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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 7
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Wolf, Paul: Die Grundform der Stadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0312

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die Errichtung von tüoßlfahrtsanftalten für die Mutterftadt verbunden werden: Erholungs-
und Ferienheime, üüaldfcßulen, Lungenßeilftätten, Ärmenafyle ufw.
Ganz große Städte könnten folche Neugründungen als Cocßterftädte auch derart ge-
halten, daß drei bis vier Gartenftädte nach dem Syftem von Fjoward mit 1/3 Bebauung
und 2/3 landwirtfchaftlichem Gebiet, gleichzeitig in unmittelbarer Nachbarfchaft gegründet
werden. Damit würde eine Großftadt von 100000 Einwohnern aus einem Guß er-
heben, diefe drei bis vier Einzelftädte würden im Mittelpunkt ein gemeinfames kom-
munales Forum erhalten, mit gemeinfamen öffentlichen Gebäuden, mit Cßeater, Volks-
haus, Kino ufw. Diefe neuen Gebilde würden alfo die Vorzüge der Großftadt mit den
Vorzügen der Kleinftadt — weiträumige ländliche Bebauung und landwirtfchaftliche
Selbftverforgung — verbinden können. Äbb. 12 zeigt eine fchematifche Darftellung
diefes Gedankens. Die Ärbeitsftätten, die Induftrien beßnden fid) im Often auf der,
der vorhergehenden (nindrießtung entgegengefeßten Seite.
Beim öCIiederaufbau der zerftörten Gebiete in Nordfrankreich und Belgien wäre
befonders Änlaß gegeben, folche neuartigen Stadtgebilde aus einem Guß erfteßen zu
laffen. Auel) die zukunftsreichen Länder von Südamerika bieten Gelegenheit zu
neuen Stadtgründungen großen Stils. Möchte es gelingen, da, wo folcße große
3ukunftsmöglicßkeiten geboten find, die Stadtplanung in die Pfände eines Künftlers
zu legen, der imftande ift, das Formproblem der Stadt der 3ukunft einen Schritt
weiter zu bringen.
(Oie fiel) bei uns in Deutfcßland in der kommenden 3eit das Formproblem der Stadt
geftalten wird, vermögen wir heute nicht zu fagen. Die Entwicklung der Städte wird
davon abßängen, ob die Induftrie wieder von neuem ißre ftarke Lebenskraft erlangen
wird. Oßne 3weifßl werden wir in Deutfcßland in den näcßften Jaßrzeßnten mit un-
feren Kräften und Mitteln aufs äußerfte ßausßalten müffen. Bei der Löfung des öüoß-
nungsproblems aber, das uns heute und in den näcßften Jahren befonders bewegt,
wird es unfere Äufgabe fein, Siedelungen zu feßaffen, die troß der uns bedrängenden
Not noeß fpäteren Gefcßlecßtern einen ftarken und einheitlichen künftlerifcßen Aus-
druck überliefern werden.

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