Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0055
DOI issue:
Heft 1
DOI article:B., G.: Das Aussfuhrverbot von Kunstwerken
DOI article:Ausstellungen
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Äusftellungen
feiner Fjeimat. Als Sohn eines Lehrers in Ram-
fau bei Berchtesgaden kam er 14jäF)rig nach
München, 1907 nach Berlin, lebte kümmerlich in
befcheidenfter Bürgerlichkeit, die er auch zum
Vorwurfe feiner Darftellungen machte. Einfache
Räume mit einfachen Menfchen find fein Chema.
Hber wie find diefe gefehen! Es lebt und atmet
in diefen niederen, von geheimnisvollem Lichte
durchtränkten Räumen, in denen jeder Gegen-
ftand zu wefenhafter Bedeutung wird, flm er-
ftaunlichften wirken die 3eid)nungen, in denen
das ftarke momentane Erleben mit ganzer Frifche
feftgehalten ift. öleftermayr fteht an der Grenze
der expreffioniftifchen Kunft, der er ficher ein
bedeutender Pionier geworden wäre, einer von
denen, die zu den fchönften Fjoffnungen -ftnlaß
boten.
Ein bedeutfames Vorwärtsfehreiten weift M i cf) 1
Finge ft ens Graphik, die in der „Neuen Kunft“
zu fehen ift, auf. In den 20 Radierungen zu
Arno Fjolz’s „Blechfchmiede“ ift er, da feine
früheren Monumentalwerke in gewaltigen For-
maten nicht recht in das fdßwarzweiße Gefüge
paffen wollten, zu einer freieren und leichteren
Kunft übergegangen, die fiel) noch deutlicher in
dem neuen 3yklus, „Aus den Spelunken Ber-
lins“, offenbart. Man wird dem weiteren Schaffen
des Künftlers mit Intereffe folgen.
Gurlitt zdgt 24 Gemälde Max Pechfteins,
die alle im Laufe des vergangenen Jahres in
Nidden an der Oftfee entftanden find, wo der
Künftler nach der langen QnterbrecFmng, die der
Krieg feinem Schaffen auferlegt hatte, nunmehr
erftaunlich rüftig arbeitet. Die Erinnerung an
die Südfee kehrt mannigfach wieder. Es macht
den Eindruck, als ob ein großer Ceil der ölerke
noch dort entftanden wäre, doch find es nur
Reminiszenzen, die der Künftler nach den glück-
lich geretteten Skizzen zur Darftellung bringt.
Pechftein dokumentiert fich in diefen ölerken
als einer der kraftvollften und gefündeften der
jüngeren Generation. Es ift erftaunlich, mit wie
geringen Mitteln er eine Darftellung zum Er-
lebnis zu fteigern verfteht, wie fich bei ihm
alles zu Farbe und Rhythmus konzentriert, jedes
Sujet immer mehr und mehr aus dem Rahmen
herauszuwachfen fcheint. Diefe Äbftraktion ift
in den Figuren und Bildern am weiteften ge-
führt, vielleicht aber hier noch nicht fo voll-
kommen gelöft wie in den Landfchaften und
vor allen Dinqen in folchen Szenen, wo klei-
nere Figuren in die Natur eingeftreut find. Die
Farbe ift ihm die Fjauptfache; das Ganze wird
einheitlich auf einen Eon geftimmt und alle
Kleinlichkeit verbannt. Es ift eine ftraffe, ernfte
Kunft, die uns Pechftein bietet. Hm liebften ift
er mir in feinen Landfchaften, fo z. B. in dem
„Kiefernwald“ und dem „Fjerbft“, die wie eine
Symphonie in blau und grün das dunkel Lau-
fchige und Geheimnisvolle des ölaldes in fich
bergen. Doch das Erftaunliche an diefem Künftler
ift, daß, nimmt man feine graphifchen Blätter
zur FJand, man behaupten möchte, nicht die
Farbe wäre das Stärkfte, fondern vielmehr der
Rhythmus der Linie.
Es fei in diefem 3ufammenhange hier auf ein
neues Mappenwerk hingewiefen, das im Ver-
lage von J. B. Neumann, Berlin, unter dem
Eitel „Ein Dorf“ erfcheint, und in dem befonders
das eine Blatt einer Dorfftraße in feiner monu-
mentalen Größe von fafzinierender ölirkung ift.
Von den anderen bei Gurlitt ausgeftellten
merken feien noch die kleinen Bronzen von
Renee Sintenis erwähnt, die etwas fo köftlid)
Spielerifches in fich haben, daß man fich an
diefen feinen, von gefunder Naivität getragenen
Plaftiken nur erfreuen kann. K. S.
Die Kunfthandlung Carl Nicolai zeigt gegen-
wärtig Kollektionen des Bildhauers Ernft Paul
Fjinckeldey (Reliefs) und zahlreiche Gemälde von
Egon von Lueder, dazu eine Reihe hervorragen-
der Einzelwerke von Canon, Corinth, Courbet,
Menzel, Slevogt und Erübner.
Frankfurter Äusftellungen
Dank des großzügigen Verzichts der älteren
impreffioniftifchen Richtung der Frankfurter Maler,
die pcl) mit der Husftellung von Einzelwerken
begnügten, kam diesmal im Kunftverein ein
vieles ve fprechender, expreffioniftifcher Nach-
wuchs zu ölort: Das Gefamtbild der Husftellung
erhielt damit den charakteriftifctjen architek-
tonifchen 3ug der 3eit, nicht nur durch eine
geTchmackvoll fparfamere Verteilung der Ma-
lereien an den öländen, fondern auch durch die
zeitgemäße Fjinzunahme von Plaftik und Architek-
tur (Roeckle, Senf, Bernoully, Fucker, Paravicini).
Huf diefem Grund entfalteten fich eine Reihe
bedeutfamer Persönlichkeiten, die gewiß auch
noch ihren öleg außerhalb Frankfurts finden
müffen: Da ift der dekorative Lyriker Reinhold
Ewald aus Fjanau, von dem man auch gleich-
zeitig bei M. Goldfdjmidt & Co. eine Folge bunt
abgeftimmter Schmuckbilder fehen konnte, in
feiner finnlich bezaubernden Fjeiterkeit mit orien-
talifchen Malereien, Perfien, Oftafien, vergleich-
bar. Da ift der von feiner Mufikalität erfüllte
Fjermann Lißmann, der als geiftiger Schüler
Cezannes feine Eafeln einteilt und ihnen die
wefentlichen Abtönungen gibt. Gegenüber folchen
räumlich emppndenden Baumeifternaturen fteht
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feiner Fjeimat. Als Sohn eines Lehrers in Ram-
fau bei Berchtesgaden kam er 14jäF)rig nach
München, 1907 nach Berlin, lebte kümmerlich in
befcheidenfter Bürgerlichkeit, die er auch zum
Vorwurfe feiner Darftellungen machte. Einfache
Räume mit einfachen Menfchen find fein Chema.
Hber wie find diefe gefehen! Es lebt und atmet
in diefen niederen, von geheimnisvollem Lichte
durchtränkten Räumen, in denen jeder Gegen-
ftand zu wefenhafter Bedeutung wird, flm er-
ftaunlichften wirken die 3eid)nungen, in denen
das ftarke momentane Erleben mit ganzer Frifche
feftgehalten ift. öleftermayr fteht an der Grenze
der expreffioniftifchen Kunft, der er ficher ein
bedeutender Pionier geworden wäre, einer von
denen, die zu den fchönften Fjoffnungen -ftnlaß
boten.
Ein bedeutfames Vorwärtsfehreiten weift M i cf) 1
Finge ft ens Graphik, die in der „Neuen Kunft“
zu fehen ift, auf. In den 20 Radierungen zu
Arno Fjolz’s „Blechfchmiede“ ift er, da feine
früheren Monumentalwerke in gewaltigen For-
maten nicht recht in das fdßwarzweiße Gefüge
paffen wollten, zu einer freieren und leichteren
Kunft übergegangen, die fiel) noch deutlicher in
dem neuen 3yklus, „Aus den Spelunken Ber-
lins“, offenbart. Man wird dem weiteren Schaffen
des Künftlers mit Intereffe folgen.
Gurlitt zdgt 24 Gemälde Max Pechfteins,
die alle im Laufe des vergangenen Jahres in
Nidden an der Oftfee entftanden find, wo der
Künftler nach der langen QnterbrecFmng, die der
Krieg feinem Schaffen auferlegt hatte, nunmehr
erftaunlich rüftig arbeitet. Die Erinnerung an
die Südfee kehrt mannigfach wieder. Es macht
den Eindruck, als ob ein großer Ceil der ölerke
noch dort entftanden wäre, doch find es nur
Reminiszenzen, die der Künftler nach den glück-
lich geretteten Skizzen zur Darftellung bringt.
Pechftein dokumentiert fich in diefen ölerken
als einer der kraftvollften und gefündeften der
jüngeren Generation. Es ift erftaunlich, mit wie
geringen Mitteln er eine Darftellung zum Er-
lebnis zu fteigern verfteht, wie fich bei ihm
alles zu Farbe und Rhythmus konzentriert, jedes
Sujet immer mehr und mehr aus dem Rahmen
herauszuwachfen fcheint. Diefe Äbftraktion ift
in den Figuren und Bildern am weiteften ge-
führt, vielleicht aber hier noch nicht fo voll-
kommen gelöft wie in den Landfchaften und
vor allen Dinqen in folchen Szenen, wo klei-
nere Figuren in die Natur eingeftreut find. Die
Farbe ift ihm die Fjauptfache; das Ganze wird
einheitlich auf einen Eon geftimmt und alle
Kleinlichkeit verbannt. Es ift eine ftraffe, ernfte
Kunft, die uns Pechftein bietet. Hm liebften ift
er mir in feinen Landfchaften, fo z. B. in dem
„Kiefernwald“ und dem „Fjerbft“, die wie eine
Symphonie in blau und grün das dunkel Lau-
fchige und Geheimnisvolle des ölaldes in fich
bergen. Doch das Erftaunliche an diefem Künftler
ift, daß, nimmt man feine graphifchen Blätter
zur FJand, man behaupten möchte, nicht die
Farbe wäre das Stärkfte, fondern vielmehr der
Rhythmus der Linie.
Es fei in diefem 3ufammenhange hier auf ein
neues Mappenwerk hingewiefen, das im Ver-
lage von J. B. Neumann, Berlin, unter dem
Eitel „Ein Dorf“ erfcheint, und in dem befonders
das eine Blatt einer Dorfftraße in feiner monu-
mentalen Größe von fafzinierender ölirkung ift.
Von den anderen bei Gurlitt ausgeftellten
merken feien noch die kleinen Bronzen von
Renee Sintenis erwähnt, die etwas fo köftlid)
Spielerifches in fich haben, daß man fich an
diefen feinen, von gefunder Naivität getragenen
Plaftiken nur erfreuen kann. K. S.
Die Kunfthandlung Carl Nicolai zeigt gegen-
wärtig Kollektionen des Bildhauers Ernft Paul
Fjinckeldey (Reliefs) und zahlreiche Gemälde von
Egon von Lueder, dazu eine Reihe hervorragen-
der Einzelwerke von Canon, Corinth, Courbet,
Menzel, Slevogt und Erübner.
Frankfurter Äusftellungen
Dank des großzügigen Verzichts der älteren
impreffioniftifchen Richtung der Frankfurter Maler,
die pcl) mit der Husftellung von Einzelwerken
begnügten, kam diesmal im Kunftverein ein
vieles ve fprechender, expreffioniftifcher Nach-
wuchs zu ölort: Das Gefamtbild der Husftellung
erhielt damit den charakteriftifctjen architek-
tonifchen 3ug der 3eit, nicht nur durch eine
geTchmackvoll fparfamere Verteilung der Ma-
lereien an den öländen, fondern auch durch die
zeitgemäße Fjinzunahme von Plaftik und Architek-
tur (Roeckle, Senf, Bernoully, Fucker, Paravicini).
Huf diefem Grund entfalteten fich eine Reihe
bedeutfamer Persönlichkeiten, die gewiß auch
noch ihren öleg außerhalb Frankfurts finden
müffen: Da ift der dekorative Lyriker Reinhold
Ewald aus Fjanau, von dem man auch gleich-
zeitig bei M. Goldfdjmidt & Co. eine Folge bunt
abgeftimmter Schmuckbilder fehen konnte, in
feiner finnlich bezaubernden Fjeiterkeit mit orien-
talifchen Malereien, Perfien, Oftafien, vergleich-
bar. Da ift der von feiner Mufikalität erfüllte
Fjermann Lißmann, der als geiftiger Schüler
Cezannes feine Eafeln einteilt und ihnen die
wefentlichen Abtönungen gibt. Gegenüber folchen
räumlich emppndenden Baumeifternaturen fteht
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