Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

DOI issue:
[Heft 5]
DOI article:
Clemen, Paul: Die Abwanderung des deutschen Kunstbesitzes und die neue Kunstschutzverordnung
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0226

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
hierfür erforderlichen Auskünfte zu erteilen hat, aber diefe Beftimmung kann doch un-
möglich auf jeden Kunftfreund, jeden Kunfthiftoriker ausgedehnt werden, der ein folches
nationales Kunftwerk fel)en und ftudieren möchte. Und die übrigen, nicht durch die
Eintragung in die Lifte gefeilten Kunftwerke — find [ie vogelfrei? Sie genießen
ficher zunächft nicht die (Uolfftat diefes Gefeßes. Notwendigerweife muß deswegen
doch mit einer Fortführung, einer Ergänzung der Lifte gerechnet werden, wie ja auch
die Lifte der „objets mobiliers“ in dem Claffement des franzöfifchen Gefeßes immer
ergänzt wird, nur darf diefe theoretifd) begehende Ergänzungsmöglichkeit nicht zu einer
dauernden Beunruhigung des Kunftbefißes führen.
Eine Folge diefer ganzen Maßregel wird natürlich und faft automatifcl) eine nicht
zu vermeidende fet)r große Beunruhigung der Eigentümer koftbaren Kunftgutes, eine
ftärkere und lautere der Händler und der Ägenten fein und ift es fchon. Unfere großen
Sammler, die nicht fehr zahlreich vorhandenen Sammler aus fürftlichem Blut und aus
alten Gefchlechtern und die erft aus der letzten Generation hervorgegangenen Sammler
bürgerlicher Kreife haben bislang ihre Sammlungen für Kunftfreunde wie vor allem für
das Studium in denkbar liberalfter Güeife geöffnet. Man könnte pcl) vorftellen, daß die
Eigentümer diefer Sd)äße von diefer Gepflogenheit abzugehen Neigung hätten, daß fie
ganz radikal den 3utritt zu ihren Koftbarkeiten verwehren. Ulir werden uns daran
gewöhnen müffen, daß die Scßnüffelnafen der fteuerfiskalifcßen Organe in all unfere
Heimlichkeiten und Crefors tüneinfehen, — dann möchte mancher vielleicht wenigftens
feine Kunftfd)äße vor folchen unkeufchen Äbtaftungen gefchüßt fehen. Diefe Gefahr
wird vermieden und eingefd)ränkt, wenn die Lifte im wefentlichen feftliegt, ftabil bleibt
und wenn das Verzeichnis fiel) als eine Art Ehrenprädikat für das betroffene Kunftwerk
darftellt. Sonft wird ein Sammler zumal neue koftbare Stücke, die er etwa zu erwerben
in der Lage ift, eher geheimhalten als daß er fiel) der Gefaßr der Drangfalierung aus-
feßt. Vor allem aber wird eine Folgeerfcßeinung eintreten, die in erfter Linie unfere
Mufeumsbeamten und Kunftbeamten trifft. Verkaufsverhandlungen über noch nicht
gefd)üßte Stücke höchfter Qualität, bei denen erwartet oder befürchtet werden kann,
daß fie eventuell auf die Lifte gefeßt werden würden, werden noch mehr als bisher
in der tiefften Stille erfolgen. Unfere großen Händler werden Bedenken tragen, folcße
koftbaren Ulerke, für die fie doch auch ganz erhebliche Summen zahlen müffen, zumal
wenn pe fie im Ausland gekauft haben, in die pe oft einen beträchtlichen Ceil ihres
mobilen Vermögens inveftiert haben, nach Deutfcßland zu bringen, wenn pe dort be-
fürchten müßen, daß durch eine Aufnahme in diefes Verzeichnis für das betreffende
Kunftwerk die Verkaufsmöglichkeit wefentlid) eingefchränkt und damit unter Umftänden
die Möglichkeit, auch nur das dafür ausgegebene Kapital wieder einzubringen, zerftört
wird. Es werden fold)e Umfäße und Verkäufe einfach im Ausland ftattpnden und
natürlich lieber an Ausländer als an Deutfcße. Es werden dann fehr zu ihrem Schaden
auch die öffentlichen Mufeen, die Beamten und Pßeger der Kunftverwaltung nichts
mehr von diefen Chancen und überhaupt von der Exiftenz diefer öüerke erfahren.
Selbft wenn wir bei den ganz großen Objekten niemals dank der jämmerlichen deut-
feffen Güäßrung mit Auslandspreifen konkurrieren könnten, hätten wir doch ein ideales
Intereffe daran, wenigftens von dem Vorhandenfein diefer fchönen und unerreichbaren
Dinge zu erfahren, ihr Sdffckfal zu verfolgen, die Studienmöglichkeit zu haben. Viele
unferer großen Händler haben heute fd)on Stüßpunkte oder Filialen im Ausland. Der
Schwerpunkt ihres Gefd)äftes würde dann eben mehr und mehr auf die Auslandftellen
verfchoben werden.

204
 
Annotationen