Srscheirlt täglich. Sonntags auSgenommm. Prei» mit FamtltenblStter» monatlich 50 Pfg. in'S Hau» gebracht, brt der Expedition nnd den Zweigstationen abgehott 40 Pfg, Durch die Post
bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. auSfchließlich Zustellgebühr.
AnzeigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispallige Petttzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für htefige GeschäftS- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anfchlag der Jnserate auf den Plackattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen, Fernsprecher 82.
EMez, LZ. Zml« lüllj.
Blatt.
4l>. Aihrzwll. — 19.
NIDeutscher Reichstag.
Berlin, 22. J-anuar.
Nach längerer Debatte wird ein Antrag Singer (Soz.)
«n,genommen, die Wahl d-es Wg. Will (kons.) in Sto'lp-
Lauenburg zur weiteren Berichterstattung an die 7. Ad-
teilung, die die Prüfung der Wahl hatte, z u r ü ckzu -
d e r w e i s e n.
Es folgt die erste .Lesung des Gesetzentwurfs betr.
Servisrarif.
Abg. Fritzen (Ztr.) ertlärt, tzas ZentruM bewillige nur
stne kürzere als die verl-angte lOfä-hriye Frist dcr Neuregelnntz
'des Servistarifs. Er bvantrage Ueberweisnng an die Bndget-
kvmniisfion.
Abg. Dr. Höfsel (Rp.) spricht feine Zustimmnng znr
Vorlage aus.
Abg. Eickhofs (fr. Vp.) bcfürwortet die Anshebung des
Personalservis und Kompens-ation durch Veribindnnlg, dcs
Durchschnittssatzes diefes .Servis mit dem Gehalt der Offiziere
U-nd Militärlbeamten. Bedauerlich fei, datz die Regierung nicht
sinen Entwnrf über di-e Ileuregelnng des Wohnnntzsgeldzu-
Ichnsses vorgelegt habe.
Abg. Bärwinkel (natl.): Die Kl-asseneintcilung der
il>rte bringe sür jeden eine Enttäuschung; das System des Woh-
Unngsgeldzusch'usses müsse verbessert wevden.
Abg. Schradcr (sr. Vg.) lozt das Hanptgcwicht auf Re-
Äelung des Wohnuntzsgeldznschusses.
Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky: Wsder der
Aeichsta-g noch Lie Regierung könne einen besseren Weg znr
^ösung dcr schwebenden Frage als den vorliegenden finden.
Abg. Lattmann (wirtsch. Vg.) ist 'dagegen, dah eine
»euregelung 'des Servistarifs crst 1913 erfolgt.
Die Vorlage wird der BubgetkomMission überwiesen.
Jn der «,-rsten Beratrmg des Gesetzentwurfs betressend
^erlängerung des Gesetzes über die FriedensPrä -
^enzstärke bis 1905 spricht
Abg. v. Ehlern (kons.) sein Bedauern -darüber aus, 'dah
^ie Vorlage nur eine einjährige Periode in AnNsicht nöhme,
Ustd tnünscht baldige Vorlegung eines Gesetzes sür mehrjäh-
ftge Festkcg>,m!g der Frickdenspräscnz.
. Mg. Bebel (Soz.): Die Begründung der Vorlage sei
^dauerlich, der Reichstag mit Arbeit so überhäuft, datz man
!hn nicht mehr mit ciner Vorlage für eine mehrjährige Fest-
^gung dcr Friedensprüsenzstärke befchäftigen s-oll.
. Abg. Fritzen (Ztr.) wünscht alljährliche Festsetzung >der
vriedensprLscn-zstärle.
,. Abg. Sattler (ncrtl.) bedauert die Vorlage, da dnrch
das Qlrinquennat im nächften Jahre gefähvdet werden
Mnne.
Abg. Kchrader (fr. Vg.) widerspricht dem.
Abg. v. Ttedemann (Rp.) tritt sür die Vorlage ein.
, , Kricgsmintster v. Einem hofft in >der KomMission mit-
^rleu zii können, was die Vorlage im nächsten Jahre enthalten
Er sei überzeugt, dah sie nicht das Bedentende enthalte,
Bebel vermute. Damit schlieht die 1. Lesung.
Moittas 2. Lesung >des Etats.
Deutsches Reich.
>, — Die Ausrüftung des Expeditions-
"rps fstr Afrrka ist schnell vor fich gegangen und
^n konnte bei den verschiedenen Anordnungen ersehen,
die im Chinafeldzuge gcmachten Erfahrungen nicht
?9Ne Nutzen geblieben sind. Jnnerhalb weniger Tage war
neue Truppenteil zusammengestellt, neu eingekleidet,
, ausgevüstet und mit allem verschen, was für eine Ex-
^Entign im sübtropischen Klima nötig ist. Das Ganze
vollzog sich, man möchte fast sagen, antomatisch und ohne
alle Reibung, so wie eine vorzüglich geleitete Mobilma-
chung im kleinen, so hnt sie do-ch ihre Verdienste wegen, der
besonderen Verhältnisse nnd Schwierigteiten, die dabei in
Betracht tamen, und vor allem wegen der ganz autzer-
ordentlich turzen Zeit, die hier zur Wersstgung stand, In
dieser Beziehung gebührt ein nicht unwesentlicher Teil
des Verdienstes dem Norddeutschen L l o y d, der
den Dampfer „Tarmstadt" mit ganz überraschender
Schnelligkeit ausMrüstet und expeditionssertig gemacht
hat, Am Samstag Mittag wurde beim Generaldirektor
Wiegand angefragt, innerhalb welcher Zeit er einen Dam-
pser zur Verfügung stellen könne, worauf sofort Antwort
erging : in 48 Stunden! In dieser kurzen Zeit hätten aber
weder Truppen noch das nötige Material zur Verschisftmg
an Qrt und Stelle gebracht werden tönnen, zumal auch
die Proviantierung für einen drei- bis viermonatlichen
Aufenthalt der Truppen mitgeführt werden mußte. Auch
diese Schwierigkeit wurde durch das Eingreifsn des Lloyds
gehoben, indem er sich bereit ertlärte, die nötigen Pro-
viantvorräte aus seinen eigenen Beständen zu lieferu und
trotz der hierdurch nötig werdenden gewaltigen Arbeit den
Dampfer in 72 Stunden bereitznstellen. Ani Sonntag
mittag wurde dann dem Lloyd die Entscheidung, des Kai-
sers mitgeteilt, daß er das Angebot annehme, und un-
mittelbar darauf -ging man mit Anstvand aller K-räste
in Bremerhaven an die Ausrüstung des Schisfes. Sie
wurde noch dadnrch erschwcrt, daß der erste Tag ein Sonn-
tag war, an dem man die Arbeiter nicht sofort zusammeür
trommeln tonnte und daß außerdem die „Darmstadt"
zur Zeit anßer Dienst gestellt war und ohne Mannschaft im
Hafen lag. Trotzdem hat der Lloyd seine Verpflichtun-
gen auf das pünklichste erfüllt und zwei Stunden vor der
vorgeschriebenen Zeit ging die „Darmstadt" mit voller
Ausvüstung völlig fertig in See. E'in glänzendes Zeug-
nis sllr die Leistimgssähigkeit der deutschen Schiffahrt.
Badcn.
Offenburg , 22. Jan. Der nationalliberale Ver-
ein veranstaltete gestern Mend in der „Zauberflöte" eine
auch von Mitgliedern des jungli'beralen Wereins zahlreich
besuchte Versammlnng, in welcher zunächst über die An-
stellung eines P a r t e i s e k r e t ä r s sür Baden und
die von Ler Parteileitung gemachten Vorschläge zur Auf-
bringung der Mittel verhandelt wurde. Ein Antrag des
Staatsanwalts v. Röder dahingehend, die notwendigen
Mittel, d. h. den auf den hiesigen Verein entfallenden
Betrag der Parteileitung zu garantieren und denselben
innerhalb des Vereins durch freiwillige Zeichnungen und
eine kleine Erhöhung des Vereinsbeitrags aufzubringen,
wird genehmigt. Rechtsanwalt Burger reserierte so-
dann über die Wahlrechtsreform und ho-b die gegen ein-
ze'lne Teile der Reform sprechenden Bedenten (Wahl-
kreiseinteilung, Etweiternng 'der Budgetrechte der Ersten
Kammer) hervor. Aus der Bespr-echung der Frage zeigte
sich, daß man allgemein den guten Kern der Regierungs-
vorlage anerkennt und dringend wünscht, daß nicht die
ganze Reform scheitere an dem Mangel an Nachgiöbigkeit
von beiden Seiten, der Regierung und der Lan'dstände.
Eine Resolution wurde nicht gefaßt, um der national-
liberalen Fraktion in dieser Hin'sicht volltommen sreie
Hand zu lassen.
M annhei m, 21. Ian. Der InngliberaIe
Verein hatte auf gestern Abend in den großen Saal der
Bäcker-Jnnung eine Versammlung einberusen, üie sich mit
dem aktnellen Thema der Mißstände im Heere beschäftigen
sollte. Der Zutritt war sedermaim gestattet. Es hatten
sich infolge dessen auch Llngehörige anderer Parteien in
größercr Zahl eingefuiiden. Im ganzen war der Besuch
ber Versammlung vorzüglich, der geräumige Saal war
bis anf die äußersten Eck-en dicht gefnllt. Amtsrichter Dr.
K' o ch hatte das Referat ü'bernommen. In ausgezeich-
neter anderthalbsftindiger Rede beleuchtetc er alle einschlä-
gigen Fragen, gab freimütig die vorHandenen Schäden
zu, wies andererseits aber auch alle Uebertreibungen in
ihre Schranken zurück und lietz dem deutschen Heere und
seinen Verdiensten nm iinj»'r Dolk warmherzig Gerechtig-
keit widerfahren. Der Redncr beschräntte sich a'ber nicht
anf die Kritik, sondern gab auch beachtenswerte Verbes-
seriMigsvorschläge. Dem fesselnden, durch manche humor-
volle Wendung belebten Vortrage solgte stürmischer Bei-
fall. Jn der lebhaften Disknsston, die sich ,an das Referat
schloß, wurde die ebenso ungeschminkte wie wohltuende
Art, womit der Vortragende sem heitles Thema zu be-
handeln gewußt hatte, von allen Rednern rückhaltslos
anerkannt; auch deni Jnhalte seiner Ausführungen koün-
ten sich ersahrene nnd gut deutsch gesinnte Kenner unserer
Heereseinrichtungen nur anschließen. Für die Bestre-
bungen des Iungliberalen Vereins bedeutet der Abend
sedenfalls einen großen Erfolg.
Dayer«.
— Beim Aufstand in D e u t s ch - S ü d w e st -
asrika verlor auch ein Unterfranke das Leben. Wie
der „'Lvhrer Anz." schreibt, hatte sich der aus Zeil a. M.
gebürtige srühere Sergecmt Kuhn ,vom 5. Jnf.-Regt.
in Bamberg, nachdem er längere Zeit der Schutztruppe
in SwakoPmun d angehörte, in der Nähe von Ket-
mannshop als Farmer angüsiedelt. Am ersten Tag der
Unruhen wurde er von Aufständischen erschossen.
Badischer Landtag.
Karlsruhe, 22. Jan. Die Budgetkommissto«
beriet den Gesetzentwnrf über die Versicherung der R i n d-
v i e h-b e st ä n d e. Das Gesetz vom 26. Juni 1890
b-ezw. vom 12. Jüli 1898, welches die Gewährung eines
Staatszuschusses zur teilweisen Deckung dcr Verbands-
nmlage bei der Rindvichversicherung vovsieht, erlischt am
1. Januar 1906. Die Regiernng schlägt eine Verlän-
gerung dieses Gesetzes auf nnbestimmte Zeit vor. Di»
Kommission teilte einstimmig die Auffassung der Regie-
rung, daß das Gesetz seitber sehr wohltnend gewirkt hat.
Der Gesamtrindviehbestand Badens ist 662 000 Stück;
die Zahl der im V-erband versicherten Tiere betrng im
Jahre 1898 46 142, im letzten Jahre 86 135 Stück,
was einer Znnahme nin 89 Prozent entspricht. Dir
kleineren nnd mittleren Landwirte trcten dem Verbande
in größerem Prozentsatzc bei, als die größeren Vieh-
Heidelberfler Kunstverein.
Gaetano Previati.
Heidelberg, 2'3. Jan.
^ Die M-einnngen Wer diesen merkwfirdigen Ferrareser,
seit feiirem ersien Auftreten, 1879, die Gemüter seines
^^rlaudes erregt, verteilen sich auf die ganze Sttisen'Ieiter
^lchen begetsterter Bewunderung un>d spötttscher Verachtung.
H,öurnierhin scheint e!n Man-n, der es 'durch mehr als 20
Ai ^ hinLurch fertig brtnzt, seine engere und weitere Ump
in Sp'annung zn veüsetzen, der näheren Betrachtung
setner Entwicklung wcrt, umsomehr als wtr
die Fülle se-iner vorgeführten Arbetten einen ziemltch
ue« Etnblick in die Art seines Schaffens bekommen.
"hcviott hat sich von> Anfang an im Gegensatz zur her-
Itzft'iütchen Anschauungs- und Darstelluntzswetse befunden.
erstes grohes Mld, Cesare Borgia in Ca-
' Ktvar gegenständltch und theatralisch, >wie es Ende der
ft)«hre des letzten Jahrhunderts cben Mode war, zetgte
vqL^iende Besonderheiten durch die Behandlun>g des Lichtes
enkhügte, wie Filippo Filippt schretbt, einen „küh-
«nd starken, auch irr 'der Uebertretbung seineu künstlert-
^-hnrakter". -Sehr schnell machte sich Previatt von aller
.^rung frei, überwand auch die Neigung gur sozialen
N j 7^^ urtd staüd mit einem Schlag mtt setner Mater -
(Mutterschaft) als der Maler der wunderbarsten Vi-
^ n da. Ströme von Tinte, für und gegen, sind nm dteses
'rz .Neflosstn, das uns in der Vorhalle begrützt; letder konnte
vyhst^cht so plaztert werden, datz eine wirklich-c Anschauung
öu gewtnnen ist. Aus der Vencdtger Kunstausstelluntz
' ivo jch es zuerst sah, rnachte das Bild, tn etnwandsreier
iih^^dtung ausgehäntzt, etnen hinrettzenden Eindruck, Man
^ matertellen Mängel,, dte rhm als Ettdenrest noch
und neigte sich mit den Engeln und Blumen vor dem
^ " Mystertum der Mutter. Gletch an diesem ersten und
umfangreichstcn Dokument von Prevtati's Eigenart fallen
darrn, nach Neberwindung des seelischen Eiüdrncks, die Vor-
züge nnd .Fehler, welche der Künstler rn sich' vereinigt, ins j
Auge, Zunüchst mutz festgestellt werden, datz er nicmals Wirk-
lichkett zrr gcb-eu bestrebt ist. An deni Matz der re-alen Er-
scheiniunycn, der Erlebntsse, welche jedem Durchschnittsmenschen
tagtäglich passiercn, dürsen seine Blerke nrcht gemessen wevden.
Er gibt übertrdische Tramnbilder, tst der Maler der kühn-
sten Visioncn, f-ast möchte man sagen, des Hellsehens — worun-
tcr nicht die Hellt-gkeit des Sonncrr. öder Mondlichtes zu Vev-
stehen ist, sonderu j-ene innere Helligkeit, welche in dem Be-
wußksein der Somnambulen Maum und Zeit überbrückt und
von welcher die moderne Wissenschaft durchaus keine Notiz neh-
men will. „Also verrückt?!" — „Inwohl, gnädtge Frau,
wcun- Sie belieben, Previati so zu klasstfizicren, soll es J-Hnen
unbenommen sein, Wir werden, für unser Tetl, trotzdcm ver-
süchen, diese zweiffellos bcdeutsame Offenbarung italtenischer,
moderncr Kültur zu ergründen."
Ja: Previatt tst Italiener! Er m o n n -m e n t a l i -
siert dte Geste; in thr konzentriert sich d-ie Macht seines
inneren Schaucns, in i-hr vereinfacht cr die Erregnn'gen nnd
Lerdcnschaften, wclche seine Dichterseele gestaltet, Bet dieser
Vereinfachung fallen- aber sehr viele Details, viele Natur-
schönheiten und Fetnheitcn, dte unser denftches Gemüt so liebt,
wte Hobeftpäne aus dte Seite und 'das ist es, waS uns bet nä-
hcrem Beschauen, fast an jcdem Bild als Kälte an-mutet — trotz
all der Leidenschast, die sich rn dem einen großen Grundakkord
auslebt, So ist es thm -vollständig gletchgilftg, was für ein
Gesicht er malt; er gtbt blotz -den Typus — nicht einmal des
Jtalieners — sondern der Menschheit.
Und doch, wcnn wir nns nur etn wenig in seine Art htn-
einzusehen vcrmögen, stehen uns große und seltene Genüsse
in seiner Ansstellung bevor, Als Mittet zn dtesern Zweck, sich
in ihn hincinzusehen, können die Zeichnuntzen dienen; hrer
sind die unmtttelbaren Verkörperun-gen seiner inneren Gckbilde,
d-ie Stenvgramme sciner tvanszendentalen Erkenntntsse. Die
Ehristuszestalt iin Tempcl, mit Berzicht -aus alle traditionelle»
Beigaben: und welche überirdische Hoheit, allein durch der»
Gestus ausgedrückt! Die Szene zwischen Jesus und der Ghv-
brecher-in: wclch' unendliches, verstehen-des Mitleid nnr in der
Gebepde, wobet die flchen-de Antzst der im Staube Kutende«
dnrch 'die Massen der wuchttgcn Architektur doppelt zum AuS-
drnck kommt. Und die acht Bilder des Kreuzwegs und der
Kreuziguntz mit ihrer Sprnche des Leidens und Sterbens: nu>r
durch die Ivuüderbar knapp und klar erfatzte Beweguntz urtd
die eigcnartigc Berteilung des Lichtes! Als letzte Zeichnung
seien dic Armen un!d Kranken. im Dom erwähnt; durch den
Ausschnitt und- dic Grüßenverhältnisse, — die abgeschnittene»
Säulen lassen unendliche Hallen ahnen .- wird die Niedrig-
keit -der in einer Kreuzforni am Boden h-astcn'den Masie der
Elendcn betont; und wir ahnen ein Sym'bol 'dieser Lei-den in
der angedeutcten Form, zu welcher die Menschen zufammen-
schmelzen: die Menschheit selbst ist gekreuzigt!
Wenden wir uns zu den Gcmä-lden, so fällt zweierler auf:
es tst fast auf keinem fe'stzustellen, ob es Sonnen- oder Mond-
licht verkörpert und mit Ausnahme der Kin-derköpfe und de,
Dkaria am Fuhe des Kreuzes tragen alle Mcnschen Prevtatt'»
geschlossene Augen. Beides hängt mtt jenem oben hervor-
gehobenen visionären Charakter vou Previati's Kunst zustmu-
meu; sei es, datz er ttn UelberschHvange des Erlebens, dcs inne-
rerr Geschehens, — denken wir an Goethe: „Der Sänger
drückt >die Augen ein un'd schlug in vollen Tönen!" —- Auger»
für störend und unwahrscheinlich hält, sei es, datz er htevdurch
das Trau-mhafte seiner Erscheinungen ebenso betonen ivill Ivre
durch das unwirkliche Licht.
Grandios wirkt „der Weg zum. Kalvarienberg" — la vra
del Calvario. Welche Symphouie ttefsten Leidens die Gruppe
dcr entsetzten Jungfrauen, üeren Glieder srch sträuben, a-Is ftt,
aus der Höhe ankommend, das Schreckliche gewahren, bildet
den bewuhten Gezensatz zur stumpsen Trauerversunkenheit der
Mutter Jesu; kaum jemals tst, frei von jedem theatralischen
Esfekt, die Grenze der menschltchen Schmerzernpfinduntz so nro-
Die heutige Nummer umfaßt drei VlLtter, zusumme« 14 Seiteu
bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. auSfchließlich Zustellgebühr.
AnzeigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispallige Petttzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für htefige GeschäftS- und Privatanzeigen ermäßigt. — Für die Aufnahme von Anzeigen
an bestimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anfchlag der Jnserate auf den Plackattafeln der Heidelberger Zeitung und den städtischen Anschlagstellen, Fernsprecher 82.
EMez, LZ. Zml« lüllj.
Blatt.
4l>. Aihrzwll. — 19.
NIDeutscher Reichstag.
Berlin, 22. J-anuar.
Nach längerer Debatte wird ein Antrag Singer (Soz.)
«n,genommen, die Wahl d-es Wg. Will (kons.) in Sto'lp-
Lauenburg zur weiteren Berichterstattung an die 7. Ad-
teilung, die die Prüfung der Wahl hatte, z u r ü ckzu -
d e r w e i s e n.
Es folgt die erste .Lesung des Gesetzentwurfs betr.
Servisrarif.
Abg. Fritzen (Ztr.) ertlärt, tzas ZentruM bewillige nur
stne kürzere als die verl-angte lOfä-hriye Frist dcr Neuregelnntz
'des Servistarifs. Er bvantrage Ueberweisnng an die Bndget-
kvmniisfion.
Abg. Dr. Höfsel (Rp.) spricht feine Zustimmnng znr
Vorlage aus.
Abg. Eickhofs (fr. Vp.) bcfürwortet die Anshebung des
Personalservis und Kompens-ation durch Veribindnnlg, dcs
Durchschnittssatzes diefes .Servis mit dem Gehalt der Offiziere
U-nd Militärlbeamten. Bedauerlich fei, datz die Regierung nicht
sinen Entwnrf über di-e Ileuregelnng des Wohnnntzsgeldzu-
Ichnsses vorgelegt habe.
Abg. Bärwinkel (natl.): Die Kl-asseneintcilung der
il>rte bringe sür jeden eine Enttäuschung; das System des Woh-
Unngsgeldzusch'usses müsse verbessert wevden.
Abg. Schradcr (sr. Vg.) lozt das Hanptgcwicht auf Re-
Äelung des Wohnuntzsgeldznschusses.
Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsky: Wsder der
Aeichsta-g noch Lie Regierung könne einen besseren Weg znr
^ösung dcr schwebenden Frage als den vorliegenden finden.
Abg. Lattmann (wirtsch. Vg.) ist 'dagegen, dah eine
»euregelung 'des Servistarifs crst 1913 erfolgt.
Die Vorlage wird der BubgetkomMission überwiesen.
Jn der «,-rsten Beratrmg des Gesetzentwurfs betressend
^erlängerung des Gesetzes über die FriedensPrä -
^enzstärke bis 1905 spricht
Abg. v. Ehlern (kons.) sein Bedauern -darüber aus, 'dah
^ie Vorlage nur eine einjährige Periode in AnNsicht nöhme,
Ustd tnünscht baldige Vorlegung eines Gesetzes sür mehrjäh-
ftge Festkcg>,m!g der Frickdenspräscnz.
. Mg. Bebel (Soz.): Die Begründung der Vorlage sei
^dauerlich, der Reichstag mit Arbeit so überhäuft, datz man
!hn nicht mehr mit ciner Vorlage für eine mehrjährige Fest-
^gung dcr Friedensprüsenzstärke befchäftigen s-oll.
. Abg. Fritzen (Ztr.) wünscht alljährliche Festsetzung >der
vriedensprLscn-zstärle.
,. Abg. Sattler (ncrtl.) bedauert die Vorlage, da dnrch
das Qlrinquennat im nächften Jahre gefähvdet werden
Mnne.
Abg. Kchrader (fr. Vg.) widerspricht dem.
Abg. v. Ttedemann (Rp.) tritt sür die Vorlage ein.
, , Kricgsmintster v. Einem hofft in >der KomMission mit-
^rleu zii können, was die Vorlage im nächsten Jahre enthalten
Er sei überzeugt, dah sie nicht das Bedentende enthalte,
Bebel vermute. Damit schlieht die 1. Lesung.
Moittas 2. Lesung >des Etats.
Deutsches Reich.
>, — Die Ausrüftung des Expeditions-
"rps fstr Afrrka ist schnell vor fich gegangen und
^n konnte bei den verschiedenen Anordnungen ersehen,
die im Chinafeldzuge gcmachten Erfahrungen nicht
?9Ne Nutzen geblieben sind. Jnnerhalb weniger Tage war
neue Truppenteil zusammengestellt, neu eingekleidet,
, ausgevüstet und mit allem verschen, was für eine Ex-
^Entign im sübtropischen Klima nötig ist. Das Ganze
vollzog sich, man möchte fast sagen, antomatisch und ohne
alle Reibung, so wie eine vorzüglich geleitete Mobilma-
chung im kleinen, so hnt sie do-ch ihre Verdienste wegen, der
besonderen Verhältnisse nnd Schwierigteiten, die dabei in
Betracht tamen, und vor allem wegen der ganz autzer-
ordentlich turzen Zeit, die hier zur Wersstgung stand, In
dieser Beziehung gebührt ein nicht unwesentlicher Teil
des Verdienstes dem Norddeutschen L l o y d, der
den Dampfer „Tarmstadt" mit ganz überraschender
Schnelligkeit ausMrüstet und expeditionssertig gemacht
hat, Am Samstag Mittag wurde beim Generaldirektor
Wiegand angefragt, innerhalb welcher Zeit er einen Dam-
pser zur Verfügung stellen könne, worauf sofort Antwort
erging : in 48 Stunden! In dieser kurzen Zeit hätten aber
weder Truppen noch das nötige Material zur Verschisftmg
an Qrt und Stelle gebracht werden tönnen, zumal auch
die Proviantierung für einen drei- bis viermonatlichen
Aufenthalt der Truppen mitgeführt werden mußte. Auch
diese Schwierigkeit wurde durch das Eingreifsn des Lloyds
gehoben, indem er sich bereit ertlärte, die nötigen Pro-
viantvorräte aus seinen eigenen Beständen zu lieferu und
trotz der hierdurch nötig werdenden gewaltigen Arbeit den
Dampfer in 72 Stunden bereitznstellen. Ani Sonntag
mittag wurde dann dem Lloyd die Entscheidung, des Kai-
sers mitgeteilt, daß er das Angebot annehme, und un-
mittelbar darauf -ging man mit Anstvand aller K-räste
in Bremerhaven an die Ausrüstung des Schisfes. Sie
wurde noch dadnrch erschwcrt, daß der erste Tag ein Sonn-
tag war, an dem man die Arbeiter nicht sofort zusammeür
trommeln tonnte und daß außerdem die „Darmstadt"
zur Zeit anßer Dienst gestellt war und ohne Mannschaft im
Hafen lag. Trotzdem hat der Lloyd seine Verpflichtun-
gen auf das pünklichste erfüllt und zwei Stunden vor der
vorgeschriebenen Zeit ging die „Darmstadt" mit voller
Ausvüstung völlig fertig in See. E'in glänzendes Zeug-
nis sllr die Leistimgssähigkeit der deutschen Schiffahrt.
Badcn.
Offenburg , 22. Jan. Der nationalliberale Ver-
ein veranstaltete gestern Mend in der „Zauberflöte" eine
auch von Mitgliedern des jungli'beralen Wereins zahlreich
besuchte Versammlnng, in welcher zunächst über die An-
stellung eines P a r t e i s e k r e t ä r s sür Baden und
die von Ler Parteileitung gemachten Vorschläge zur Auf-
bringung der Mittel verhandelt wurde. Ein Antrag des
Staatsanwalts v. Röder dahingehend, die notwendigen
Mittel, d. h. den auf den hiesigen Verein entfallenden
Betrag der Parteileitung zu garantieren und denselben
innerhalb des Vereins durch freiwillige Zeichnungen und
eine kleine Erhöhung des Vereinsbeitrags aufzubringen,
wird genehmigt. Rechtsanwalt Burger reserierte so-
dann über die Wahlrechtsreform und ho-b die gegen ein-
ze'lne Teile der Reform sprechenden Bedenten (Wahl-
kreiseinteilung, Etweiternng 'der Budgetrechte der Ersten
Kammer) hervor. Aus der Bespr-echung der Frage zeigte
sich, daß man allgemein den guten Kern der Regierungs-
vorlage anerkennt und dringend wünscht, daß nicht die
ganze Reform scheitere an dem Mangel an Nachgiöbigkeit
von beiden Seiten, der Regierung und der Lan'dstände.
Eine Resolution wurde nicht gefaßt, um der national-
liberalen Fraktion in dieser Hin'sicht volltommen sreie
Hand zu lassen.
M annhei m, 21. Ian. Der InngliberaIe
Verein hatte auf gestern Abend in den großen Saal der
Bäcker-Jnnung eine Versammlung einberusen, üie sich mit
dem aktnellen Thema der Mißstände im Heere beschäftigen
sollte. Der Zutritt war sedermaim gestattet. Es hatten
sich infolge dessen auch Llngehörige anderer Parteien in
größercr Zahl eingefuiiden. Im ganzen war der Besuch
ber Versammlung vorzüglich, der geräumige Saal war
bis anf die äußersten Eck-en dicht gefnllt. Amtsrichter Dr.
K' o ch hatte das Referat ü'bernommen. In ausgezeich-
neter anderthalbsftindiger Rede beleuchtetc er alle einschlä-
gigen Fragen, gab freimütig die vorHandenen Schäden
zu, wies andererseits aber auch alle Uebertreibungen in
ihre Schranken zurück und lietz dem deutschen Heere und
seinen Verdiensten nm iinj»'r Dolk warmherzig Gerechtig-
keit widerfahren. Der Redncr beschräntte sich a'ber nicht
anf die Kritik, sondern gab auch beachtenswerte Verbes-
seriMigsvorschläge. Dem fesselnden, durch manche humor-
volle Wendung belebten Vortrage solgte stürmischer Bei-
fall. Jn der lebhaften Disknsston, die sich ,an das Referat
schloß, wurde die ebenso ungeschminkte wie wohltuende
Art, womit der Vortragende sem heitles Thema zu be-
handeln gewußt hatte, von allen Rednern rückhaltslos
anerkannt; auch deni Jnhalte seiner Ausführungen koün-
ten sich ersahrene nnd gut deutsch gesinnte Kenner unserer
Heereseinrichtungen nur anschließen. Für die Bestre-
bungen des Iungliberalen Vereins bedeutet der Abend
sedenfalls einen großen Erfolg.
Dayer«.
— Beim Aufstand in D e u t s ch - S ü d w e st -
asrika verlor auch ein Unterfranke das Leben. Wie
der „'Lvhrer Anz." schreibt, hatte sich der aus Zeil a. M.
gebürtige srühere Sergecmt Kuhn ,vom 5. Jnf.-Regt.
in Bamberg, nachdem er längere Zeit der Schutztruppe
in SwakoPmun d angehörte, in der Nähe von Ket-
mannshop als Farmer angüsiedelt. Am ersten Tag der
Unruhen wurde er von Aufständischen erschossen.
Badischer Landtag.
Karlsruhe, 22. Jan. Die Budgetkommissto«
beriet den Gesetzentwnrf über die Versicherung der R i n d-
v i e h-b e st ä n d e. Das Gesetz vom 26. Juni 1890
b-ezw. vom 12. Jüli 1898, welches die Gewährung eines
Staatszuschusses zur teilweisen Deckung dcr Verbands-
nmlage bei der Rindvichversicherung vovsieht, erlischt am
1. Januar 1906. Die Regiernng schlägt eine Verlän-
gerung dieses Gesetzes auf nnbestimmte Zeit vor. Di»
Kommission teilte einstimmig die Auffassung der Regie-
rung, daß das Gesetz seitber sehr wohltnend gewirkt hat.
Der Gesamtrindviehbestand Badens ist 662 000 Stück;
die Zahl der im V-erband versicherten Tiere betrng im
Jahre 1898 46 142, im letzten Jahre 86 135 Stück,
was einer Znnahme nin 89 Prozent entspricht. Dir
kleineren nnd mittleren Landwirte trcten dem Verbande
in größerem Prozentsatzc bei, als die größeren Vieh-
Heidelberfler Kunstverein.
Gaetano Previati.
Heidelberg, 2'3. Jan.
^ Die M-einnngen Wer diesen merkwfirdigen Ferrareser,
seit feiirem ersien Auftreten, 1879, die Gemüter seines
^^rlaudes erregt, verteilen sich auf die ganze Sttisen'Ieiter
^lchen begetsterter Bewunderung un>d spötttscher Verachtung.
H,öurnierhin scheint e!n Man-n, der es 'durch mehr als 20
Ai ^ hinLurch fertig brtnzt, seine engere und weitere Ump
in Sp'annung zn veüsetzen, der näheren Betrachtung
setner Entwicklung wcrt, umsomehr als wtr
die Fülle se-iner vorgeführten Arbetten einen ziemltch
ue« Etnblick in die Art seines Schaffens bekommen.
"hcviott hat sich von> Anfang an im Gegensatz zur her-
Itzft'iütchen Anschauungs- und Darstelluntzswetse befunden.
erstes grohes Mld, Cesare Borgia in Ca-
' Ktvar gegenständltch und theatralisch, >wie es Ende der
ft)«hre des letzten Jahrhunderts cben Mode war, zetgte
vqL^iende Besonderheiten durch die Behandlun>g des Lichtes
enkhügte, wie Filippo Filippt schretbt, einen „küh-
«nd starken, auch irr 'der Uebertretbung seineu künstlert-
^-hnrakter". -Sehr schnell machte sich Previatt von aller
.^rung frei, überwand auch die Neigung gur sozialen
N j 7^^ urtd staüd mit einem Schlag mtt setner Mater -
(Mutterschaft) als der Maler der wunderbarsten Vi-
^ n da. Ströme von Tinte, für und gegen, sind nm dteses
'rz .Neflosstn, das uns in der Vorhalle begrützt; letder konnte
vyhst^cht so plaztert werden, datz eine wirklich-c Anschauung
öu gewtnnen ist. Aus der Vencdtger Kunstausstelluntz
' ivo jch es zuerst sah, rnachte das Bild, tn etnwandsreier
iih^^dtung ausgehäntzt, etnen hinrettzenden Eindruck, Man
^ matertellen Mängel,, dte rhm als Ettdenrest noch
und neigte sich mit den Engeln und Blumen vor dem
^ " Mystertum der Mutter. Gletch an diesem ersten und
umfangreichstcn Dokument von Prevtati's Eigenart fallen
darrn, nach Neberwindung des seelischen Eiüdrncks, die Vor-
züge nnd .Fehler, welche der Künstler rn sich' vereinigt, ins j
Auge, Zunüchst mutz festgestellt werden, datz er nicmals Wirk-
lichkett zrr gcb-eu bestrebt ist. An deni Matz der re-alen Er-
scheiniunycn, der Erlebntsse, welche jedem Durchschnittsmenschen
tagtäglich passiercn, dürsen seine Blerke nrcht gemessen wevden.
Er gibt übertrdische Tramnbilder, tst der Maler der kühn-
sten Visioncn, f-ast möchte man sagen, des Hellsehens — worun-
tcr nicht die Hellt-gkeit des Sonncrr. öder Mondlichtes zu Vev-
stehen ist, sonderu j-ene innere Helligkeit, welche in dem Be-
wußksein der Somnambulen Maum und Zeit überbrückt und
von welcher die moderne Wissenschaft durchaus keine Notiz neh-
men will. „Also verrückt?!" — „Inwohl, gnädtge Frau,
wcun- Sie belieben, Previati so zu klasstfizicren, soll es J-Hnen
unbenommen sein, Wir werden, für unser Tetl, trotzdcm ver-
süchen, diese zweiffellos bcdeutsame Offenbarung italtenischer,
moderncr Kültur zu ergründen."
Ja: Previatt tst Italiener! Er m o n n -m e n t a l i -
siert dte Geste; in thr konzentriert sich d-ie Macht seines
inneren Schaucns, in i-hr vereinfacht cr die Erregnn'gen nnd
Lerdcnschaften, wclche seine Dichterseele gestaltet, Bet dieser
Vereinfachung fallen- aber sehr viele Details, viele Natur-
schönheiten und Fetnheitcn, dte unser denftches Gemüt so liebt,
wte Hobeftpäne aus dte Seite und 'das ist es, waS uns bet nä-
hcrem Beschauen, fast an jcdem Bild als Kälte an-mutet — trotz
all der Leidenschast, die sich rn dem einen großen Grundakkord
auslebt, So ist es thm -vollständig gletchgilftg, was für ein
Gesicht er malt; er gtbt blotz -den Typus — nicht einmal des
Jtalieners — sondern der Menschheit.
Und doch, wcnn wir nns nur etn wenig in seine Art htn-
einzusehen vcrmögen, stehen uns große und seltene Genüsse
in seiner Ansstellung bevor, Als Mittet zn dtesern Zweck, sich
in ihn hincinzusehen, können die Zeichnuntzen dienen; hrer
sind die unmtttelbaren Verkörperun-gen seiner inneren Gckbilde,
d-ie Stenvgramme sciner tvanszendentalen Erkenntntsse. Die
Ehristuszestalt iin Tempcl, mit Berzicht -aus alle traditionelle»
Beigaben: und welche überirdische Hoheit, allein durch der»
Gestus ausgedrückt! Die Szene zwischen Jesus und der Ghv-
brecher-in: wclch' unendliches, verstehen-des Mitleid nnr in der
Gebepde, wobet die flchen-de Antzst der im Staube Kutende«
dnrch 'die Massen der wuchttgcn Architektur doppelt zum AuS-
drnck kommt. Und die acht Bilder des Kreuzwegs und der
Kreuziguntz mit ihrer Sprnche des Leidens und Sterbens: nu>r
durch die Ivuüderbar knapp und klar erfatzte Beweguntz urtd
die eigcnartigc Berteilung des Lichtes! Als letzte Zeichnung
seien dic Armen un!d Kranken. im Dom erwähnt; durch den
Ausschnitt und- dic Grüßenverhältnisse, — die abgeschnittene»
Säulen lassen unendliche Hallen ahnen .- wird die Niedrig-
keit -der in einer Kreuzforni am Boden h-astcn'den Masie der
Elendcn betont; und wir ahnen ein Sym'bol 'dieser Lei-den in
der angedeutcten Form, zu welcher die Menschen zufammen-
schmelzen: die Menschheit selbst ist gekreuzigt!
Wenden wir uns zu den Gcmä-lden, so fällt zweierler auf:
es tst fast auf keinem fe'stzustellen, ob es Sonnen- oder Mond-
licht verkörpert und mit Ausnahme der Kin-derköpfe und de,
Dkaria am Fuhe des Kreuzes tragen alle Mcnschen Prevtatt'»
geschlossene Augen. Beides hängt mtt jenem oben hervor-
gehobenen visionären Charakter vou Previati's Kunst zustmu-
meu; sei es, datz er ttn UelberschHvange des Erlebens, dcs inne-
rerr Geschehens, — denken wir an Goethe: „Der Sänger
drückt >die Augen ein un'd schlug in vollen Tönen!" —- Auger»
für störend und unwahrscheinlich hält, sei es, datz er htevdurch
das Trau-mhafte seiner Erscheinungen ebenso betonen ivill Ivre
durch das unwirkliche Licht.
Grandios wirkt „der Weg zum. Kalvarienberg" — la vra
del Calvario. Welche Symphouie ttefsten Leidens die Gruppe
dcr entsetzten Jungfrauen, üeren Glieder srch sträuben, a-Is ftt,
aus der Höhe ankommend, das Schreckliche gewahren, bildet
den bewuhten Gezensatz zur stumpsen Trauerversunkenheit der
Mutter Jesu; kaum jemals tst, frei von jedem theatralischen
Esfekt, die Grenze der menschltchen Schmerzernpfinduntz so nro-
Die heutige Nummer umfaßt drei VlLtter, zusumme« 14 Seiteu