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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 102-125 (2. Mai 1904 - 31. Mai 1904)
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schwarz sehen, die ssveunde aber doch etwas zu optimistisch ge-
wesen sind. Die Einnahmen sind gestiegen und mit Freuden
haben die Bewohner der Bergstraße das Kilomcterheft begrützt.
Man wünscht jetzt dringend die Einführung halber Hefte 2.
Klasse, ferncr, datz der Nachmittagsschnellzug in Weinheim an-
hält. Nicht ganz zufrieden sind die badischen Bcamten, die in die
preutzisch-hessische Gemeinschaft übergegangen sind. Jhr Gehalt
ist der gleiche geblieben, während ihnen ein kleiner Nebengehalt
entzogen wurde. Am meisten aber klagen diese Beamten über
den strengen Dienst in dem zu wenig Ruhepausen vorgesehen
sind. Auch der Verkchr mit den Vorgesetzten ist ein anderer,
als in Baden, da sich die Bcamten nicht mehr direkt an die
Zentralbehörde wenden dürfen, sondern sich der Vcrmittlung des
Stationsvorstandcs bediencn müssen. Den Beamten, die sich in
den badischen Dicnst zurückmelden, sollte man tunlichst entgegen-
kommen.

Abg. Heimburger (Dem.) glaubt, dah dcr Beweis noch
nicht geliefert ist, dah die Gegner der Vereinigung zu schwarz
gesehes. habcn. Die Znkunft wird lehren, ob die Befürchtungen,
die man an das Gesetz knüpfte, berechtigt waren, oder nicht. Die
Beschwerden Müllers scheincn den Gegnern Recht zu geben.
Rcdner wefst auf einen Artikel im „Stuttg. Beobachter" hin, in
dem behäuptet wird, dcrh bei der Berechnung des badischen An-
teils Verstvtze vorgekommen seicn und deHglb ztxxi Revisoren
nach Mainz geschickt wurden; ferner habe Preuhen die Weiter-
führung eines Spcisewagens nach Frankfurt verweigert.

Geh. Rat Zittel: Es ist erfreulich, dah die Bevölkerung
an der Bergstraße mit der neuen Verwaltung zufrieden ist.
Auch von der Regierung aus kann ich bestätigen, dah seit der
Vereinigung vieles besser geworden ist. Dah in der Uebergangs-
zeit auch viel Unerfreuliches vorkommt, ist sclbstverständlich.
Die preuhische Direktion in Mainz ist bemüht, die etatmätzigen
badischen Beamten ihren Kollegen gleichzustellen; das nicht etat-
mähige Personal untersteht aber ganz der Direktion in Mainz.

Abg. Schmidt (Ztr.) bringt Beschwerden aus der Be-
triebswerkstätte Heidelberg vor.

Abg. Sühkind (Soz.): Mit dem Betrieb ist man zufrie-
den, aber die Arbeiterverhältnisse sind schlechter geworden; auch
die Verbindung von Frankfurt und Mannheim lätzt zu wünschen
übrig.

Abg. Dr. Wilckcns (natl.) weist den Vorwurf, dah die
Nationalliberalen sich um die Arbeiterinteresscn nicht kümmern,
entschieden zurück. Die Beschwerden Schmidts habe er schon
vor Monaten dcr Regierung zur Kenntnis gebracht. Die Re-
gierung kann aber auf diesem Gebiet wenig tun, weil die preuhi-
schen Verwaltungsgrundsatze mahgebend sind. Es wird natür-
lich Aufgabe unserer Rcgierung sein, die Jnteressen der badischen
Landeskinder zu wahren.

Um 12 Uhr wird die Beratung abgebrochen. Morgen 9 Uhr:
Petitionen. Donnerstag: Verfassungsvorlage.

Karlsruhe, 16. Mai. Heule ist ster Bericht der
Budget-Kommifsion der Zweiten Kammer i'cher die Bud-
gets der For st - und Domänenverwaltung
ausgegeben worden. Der Schlußantrag lautet aus Ge-
nehmigung sämtlicher Anforderungen. Der von Wg.
Kriechle verfaßte Bericht umfaßt 63 Druckseiten und
bietet in ichersichtlichsr Darstellung ein anschauliches Bild
von dem Stand unserer Domänen und Forsten. Auf
einige interessante Details, wie die Lage unseres Forst-
personäls, Jagden und dergl., werden wir zurückkommen.

Karlsruhe, 16. Mai. Mit Schreiben des Großh.
Finanzministeriums vom 21. Januar 1904 wurde der
Budgetkommission der Aweiten Kammer mitgeteilt, daß
die für Jnstandsetzung der Großh. Sternwarte in
Mannheim im Aeußern und Fnnern vorgesehenen
30 000 Mk. auf Grund eines vorläufigen Ueberschlags
angefordert worden seien. Nun sei aber ein neuer Kosten-
anschlag, nach inzwischen erhobener eingehender Berech-
nung, gefertigt worden, nach welchem sich die Auswen-
dung auf 53 000 Mk. berechnen werde. Es seien des-
'halb statt der bisherigen 30 000 Mk. nunmehr 53 000
Mark in das Budget einzustellen. Der Kostenanschlag
isl der Konimission mitgeteilt worden und nach eingehender
Prufung desselben kommt diöselbe zu dem Antrage: Ge-
nehmigung der angeforderten 53 000 Mk.

Aris der Karlsruher Zeitung.

— Den Ober-Postassistenten Friedrich Bccker in Eberbach
und Emil Eppele in Mannheim wurde der Titel Postsekretär
verliehen.

— Die Berliner Zeitung kündigt die bevorstehende Ver-
lobung der Schauspielerin Frl. Triesch in Berlin mit dem
Klaviervirtuosen Herrn F. Lamond an.

Karlsruhe, 17. Mai. Die Großherzogin und
die Erbgroßherzogin trafen gestern morgen nach einem
kurzen Aufenthalt in Offenburg, woselbst Frau Waisen-
rat Link mit den Zöglingen ihrer Spinnstube am Bcchn-
hof begrußt wurde, um 11 Uhr 17 Minuten iu Büberach
ein. Von hier ftthren Jhre Königlichen Hoheiten mit
Wägen nach Zell. H'ierauf fand die Besichftgung der
Majolikasabrik von Schmider und der Porzellanfabrik
von Schaaf statt. Nachdem im Hause des Herrn 'Schaaf
das Jrühstück eingenommen war, besichtigten Fhre Kö-
niglichen Höheiten die Handarbeitsausstellung im Rat-
hause, welche von 20 Schulen beschickt war, und nahmen
zahlreiche Vorstellungen entgegen. Hieran schloß sich die
Begrüßung von 30 Spinnerinnen aus Zell und der Be-
such des Spitals, der evangelischen Kirche und der katho-
lischen Pfarrkirche. Zum Schluß wurde der Tee im
Hause der Präsidentin des Frauenvereins, Frau -Ober-
förster Schimpf, genommen. Die Rückreise fand 6 Uhr
30 Minuten, die Ankunft in Karlsrühe 8 Uhr 17 Minuten
abends statt. Der Grotzherzog empfing heute Vor-
mittag nach 10 Uhr den Generaladjutanten vonMüller

das franzö'sische Dorf Wisembach, an dessen Eingang er
mit einem Douanier zusammentraf. Der Vorfall hatte
eine grotze Menschenmenge angelockt. Wie bald wird
dem unüberlegten Schritt bittere Reue solgen!

— Was für cinen Sommer könncn wir crwartcn?
„Grünt die Eiche vor der Esche, hält der Sommer große
Wäsche; grünt die Esche vor der Eiche, hält der Sommer
große Bleiche." Tiesem bekanntM Sprüchlein nach haben
wir einen trockenen und heihen Sommer zu erwarten,
denn die Esche hat schon fast völlig entwickelte Blätter,
während die Eiche in Norddeutschland eben erst griine
Spitzen zeigt. Ob das Sprüchlein immer Recht behält,
isi eine andere Frage.

znm Vortrag und danach den Masor von Muttus zur
Vortragserstattung und zur Abmeldung vor Antritt
eines lltägigen Urlanbs. Von 11 Uhr an nahm Seine
Königliche Hoheit den Vortrag des Ministers Dr.
Schenkel entgegen. Zur Frühstückstafel erschien die
Prinzessin Wilhelm, welche im Begrifs steht, sür einige
Wochen nach St. Petersburg zu reisen. Nachmittags be-
suchte der Großherzog den Oberststallmeister Freiherrn
von Holzing-Berstett und Gemahlin.

Der Ausflug der Ständeversammlung nach
Vrühl und Mannheim.

Karlsruhe, 17. Mai. Das Tagewerk unserer Abge-
ordneten war mit dcm Schlusse der heutigen bis 12 Uhr währen-
den Kammersitzung noch nicht bcendet. Domänendirektor Rein-
hard hatte die Mitglieder bei der Kammerständepersammlung
zu cincr Besichtigung der ärarischen Fischteiche in
Brühl eingeladcn und die Mitglieder der zweiten Kaminc.r
hatten dieser Einladung fast vollzählig Folge geleistet, während
von der ersten Kammer auher dem 1. Vizepräsidenten Grafen
Bodman nur wenige Mitglieder erschienen warcn. Von Mit-
gliedern der Regierung hatten sich dem Ausfluge angeschlossen
dcr Minister des Jnnern Dr. Schenkel, der Präsident des Fi-
nanzministeriums Geh. Rat Becker und selbstverständlich Domä-
nendirektor Reinhard, der als Gastgeber die Ehren des Tages
erwies.

Pünktlich zur festgesetzten Zeit um halb 2 Uhr nachmittags
sctztc sich der Sonderzug in Bcwcgung und hielt nach einer Fahrt
von 80 Minuten auf der kleinen bescheidenen Station Stengel-
hvf, von wo aus die Reisegesellschaft in wenigen Minutcn den
Rheinanhafen erreichte. Alle Hafengebäude nnd Fabriken waren
beslaggt, die Schiffe, namentlich die beiden Reisedampfer „Fried-
rich, Grohhcrzog von Baden" und „Gottfried Tulla" prangten
in reichster Flaggengala. Das bunte farbenfrohe Bild, in dem
man die Flaggen und Wimpel vieler Länder bemerkte, verlieh
selbst dieser an sich gewih reizlosen und prosaischen Gegend, dc-
rcn Hauptcharakteristikum lange Schiffsmasten, himmelanstre-
bende Ranchfchlote und bergehohe Kohlenhallen bilden, etwas
Frenndliches und Anheimelndcs.

Rasch verteilte sich die Reisegesellschaft auf die beiden Damp-
fer. Nach kurzer Zeit schon setzten sich diesclben in Bewegung
und fuhren zunächst durch die verschiedenen Abteilungen des
Rheinanhafens und sodann in den offenen Rhein. Jn angcreg-
ter Unterhaltnng und nicht zuletzt mit dem Proben der aufge-
stellten vortrefflichen Weine nnd Biere aus den Staatskellereien
in Meersburg und der Staatsbrauerei Rathaus verging schncll
die Zeit. Um 4 Uhr legten die Dampfer in Brühl an, wo eine
Begrühung durch den Grohh. Landeskommisfär Pfisterer, dcn
Geh. Rat Lang, den Mannheimer Oberbürgermeister Beck und
den Vertreter der Großh. Staatseisenbahnverwaltung, Reg.-
Rat Gaitzsch, stattfand. Es erfolgte nun ein Rundgang durch
die Fischteichanlagen, an dessen Schlusse man Gelegenheit hatte,
rccht stattlichc Excmplarc von Schleien und Karpfen zu bewnn-
dern. Auch die aufgestellten Fischereigeräte fanden allscitige
Beachtung. Der ursprünglich nur auf 40 Minuten bemessene
Aufenthalt in Brühl dehnte sich etwas länger aus und erst nach
5 Uhr setztcn sich die bciden Dampfer aufs neue in Bewegung.
Gegen halb 7 Uhr erreichte man den Mannheimer Handels-
hafen, dessen Durchfahrt gar vielen der Teilnehmer eine höchst
willkommene und ihre Erwartungen wohl wcit übertrefsende
Anschauung von der grohartigen Entwicklung Mannheims als
Hafen- und Handclsplatz gewährte. Gegen 7 Uhr ging man an
Land, wo vier Wagen der städtischen Strahenbahn Mannheim
die Gäste erwarteten und sie in kurzer Zeit znm Rosengarten
brachten. Auch nach der Besichtigung des Mannheimer Hafens
konntc der Besuch dieser grohartigen und in dieser Art wohl
einzig dastehendcn Anlage als der krönende Abschluh der an
interessanten Eindrücken so überaus reichen Fahrt gelten.
Das Aeuherc des Baucs fand zwar nicht ganz allseitigen und
nngeteilten Beifall, da seine Höhe im Vergleich zur Länge des
Ganzen etwas zu gering erschcint. Umso ungeteiltcrc uiid auf-
richtigere Bewunderung rief das Jnnere hervor. Es gefiel den
Gästen so gut, dah die Rückfahrt um eine halbe Stunde ver-
schoben wurde. Gegen 10 Uhr trafen die Ausflüglcr wiedcr in
Karlsruhe cin.

Aus StadL und Land.

Heidelberg, 18 Mai.

— Von der Universität. Prof. Dr. I. W. Brühl wurde
von der Royal Jnftitution of Great Britain in London in ihrer
Sitzung vom 9. Mai zum Ehrcnmitglied erwählt.

V Städtische Reunion. Die Bemühungen des Komitces
unter der rührigen Leitung des Herrn Stadtrat Lehmann
sind von cinem grohen Erfolge begleitet gewesen. Gegen 300
Personen hatten sich gestern zur ersten Reunion eingefunden,
um den Freuden des Tanzes zu huldigen. Eine stattliche An-
zahl von Damen in duftigcn Toilettcn war anwesend, so dah der
Tanz mit einer Polonaise zu etwa 100 Paaren beginnen konnte.
Geradezu vorzüglich tanzte es sich in den herrlichen, mit lebendcn
Pflanzen geschmückten Räumcn der Stadthalle und sehr bald
griff eine auherordcntlich animierte Stimmnng Platz. Herren
waren in großer Ueberzahl trotz des ungünftigcn Zeitpunktes
(Beginn der Pfingstferien) erschienen. Hosfentlich wird die
Damenwelt dem nächsten Rufc dcs Komitees in noch gröhercr
Anzahl folgen als gestern. Gegen 3 Uhr errcichte das Fest sein
Ende. Möge die Einrichtung für Heidelberg eine daucrnde
werden, getragen von dem Heidelberger Bürgertum.

— Der Heidelberger Nniversitätskalendcr für das Sommer-
halbjahr 1904 ist soeben im Verlag von Otto Petters hier
crschienen. Es ist die 24. Ausgabe des nützlichen und beliebten
Büchleins. Auch diesmal hat es wieder Erweiterungen und
Verbefserungen erfahren, sodah es seinen Zweck, der jungen und
der alten akademischen Welt Heidelbergs cin unentbehrlicher
Begleiter und Freund zu sein, aufs beste erfüllt.

* Zur Klarstellung. Jn unserem Berichte über den Bezirks-
verein zur Bckämpfung der Tuberkulose ist cs überschen wordcn,
Herrn W. Graff als Vorstandsmitglied aufzuführen. Auch
wurdc Herr W. Graff als solches mit dem Ehrenamte eineS
Kassiers betraut.

Bom Main, 17. Mai. (Zu dem Eisenbahnbau
Miltenberg-Stadtp rozelten) sind jetzt endlich die
Erdarbeiten, Kunstbauarbeiten usw. ausgeschrieben. Der Vor-
anschlag beziffert sich auf 740 879 Mk. Angebote müssen bis
zum 17. Mai bci der Eisenbahnbausektion Miltcnberg, wo auch
die Pläne und Kostenanschläge eingesehen werden können, cin-
gelaufen sein.

Karlsruhe, 17. Mai. (Das Schöffengericht) hatte
sich heute mit der Einsprache des Pshchologen Leo Erichsen in
Breslau gegen eine Strafverfügung des Bezirksamtes zu be-
schäftigen. Das Bezirksamt hatte eine Strafe von 40 Mk.
ausgesprochen, weil Erichsen entgegen den Anweiftmgen der
Behörde hhpnotische Experimente vorgenommcn habe. Der An-
geklagte, der nicht erschienen war, wurde durch Hrn. Rechtsanwalt
Heinsheimer verteidigt. Die Sachverständigen Dr. Kaiser, Trotz
und Battlehner waren der Anficht, dah die Experimente tatsäch-
lich hypnotischer Natur warcn. Der Verteidiger suchte in ge-
schickter Weise die Haltlosigkeit der behördlichen Auffassung dar-
zulcgen. Das Schöfsengericht verwarf die Einsprache mit der
Begründung, dah Erichsen strafbar sei, einerlei ob seine Expe-
rimente hypnotische seien oder nur Zustände von Wachsuggestion

hervorricfcn, und zwar strafbar, weil er vorher von Dr. Batt-
lehncr darauf hingewiesen war, dah auch die Wachsuggestiorr
verbotcn sei.

Karlsruhe, 17. Mai. (M a u r e r st r e i k.) Der Ver-
ständigungsversuch in Sachen des Maurerstreiks, der gestern
Abend vor dem Vorsitzenden des Gewerbegerichts, Stadtrat
Boeckh, stattfgnd, ist g e s ch e i t e r t. Die Vcrtreter des Ar-
beitgeberverbandes erklärten, sich auf nichts einlassen zu wollen,
sie seien auhcr Ssandc, in diesem Jahre eine Erhöhung der
Löhne eiutreten zu lassen. Vielleicht liehe sich im nächsten Jahre
darüber reden. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob die Arbeit-
geher das Gejverbegcxicht als Emigungsamt anrufen wollten,
wurde erklärt, datz nian dies nicht für notwendig halte; die
Vertretcr dcr Arbester erklärten infolgedessen auf die gleiche an
sie gerichtcte Frage, dah sie die Entscheidung hierüber den Strei-
kenden selbft überlassen mühten. Es Ivird morgen, Mittwoch,
Mittag eine Versammlung oer Streikendcn stattfinden. Dort
wird übcr die cventuelle Nnrufung des Einigungsamtes seitens
dcr Arbciter BeWluß.gefatzt. ^m gätzzen haben biß j?tzt neun
Firmen die Forderungen der Streikenoen bcwilligt. 200 Maurer
arbeiten zu den neuen Bedingungen.

Gutach, 17. Mai. (Ein Unhold.) Jm Strftle wollte
der 20jährige Fabrikarbeiter Ringwgld auf scinen Vater schiehen„
Der Schuh traf jedoch nicht diesen, sondcrn jeiue Mutter, welcher
die ganze Ladung ins Gesicht ging. Die Verletzung soll nichk
lebensgcfährlich sein. Sodann mihhandcltc der Unhold seinen
Vatcr mit dcm Stiefelzieher. Er wurdc verhaftet und ins^
Amtsgefängnis nach Waldkirch eingeliefcrt.

V Donaueschingen, 17. Mai. (Das Jagdglück des
Kaisers.) Trotz des schlechten Wetters hatte der Kaiser
hier glückliche Jagdtage. Er erlegte insgesEt 8 Auerhahnen,
7 Rehböcke und eimn Fuchs, letzteren im vollen Lauf auf 12Ü
Gänge mit der Kugel. Ueber diesen Meisterschuß freute sich
der Kaiser am meisten.

Nus Baden. Jn der Kappelrodecker Gegend wurde
am 15. d. ein geringes Erdbeben verspürt. — Jn Dill-
stein brachte der Taglöhncr Möhner mil einem Beile seinec
Frau eine schweve Verletznng am Kopfe bei. Der Täter wurde
verhaftet. — JnBirkenfeld brannte ein Wohnhaus nieder.
Es wird Brandstiftung vermutet. — Jn Bauschlott wurdeft'
das Wohnhaus und eine Doppelscheuer, der Landwirt LudwiS
Elsässcr gehörig, durch Feuer zerstört. Der verursachte Scha^
den dürfte 16—20 000 Mk. betragcn. Ein Handwerksburschr
wurde dem „Ps. Anz." zufolge als der Tat verdächtig ver-
h a f t e t.

Der Raubmord auf der Zeil vor dem
Schwurgericht.

(Fortsetzung aus dem heutigen 2. Blatt.

Frankfuct, 17. Mai. Fn der Nachmittagssitzung wurde'
zunächst die Logiswirtin der Braut dcs Groh vernommen. Dir
Braut, Elise Koobs, wohnte mit ihrer Schwester Marie ber
Frau Martin, Hansteinstrahc, scit 1. Oktober 1903. Ai>r
20. Febrnar kam Grotz ünd fragte, ob er nicht für die paar Tage
auch noch da wohnen könne; er habe Krach mit seiner Wirtiü
gehabt. Das Zimmer war zum 1. Mürz von dcn Fräulein-
gekündigt, weil Elise am 1. März Hochzcit mit Grotz macheN
wollte. Die Fräulein waren Schneiderinnen und werden als
fleihige Arbeiterinnen gcschildert. Am 26. Februar ging Grov
nach 9 Uhr fort und kam gegen 2 llhr wieder, hängte seincN
Ueberzicher in sein Zimmer und ging dann hinüber zu seincr-
Braut. Er wusch sich nnd schüttete das Waschwasser sclbst
den Abort. Jrgend eine Aufregung war nicht an ihm zu be-
merkcn. Am Sonntag blieb er zu Hausc. Am Montag wollte
er seine polizeiliche Anmeldung bewirken. Die Zeitungen ver^
folgten er ünd seine Braut mit grohem Eifer. Vors.: Wie wat
denn das Verhältnis zwischcn den Beiden? — Frau Martin-
Sehr gut. Jch habc oft gesagt: Ach, Fräulein, was ist doch
Bräutigam so gut zu Jhnen.

Nun geht ein Flüstern dcr Erwartung durch den Saal; dcnü
die 28jährige Elise Koobs, die ehemalige Braut des Angeklag^
ten, wird anfgerufen. Sie hat die Verlobung aufgehoben u>w
wird deshalb eidlich vernommen. Sie hat dcn Groh am 2»-
Novcmber 1902 kennen gelernt; er sagte, er sei Vertrcter
seines Vatcrs, kaufe und verkaufe Klavierc und habe monatlicv
von seinem Vater 250 Mark, auhcrdem babe er von seincn Grow
eltern 10 000 Mk. gecrbt, dic anf ciner Bank stünden und vou
ihm zum 1. Juni gckündigt scien. Wenn sie nach seinen
schäften fragte, sagte er, das gehe sie nichts an. Er ging morgeift
weg und kam nachmittags wiedcr. So auch am 26. Februu
gegen 10 Uhr. Er sagte, cr wolle sich cine Wohnung ansehiR'
und kam nach halb 2 Uhr wieder. Da ist cr hercingekomiuiR'
hat gcgrüht und gcfragt, ob ich noch ctwas zu essen hüttc, e
habe sehr biel Hunger. Das Essen war noch warm und da lfts'
er gegcsscn. — Vors.: War er aufgeregt? — Zengin: Gar nich '
Er hat noch Kasfee getrunken und Brot gegcssen. JLi habe nuui
an die Arbeit gesetzt und er ist hinüber gegangen. Die Stiesft.
hat er gleich ansgezogcn und meinc Pantoffcln angezogcn, wa^.
er öfter tat. — Vors.: Wann haben Sie dic Mordtat erfahrev^
— Zeugin: Am Abend kam meine Schwestcr anfgercgt hcw^.
und sagte: Habt Jhr nicht gehört, daß der Lichtenstein ermordft.
wordcn ist? — Groh sagte: Wie kann das nur möglich seiu^
Wie kann man nur cinen Menschen umbringen, der so gut wa>:
Später sagte cr, er sei ei» Vierteljahr lang nicht mehr bs
Lichtenslcin gewesen. Am Montag sagte er, er wolle auf d'
Polizei gehcn. Wir haben uns gewundert, dah er nicht aUft
vorgeladcn worden ist, wie die andern. — Erster StaatsanwalZ
Wuhten Sie denn, dah er Möbelträger gewesen war?
Zeugin: Nein, aber ich habe gewuht, dah er schr oft im Gescha'
waft Er hat erzählt, wenn Klaviere transportiert würden, dau^.
müßte er dabei sein, damit nichts passicre. — Vors.: Hat
Jhnen Geld gegeben, ehe er auf die Polizci ging? — Zeug'U'
Ia, 300 Mark in Gold. Jch hatte kein Geld mehr. —

Was sagte er dabei? — Zeugin: Er sagtc, im Falle, wcnn er
Untersuchung bliebe — lange könnte es ja nicht dauern — sou
ich Geld in der Hand haben. ..--nit

Die 26jährige Marie Koobs, Schwester der Elise, bestat'ft
deren Aussagcn und erzählt, sie habe am Montag gelesen,
werde ein Möbelträger Groh gesucht. Sie habe sich gesagt, o»
kann docki nicht der Bräntigam meincr Schwester sein, diu
cr ist doch kein Möbclträger. — Vors.: Wuhten Sie, dah M
Schwester ihm Geld gegeben hatte? — Zeugin: Das hat
mir erst nach seiner Verhaftung gesagt. — Vors.: War er aui
geregt, als Sie von dcm Mord sprackien? — Zeugin: Ncm, v-^
dah ein Mcnsck, so roh sein kann und sich darüber nicht aufteu
das begreife ich nicht. s,,.-

Der nächste Zeuge, Kriminalkommissar Brummond, "
kundct über dic Selbstgestellung des Groh. -iK

Dann mnh Stafforst noch einmal erzählen, wie er i
von Groh trennte und sich davonmachte.

Die Verhandlung wird um 6V« Uhr abgebrochen und a
morgen früh 9 Uhr vertagt. _

Verlosmrgen.

Die bad. Regierung hat die Stratzburger Reiter-Ge>^
Lotterie im Gr'öhherzogtum Baden genehmigt. Die
dieser sehr günstigen, dabei nächsten 1 Mark Geldlotterie ftn
bereits am 11. Jnni d. I. statt, wie anch dst Bad. mrd -strav^.
burger Rote Kreuz-Lotterien an festgesetzien Tagen prw>
zur Ziehung gelangten.
 
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