Badischer Landtag.
Karlsruhe, 10. Mai. Der vom natlib. Mg.
«Obkircher entworfene Kommissionsbericht uber die
W e r s a s s u n g s v o r I a g e wurbe in ber heutigen
Sitzung >der Nerfassungskommission sestgestellt. Die um-
«fassende und gediegcne Arbeit des Berichterstatters ver-
^reitet sich über die geschichtliche und versassungsrechtliche
«Seite der einschlägigen Fragen. Me wichtigste Frage und
>der zur Zeit noch schwierigste DifsetenApunkt mit der
jGroßh. Regierung betrisft bekanntlich das Budget-
xecht 'der Zweiten Katttmer. Die Kommission hältz
,g r u n d s ä tz l i ch an der bisherigen verfassungsmäßigen
Gerechtigung der Zweiten Kammer in Budgetfragen
sest, also vor allem daran, daß ein von der Zweiten
Kammer im ganzen verworsenes Budget nicht an die
jErste Kammer gäbracht werden kann. Ter Bericht be-
-nerkt hierüber:
Was der Regierungsentwurf vorschlägt, beruht aber nicht
etwa auf dem Vorbilde, der in einem der anderen deutschen
Bundesstaaten oder überhaupt in einem deutschen Bundesstaate
bestehenden Einrichtung. Die Regierung will vielmehr in der
Zuteilung der in Bezug auf das Budget und auf das Finanzge-
seh jeder dcr beiden Kammern zukommenden Berechtigungen
einen Weg einschlagen, wie er überhaupt noch
in keinem Staat beschritten worden ist, und wie
er zu einer vollständigen Umkehrung des zur
Zeit bestehenden Rechtszustandes führen würde. Das Finanz-
gesetz und der Staatsvoranschlag sollen auch gegen eine Mehr-
heit der Zweiten Kammer im Wege der gemeinsamen Abstim-
mung der Mitglieder beider Kammern durch eine Mehrheit der
Ersten Kmnmer zusammen mit der Minderheit der Zweiten
Kammer zu Stande gebracht werden können. Diese Einrichtung
würde die Machtbefugnisse der Zweiten Kammer noch dadurch
weiter herabdrücken, datz bei der vorgesehenen nicht unerheblichen
Vermehrung der Mitgliederzahl der Ersten Kammer die Stim-
men der Ersten Kammer denjenigen der Zweiten Kammer ge-
genüber in ganz anderem Verhältnis als bisher ins Gewicht
sallen.
Es war in der Kommission von allem Anfang kein
Zweifel darüber, datz keines der Mitglieder einer solchen Re-
gelung zuftimmen könne. Man war einmütig darin, datz
es bei dem gegenwärtigen Zustcmde bleiben solle. Für diskutabel
wurde nur allenfalls angesehen die Zulassung einer zweimaligen
Beschlutzfassung bei differierenden Meinungen zwischen Erster
und Zweiter Kammer, jedoch in der Weise, datz schlietzlich, wie
bisher, das Votum der Zweiten Kammer dafür matzgebend sei,
in welcher Fassung der Entwurf zur gemeinsamen Abstimmung
beider Kammern zu bringen sei. Auch war man geneigt, in
eine gewisse engere Nmgrenzung der von dem Vorrecht der Zwei-
ten Kammer betroffenen Materien zu willigen.
Die Kommission sah sich zu ihrem Bedauern autzer Stande,
in dieser wichtigstcrr Frage zu einer Einigung mit der Grotzh.
Regierung zu kommen, sie gibt aber dennoch die Hoffnung nicht
auf, datz eine solche Uebereinstimmung sowohl mit der Grotzh.
Regierung, als mit dem anderen hohen Hause sich im Laufe
der weiteren Stadien, welche das Verfassungswerk noch zu
durchlaufen haben wird, wird erzielen lassen. Sie glaubt, datz
dazu in den Vorschlägen, welche sie dem hohen Hause zu unter-
breiten hat, der Boden geebnet ist.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem Kammervirtuofen Profefsor Hugo Becker 1n Frankfurt
a. M. die Erlaubnis zur Annahme urrd zum Tragen des ihm
von dem Grotzlherzog von Sachsen-Meiningen verliehenen Rit-
rerkreuzes 1. Klasse des Herzoglich >Sachfen-Ernestinischen
Hausordens erteilt.
— Buchhalter Philipp Reinfarth bei der Staaits-
fchuldenverwaltung wurde zum Oberbuchhalter daselbst er-
nannt.
Karlsruhe, 10. Ma-i. Der Großherzog nahm
jheute Dormittag von 11 Wr an 'üen Vortrag öes Präsi-
identen Dr. Nicolai entgegen und empfing dann den
Major von Mutius zur Vortragserstattuug. Jm Lctufe
jdes Nachmittags erteilten dsr Großherzog uNd' die Groß-
«herzogin dem Königlich Großbritannischen Geschäfts-
iträger Mr. Herbert un'd GemaWn eine Privataudienz.
fDie Prinzessin Wikhelm und die Herzogin von Anhalt
xeisten heute Bormittag 9 Uhr 36 Minuten nach Bäden-
Baden.
Aus Stadt und Laud.
Heidelberg. 11 Mai.
X Goldene Hochzeit. Herr Karl Abel, der vom Jahre
1877 bis 1900 Stadtrat war, feiert heute mit seiner Gemahlin
das Fest der goldenen Hochzeit. Jn der Frühe wurde - dem
Jubelpaar durch das städtische Orchefter ein Ständchen gebracht.
Später wurde es von der Stadtverwaltung mit einem herrlichen
Blumenarrangement erfreut. Um 11 Uhr begab fich eine De-
putation der Stadtverwaltung, bestehend aus den Herren Bür-
gcrmeister Dr. Walz und den Stadträten Amann und Eisenlohr
in die Wohnung des Jubelpaares und Lberbrachte die Glück-
wünschc dcr Stadt. Um halb 12 Uhr erschien Geh. Regierungs-
rat Dr. Becker und überreichte zwei von dem Grotzherzog über-
sandte Bilder, den Grotzherzog und die Grotzherzogin darstel-
lend. Die Harmonie, welcher Gesellschaft der JrMlar bereits
50 Jahrc angehört und deren Ehrenmitglicd er ist, lieh durch
eine Abordnung ebenfalls die herzlichsten GlückwüNsche über-
mitteln. Auhcrdem trafen von zcchlreichen Freunden und Be-
kannten dcr Familie Glückwünsche und Blumenspenden ein.
— Bon der Univcrsität. Die Nachricht von der Berufung
des Herrn Prof. Landsberg nach Strahbuvg ist falsch.
V Rechtsschutzftelle für Frauen und Mädchen. Montag, den
9. Mai, fand die zweite ordentliche Mitgliederversammlung
der „Rechtsschutzstelle für Frauen und Mädchen" im oberen
Saale des Restaurant der Stadthalle statt. Der Bericht des
Vorsitzenden ergab eine weitere Steigerung der Frequenz der
Sprechstunden und eine Vermehrung der Zahl der Vereinsmit-
glieder sowohl, als der deutschen Rechtsschutzstellen überhaupt,
für welche seit dem 1. April ds. Js. der „Rechtsschutzverband für
Frauen" besteht, dessen Zweck ihr Zusammenschluh zu wirksa-
mer Vertretung der gemeinsamen Jnteressen nach innen und
außen ist. Aus diesen Tatsachen sei die Hoffnung zu schöpfen,
datz der Rechtsschutzstelle für die Zukunft ein immer wachsender
Wirkungskreis beschieden scin werde. Zum Schluß sprach die
Vorsitzende ihren warmen Dank aus den hiesigen Herren An-
wälten, die den Verein durch ihren Rat unterstützten, ferner den
Heidelbcrger Zeitungen, welche seinen Bestrebungen immer
freundlich gegenübcrstehen und endlich dem Herrn Geh. Re-
gierungsrat Becker für sein Versprechen, diejenigen Polizei-
fälle, die sich zur gütlichen Vermittlung eignen, der Rechtsschutz-
stelle zuweisen zu wollen. Nach der Verlesung des Kassenberichts
ward die Vorstandswahl vorgenommen. Der bisherige Vor-
stand wurde wiedergewählt.
— Das Rote Kreuz. Die Nachrichten von den ersten blu-
tigen Landgefechten in Ostasien lcnken naturgemätz die Aufmerk-
samkeit auf die Organisation, welche bestimmt ist, den armen
Opfern des Kricges Hilfe zu bringen: Das Rote Kreuz.
Das japanische Rote Kreuz, vor etwa 20 Jahren gegründet,
hat nach einer segensreichen Friedenstätigkeit die ersten Erfah-
rungen in einem auswärtigen Kriege 1894—95 gesammelt zur
Zeit dcs japanisch-chinesischen Krieges und sich dcmn während
der chinesischen Wirren 1900—01 bewährt, hat damals in sei-
nen Hospitälern über 11 000 Personen verpflegt, auf seinen
Hospitalschiffen über 3000 Mann aufgenommen, darunter eine
ganze Anzahl von Ausländern. Jetzt wird das japanische Rote
Kreuz an verwundeten und erkrankten Japanern wie Russen
eine noch viel ausgedehntere Liebestätigkeit zu üben haben.
Um es hierin zu unterstützen, hat sich auch in DeutschIand
einAusschuh gebildet, der Gaben in Geld oder Material zur
Verwundeten- und Krankenpflcge sammelt. Er hat sich bisher
an einen kleinen Kreis mit schönen Erfolgen gewendet, tritt
aber jetzt an die breite Oeffentlichkeit mit dcr Bitte um Unter-
stützung. Dem Ausschusse gehören aus Heidelberg an die Herren
Geh. Kirchenrat Bassermann (Blumenstrahe 2) und Pro-
fessor Rathgen (Ziegelhäuser Landstraße 5). Diese Herren
sind gern bereit, Spenden in Empfang zu nehmen, ebenso wie
die nachfolgenden Banken: Bremer Filiale der Deutschen Bank,
Deutsch-Ostasiatische Bank, Berlin W. 64, Behrenstratze 14—16,
Hamburger Filiale der Deutschen Bank, Hongkong and Shanghai
Bankinq Corporation, Hamburg, Norddeutsche Bank, Hamburg.
st- Meisterprüfung. Am Montag, den 9. ds. Mts., fand im
Gewerbeschulgcbäude die Meistcrprüfung für das Sattler- und
Tapezierhandwerk statt. Es hatten sich als Prüflinge dazu ein-
gefunden die Herren Ewald, Keller und Kerber von Heidelberg
sowie Schleich von Wiesloch und Freimüller von Baierthal, und
es Fonnten sämtliche mit guten Erfolgen für bestanden erklärt
werden. — Bei der in Mannheim abgehaltenen Prüfung für
Tüncher- und Dekorationsmaler haben die Herren Karl Eck,
Heidelberg-Neuenheim und Johann Schmitt, Handschuhsheim,
die Meisterprüfung gut bestanden und damit das Recht erwor-
ben, den Meistertitel zu führen.
Beschäbigung der Speyercr Schifssbrücke. Jnfolge Beschä-
Ligung der Eifenbahnfchiffbrücke ber Speyer am 9. d. M. durch
ein vorüberfährendes Boot ist >der Verkehr auf 10—14 Tage
eingestellt. Die diesseitigen Züge verkehren nur zwischen
Heidelberg und Mluhheim. Personenverkehr über den Rhein
wird untcr Tag vorerst mrt Nachcn mifiecht erchalten.
Konstanz, 10. Mai. (Verschiedencs.) Jn fünf hie-
sigen Familien crkrankten Kinder, welche Kuchen gegessen
hatten, unter Vergiftungserscheinungen. Zu den
Kuchen war in der Drogerie Rabe Wcinstein gekauft worden.
Der Bäcker erhielt aber wahrscheinlich Brechweinstein. Herr
Rabe trifft keinc Schuld, da der Fabrikant das betr. Paket mit
dcm Etikett „Weinstein" versehen hatte. Drei Kinder sind noch
nicht autzer Gefahr. — Musikdirektor Handloser
konnte dieser Tage scin 40jähriges Militärdienstjubiläum be-
gehen. — 19 000 Jtaliener wurden im Februar, März
und April von Bregenz mit Extraschiffen und Trajektbooten nach
Konstanz befördert; die meisten kamen vom Arlberg her.
Handel und Äerkehr.
Mannheim, 10. Mai. Oberrheinische Bank —B.»,
93.00 G. Rketn. Kreditbank —B.. 138.— G. Rhein. Hypotheken-
Bank —.— G., 192 50 B. Brauerei Kleinlein, Heidelberq —D>.
—.— G-, Schroedl'sche Brauerei Heidelberg —B. —G.,
Portland-Zemcntwerk Heidelberg 116.— B-, —G.
Börsen-Bericht vom 9. Mai.
(Berlin.)
4st-°/o Chinesen 85.—
Diskonto Komm.-Aktien 184.10
Deutsche Bank-Aktien 219.60
Berl. Hand.-Ges.-Aktisn 153.20
Darmst. Bank-Aktien 137.20
Dresdener Bank-Aktien 153.—
Nat.-Bank für D.-Aktien 121.80
Schaaffhaus. Bankv.-Akc. 148.20
Bochumer Guß-Aktien 190.70
Dortmunder Union C.-Akt. 85.50
Gelsenk. Bergw- - Aklien 214.—
Harpener Aktien 196.—
Hibernia - Aktien 195.50
Kölner Bergwerk - Attien 411.—
Laura - Aktien
(F r a n k f u r t.)
3°/„ Deutsche Reichsanl. 89.80
3'///« Deutsche Reichsanl. 102.
3°/» Preuß. Consols 90.25
3'/s°/o Preuß. Consols 101.85
3Vs°/o abgest. Baden 99.90
4°/, Russische Staatsanl. 89.60
4°fi Ungar. Staatsrente 98.10
1°/« äutzere Argent. 1897 —.—
5°/o innere Mexikaner 42.90
Rbein. Kreditbank-Wien 138.20
Oberrhein. Bank-Attien 92.50
Heidelbg. Zement-Aktien 115.—
Allg. Elektr.-Ges.-Aktien 212.75
Oesterr. Kredit-Attien 200.80
Oestr- Staatsbahn-Attien 137.
Oesterr. Südbahn-Aktien 13.60
t°/o Hetdelberger 101.—
4°/o Mannheimer v. 1901 101.80
(L o n d o n.)
4°/o Japaner 70'/«
Goerz Shares 2'°/,g
Geoulo Shares 6°/,„
Great Fingall Shares 8°/„
Jvanhoe Shaxes 8'/,
Baltimore u. Ohio Shares 80'/,
Tanada Vacific Shares 120'/«
Privat-Diskont
3«/«
Reichsbank-Diskont
4°/°
Geldsorte«.
20 Franks-Stücke
16.29
Dollars in Gold
4.19
Engl. Sovcreigns
20.39
Oesterr. Notcn
85.20
Russische Noten
215°,.
Amerikantsche Noten
4.18'/,
20.42
Englische Noten
Wafferstiurdsuachrichte»
Neckar.
Heldelberg 11., 1.45, gef 0/ 3 m
Hellbronn 10., 0,83, gef. 0.11 m
Mannveim 10., 4 22, gef. 0.00 m
Rhein
Lauterburg, 10., 4.45, gef. 0.03 m
Maxau, 10., 4 58, qef. 0.02 m
Mannheim 10., 4.24, gef 0.02 m
Kleine Zeitung.
— Uebcr die Prügelci in Vencdcg, die im Zusammen-
'haug mit der Ari/wesenhest 'der Jacht „Hohenzollern" starrd,
wistd' noch Folgendes berichtet: Das Sozialisteniblatt hatte
tzinen Skandalartikel gelegentlrch des' Besnches des Karsers
Wilhelm bei der 'Gräfin Morosini mit ungebührlichen
Unfprelungen anf die Grästn Morosinr urrd die Gräfin
Brandolin, Hosdarne der Königin-Mutter, veröfient'licht.
Äls nun am Dormerstag Graf Hieronynrus Brandofin,
der Sohn der letztgenannten Hofidame, dem Direktor des
'genannten Blattes, Marangon i, begegnete, schlug er
ihn mit 'dem Stock ans den Kops. Es kam zu einem
Handgemenge, da die Freunde Brandolins diesern Bei-
stand leisteten. Marangoni flüchtete in einen Laden.
Wends versammelten sich! vor dem Cafe Forian unter den
Neuen Prokuratien, dern Stelldichein 'der sungen Aristo-
ffraten, eine Gruppe Sozialisten und firszenierten eine
jKnndgÄung. Die Polizei, Karabinieri und Milfiär zer-
jstreuten die Dernonstranten, die sich aber imrner wieder zu-
sam'menrottsten. (Es' wurden gegen 60 Verhaffiingen
joorgenommen. Während diese Szenen sich abspielten, saß
/die schöne Morosini im Fenice-Theater, wo sie dem Kon-
gerte des von Maesfio Marfircci dirigierten Konzertes
beiwohnte und gleich dem dort versarnmelten Pub'likum
d-err Orchesterstücken Beethovens und Wagners lebhaften
Beisall zollte. Lenbach- hat die schöne Morosini, als ste
rwch ein Mädchen von 17 Jahren war, malen wollen, aber
gmsonst, während der Vater 'daranf bestand, 'das Bild zu
hezählen. So blieb die schöne FungfraN ungenralt von
jLen'bach.
Sclbstwahrnehmung überzeugt. Mrtter (zu ihrem Tööh-
tercheu, das sein Räschen in das Fell ihres vierbelnigen Freun-
des, eittes Pudels, vergräbt): „Wer, Trudchen, pfui, was
machst Du denn da? — Trudchen: „Jch wollte bloß mal fehen,.
was die Lehrerin heute sagtel" — Mutter: „Nnn, Ivas denn?"
Trndchen: „Sie sagte, die Hunde hätten einen besorrders
glänzenden Zusammenspiels über seine Leistung erstaunen; aber
wohl nur, wer Gelegenheit hatte, ab und zu den Proben (na-
mentlich den ersten) beizuwohnen, zn beobachten, wie dieser mei-
stcrliche Regisseur seines Amtes waltete, jede Stellung und
Gruppierung sorgfältig ausprobierte (für den „Medicin" nach
den Regiebüchern der Comödie franqaise) jedemWort, jederGeste
Beachtung schenkte, Kostüme bis auf die Farbe der Stiefelab-
sätze genau angab, die Requisiten sorgfälttg auswählte, nur der
versteht den Aufwcmd von Arbeit, Gednld und Beharrlichkeit
vollkommen zu schätzen.
Mit diesen Regisseurstugenden verbindet aber Herr Olivier
hcrvorragende schauspielerische Qualitäten, von denen er ge-
stern Abend zwei sehr verschiedenartige Proben crblegte. Jm
„Singe de la mode" spielte er den Onkel Bardus. Wie drol-
lig war da sein polternder, dem eigensinnigen Neffen gegen-
Lber hilfloser, Zorn, sein bigottes Entsetzen über die sittenlosen
Absichten des jungen Fcmten. Aber vornehm, wie seine Erschei-
nung, blieb sein Spiel; der Freund der grundaristokratischen
Komtesse verleugnete sich nicht. Ganz anders zeigte sich Herr
Olivier in der Hauptrolle des Moliere'schen Stückes: Bis cm die
Grenzen herangehend, welcher dem Mutwillen anf der Bühne ge-
setzt sind, gab er den Sgcmarelle mit einer Verve, einem Witz,
und bei alledem mit einer Liebenswürdigkeit, welche die Zu-
schauer hinreitzen mutzte , mit einer virtuosen Technik des
Sprechens, welche ihn die Bewunderung der Kenner erwarb.
Doch nun von dem Meister zn seiner Truppe. Wenn wir
oben gesagt haben, datz diese aus Dilettanten beftand, so müs-
sen wir hier hinzufügen, daß es zumeist sehr beträchtliche Ta-
lente waren, und datz der Ernst und Fleitz, mit dem sie sich ihrcr
Anfgabe zuwandten, den dilettantenhaften Charakter fast ganz
weglöschte.
Wir schenken nnscre Aufmerksamkeit zuerst den Herren, weil
ihnen die Hauptaufgabe des Abends zugefallen war. Und da
erwähnen wir ganz besonders die Herren Riberette und
B a u d o t. Herr Riberette spielte, nachdem er fich im „Singe
de la mode" mit einer unbedeutenden Rolle vorteilhaft einge-
führt hatte, den Lucas in dem Moliere'schen Stück mit wahrhaft
unwiderstehlicher nnd dabei stets matzvoller Komik; er stattete
dic Figur mit einer gewiffen Schwerfälligkeit, einem zähen
Phlegma, einem Zuge von bäuerlicher Hartköpfigkeit aus, welche,
in Verbindung mit einer vortrefflichen Aussprache des Dialekts
grotze Wirkung hervorbrachte. Herr Baudot hatte nächst
Herrn Olivier die umfangreichste schauspielcrische Aufgabe
zu erfüllen; er spielte dcn „Singe de la mode" mit der ganzen
Affektiertheit, Gespreiztheit und falschen Eleganz, welche die
Rolle erfordert. Nur durch eine solche Leistung kann die Auf-
führung des Stückes überhaupt gehalten werden. Jm „Medecin
malgre lui" fiel Herrn Baudot die Rolle des Geronte zu.
Ganz abgestreift war der jugendliche Mutwillen, und ein trip-
pclndes Männchen von höchst ergötzlicher Komik erschien vor
unseren Blicken; fast zu greisenhaft trat es anf; hätten nicht die
Aufwallungen dcs Zornes immerhin noch männliche Kräfte ver-
raten, so hätte man sogar zweifelhaft werden können, ob der
brave Geronte sich wirklich mit Recht als die Ursache des Ereig-
nisses bezeichnet, welches die Amme in sein Haus rief. — Den
übrigen Herren waren meist kleinere Rollen zugefallen, mit wel-
chen sie sich alle sehr geschickt abzufinden wußten; vor allem
war die Frische und ungezwungene Lcichtigkeit des Zusammen-
spiels zu loben.
An Damcn scheint die auf dem Theaterzettel prangendc
„französische Kolonie" einigermatzen Mangel zu leiden; we-
nigstens hatte sie gestern Abend nur eine Vertreterin entsandt;
mit diescr aber konnte sie Ehre einlegcn. Frl. Elles offen-
barte als Schauspielerin eine neue Seite ihrer reichcn Bega-
bung. Nicht weniger als drei Rollen waren ihr zugefallen; zu-
nächst trat fie im „Singe de la mode" als Komteffe auf; die
Rolle rief sie nur für wenige Minnten auf die Bühne; aber was
in der kurzen Zeit zur Charakterisierung geschehen konnte, hat
sie geleistet; man kann unmöglich aristokratischer aussehen,
Adelsstolz und Snffisance durch Wort und Geste nicht stärker
zum Ausdruck bringen; gleich den gewaltigen Falten und Buffen
des prächtigen Gewandes blähte sich der Hochmnt dieser Frau.
Jn dem Moliöre'schen Stück spielte Frl. Elles die Martine
und Jacqneline. Wic prächtig sausten dem nichtsnutzigen Sga-
narelle die Schimpfreden seiner erzürnten Gattin um den Kopf,
wie hübsch wurde der wohlmeincnde Nachbar abgefertigt, wie
lustig der Racheplan ins Werk gesetzt! Aks Frau des Lucas war
die Darstellcrin eine würdigc Partnerin des oben schon gerühm-
ten Herrn Riberette; die bedenklichen Neckereien des Sga-
narelle aber erwiderte Jacqueline mit jener sicheren Fröhlrch-
keit der Fraucn von Windsor, bon dencn es heitzt: „ein Weib
kann lustig und doch ehrbar sein". Waren so die drei Frauen-
rollen durch scharfe Charakterisiernng wohl unterschieden, so-
hatten sie doch jedenfalls eine, sehr schätzenswerte, Eigenschaft
gemcin, für wclche Sganarelle einen zwar derben, aber zutref-
fenden Ausdruck gebrancht: „Peste! le joli meuble que voila!"
Die beiden kleincn Mädchenrollen wcrdcn von zwei jnngen
Heidelberger Damen hübsch gespielt.
Nun noch ein Wort über die Ausstattung, welche mit der
grötzten Sorgfalt nach den Vorfchriften der Traditton gestaltet
war. Die Perrücken warcn von der Comcdie franqaise ent-
liehen: das verlengnete sich nicht: wie entzückend sah z. B. der
jugendliche Lecmdre in seiner blonden Mähne aus! Oliviers
Kostüme waren in Paris angefertigt; die übrigen Herren
wählten sich schöne Stücke aus der Garderobe des Heidellierger
Stadttheaters. Die Kostüme der Komtesie und ihrer Tochter,
der Martinc und der Jacqueline, streng im Stile gehalten,
jedes ein Meisterwerk in seiner Art, entstammten dem Atelier
Poncet. —
Das Haus war dicht besetzt; die Zuschauer drückten den Dar-
stellern ihren Dank durch lauten Beifall und zahlreiche Blumen-
spcnden aus. —
Die Aufführung, über welche wir berichtet haben, figurierte
als Veranstaltung des Hebbel-Vereins; dieser kann sich Glück
wünschen, datz ihm ein solcher Erfolg fast mühclos in den Schotz.
fiel. Grotzen Dank schuldet er allen denen, welche in wochen-
langer Arbeit, nnd znm Teil unter nicht unbeträchtlichen Kosten,
seiner Sache gedient haben. Möge ihm der gestrige Abend als-
Ansporn zu neuen Taten dienenl
Jmmer nobel. Protz: „Jch möchte einen Extrazug nehmenk
Wer bitte, zwei Lokomotiven — ich sahre nie etnspännig l"
Viel genossen, viel gelitten
Und das Glück lag in der Mitten,
Viel cmpfunden, Nichts erworbcn,
Froh gelobt und leicht gestorben.
Fragt ntcht nach der Zahl der Jahre,
Kein Kalender ist die Bahre
Und der Menfch im Letchentuch .
Bleibt ein zngeklapptes Bnch.
Deshalb Wand'rer zieh doch wetter,
Denn Verwesung stimmt nicht heiter. ^ r
Karlsruhe, 10. Mai. Der vom natlib. Mg.
«Obkircher entworfene Kommissionsbericht uber die
W e r s a s s u n g s v o r I a g e wurbe in ber heutigen
Sitzung >der Nerfassungskommission sestgestellt. Die um-
«fassende und gediegcne Arbeit des Berichterstatters ver-
^reitet sich über die geschichtliche und versassungsrechtliche
«Seite der einschlägigen Fragen. Me wichtigste Frage und
>der zur Zeit noch schwierigste DifsetenApunkt mit der
jGroßh. Regierung betrisft bekanntlich das Budget-
xecht 'der Zweiten Katttmer. Die Kommission hältz
,g r u n d s ä tz l i ch an der bisherigen verfassungsmäßigen
Gerechtigung der Zweiten Kammer in Budgetfragen
sest, also vor allem daran, daß ein von der Zweiten
Kammer im ganzen verworsenes Budget nicht an die
jErste Kammer gäbracht werden kann. Ter Bericht be-
-nerkt hierüber:
Was der Regierungsentwurf vorschlägt, beruht aber nicht
etwa auf dem Vorbilde, der in einem der anderen deutschen
Bundesstaaten oder überhaupt in einem deutschen Bundesstaate
bestehenden Einrichtung. Die Regierung will vielmehr in der
Zuteilung der in Bezug auf das Budget und auf das Finanzge-
seh jeder dcr beiden Kammern zukommenden Berechtigungen
einen Weg einschlagen, wie er überhaupt noch
in keinem Staat beschritten worden ist, und wie
er zu einer vollständigen Umkehrung des zur
Zeit bestehenden Rechtszustandes führen würde. Das Finanz-
gesetz und der Staatsvoranschlag sollen auch gegen eine Mehr-
heit der Zweiten Kammer im Wege der gemeinsamen Abstim-
mung der Mitglieder beider Kammern durch eine Mehrheit der
Ersten Kmnmer zusammen mit der Minderheit der Zweiten
Kammer zu Stande gebracht werden können. Diese Einrichtung
würde die Machtbefugnisse der Zweiten Kammer noch dadurch
weiter herabdrücken, datz bei der vorgesehenen nicht unerheblichen
Vermehrung der Mitgliederzahl der Ersten Kammer die Stim-
men der Ersten Kammer denjenigen der Zweiten Kammer ge-
genüber in ganz anderem Verhältnis als bisher ins Gewicht
sallen.
Es war in der Kommission von allem Anfang kein
Zweifel darüber, datz keines der Mitglieder einer solchen Re-
gelung zuftimmen könne. Man war einmütig darin, datz
es bei dem gegenwärtigen Zustcmde bleiben solle. Für diskutabel
wurde nur allenfalls angesehen die Zulassung einer zweimaligen
Beschlutzfassung bei differierenden Meinungen zwischen Erster
und Zweiter Kammer, jedoch in der Weise, datz schlietzlich, wie
bisher, das Votum der Zweiten Kammer dafür matzgebend sei,
in welcher Fassung der Entwurf zur gemeinsamen Abstimmung
beider Kammern zu bringen sei. Auch war man geneigt, in
eine gewisse engere Nmgrenzung der von dem Vorrecht der Zwei-
ten Kammer betroffenen Materien zu willigen.
Die Kommission sah sich zu ihrem Bedauern autzer Stande,
in dieser wichtigstcrr Frage zu einer Einigung mit der Grotzh.
Regierung zu kommen, sie gibt aber dennoch die Hoffnung nicht
auf, datz eine solche Uebereinstimmung sowohl mit der Grotzh.
Regierung, als mit dem anderen hohen Hause sich im Laufe
der weiteren Stadien, welche das Verfassungswerk noch zu
durchlaufen haben wird, wird erzielen lassen. Sie glaubt, datz
dazu in den Vorschlägen, welche sie dem hohen Hause zu unter-
breiten hat, der Boden geebnet ist.
Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben
dem Kammervirtuofen Profefsor Hugo Becker 1n Frankfurt
a. M. die Erlaubnis zur Annahme urrd zum Tragen des ihm
von dem Grotzlherzog von Sachsen-Meiningen verliehenen Rit-
rerkreuzes 1. Klasse des Herzoglich >Sachfen-Ernestinischen
Hausordens erteilt.
— Buchhalter Philipp Reinfarth bei der Staaits-
fchuldenverwaltung wurde zum Oberbuchhalter daselbst er-
nannt.
Karlsruhe, 10. Ma-i. Der Großherzog nahm
jheute Dormittag von 11 Wr an 'üen Vortrag öes Präsi-
identen Dr. Nicolai entgegen und empfing dann den
Major von Mutius zur Vortragserstattuug. Jm Lctufe
jdes Nachmittags erteilten dsr Großherzog uNd' die Groß-
«herzogin dem Königlich Großbritannischen Geschäfts-
iträger Mr. Herbert un'd GemaWn eine Privataudienz.
fDie Prinzessin Wikhelm und die Herzogin von Anhalt
xeisten heute Bormittag 9 Uhr 36 Minuten nach Bäden-
Baden.
Aus Stadt und Laud.
Heidelberg. 11 Mai.
X Goldene Hochzeit. Herr Karl Abel, der vom Jahre
1877 bis 1900 Stadtrat war, feiert heute mit seiner Gemahlin
das Fest der goldenen Hochzeit. Jn der Frühe wurde - dem
Jubelpaar durch das städtische Orchefter ein Ständchen gebracht.
Später wurde es von der Stadtverwaltung mit einem herrlichen
Blumenarrangement erfreut. Um 11 Uhr begab fich eine De-
putation der Stadtverwaltung, bestehend aus den Herren Bür-
gcrmeister Dr. Walz und den Stadträten Amann und Eisenlohr
in die Wohnung des Jubelpaares und Lberbrachte die Glück-
wünschc dcr Stadt. Um halb 12 Uhr erschien Geh. Regierungs-
rat Dr. Becker und überreichte zwei von dem Grotzherzog über-
sandte Bilder, den Grotzherzog und die Grotzherzogin darstel-
lend. Die Harmonie, welcher Gesellschaft der JrMlar bereits
50 Jahrc angehört und deren Ehrenmitglicd er ist, lieh durch
eine Abordnung ebenfalls die herzlichsten GlückwüNsche über-
mitteln. Auhcrdem trafen von zcchlreichen Freunden und Be-
kannten dcr Familie Glückwünsche und Blumenspenden ein.
— Bon der Univcrsität. Die Nachricht von der Berufung
des Herrn Prof. Landsberg nach Strahbuvg ist falsch.
V Rechtsschutzftelle für Frauen und Mädchen. Montag, den
9. Mai, fand die zweite ordentliche Mitgliederversammlung
der „Rechtsschutzstelle für Frauen und Mädchen" im oberen
Saale des Restaurant der Stadthalle statt. Der Bericht des
Vorsitzenden ergab eine weitere Steigerung der Frequenz der
Sprechstunden und eine Vermehrung der Zahl der Vereinsmit-
glieder sowohl, als der deutschen Rechtsschutzstellen überhaupt,
für welche seit dem 1. April ds. Js. der „Rechtsschutzverband für
Frauen" besteht, dessen Zweck ihr Zusammenschluh zu wirksa-
mer Vertretung der gemeinsamen Jnteressen nach innen und
außen ist. Aus diesen Tatsachen sei die Hoffnung zu schöpfen,
datz der Rechtsschutzstelle für die Zukunft ein immer wachsender
Wirkungskreis beschieden scin werde. Zum Schluß sprach die
Vorsitzende ihren warmen Dank aus den hiesigen Herren An-
wälten, die den Verein durch ihren Rat unterstützten, ferner den
Heidelbcrger Zeitungen, welche seinen Bestrebungen immer
freundlich gegenübcrstehen und endlich dem Herrn Geh. Re-
gierungsrat Becker für sein Versprechen, diejenigen Polizei-
fälle, die sich zur gütlichen Vermittlung eignen, der Rechtsschutz-
stelle zuweisen zu wollen. Nach der Verlesung des Kassenberichts
ward die Vorstandswahl vorgenommen. Der bisherige Vor-
stand wurde wiedergewählt.
— Das Rote Kreuz. Die Nachrichten von den ersten blu-
tigen Landgefechten in Ostasien lcnken naturgemätz die Aufmerk-
samkeit auf die Organisation, welche bestimmt ist, den armen
Opfern des Kricges Hilfe zu bringen: Das Rote Kreuz.
Das japanische Rote Kreuz, vor etwa 20 Jahren gegründet,
hat nach einer segensreichen Friedenstätigkeit die ersten Erfah-
rungen in einem auswärtigen Kriege 1894—95 gesammelt zur
Zeit dcs japanisch-chinesischen Krieges und sich dcmn während
der chinesischen Wirren 1900—01 bewährt, hat damals in sei-
nen Hospitälern über 11 000 Personen verpflegt, auf seinen
Hospitalschiffen über 3000 Mann aufgenommen, darunter eine
ganze Anzahl von Ausländern. Jetzt wird das japanische Rote
Kreuz an verwundeten und erkrankten Japanern wie Russen
eine noch viel ausgedehntere Liebestätigkeit zu üben haben.
Um es hierin zu unterstützen, hat sich auch in DeutschIand
einAusschuh gebildet, der Gaben in Geld oder Material zur
Verwundeten- und Krankenpflcge sammelt. Er hat sich bisher
an einen kleinen Kreis mit schönen Erfolgen gewendet, tritt
aber jetzt an die breite Oeffentlichkeit mit dcr Bitte um Unter-
stützung. Dem Ausschusse gehören aus Heidelberg an die Herren
Geh. Kirchenrat Bassermann (Blumenstrahe 2) und Pro-
fessor Rathgen (Ziegelhäuser Landstraße 5). Diese Herren
sind gern bereit, Spenden in Empfang zu nehmen, ebenso wie
die nachfolgenden Banken: Bremer Filiale der Deutschen Bank,
Deutsch-Ostasiatische Bank, Berlin W. 64, Behrenstratze 14—16,
Hamburger Filiale der Deutschen Bank, Hongkong and Shanghai
Bankinq Corporation, Hamburg, Norddeutsche Bank, Hamburg.
st- Meisterprüfung. Am Montag, den 9. ds. Mts., fand im
Gewerbeschulgcbäude die Meistcrprüfung für das Sattler- und
Tapezierhandwerk statt. Es hatten sich als Prüflinge dazu ein-
gefunden die Herren Ewald, Keller und Kerber von Heidelberg
sowie Schleich von Wiesloch und Freimüller von Baierthal, und
es Fonnten sämtliche mit guten Erfolgen für bestanden erklärt
werden. — Bei der in Mannheim abgehaltenen Prüfung für
Tüncher- und Dekorationsmaler haben die Herren Karl Eck,
Heidelberg-Neuenheim und Johann Schmitt, Handschuhsheim,
die Meisterprüfung gut bestanden und damit das Recht erwor-
ben, den Meistertitel zu führen.
Beschäbigung der Speyercr Schifssbrücke. Jnfolge Beschä-
Ligung der Eifenbahnfchiffbrücke ber Speyer am 9. d. M. durch
ein vorüberfährendes Boot ist >der Verkehr auf 10—14 Tage
eingestellt. Die diesseitigen Züge verkehren nur zwischen
Heidelberg und Mluhheim. Personenverkehr über den Rhein
wird untcr Tag vorerst mrt Nachcn mifiecht erchalten.
Konstanz, 10. Mai. (Verschiedencs.) Jn fünf hie-
sigen Familien crkrankten Kinder, welche Kuchen gegessen
hatten, unter Vergiftungserscheinungen. Zu den
Kuchen war in der Drogerie Rabe Wcinstein gekauft worden.
Der Bäcker erhielt aber wahrscheinlich Brechweinstein. Herr
Rabe trifft keinc Schuld, da der Fabrikant das betr. Paket mit
dcm Etikett „Weinstein" versehen hatte. Drei Kinder sind noch
nicht autzer Gefahr. — Musikdirektor Handloser
konnte dieser Tage scin 40jähriges Militärdienstjubiläum be-
gehen. — 19 000 Jtaliener wurden im Februar, März
und April von Bregenz mit Extraschiffen und Trajektbooten nach
Konstanz befördert; die meisten kamen vom Arlberg her.
Handel und Äerkehr.
Mannheim, 10. Mai. Oberrheinische Bank —B.»,
93.00 G. Rketn. Kreditbank —B.. 138.— G. Rhein. Hypotheken-
Bank —.— G., 192 50 B. Brauerei Kleinlein, Heidelberq —D>.
—.— G-, Schroedl'sche Brauerei Heidelberg —B. —G.,
Portland-Zemcntwerk Heidelberg 116.— B-, —G.
Börsen-Bericht vom 9. Mai.
(Berlin.)
4st-°/o Chinesen 85.—
Diskonto Komm.-Aktien 184.10
Deutsche Bank-Aktien 219.60
Berl. Hand.-Ges.-Aktisn 153.20
Darmst. Bank-Aktien 137.20
Dresdener Bank-Aktien 153.—
Nat.-Bank für D.-Aktien 121.80
Schaaffhaus. Bankv.-Akc. 148.20
Bochumer Guß-Aktien 190.70
Dortmunder Union C.-Akt. 85.50
Gelsenk. Bergw- - Aklien 214.—
Harpener Aktien 196.—
Hibernia - Aktien 195.50
Kölner Bergwerk - Attien 411.—
Laura - Aktien
(F r a n k f u r t.)
3°/„ Deutsche Reichsanl. 89.80
3'///« Deutsche Reichsanl. 102.
3°/» Preuß. Consols 90.25
3'/s°/o Preuß. Consols 101.85
3Vs°/o abgest. Baden 99.90
4°/, Russische Staatsanl. 89.60
4°fi Ungar. Staatsrente 98.10
1°/« äutzere Argent. 1897 —.—
5°/o innere Mexikaner 42.90
Rbein. Kreditbank-Wien 138.20
Oberrhein. Bank-Attien 92.50
Heidelbg. Zement-Aktien 115.—
Allg. Elektr.-Ges.-Aktien 212.75
Oesterr. Kredit-Attien 200.80
Oestr- Staatsbahn-Attien 137.
Oesterr. Südbahn-Aktien 13.60
t°/o Hetdelberger 101.—
4°/o Mannheimer v. 1901 101.80
(L o n d o n.)
4°/o Japaner 70'/«
Goerz Shares 2'°/,g
Geoulo Shares 6°/,„
Great Fingall Shares 8°/„
Jvanhoe Shaxes 8'/,
Baltimore u. Ohio Shares 80'/,
Tanada Vacific Shares 120'/«
Privat-Diskont
3«/«
Reichsbank-Diskont
4°/°
Geldsorte«.
20 Franks-Stücke
16.29
Dollars in Gold
4.19
Engl. Sovcreigns
20.39
Oesterr. Notcn
85.20
Russische Noten
215°,.
Amerikantsche Noten
4.18'/,
20.42
Englische Noten
Wafferstiurdsuachrichte»
Neckar.
Heldelberg 11., 1.45, gef 0/ 3 m
Hellbronn 10., 0,83, gef. 0.11 m
Mannveim 10., 4 22, gef. 0.00 m
Rhein
Lauterburg, 10., 4.45, gef. 0.03 m
Maxau, 10., 4 58, qef. 0.02 m
Mannheim 10., 4.24, gef 0.02 m
Kleine Zeitung.
— Uebcr die Prügelci in Vencdcg, die im Zusammen-
'haug mit der Ari/wesenhest 'der Jacht „Hohenzollern" starrd,
wistd' noch Folgendes berichtet: Das Sozialisteniblatt hatte
tzinen Skandalartikel gelegentlrch des' Besnches des Karsers
Wilhelm bei der 'Gräfin Morosini mit ungebührlichen
Unfprelungen anf die Grästn Morosinr urrd die Gräfin
Brandolin, Hosdarne der Königin-Mutter, veröfient'licht.
Äls nun am Dormerstag Graf Hieronynrus Brandofin,
der Sohn der letztgenannten Hofidame, dem Direktor des
'genannten Blattes, Marangon i, begegnete, schlug er
ihn mit 'dem Stock ans den Kops. Es kam zu einem
Handgemenge, da die Freunde Brandolins diesern Bei-
stand leisteten. Marangoni flüchtete in einen Laden.
Wends versammelten sich! vor dem Cafe Forian unter den
Neuen Prokuratien, dern Stelldichein 'der sungen Aristo-
ffraten, eine Gruppe Sozialisten und firszenierten eine
jKnndgÄung. Die Polizei, Karabinieri und Milfiär zer-
jstreuten die Dernonstranten, die sich aber imrner wieder zu-
sam'menrottsten. (Es' wurden gegen 60 Verhaffiingen
joorgenommen. Während diese Szenen sich abspielten, saß
/die schöne Morosini im Fenice-Theater, wo sie dem Kon-
gerte des von Maesfio Marfircci dirigierten Konzertes
beiwohnte und gleich dem dort versarnmelten Pub'likum
d-err Orchesterstücken Beethovens und Wagners lebhaften
Beisall zollte. Lenbach- hat die schöne Morosini, als ste
rwch ein Mädchen von 17 Jahren war, malen wollen, aber
gmsonst, während der Vater 'daranf bestand, 'das Bild zu
hezählen. So blieb die schöne FungfraN ungenralt von
jLen'bach.
Sclbstwahrnehmung überzeugt. Mrtter (zu ihrem Tööh-
tercheu, das sein Räschen in das Fell ihres vierbelnigen Freun-
des, eittes Pudels, vergräbt): „Wer, Trudchen, pfui, was
machst Du denn da? — Trudchen: „Jch wollte bloß mal fehen,.
was die Lehrerin heute sagtel" — Mutter: „Nnn, Ivas denn?"
Trndchen: „Sie sagte, die Hunde hätten einen besorrders
glänzenden Zusammenspiels über seine Leistung erstaunen; aber
wohl nur, wer Gelegenheit hatte, ab und zu den Proben (na-
mentlich den ersten) beizuwohnen, zn beobachten, wie dieser mei-
stcrliche Regisseur seines Amtes waltete, jede Stellung und
Gruppierung sorgfältig ausprobierte (für den „Medicin" nach
den Regiebüchern der Comödie franqaise) jedemWort, jederGeste
Beachtung schenkte, Kostüme bis auf die Farbe der Stiefelab-
sätze genau angab, die Requisiten sorgfälttg auswählte, nur der
versteht den Aufwcmd von Arbeit, Gednld und Beharrlichkeit
vollkommen zu schätzen.
Mit diesen Regisseurstugenden verbindet aber Herr Olivier
hcrvorragende schauspielerische Qualitäten, von denen er ge-
stern Abend zwei sehr verschiedenartige Proben crblegte. Jm
„Singe de la mode" spielte er den Onkel Bardus. Wie drol-
lig war da sein polternder, dem eigensinnigen Neffen gegen-
Lber hilfloser, Zorn, sein bigottes Entsetzen über die sittenlosen
Absichten des jungen Fcmten. Aber vornehm, wie seine Erschei-
nung, blieb sein Spiel; der Freund der grundaristokratischen
Komtesse verleugnete sich nicht. Ganz anders zeigte sich Herr
Olivier in der Hauptrolle des Moliere'schen Stückes: Bis cm die
Grenzen herangehend, welcher dem Mutwillen anf der Bühne ge-
setzt sind, gab er den Sgcmarelle mit einer Verve, einem Witz,
und bei alledem mit einer Liebenswürdigkeit, welche die Zu-
schauer hinreitzen mutzte , mit einer virtuosen Technik des
Sprechens, welche ihn die Bewunderung der Kenner erwarb.
Doch nun von dem Meister zn seiner Truppe. Wenn wir
oben gesagt haben, datz diese aus Dilettanten beftand, so müs-
sen wir hier hinzufügen, daß es zumeist sehr beträchtliche Ta-
lente waren, und datz der Ernst und Fleitz, mit dem sie sich ihrcr
Anfgabe zuwandten, den dilettantenhaften Charakter fast ganz
weglöschte.
Wir schenken nnscre Aufmerksamkeit zuerst den Herren, weil
ihnen die Hauptaufgabe des Abends zugefallen war. Und da
erwähnen wir ganz besonders die Herren Riberette und
B a u d o t. Herr Riberette spielte, nachdem er fich im „Singe
de la mode" mit einer unbedeutenden Rolle vorteilhaft einge-
führt hatte, den Lucas in dem Moliere'schen Stück mit wahrhaft
unwiderstehlicher nnd dabei stets matzvoller Komik; er stattete
dic Figur mit einer gewiffen Schwerfälligkeit, einem zähen
Phlegma, einem Zuge von bäuerlicher Hartköpfigkeit aus, welche,
in Verbindung mit einer vortrefflichen Aussprache des Dialekts
grotze Wirkung hervorbrachte. Herr Baudot hatte nächst
Herrn Olivier die umfangreichste schauspielcrische Aufgabe
zu erfüllen; er spielte dcn „Singe de la mode" mit der ganzen
Affektiertheit, Gespreiztheit und falschen Eleganz, welche die
Rolle erfordert. Nur durch eine solche Leistung kann die Auf-
führung des Stückes überhaupt gehalten werden. Jm „Medecin
malgre lui" fiel Herrn Baudot die Rolle des Geronte zu.
Ganz abgestreift war der jugendliche Mutwillen, und ein trip-
pclndes Männchen von höchst ergötzlicher Komik erschien vor
unseren Blicken; fast zu greisenhaft trat es anf; hätten nicht die
Aufwallungen dcs Zornes immerhin noch männliche Kräfte ver-
raten, so hätte man sogar zweifelhaft werden können, ob der
brave Geronte sich wirklich mit Recht als die Ursache des Ereig-
nisses bezeichnet, welches die Amme in sein Haus rief. — Den
übrigen Herren waren meist kleinere Rollen zugefallen, mit wel-
chen sie sich alle sehr geschickt abzufinden wußten; vor allem
war die Frische und ungezwungene Lcichtigkeit des Zusammen-
spiels zu loben.
An Damcn scheint die auf dem Theaterzettel prangendc
„französische Kolonie" einigermatzen Mangel zu leiden; we-
nigstens hatte sie gestern Abend nur eine Vertreterin entsandt;
mit diescr aber konnte sie Ehre einlegcn. Frl. Elles offen-
barte als Schauspielerin eine neue Seite ihrer reichcn Bega-
bung. Nicht weniger als drei Rollen waren ihr zugefallen; zu-
nächst trat fie im „Singe de la mode" als Komteffe auf; die
Rolle rief sie nur für wenige Minnten auf die Bühne; aber was
in der kurzen Zeit zur Charakterisierung geschehen konnte, hat
sie geleistet; man kann unmöglich aristokratischer aussehen,
Adelsstolz und Snffisance durch Wort und Geste nicht stärker
zum Ausdruck bringen; gleich den gewaltigen Falten und Buffen
des prächtigen Gewandes blähte sich der Hochmnt dieser Frau.
Jn dem Moliöre'schen Stück spielte Frl. Elles die Martine
und Jacqneline. Wic prächtig sausten dem nichtsnutzigen Sga-
narelle die Schimpfreden seiner erzürnten Gattin um den Kopf,
wie hübsch wurde der wohlmeincnde Nachbar abgefertigt, wie
lustig der Racheplan ins Werk gesetzt! Aks Frau des Lucas war
die Darstellcrin eine würdigc Partnerin des oben schon gerühm-
ten Herrn Riberette; die bedenklichen Neckereien des Sga-
narelle aber erwiderte Jacqueline mit jener sicheren Fröhlrch-
keit der Fraucn von Windsor, bon dencn es heitzt: „ein Weib
kann lustig und doch ehrbar sein". Waren so die drei Frauen-
rollen durch scharfe Charakterisiernng wohl unterschieden, so-
hatten sie doch jedenfalls eine, sehr schätzenswerte, Eigenschaft
gemcin, für wclche Sganarelle einen zwar derben, aber zutref-
fenden Ausdruck gebrancht: „Peste! le joli meuble que voila!"
Die beiden kleincn Mädchenrollen wcrdcn von zwei jnngen
Heidelberger Damen hübsch gespielt.
Nun noch ein Wort über die Ausstattung, welche mit der
grötzten Sorgfalt nach den Vorfchriften der Traditton gestaltet
war. Die Perrücken warcn von der Comcdie franqaise ent-
liehen: das verlengnete sich nicht: wie entzückend sah z. B. der
jugendliche Lecmdre in seiner blonden Mähne aus! Oliviers
Kostüme waren in Paris angefertigt; die übrigen Herren
wählten sich schöne Stücke aus der Garderobe des Heidellierger
Stadttheaters. Die Kostüme der Komtesie und ihrer Tochter,
der Martinc und der Jacqueline, streng im Stile gehalten,
jedes ein Meisterwerk in seiner Art, entstammten dem Atelier
Poncet. —
Das Haus war dicht besetzt; die Zuschauer drückten den Dar-
stellern ihren Dank durch lauten Beifall und zahlreiche Blumen-
spcnden aus. —
Die Aufführung, über welche wir berichtet haben, figurierte
als Veranstaltung des Hebbel-Vereins; dieser kann sich Glück
wünschen, datz ihm ein solcher Erfolg fast mühclos in den Schotz.
fiel. Grotzen Dank schuldet er allen denen, welche in wochen-
langer Arbeit, nnd znm Teil unter nicht unbeträchtlichen Kosten,
seiner Sache gedient haben. Möge ihm der gestrige Abend als-
Ansporn zu neuen Taten dienenl
Jmmer nobel. Protz: „Jch möchte einen Extrazug nehmenk
Wer bitte, zwei Lokomotiven — ich sahre nie etnspännig l"
Viel genossen, viel gelitten
Und das Glück lag in der Mitten,
Viel cmpfunden, Nichts erworbcn,
Froh gelobt und leicht gestorben.
Fragt ntcht nach der Zahl der Jahre,
Kein Kalender ist die Bahre
Und der Menfch im Letchentuch .
Bleibt ein zngeklapptes Bnch.
Deshalb Wand'rer zieh doch wetter,
Denn Verwesung stimmt nicht heiter. ^ r