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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 4
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Neue Zeitschriften
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0194

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Neue 3eitfd)riften

Provokatorifche verloren hat, verfochten wird.
Freilid) wäre es ungerecht, wollte man fid) der
Catfache verfchließen, daß gerade Italien auf
dem Gebiete der jungen Kunft einige Köpfe
vom Schlage der Carrä, Giorgio de Chirico,
Morandi u. a. befißt, die den Picaffo, Herbin,
Braque, Leger des jungen Frankreich durchaus
die Stange halten. Aber es verfügt auch —
und dies ift faft noch erftaunlicher — über die
literarifchen Köpfe, die philofophifd) fchürfend
an die Probleme der neuen Kunft heranführen.
Neben den Italienern Savinio, Folgore u. a. —
Carrä felbft betätigt fich hier ebenfalls fchrift-
ftellerifd) — find die Mitarbeiter international
gewählt. Unter ihnen die Franzofen Clavel,
Andre Salmon (um nur wenige Namen zu nen-
nen) — der Holländer Cl)eo van Doesburg und
unfer Cheodor Däubler, der eine Folge von Auf-
fäßen unter dem Citel „Nostro Retaggio“ ver-
öffentlicht. — Das zweite Doppelheft der „Va-
lori Plastici“ ift dem franzöfifchen Kubismus
gewidmet und gibt vor allem bildlich eine aus-
gezeichnete Vorftellung jener Linie, die etwa
von Picaffo über Braque zu Leger und dem
feltfamen Plaftiker Lipfd)iß hinführt. Kaum zu
zweifeln, daß diefe modernfte Kunftzeitfd)rift
gerade in Deutfchiand, das fid) fo inbrünftig
auch um die lebten Probleme der neuen Kunft
bemüht, bald viele Freunde gewinnen wird.
Ihr Generalvertreter ift 5ans Golß in München.
Cheodor Däubler hat es übernommen, dem-
nächst die Lefer unferer 3eitfd)rift in einem
illuftrierten Auffaß mit dem Kunftfchaffen des
jungen Italien bekannt zu machen, was in diefem
3ufammenhang nicht verfd)wiegen fei.
2. Feuer
Diefe von Dr. Guido Bagier herausgegebene
Monatsfchrift für Kunft und künftlerifche Kultur
(Verlagsanftalt Gebr. Hofer, Saarbrücken) hat
außer einer beifpiellos üppigen Ausftattung nichts,
was uns Grund gäbe, fie als wirkliche Bereiche-
rung unferer viel zu zahlreichen Kunftrevuen
anzufprechen. Die Mitarbeiter bunt gemifcht.
Neben Namen von bewährtem Klang harmlofe
Provinzfehreiber, die bar an Geift der 3eit, hier
in großfpuriger Aufmachung vollkommene Platt-
heiten verzapfen. Dazu die verwirrende Fülle
eines Materials, das nirgends eine einheitliche
Linie zeigt. Eine verfd)wommene Phyfiognomie,
das ift das Geficht diefer neuen 3G>tfd)rift, fo-
weit die erften beiden Hefte überhaupt Kritik
geftatten. Man möchte den Aufwand bedauern,
der hier einer Bagatelle geopfert wird, wenn
man nicht vielleicht doch noch Fjoffnung hätte,
daß der fonft um das rheinifche Mufikleben fo

hoch verdiente Herausgeber allmählich das Pro-
gramm findet, aus dem heraus diefe 3eitfd)rift
Schrittmacherin der jungen kulturellen Kraft des
deutfd)en ttleftens werden könnte. Geht es
aber in dem Stil weiter, dann ift ein großer
Aufwand wirklich fchmählid) vertan und es
bleibt nichts übrig als ein angenehmes Bilder-
buch, in dem man auch die wenigen guten Bei-
träge (als folche nenne ich Auffäße von Cüeft-
heim, (üaeßoldt, Cohen, ttlygodzinfki, Daniel
Henry — von den rein did)terifd)en Gaben nicht
zu fprechen) beinahe als überflüffigen Ballaft
empfindet. Korrektur im ganzen und im Detail
tut fd)leunigft not.
3. Der Genius
Dem erften Halbjaßrsband diefer von Karl
Georg Heife, Hans Marderfteig und Kurt
Pinthus gemeinfam im Verlag von Kurt
ÜIolff-München herausgegebenen „3eitfd)rift
für werdende und alte Kunft“ ift pünktlich in
der gleichen muftergültigen Ausftattung der
zweite Band gefolgt, der in jedem Sinne einen
erfreulichen Fortfehritt bedeutet. 3ugegeben,
daß auch in diefem Heft vollkommenes noch
nicht erreicht ift, weil es noch immer an der
programmatifchen Konzentration fehlt und man
aud) diesmal in der Hauptfacße lieber auf hifto-
rifd) feftftehende ttlerte zurückgriff, anftatt kühn
den Schritt ins Neuland zu wagen (wo bleibt
überhaupt die „werdende“ Kunft!?), fo ift doch
die Qualität im ganzen fo viel abgerundeter
und es dämmert wenigftens von fern die Ahnung
eines Problems auf, das diefe Revue anpacken
möchte, ohne noch den rechten Mut zur Cat zu
pnden. Diefe Feftftellung bezieht fid) indes nur
auf den der bildenden Kunft gewidmeten Ceil,
weil eine Kritik über die literarifche Hälfte
diefer 3eitfchrift dem Schreiber nicht zufteht.
Namen wie töilhelm ül)de, tüorringer, Perzynfki,
Sauerland könnten ein Programm fein, wenn
die Chemata entfprechend geftellt wären, wenn
die Cotalität eines folchen Heftes wirklich aus
einer fchöpferifchen Idee heraus geboren wäre.
Zufammenhanglos mit 3ufallsdingen nebenein-
andergeftellt, geht das Befte verloren, was ein
fo üppig aufgemachtes Blatt als geiftige Funktion
zu erfüllen hätte, ünd man foll uns beileibe
nicht glauben machen, daß Pauli etwa ein mo-
derner Geift fei. Bedürfte es für die uns längft
bekannte Feftftellung noch eines Beweifes, fo
gibt ihn der hier veröffentlichte Beitrag über
„Die beiden Prinzipien künftlerifchen Geftaltens“,
der ein Schulbeifpiel jenes unfruchtbaren Äftße-
tifierens ift, hinter dem fid) der dreffierte Denk-
zwang dreier Jahrhunderte birgt. Verblüffend

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