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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 1
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Cohen-Portheim, Paul: Asiatischer und europäischer Geist in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0037

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Äbb. 14. Huguft Böckftiegel. Scßlefifcbe Dorfftraße.
3u dem Äuffatj: „Joachim Kirchner, Moderne Landfdjaftsmalerei“.
im wirklichen Leben und häufig mit dem Rücken gegen das Publikum. Koftüme und
Dekoration waren genau der Wirklichkeit nachgebildet, oder, wenn irgend möglich,
„echt“. Um ganz konfeguent zu bleiben, hätte man den Zimmern (denn in gefchloffenen
Räumen fpielt fiel) faft ftets das naturaliftifche Drama ab) noch die vierte (Hand \)inzu-
fügen müffen. Damit hätte man die vollkommene KIirklid)keitsnachahmung durch-
geführt — und die dramatifche Kunft gänzlich unmöglich gemacht
Sucht die Kunft die KIahrl)eit in der Wirklichkeit, fo hört fie lebten Endes
auf, Kunft zu fein, und wird felbft zur Wirklichkeit.
Än diefem, abfid)tlid) auf die Spi^e getriebenen Beifpiel will ich zeigen, was das
nur Europäifche in der Kunft ift, wie weit die Kunft rationaliftifd) werden kann, ohne
überhaupt aufzuhören, Kunft zu fein.
In der 3eü des Naturalismus, am Ende des 19. Jahrhunderts, gab es alfo eine rein
europäifche Kunft, die man als ein Kiefen anderer Ärt der afiatifchen gegenüberftellen
kann. Die afiatifche Kunft fucht die Wahrheit in einer geiftigen Welt, die europäifche
Kunft in der materiellen Kielt. Dem Äfiaten ift die materielle Kielt der Schein, der die
Klarheit trübt, er weiß, daß der Verftand diefen Schein fchafft, und daß das Gefühl
mittelft der Kunft die Klarheit erkennt. Die Materie ift für ihn nur ein Produkt des
Verftandes. Dem Europäer ift die materielle Kielt die Klarheit, weil er an den Ver-
ftand glaubt; das Gefühl erklärt er als Cäufcßung, als das „Eingebildete“, primär ift

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