühstückstafel der Höchsten
Herrschaften teil. Am späteren Rachmittag hörte Seins
Königliche Hoheit der Großherzog die Vorträge des Ge-
heimerats Dr. Freiherrn von Babo und des Präsidentelk.
Dr. Nicolai.

Ausland,

Oesterrcich-Uugarll.

— Wie die „Köln. Volksztg." meldet, ist auf Grund-
der B c st i m m n n g des k a n o il i s ch e n R e ch t s, datz
alle jene Benefizien, welche während des Aufenthalts des
Jnhabers in Rom erledigt werden, vom Papst zu besetzen
seien, dem Domkapitel zu -Olmütz voin Kardinalstaats.
sekretär Merry del Val die Mtteilung gemacht wordern
der heitlge Vater werde von seinem Rechte Gebrauch
inachen und die B c s e tz u n g des Olmützer B i s ch o f s-
st n h I e s selber vornehmen. Jn dem Schreiben des
Kardinalstaatssekretärs wird nachdvücklich hervorgchoben,
daß der heilige Stuhl nnt der österreichischen Regierung.
sich ins Einvernehmen setzen werde. Au-ch wird vom
Kardin-alstaatssekrctär betont, daß durch die gegenwärtige
Jnanspruchnahme des Besetzungsrechts durch den heiligen
Stuhl das bestehende Privilegsum des Kapitels betreffs
seines Wahlrechts für die Z n k n n f t keineswegs be-
einträchtigt werden solle.

Frankreich

Paris, 2. April. Nach einer Meldung des „Temps"'
nnterhält man sich im Justizpalast über einen Zw ische n-
falI, der sich vor 'der Strafkamnier des K a s 's ations-
hofesin der ergälizenden Nntersuchung über die D r e y-
f u s s a ch e bei Vernehmung des Majors d u P a t y de
Clam zugetragen hat. Jin Verlauf des -Verhörs hatte
Major du Paty de Clam sich zu änßern über die Mttei-
lung geheimer Schriftstücke ohne Wissen der Verteidignng
an die Richter des Kriegsgerichts von Rennes. Er cr-
klärte schlietzlich, er sei iin Besitze eines zusammenfassendelt
Auszuges aus diescn >Schriftstücken, zu dem auch ein er-
läuterndes Begleitwort gehöre. 'Da erhob sich General-
staatsanwalt Baudouin und sorderte du Paty auf, den

Stadttheater.

^ Heidclberg, 4. April.

^ -Rose Bcrnü". Schüuspiel in 5 'Akten von Gerhart
" u ptmann.

Retchen im Gctvande eincr schlesischcn Arbeiterin! Zwar,
iie ist hier'nicht „in allen Stücken so akurat", 'denn

^ s'^gt länyst nntcr dem knhlen Rasen, dafür aber wacht der
über seinem Kinde und bchütct es, ein alter, armer
m Tur, uLer Vörstehcr der Kirchengemeinde, Ver'walter
^issionskasse, einer von Dcn Stillen und Frommen im
> hie mit dem Neuen Testament zur Arbeit gehen und
H'ilige Schrift als ihr täglichcs Brot 'betrachten.
lol, toäre alles gut gegangcn, denn Rose ist nicht nur ein
Mädchen, oem alle Männer nachstellen, sie besitzt bei
lich-Dlut als Helfcr und Berater auch Kraft nnd natür-
Verstand genug, um sich selbst zu schühen. Aber es kam
'hr vr ^ st^ sich nicht mehr schützen wollte, und va nahm
px-.Perhängnis scinen Lauf. Und der Mann, dcr diesem
-bx„oftgen Mädchen knrzcs Glück und jammervollen Untergang
«s Das war Herr Christoph Flamm, in seiner Art, wie

^uiin - - Gretchen ziemt, ein kleiner Faust. Jhn ckelte
kjsi, 'ch-on vor aller Zivilisation. Er hätte Forstmeister sein
Ttnv'' uls der Vater starb, übernahm er das Gut;

Leutnantszeit, lagen hinter ihm in wesenlosem
i„ l s"'-'- Keinc zehn Gäule hätten ihn zum nächsten Städtchen
^chsen gebracht, nm als Vierter mit drei Ochsen Skat zu
tlvj,- Er liebte Rose und er hätte sie trotz aller Standes-
,'ichnde geheiratet, -wenn, ja wenn seine seit nenn Jahren
gin-, Jrau statt im Rollstuhl im Sarge läge. So aber
nicht.

^oii v. )uar in dem Hause Flannn wohl gelitten. Schon
Äeit her, da sie noch mit dem kleinen Kurt Flamm
ocn der Himmel bald zu sich nahm. Flamm, Len
ser„,,'st'Hlng warnte, wollte, datz man fte nachher dem Hause
uLer seine Frau selbst bestan-d darauf, datz Rose
-- tomnie, um Leben in -die trübe Häuslichkeit zn bringen.

So fanden stch der kraftvolle Mann und das schöne Mädchen
zusammen, das zu dem Herrn Leutnant, der doch so anders
war wie die andern Männcr ihres Bekanntenkrcises, erst in
scheuer Befangenheit, dann in Liebe aufblickte.

Aber die Folgen machten sich bei Rose bemerkbar, und da-
mit sind wir nn der Schwelle der Tragödie angelangt. Das
Mädchen zcrmartcrt sich Hirn und Herz, wie ans der Sitn-ation
herausznkommen sei, die dadurch noch kompliziert wurde, datz
der Maschinist Streckmann, der Mephisto dcs Stückes, ein ver-
ächtlicher Erbschleicher verbotener Liebe, von dem intimen
Verkehr zwischen Rose-und Flamm ettvas gemcrkt hat und diese
Kcnntnis in zynischer Weise zur Befriedigung seiner Lüstern-
heit auszunühen sucht. Er ängstigt 'Rose mit halben An-
dentnngen nnd bringt ste so weit, datz ste ihn auffucht nnd
ihn nnter Tränen auf den Knien Leschwört, zu schweigen.
Diese Szene spielt hinter den Kulissen; wir hören davon in
dcn spätercn Nktcn nnv kommen allmählich ins Klare darüber,
datz Strcckmann den Angenblick in seiner Art ausgcnntzt 'hat.

Der Rcttungsanker, der sich Rose bietet, ist der Buchbinder
August Keil, der schon lange um sie lvirbt und des Vaters Zn-
stimmung hat. Keil, ein Waisenkind, pietistisch crzogen, nichts
Ivenigcr -als schön oder für ein Weib Legehrenswert, hat sich
als Arbeitcr, Kolporteur, Handwerker dank seinem Fleitz nn-d
sciner Mätzigkeit so wcit emporgeschwungen, öatz er ein eige-
nes Geschäftchen mit Aussicht auf Erfolg- anfangen konnte.
Glück hat dcr Mcnsch nie gehabt; das bischen Existenz mutztc er
dem Schicksal aufs mühsamste abringen. Jm übrigcn wird
er auf Schritt und Tritt vom Pcch verfolgt. Aber cin Mann
wic cr, braucht Unglück nnd Heimsuchung, denn fie sind das
Feuer, in dem sich das lauterc Gold seines Charakters Lewährt.
Ilnd so wüchst diescr einfachc Mensch mit dcm Fortschritt Les
Stückcs zu einer stillen Grötze 'heran, die unsere Bewnnderung
erregt,

Äls Rose von Streckmann wieder einmal verdächtigt Ivird,
tritt Keil für seine Brant ein; es kommt zu einem Streit, nnd
dabei bützt der Bräntigam ein Auge cin. Streckmann wirv

nicht nur wegen Körperverlctznng verfolgt, sondern der Vater
Bernd verklagt ihn auch wegen Beleidigung seiner Tochtcr.
Damit ist nun der kritische Punkt erreicht, bei dem der Zu-
sammenbruch erfolgt, Streckmann schwört, und damit ist Rose
vernichtet. Auch Flamm, dcr mit seiner Frau für das er-
wartete Kind sorgcn wollte, wendet sich von ihr ab, als er
hört, was Streckmann bcschworen hat. Rosc hat in ihrer Angst
und in üem Gefühl mit Streckmann in kciner inneren Ge-
nieinschast zu stehen, eincn Meineid geleistet; nnn treibt sie die
Verzweiflung zu cinem Iveiteren 'Schritt, den stc selbst in der
Schlnßszene mit ihrem Vatcr und ihreni Bräutignm in Ar>
wesenhcit eines Gendarmen als Kindsmard Lezeichnet. Der
Gendarm- zwcifclt das 'Gestänonis an, aber Keil rust auS:
„Gelvitz ist es wahr, denn sie hat zu viel gclitten!" Damit
fällt dcr Vorhang.

Es ist wohl zienilich allgemein bekannl, datz das Haupt-
mannsche Schanspiel in Wicn einmal gegeben, d-ann aber auf
höheren Wnnsch hin vom Spiclplan aLgesetzt wurde, lveil es
zu kratz sei. Jn der Tat ist „Rose Bernd" ein sehr herbes
Stück.

Hänfig genng liest man Schwnrgerichtsberichte, in denen
Verbrechen abgenrteilt werden, wie sie hicr in dem Stücke be-
gangen worden sin-d, aber der Poet fehlte noch, der in die Psy-
chologie solcher Vorkommnisse mit der Fackcl dcr Dichtkunst
hineingelenchtet hätte, dcr Dram-atiker, der uns die imiere
Seite eines solchcn Prozesses sehcn lätzt. Gerhart Hauptmann
hat die volle Kraft seines dichterischen 'Clenius für diese Auf-
gabe eingesetzt — mit wclchem Erfolg, das lehrte die atemlose
Spannnng, ivoinit eine vielhundertköpfige Zuhörerschaft dem
Gange oes Stückcs folgte, das lehrte der tiefe, inichh-altige Ein-
druck, den dies-cs erschütternde Seelengemäldc sichtlich aus alle
machte, -vor dcren Angcn es vorüberzog. Haupimann urtcilt
nicht, er vernrteilt und verdammt nicht, alle Lehrhaftigkeit
liegt ihm fern. Wic seder w-ahre dramatisckx' Dichler, ver--
schwindet er vüllig hintcr den Personen seines StückeS. Das
Werk im Ganzen zeugt ftir ihn; im Abglanz der Dichtkunst gibt
 
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