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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 26-50 (1. Februar 1904 - 29. Februar 1904)
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Deutscher Reichstag.

Berlin, 17. Febr.

Der Gesetzentwurf betreffend Aenderung der Reichs-
schuldenordnung wird unverändert definitiv angenommen.
Jn der fortgesetzten Etatsberatung des Reichsamts
des Jnnern führt

Abg. Singer (Soz.) bei der Position zur Förderung
der Herstellunz von Kleinwohnungen für Arbeiter und gering-
besoldete Beamte des Reiches aus, aus Reichsmitteln seien viet-
fach Mittel an Baugenofsenschaften gegeben worden, welche Er-
werbshäuser errichteten, nämlich Häuser, die später in den Be-
sitz der Beamten übergehen. Für solche Zwecke dürften die
Mittel nicht verwendet werden.

Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowskh crklärt, ein
dauernder sozialpalitifcher Zweck könne nur dann mit der Sache
verbunden werden, !venn die Häuser billige Mietshäuser Llie-
ben. Eine Ausnahme davon sei nur in geringen Fällen zuläf-
fig. Er hoffe, nach Ostern eine eingehende Berichterstattung
über die Angelegercheit vorlegen zu können.

An der weiteren Debatte hierüber beteiligen sich die Abgg.
Kirsch (Ztr.) und Schrader lfr. Vg.).

Der Rest des Etats des Reichsamts des Jnnern wird da-
rauf debattelos erledigt. Es folgt der Etat der P o st - und
Telegraphenverwaltung.

Bei Titel: Gehalt des -Staatsfekretärs berichtet —

Abg. Gröber lZtr.) über den wachsenden Prozcntsatz
der Erkrankungen von Postbeamten, !vas mit der Belaftung
der Beamten zusammenhinge. Das Nachtruhewesen Ledürfe
der Verbesserung. Die Bestimmungen über die Sonntagsruhe
tvürden nicht immer durchgeführt, manchmal gar nicht. Red-
ner führt Klage über die vielfach zu niedrigen Gehälter. Ueber-
schüffe der Postberwaltung auf Kostcn der LZeamten seien dem
Reichstag nicht willkommen. Tas System der gehobenen Un-
terbeamtenstellen gebe zu Bedenkcn Anlatz. Diese Stellen kä-
men denen zu gute, die sich beliebt zu machen verständen und
sei es anch nnr durch Teppichausklopfen. (Heiterkeit.) Die
Verwaltung müffe den Unterbeamten dasselbe Koalitionsrecht
einräumen, wie feinerzeit den Postafsistenten. lBeifall).

Staatssekretär Krätke erklärt, die Verwaltnng habe mit
dem Unterbeamtenverein keine gute Ersahrung gemacht. Man
berufe vielfach die UnterLeamten zufammen, um ihneu zu sa-
gen, datz ihre Vorgesetzten nichts taugen uud sie fich daher zu-
fammenfchlietzen müfsen. Vorläufig sei die Verwaltung nicht
in der Lage, solche Vereine zu 'gestatten. Das Verhältnis der
etatsmäßigen Beamten zu den nichtetatsmätzigen sei 86,9:13,1,
das der Unterbeamten 72,8:27,2. Bei den Kritiken über die
gehobenen Stellen sei bielfach Neid im Spiel.

Abg. Singer (Soz.) tritt dafür ein, datz die Ueberschüffe
der Postverwaltung zum Teil für die Postbeamten verwendet
werden sollen. Als Belohnung für tadelsfreie Dienstzeit ver-
leihe man den Unterbeamien Schnüre und Mützen, die sie aber
selbst bezahlen müßten. Die Verleihung der gehobenen Stel-
len geschehe nur nach Laune der Postvorgesetzten. Bezüglich
des Koalitionsrechts der Unterbeamten sei der Staatsfekretär
immer reaktionärer geworden. Man dürfe ihnen nicht das
Recht hierzu verweigern.

Staatsfekretär Krätke bezeichnet die Einwendungen und
Vorwürfe des Vorredners als unLegründet. Es fei bezeich-
nend, datz Singer die agitatorifche Tätigkeit des Herrn v. Ger-
lach in den Postbeamtenkreisen in Schutz nehme. Falsch sei die
Behanptung, datz viele unehrliche Elemente unter den Beamten
seien und die Verwaltnng die Schuld daran mtttrage. Redner
protestiert auch gegen die Behauptnng, datz die Beamten in ge-
hobener Stellung von den Vorstehern zu Privatzwecken verwen-
det würden.

Tbg. Patzig (natl.) tritt für Aufbefferung der Gehälter
der Unterbeamtcn ein.

Nach einigen persönlichen Bemerkungen vertagt sich das
Haus auf morgen 1 Uhr.

Deutsches Reich.

— Die Errrchtung einer g e m e r n s n m e n S t e I l e
für säMitliche Äeutschen Är'beitgeberverbände
ist nunmehr gesichert.

Badischer Landtag.

29. Sitzung der Zweitsn Kammer.

Karlsruhe , 17. Febr. Präfident Dr. Gönner
eröffnet die Sitznng um I/26 Uhr. Eingegangen: Peti-
tionen nm einen Staatsbeitrag zum Grunderwerb der
Jagsttalbahn, der bad. Eisenbahnarbeiter um Verbesserung
ihrer Einkommensverhältnisse; ferner die Wahlakten über
die Ersatzwahl in Schwetzingen und eine Einsprache gegen
diese Waht (Heiterkeit). Die soz.-dem. Fraktion ersncht
die Regterung um Vorlage eines Gesetzentwurfs betr. Er-
richtung einer Arbeiterkaminer.

Die Generaldebatte über bas Budget des Ministeriums
des Jnnern wird fortgesetzt.

Abg. Dr. Goldschmit (natl.) tvendet sich gegen die
Aussührnngen des Abg. Eichhorn. Die völlige Aufhebung des
Schulgeldes und die Uebernahme aller Aufwendungen für die
Schnle auf die Stadtkaffe läßt fich wegen des finanziellen
Effektes nicht durchführen. Die Städte vernachlässigen ihre
l'öztalen Aufgaben durchaus nicht. Kaum eine zweite Stadt
wendet für derartige .Zwecke so viel auf, wie Karlsrühe. Be-
züglich der Krcise darf man nicht autzer Acht laffen, datz die
vier alten Kreise staatliche Verwaltungsbezirke waren. Ob
man hente mit vier solchen Bezirken auskommen würde,
möchte ich sehr Lezweifeln. Von der Aufhebung der Ver-
brauchsabgaben werden 1172 bayerische und 7 badische Ge-
meinwesen betrosfen. Man darf gespannt fein, ob die Haltnng
der bayerischen Zentrumsabgeordneten von ihren Wählern ge-
billigt wird. Der Mannheimer Stadirat hat feftgestellt, datz
die Aufhebung der Verbrauchsabgaben ohne jeden Einflntz
aus den Mehl- unb Fleischpreis geblieben ist. Bezüglich der
Znwachssteuer ist zu bedenken, datz der Mehvwert eines Hauses
fehr häufig der Jntelligenz und Rührigkeit dcs Besitzers zu
verdanken ist. Wie will man diese Eigenschaften bcstenern?
Redner polemtsiert gegen Musers und Venedeys Aussührungen

entschlietzt er sich zur Tat. Es ist das ein sehr feiner Zug,
denn gerade dadurch kommt uns Orest menschlich näher. Wir
cinpfinden ein gewisses Mitleid mit ihm, der trotz seiner Ju-
gcnd so Entsetzliches vollbringen muß. — Die übrigen Män-
nergestalten, der alte, listige Pfleger, der brntale Aegisth, und
die Diener, von denen ein junger und der Koch in ciner kurzen
Szene ccht sh'akespearschen Humvr entfalten, spielen ebenso
wenig, wie die Dienerinnen eine b-edeutendere Rolle. —

Doch genug. Das hier/ Gesagte will nur ein bescheidener
Beitrag sein znm Verständnis einer Dichtung. Natürlich ge-
hört für den, der ein solches Werk genietzen will, auch etwas
guter Wille dazu, um den Jntentionen eines Poeten zu folgen.
Wie sagt doch Schiller: „Wessen Gemüt nicht schon zubereitet
ist, über die Wirklichkeit hinaus ins Jdeenreich zu gehen, für
den lvird der reichste Gehalt leerer Schein nnd der höchste
Dichterschwnny Ueberspannnng sein."

Dr. W. P.

über den Zolltarif und konstatiert, datz der „Bad. Landesbote"
sich vor einigen Jahren für einen ausreichenden Schutzzoll
bezw. für eine Erhöhung der Getreidezölle ausgefprochen hat.
Ob Heimburger oder Muser hinter dem Artikel stand, ist mir
freilich nicht bekcmnt. (Heiterkeit.) -Seltsamenveise haben
gerade die Leute ohne Ar und Halm behanptet, die Getreide-
zölle nützten der Laridwirtschast nichts, während bie prak-
tischen Landwirte gerabe das Gegenteil sagen. Die gegen
die Landesversicherungsanstalt Baden, die sich sehr wöhl sehen
lassen kann, gerichteten Vorwürfe sind ungerechtfertigt. Das
Entgegenkommen der Regierung in der Wahlrechtsvorlage
verdicnt Anerkennung. Bezüglich der Militärbohkotte bin ich
der Ansicht, daß die Militärvekwaltung mit Recht den Besirch
bon Wirtschaften verbietet, wo die Di^iplin untergraben wird
(Unruhe bei den Soz.) Die Vertreter der Deutschen Volks-
partei, die, wie die Aihlen dcr Reichstcrgswahl zeigen, fast gar
keinen Boden im Volke hat, sollten sich hüten, die nationallibe-
rale Partei mit Vorwürfen zu überschütten. Bon einer Ver-
ständigung mit den linksstehenden Parteien tann so langr
keine Rede sein, als sie in nationalen Fragen bersagen. Von
der Spendnng des Freibicrs in Zeuthern hat Amtmann
Arnsperger erst zwei Tage nachher erfahren. Das kann er
auf seinen Eid nehmen. Ueber Sprengung von Versammlun-
gen braucht sich die Sozialdemokvatie am allerwenigsten zu bc-
schweren. Wer hat denn die Knüppeltheorie aufgebracht?
Von früheren Vorgängen nicht zn reden, haben die «ozialde-
mokraten erst bei der letzten Landtagswahl in Karlsruhe ihre
Gegner niedergeschrien. (Präsident Dr. Gönner: Der
Herr Redner entfcrnt fich sehr weit voM Ministerium tes In-
nerir. Heiterkeit). Gegen die Sozialdemokratie helsen allcr-
dings Reben wenig; man mutz Dämme errichten gegen die
hcreinbrechende Flut.

Abg. Pfefferle (natl.) erfucht die Regierung, den Ge-
meinden mit Staatsbeiträgen für Wafferleitungen, Kranken
häusern und dergleichen recht kräftig unter die Ärire zu grci-
fen. Ten Gemeinden follten bei Vergebnng der Jagven
größere Rechte eingeräumt Iverden. Die Bezirksinspektionen
für das Feuerlöschwesen haben sich bewährt;. wünscheii-:vert
wäre, datz sämtliche Gemeinden telephonisch verbunden werden.
Die Gendarmen würden eine Ausbesserung in Form von Zu-
lagen mit Freude begrüßen. Redner befürwortet weiter dcn
Ncubau eines Amtshauses in Emmendingen und bedauert die
vom Konstanzcr Aerzteverein gcgen die Apotheker gerichteten
Vorwürfe.

Abz. Lehmann (Soz.) verbreitet sich zunächst eine halbe
Stunde lang (!) über den Zolltarif unb komnit dann anf die
Wohnungsfrage zn fprechen, in der sich die Rcgierung und alle
Parteien zufammenfinden könnten. Trotzdem sei bisher noch
wenig gefchehen, hauptsächlich weil die Grundrente zu hoch ist.
Vielen Hausbesitzern gehört nicht einmal ein Ziegel auf dem
Dach. Jhre Hintermänner, die großen Banken usw., verhin-
dern, batz die Miete heruntergeht. Die Rcgierung darf dem
Grund- und Bodenwucher nicht länger ruhig zufehen. Gine
radikale Abhilfe kann allerdings nur die Verstaatlichung des
Privateigentums bringen. Das „Shstem Schäfer" in Mann-
heim ist das Wohlwollen eines Antokraten gegen gewisse Ge-
sellschastskreise. Die Arbeitervereine iverden anders behan-
delt. Es ist ein Unfig;, datz erwachsene Männer aus dem
Wirtshaus hinausgctrieben werden. Selbst für den Masken-
ball der Stadt wnrde die Polizeiftunde auf 3 Uhr festgesetzt,
während die Kompaniefeiern bis 5 Uhr Erlaubnis bekamen.
Es ist eiii Widerfprnch, auf der einen Seitc Vergnügungen im
Jntercffe der Sittlichkeit einzuschränken, auf der andern Bor-
delle zu konzefsionieren. Eine ganze Stratze wurde für diesen
Zweck in Atannheim angelegt und 12 Dirnen dort unterge-
bracht. Die Mädchen müssen die Kleider ablegen und täglich
12 Mark an die Bordellwirte abliescrn. Es ist geradezu him-
melschreiend, wie die Töchter der Proletarier sür die reichen
Wohllüstlinge ausgebeutet werden. Und so etwas duldet die
Mannheimer Polizeibehörde nicht nur, sie schützt sogar im Na-
men der Sittlichkeit dieses elende System-, Eine Gesahr, daß
der rnsfische Kaiser deni Nihilisten zum Opfer fällt, besteht
nicht mehr, seitdem- in Rutzland der Terrorismns durch den
Sozialismus aLgelöst wurde. Die badische Polizeibehörd'L hat
jedenfalls nicht nötig, für den Schutz des Zaren^besondere Matz-
regeln zu treffen. Datz der Minister keine Sozialdemokraten
in der Verwaltung verwendet, steht im Widerspruch mit Pa-
ragraph 9 der Verfassung. Tas tvill ein Musterstaat sein! Die
Sozialdemokraten haben die gleichen Pflichten, wie die anderen
Parteien, sie können daher anch die gleichen Rechte beant-
spruchen. Unter solchen Umständen müssen wir das Gehalt
des Ministers ablehnen. lGelächter).

Minister Dr. Schenkel erklärt, batz die Verwaltung
nach den strengen Grundsätzen der Gerechtigkeit ausgeübt wird.
Die Stellung der Regiernng zur Sozialdemokratie wirp da-
durch nicht alteriert. Personen, die sich öffentlich für die
Ziele der Sozialdemokratie aussprechen, können als Staatsbe-
amte keine Verwendung finden. Dem Wunsche des Abg.
Pfefferle kommt das bestehende Jagdgesetz entgegen. Einen
Nenbau des Enrmendingcr Amtshauses kann der Minister nicht
in Aussicht stellen, wohl aber einen Umbau, sobald es die Fi-
nanzlage gestattet. Unsere Polizei ist im grohen Ganzen
gut im Stand, besonders in den zwei größten Städten des
Landes, wo jetzt Polizeidirektionen Lestehen. Sie hat aber
eine sehr schwierige Aufgabe, so datz cs kein Wunder ist, wenn
Bcschwerden einlaufen. Die Polizeistunde hat den Landtag
schon öfters beschäftigt, besonders im Jahre 1863. Damals
hat sich die Mehrheit des Hauses nnter Führung Lameh's, der
in diesen Dingen auch Sachverständiger war (grotze H-eiter-
keit), für die Polizeistnnde entschieden. Es sind nicht zuletzt
auch die Wirte, die die Polizeistunde gern sehen (Sehr richtig!)
Die Polizei kann es nich-t jedermann recht machen. Polizei-
direktor Schäfer ist kein Autokrat. Es gibt in Baden über-
haupt keine Autokraten. Da geht alles nach dem Gesetz. (Aus
den Reihen der Sozialdemokratie ertönt ein langgedehntes
Jo! — grohe Heiterkeit). Die Polizeidirektion in M-annheim
kann nicht willkürlich verfahren. Der Minister ist auch noch
da. (Heiterkeit). <Lehr dankbar bin ich dem Abg. Lehmann
für die Belehrnng über die Ungefährlichkeit der russischen Ni-
hilisten. Wenn wieder einmal cin solcher Fall vorkommt, dann
werde ich mich an Lehmann wenden. (Große Heiterkeit). Gibt
er mir die bestimmte Vevsichcrung, daß die Lente ungefährlich
sind, dann werden wir von der Verhaftung Unigang nehmen.
Tas delikate Kapitel der Prostitution wäre besser nicht ange-
schnitten worden. Leider hat Lehmann kein Mittel angegeben,
wie diesem Ucbel beizukoTnmen ist. Jn Mannheim bestehen
übrigens keine Bordelle, sondern die Mädchen sind nnr kaser-
niert.

Um! 'öL8 Uhr wird die Beratung abgebrochen; Fortsetzung:
Tonnerstag halb 10 Uhr.

Aus der Karlsruher Zeitunq.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
dem Garderobegehilfen Otto Schneider beim Hoftheater
in Karlsruhe die silberne Vevdienstmedaille verliehen, den
Profeffor Adolf Lebkuchen an der Oberrealschule in Mann-
heim anf sein Ansuchen auf den 1. April d. I. aus dem Staats-
dienst entlassen.

I n ge n i e u r p r a k t i k a n te n. Die Jngenieurkandi-
daten: Theodor Knittel ans Appenweier, Adolf Lndin
aus Karlsruhe, Richard K 0 ch aus Nkannheini, Rudolf Stöl-
cker ans Ettenheim, Hans Leiner aus Stockach, Albert
Diehl aus Flonheim- (M'hein.-Hessen!), Emil Schmidt aus
Mehkirch, Karl Kleiner aus Laiz (Hohenzollern), Heinrich

Baumgartner aus Waldshnt, Jo-sef Beck ans Hendors'
Edwin Pfützner aus Karlsrnhe, Theodor Wagner aus
Büsingen, Arthu-r Kaufmann aus Karlsrüh«, Robert F i rft
ner aus >Breisach sind nach ordnungsgemäh bestandener Prü-°
fun-g unter die Zahl der Jngenieurpraktikanten aufgenommeü
wcrden.

Karlsruhe, 17. Febr. Die Großherzogin, dec
Erbgroßherzog und- die Erbgroßh-erzogin begaben sÄ
gestern nachmittag halb 6 Uhr zur Begrüßung der Köni-
gin von Württemberg, welche von England nach Stutt-
gart hier durchreiste, an den Bahnhof. Heute Vormittag
empfiug 'der Großherzog den Prä-sidenten Dr. Nicolai zuc
Vortragserstattung. Nachmittags halb 3 Uhr erhielteu
die Großherzoglichm Herrschaften ben Befuch -des PrinzeN!
Karl. Jm Laufe des Nachmittags nahm der Grotzherzog
Lie Vorträge des Geheimerats Dr. Freiherrn von Babb
und des Legationsrats Dr. Seyb entgegen.

Ausland.

Türkei.

K 0 n st a n t i n 0 p e 1, 16. Febr. Die Albanese
von Djakowa attackierten den bortigen Regierung^
konak, zündeten viele Häuser an und plünderten bet den
Christen. ChemsiPascha brach gegen Djakowa aul
und grifs die Akbanesen, welche in e-iner Stärke von
16 000 Mann außevhakb der Stadt Aufstellung genow-
men hatten, an. Chemsi Pascha wurde zurückge--
schIagen. Es sind für ihn Verstärkungen von Salonik
und Uesküb abgegangen.

Sal 0 nik , 17. Febr. Schemsi-Pascha ist gestern iw
Djak 0 wa eingerückt.

Aus Etadt und Land.

Heidelber l>. 18. Februar,

-p Siadtratssitzung. Jn der Stadtratssitzung vo-m 1b. ds-
Mts. wurden u. a. folgende Gegenstände zur Kenn-tnis LeKv-
Erledigung gebracht:

1. Die Gesamtzahl der Gebäude in der hiesigen Sta-dtge-
meinde betrug auf 31. Dezember 1903 11 748 mit eineM
Brandkaffeanschlag von zusammen 118 226 600 Mork; sie hat
sich im äbgelaufenen Jahre um 241 mit einem Anfch-lag von
13 573 270 Mark verniehri. Jn dieser Summe ist aber auch
das Ergebnis der im vorigen Jahre vorgenommenen Gehäude-
Nachschätzung (Gas- und Wafferleitungen, Oefen, Herde, Vor-
fenster u. dgl.) mit etlva 8 500 000 Mark enthalten. Di^
Zahl der privaten Fünftel-Versicherungen, welche auf dic staai-
liche Feuerivevsicherungsanstalt übergehen, hat im vorigeü
Jahre um 574 mit einer Verficherungssumme von 925171
Mark abgenommen und beträgt dermalen 2462 Verficherungeo-
mit zufammen 16 509 231 Mark.

2. Jm Stadtteik Neuenheim sollen wieder zwei Zuchtfarrcn
zur Aufstellung -gelangen.

-ft Nationalliberale Bersammlung. Anf die nationalliberale
Versammlung, die morgen- Abend im Saale der „Harmonie"
stattfindet, machen wir auch an dieser Stelle aufmerksam.- Werw
in diesen Tagen öfters der Wunsch ausgesprochen worben ist,
der Liberalismus möchte fich auf die Urquellen feines Wcsens
bcsinnen, so ist es gewiß ein guter Weg dazu, wenn ein so be-
rufener Redner wie Geh. Rat Windelband über Hegcl
und den Liberalismus zu reden übernimmt. Hegel ist der
erste politische Kopf unter unsern Philosophen genannt wordcN'
der vor allem die Deutschen, dies Volk von Privatmenschen, Zu
kräftiger Staatsgesinnung erziehen wollte und zeigte, tvas sic
an ihren bestehenden 'Staaten hatten. So kam diese konser-
vative Natur auch in Widerstreit mit manchen liberalen Bestre-
bungen seiner Zeit, seine Jünger spalteteni sich in einen konser-
bativen Flügel und in das zum Teil reckll radikal sich gebärdendc
Gcschlecht der Jung-Hegelingen, mit denen auch D. F. Strautz,
der Versasser des Lebens Jesu, in Zusammenhang stehr. Dic
Klarlegung dieser Zusammcnhänge, deren Wirkung sich bis
in die mueste Zeit verfolgeu läht, wird gewitz Jedermaiw
interessieren. Sodann sieht man mit begreiflicher Sparmunö-
den Mitteilungen des Herrn Abg. Dr. W i l ck e-n s .entgegen,
deffen Vortrag die Fragen, die gegenwarkig im Vordergrund
der bad. Politik stehen, behandeln wird.

X Stadttheater. Bei der gestrigen crsten Wiederholung
von Beyerleins „Z a p fe n st r e i ch" war das Theater aus-
verkauft. Man nahm das Stück mit grotzem Jnteresse aust
und auch gestern herrschte Einstimmigkeit darüber, datz das
Drama in der Fassung, in der es hier gebotcn wird, in mili-
tärischer Hinsicht recht harmlos ist und vom jüngsten Rekr-uteN
ohn-e -Schaden für scine Di'sziplin angesehen werden k'ann.
Dabei aber macht cs doch einen tiefen Ein-druck. Die Besetzung
war die gleiche, wie bei der er-sten Borstellung. Nachtrage"
wollen wir noch, -dah der Wachtmeister Volkhardt in Herrb
Sigl einen Repräfentanten findet, der das Jnnerlichr
dicser sympathischen Fignr in künstlerischer Weise energisck!
zur Geltung bringt. Sehr gut sind die Oftizierscharzen be-
setzt. Gleich der erste Auftritt, der den Rittmeister v. Kcnm«
witz (Herr Lange) mit dem Feldwebel im Gefpräch zeitzl'
erweckt ein sehr günstiges Vorurteil für den Verlauf der wci-
tereu Darstellung, und- dieses bestätigt stch dann in der Fvlgc-
Wie hübsch wird z. B. auch die kameradschastliche UnterhaltunT
zwischen Leutnant von Höwen (Herr Kehr) und Leutncn't
vou Stauffen (Herr Eckhof) burchgesührt. Auch die D-cN's
stellung der Untcroffiziere ist tadellos; der Vizewachtmeistct
Queitz des Herrn Stein-mann erfreut durch originellc,
sichere Charaiterisierung. Jn dem polnischen Burschen Michnwi
stellt Herr Hey nnt großem Geschick einen Typus nach de"'
Natur auf. Das Publikum- erfaßte die Situat-ionen gester'ss
richtiger wie am Sonntag, wo cs z. B. den ersten AusLrUw
des Schmerzes beim Wachtmeistcr, als er das Bekcnntnis dc't
Tochter vernah-m, mit Heiterkeit begrüßte.

X tziezitation. Wir machen die Leser noch- ganz besondc-r^
auf die am Samstag, -den 20. ds. ftattfindende Rezitotiud
der Tragödie „E l e c t r a" von Hug 0 v 0 n H 0 fmann - .
thal aufmcrksam. — Das Werk ist cine Nachdichtung dc-
alten, von Sophokles behandelten Stoffes und es hat seit seiru^
Erstaufführung in Berlin im November groheS Jnteresse.c^.
rc-gt. Der Reinertrag der Rezitation, we-lche ungestw.
eine Stuüde dau-ern wird, ist für die L u i s e n h e i l a n jt a > ^
-bestimmt, weshalb auf einen besonders guten Befuch grrech'^
werden darf.

X Selbstmordversuch. Die 17jährige bei einem Bäckc^.
meister in der Berdheimerstraße bedienstete Emma Hubc
schotz sich gestern mit einem Revolver in den Kopf. Die Kuill,
drang nur ins Ohr un-d wurde im -cckademischen Krantenhnb'
daraus entfern-t. Lebensgcfahr ift nicht ausgefchlossen.

Moti-v zur Tat ist unbekannt. ^

— Polizeibericht. Verhaftet wurden eine Dienstiunö
wegcn Unzucht, ein Hausterer, tvelcher zur Straferstch"' -.
verfolgt ist, ein- Kellner und ein Tapezier wegen Bettelns.
 
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