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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 78-101 (2. April 1904 - 30. April 1904)
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IjM-g. U. Axril IM.

Grlchii»! ISsttch, Sonnlag» aurgmomme». Prel» mit AamiltrnblStteril moniülich so Pfg. In's Hau» gebracht, bri der Exp-dttion und d«I Zw-Igftatlonen obgkholt 4V Pfg.

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an bcsttmmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate aufden Pla-kattafeln der Heidelberger Zeitung und dm städtischen Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

^om ersten deutschen Oberlehrer- (Mittel-
schulprofessoren-)Tag in Darrnsta-t..L-M

Auf dem deutschen Oberlehrertag hatte Professor Dr.
^ aulsen - Berlin das Wort zu dem Hauptvortrag des
Iages über das Thema: D a s h ö h e r e S ch u l w e s e n
sss Deutschla n d, seiue Bcdeutung für den Staat und
^ur die geistige Kultur des deutschen Volkes und die da-
^aus sich ergebeuden Folgerungen sür die Stellung des
^öheren Lehrerstandes. Der Redner, mit lebhaftem Bei-
tall 'begrüßr, führte, nach Lem Bericht der „Frankf. Ztg."
iss der Hauptsache solgendes aus: Der Bund zwischen
^taat und Schule stammt in seinen Anfängen aus dem
^ahre 1543, da die heute noch blühenden drei Fürften-
^chulen Meissen, lGrimma und Schulpforta gegpündet
^urden. Von hier aus entwickelte sich unser modernes
^taatsschulwesen. Jener Tag der BegrüNdung dieser
^chulen bedeutet, daß der deutsche Staat, der moderne
^otestantische Staat, fortan ein Külturstaat sein wollte,
"aß er sich selbst aus die geisügen Kräfte der Külturent-
^scklung stützen lmd die Wissenschaft in deir Kreis seiner
ltürsorge ziehen wollte. Jn diesem Sinne war der mittel-
^tterliche Staat kein Külturstaat. Er überließ die Kül-
^Uraufgabe und das Erziehungswesen lediglich der
'^trche. Diese Ausgaben sind denl modernen Staat als
^rbe überkommen, der durch die Schule die Kultur des
.^utschen Volkes sördert und so wieder dem Staate seine
bervorragende Stellung geschaffen hat. (Lebhafter Bei-
chll ) Redner geht dann auf die Gestaltung der Dinge
(u den katholischen Lerritorien ein und zeigt, wie hier
^er Jesuitenorden bis in das 18. szahrhundert hinein
Uusschüeßsjch das Lehrerbildungswesen in der HaNd ge-
Uftbt hat. Die Schädigung, die jene katholischen Länder
brerdurch ersahren hätten, seien heute noch erkennbar und
^eten besonders dort zu Tage, wo nicht wie in Deutsch-
Md dch katholische Kirche den Anschluß an den Staat
^lunden hat. Die Jesuitenorden seien nicht mehr die
Auchex nach der Wahrheit. Als sie die wissenschaftliche
^rschung für abgeschlossen erklärten, schalteten sie sich
Abst aus der fortschrittlichen Bewegung alls. (Beisallft
oorderer der deutschen Universitäten sind von jeher die
ftürsten und Staatsmänner gewesen. Friedrich der Große
pud Joseph II. brauchten da nur genannt zu werden.
ssud so hat bis heute zwischen deü Männern der Wissen-
^luft und den führenden politischen Männern ein festes
and bestanden. Niemals aber gab es eine Zeit, wo
^ Freiheit des Denkens weniger beschränkt war, als in
er Gegenwart. Jn unseren Tagen gilt es, alle geistigen,
/lle kulturschaffenden 'Kräste Lurch den Wissenschaftlichen
uterricht von innen heraus zu entwickeln! und weiter-
oUführen. Nur wer dieser Anschauung, dieser Wahrheit
kann geistiger Lehrer und Führer werden. (Großer
^lall.) Das Hauptziel aller wissenschaftlichen Erziehung
^üsse das selbständige Dsnken sein und bleiben. Jn de«
^chtung vor der wissenschaftlichen 'Forschung und in der
^oihait des Geistes berühe die Krast des deutschen
^olkes

Deutsches Neich.

Baden.

Hj A u s B a d e n, 11. April. Die im „Verordnnngs-
blatt" des Großh. Oberschulrats verössentlichte Schul-
ordnung sür die badische Mittelschule enthält in 8 3 u. a-:
„Bei hohen Temperaturen ist im Sommer der Nach-
mittagDunterri-cht auszüsetzen"^ Diese Werordnung ist
besonders in hygienischer Hinsi-cht nur zu begrüßen, können
ja an solchen Tagen weder Schüler noch Lehrer von jener
Geisiesfrische sein, die sür einen sruchtbringenden llnter-
richt ununlgänglich nötig ist. Aber ebenso nötig, wenn
nicht noch nötiger, wäre ein solche Verordnung für die
„badische Volksschule". Hier sind keine so hohen, luftigen
Schulzimmer mit Vorkehrungen, die stets frische Luft
zusühren; hier find keine so wenig Schüler zählende
Klassen, wie sie die Mittelschulen aufweisen, sondern über-
füllte Klassen. Was in solchen überfüllten Klassenzinl
mern an Somniernachmittagen bei hoher Temperatur
für eine Hitze und ein Dunst herrschen, kann sich jeder
„einsichtspolle Menschenfreund" wohl vorstelleN' I'n
Großstädten, wo sich noch Aerzte der Schulhygiene anneh-
nien, ist es ja besser, aber aus dem Lande kümmert sich
um diesen „wunden Pun'kt" niemand. Man lätzt Schü-
ler und Lehrer 3 Stunden schmachten. Wir kennen
Schulen, in denen im Hochsommer schon vormittags 8 ll.hr
20 Grad Reaumur herrschen und an besonders schwülen
Tagen die Hitze sich ins unerträgliche steigert. Manchmal
hat ein- Herr Visitator hier ein Einsehen und erlaubt von
sich aus, bei mehr als 20 Grad Hitze die Nachmittags-
schüler am Vormittag kommen zu lassen und den Vor-
mittagsunterricht srüher zu beginnen, sodaß etwa von
,^7 bis 12 llhr Unterricht gehalten wird. Hier ginge
ja nicht viel llnterrichtszeit verloren und selbst ein Herr
Medizinalrat äußerte sich, daß dies gut ginge, wenn am
Nachinittag die Lehrer ausruhen können. Die Land-
lehrer würden gewiß mit F-reuden eine derartige einschlä-
gige Verordnung begrüßcn, mehr wcnigstens als die-
jenige der körperlichen Züchtigung und der Schulfeuer-
ung. Beide Verordnungen wären ja den Lehrern nicht
unsympathisch, wenn ihnen nicht gleichsam etwas weg-
genommen. würde, ohne ihnen dasür eine entsprechende
Entschädigung zukommen zu lassen. Namentli-ch hinsicht-
lich des Verbotes der Schulfeuerung, die sich angeblich
mit der Stellung des Lehrers nicht mehr vereinbare,
herrscht in weiten Lehrvrkreisen eine tiesgehende Verstim-
mung' Allgemein ist man der Ansicht, zuerst einige an-
dere „Sächelchen", die wirklich eines Lehrers Achtung
und Ansehen in Frage ziehen, entfernen resp. sie ver-
bessern, statt Dinge verbieten, die den Lchrer bei seinem
ohnehin unznlänglichen Gehalte auch noch> materiell scha-
digen. Ueberdies kennen wir ganze Bezirks, in denen
die Gemeinden über die Verordnung bezügl. der Schul-
feuerung selbst sehr ungehalten sind und energisch dafür
einstehen, diese den Lehrern zu lassen. Etwas anders
wäre, wenn die Lehrer inr Gehaltstarif rangierten und
vollwertige Beamte, wären. Dies wird- nach deni
„Schwäb. Merk." vor 1913 nicht der Fall sein könnew

Lasse man also auch bis dahin d-em Lehrer die Schul-
seuerung, werden ihm ja doch durch diese Entziehung
mancherlei Reibereien entstehen.

Prcußen.

Breslau, 11. April- Die „Breslauer Zeitnng"
meldet: Durch persönliches Eingreifen d-es Kardinals
Kopp wurde der große Beuthener PoIenpro -
zeß definitiv beendigt. Weder wird >der
Staatsanwalt Zeugen wegen Falscheides anklagen, noch
werden Zeugen gegen Geistliche Beleidigungsklagen an-
strengen.

Badischer Landtag.

52. Sitzung der Zwciten Kammer.

Karlsruhe, 11. April. Präsident Dr- Gön-
ner erösfnet die Sitzung um s^5 llhr mit einer
Ansprache, in welcher er auf das Wleben des Fürsten
von Leiningen und der F-ürstin zur Lippe hinweist und
vorschlägt, das hohe Haus wolle beschließen, daß namens
d-esselben durch das Präsidium dem Großherzog der Aus-
druck innigster Teilnahme kundgegeben werde. (Ge-
schieht.)

Eingegangen: Eine Petition der o'berbadischen Brau-
ereien betr. die Abänderung des Biersteuergesetzes, der
Gemeinde Gundelfingen um Erhebung zu einer Kurs-
station, der badischen Handelsgärtner betr. die Wert-
zuwachssteuer, der Maunheimer Wirte betr. das Wirts-
gewerbe-

Me Sitzung wird unterbrochen zwecks Prüfung der
Wahl des Abg. Zehnte r.

Dr. Binz beantragt namens der Wahlprüfungs-
kommission die Wahl des Ilbg. Zehnter, der mit 113
von 142 abgegebenen Stimmen wieder zmn Vertreter
des Bezirks Rastatt-Gernsbach gewählt ist, für giltig
zu erklären, was ohne Debattc geschieht.

Abg. Zehnter wird- beeidigt.

Zur Beratung kommt dann das Budget der Künste
u nd Wissenschaftc n-

Abg. Obkircher erstattet Bericht. Er beantragt Ge-
Nehnligung sämtlicher Anfordernngen u-nd wünscht Erweiternng
des Sammlungengebäudes, da einzelne Teile gar nicht der
Oesfentlichkeit zugänglich sind, weil wichtige und wertvolle
Objektive zusammengepfercht aufgespeichert werden. Redner
warnt sodann vor einer Verschlimmbesserung alter Bandenk-
niäler, die manchmal dcn Liebh-abereien von Künstlern zum
Opfer fallcn. Ein klassisches Beispiel hicrfür sei -das Schwa-
bentor in Freiburg, das von OLerbaurat Schäser verschlimm-
bessert wurde. Glücklicherweise gibt es in Badcn keine höfische,
landesherrliche Kunst. Möge auch in Zukunft eine Unisormie-
rung der Kunst iw Baden vermieden werben! Tarauf ist ohne
Zweifel auch der gute Stand unserer Kunstakademie zurückzu--
sühren.

Abg. Dr. Wilckens (nall.) ersucht dic Regiernng nm
'Auskunst, wie Iveit -die Vorarbeiten zum Schutz heimischer
Baudeukmäler gediehen sind. Zum iniudesten -müßten- die Ei-
gentümer gesetzlich verpslichtet werden, von jcder Aenderung
eincs Baudenkmals Anzeige zu erstatten.

Minister Freiherr v. Dusch hofst, daß die Regierung in
Zukunst für dieses Budget noch rcichlichere Mittel zur Verfü-
gung stellt. Der Denkmalsschutzgcsctzcntwurs wird wohl schon
tn der nächstcn Session den Kammern zugehen. Die cinsetttge

33. Kongreß der Deutschen Gesellschaft
sür Cyirurgie.

Berlin, 9. Llpril.

Äls das Schmerzenskiild des Chirurgenkongresses
^ochte man nach der „Frankf. Ztg-" das Kapitel der
^ n d d a r m e n t z ü n du n g bezeichnen, wenn man
wie trotz des breiten Raumes, welchen alljährlich die
^bphandlungen über dieses Thema einnehmen, trotz der
^Ulle Jahr zu Jahr sich mehrenden Erfahrungen

j,°ch immer in Bezug auf die grundlegenpen Fragen
-^'Irößten Meinungsverschiedenhciten bestehen nicht nur
pchen d-en Vertretern der inneren Medizin und der
uurgie, sondern nnter den Clsirurgen selbst. Weder
^ ^ Frage, welche Fälle eine chirurgische Behandlnng
. uoch Frage nach dem geeigneten Zeitpunkt

o/ T^Peration kann vorläufig als stsinreichend geklärt
st„§^idhen weröen. Diese Unsicherheit der Jndikättons-
^'ng erklärt sich ni-cht nur aus dem ungeheuer va-
klinischen Krankheitsbilde n. den bei Operationen
st?hufundeneil pathologtschen Verändernngen. Nicht selten
^ °bt nian jxgtz ves Fehlens ernsterer Krankheitserschei-
Z^Uen die schwersten Veränderungen in der Bauchhöhle
Fäll^ Dperation bezw. bei der Sektion. Gerade diese
Zt ^ verlaufen ost Plötzttch tötlich und dreser schlimme
h ^kwng gestaltet sich dann um so erschütternder, als ,
lln?- günstigen klinischen Symptomen ein derartiger !
Fäls^?6 ^ Verlause nicht zu erivarten war. Sol-che !
^ sind es denn auch, welche dem Standpunkte jener i

Ch-irnrgen eine gewichtige Stütze bieten, welche prinzipiell
jeden Fäll von Blinddarmentzündiing möglichst jrnh-
zeittg operiert wissen wollcn, womöglich schon ani ersten
Krankheitstage' Jhnen gegenüber steht die große Grnppe
derjenigen Chirurgen, welche, gestützt auf ihre allerdings
sehr günsttge Mortalitätsstatistik, wenn irgend möglich
die Opcration erst in der anfallssreien Zeit vornehmen.

Dieser abweichende Standpunkt kam in den einieiten-
den Vorträgen von v. Büngne r-Hanau und Lauen-
stein -> Hambnrg deutlich zum Ausdruck. Als unbedingie
Anhänger der Frühoperatton bekennen sich Sonnenburg-
Berlin und Kareweski- Berlin. Sonnenburg glaubt,
daß die Operattons.resultate sich in den letzten Jahren dg°
'durch gebessert haben, daß der Chirnrg von den prak-
tis-chen Aerzten früher Httizngerufen wird- 38ie schwer
aber selbst bei glücklich überstandenem Anfall unter Um-
ständen die zurückgebliebenen Folgen sein können, geht
aus dcn Mtteilungen von F e d e r ma n n - Berlin
hervor, welcher sechsmal nach überstandener Blinddarm-
entzündung schwere D a r m v e r s ch l i n g u n g beobach-
tete, die dnrch entzündliche Verivachsnngen der Darm-
schlingen bedingt war. M e i s e l - Freiburg hat sehr
interessante anatoniische Studicn über die Zirkillations-
verhälttlisse in dem entzündeten Wurmfortsatz angestellt.
Kü ttne r -Tübingen hat die von Ehrlich angegebene
„Glykogknreaktton" des Blntes, welche eine Eiterung in
der Banchhöhle frühzeitig erkennen lassen soll, siurch zahl-
reiche Blntuntersuchungen nachgeprüft, hält aLer die an
sich Werwolle Methode für zn schwierig nnd zeitraubend,

als daß ihre allgemeine Eiiifiihrung in die chirurgischs
! Praxis empfohlen werdsii könnte.

Kleine Zeitung.

— Güstrvw, 7. April- Einem .Kanonier dcr 5. Bat-
terie des Holsteinischen Feldartillerie-Regintents Nr. 24
wnrde von einem Pferde eine Ohrmuichcl glätt aöge -
bisse n. Der Regimentsarzt hat üas Ohr sosort wieder
angenäht; es> ist Ausstcht vorhanden, daß es wieder an-
Wä-chst.

— Dic Kronprinzcssin vvn Rumänicn war dieser
Tage in ernster Lebensgefahr. Auf dem Heimweg nach
Kotrosen in den kronprinzlichen Palast griffen zwei
bissige Hnnde das von der Kroiiprinzessin gerittene Pferd
derartig an, baß es scheute nnd in rasendem Galopp
dahinsprengte. Da Lie Hmide das Pferd hartnäckig ver.°
solgten, geriet die Kronprinzcssin mehrmals in Gefahr,
abgeworfen zu werden. Glücklicherweise kamen rechtzeittg
zwei Husaren des Weges, die die Hunde mit Säbelhieben
niederstreckten. Die Kronprinzessin mußte mittels Wa-
gens- in den Palast zurückgebracht werden, da sie einem
Ohnma-chtsanfall nahe war.

-— Elf Ncger gclyncht. Ernstliche Rassenkämpse, die
mit einem allgemeinen Lynchen von Negern schlossen, ha»
ben kürzlich in Dewitt (Arkansas) stattgefunden. Der
Streit wurde dnrch zwei Neger veranlatzt, die bei einem
nnbedentenden Anlaß einen Mordangriss auf zwei Weiße
! machten, wobei der eine Weiße lebensgesährliche Ver-
 
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