Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

DOI Heft:
Heft 8
DOI Artikel:
Oelenheinz, Leopold: Ein neues Verfahren zur Meisterbestimmung und Ergebnisse desselben
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0362

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
in Petersburg will man dem Schüler Cefare da Sefto zufcßreiben. Beide Bilder zeigen
fid) aber nad) unferen Pendelprüfungen als vom Meifter [elber ßerrül)rend. Dem-
gegenüber find die „Madonna mit der Klage“ und die Ricci zugefagte „Madonna mit
dem Kinde und dem kleinen Johannes“ keinesfalls Arbeiten Leonardos. Auel) mcßt
die „Madonna mit dem Jefuskind“ in der Pinakothek in München (angeblich Kopie
des van Orley) und ebenfo der „Chriftus mit dem Kreuze“ in der Liechtenfteingalerie.
Aber der „Johannes der Läufer“ im Louvre, den v. Bode dem Leonardo felbft zuweift,
ift wirklich ein Gemälde von des Meifters üand. ünd fcßließlicß ergibt fidt), daß auch
die Leda mit dem Schwan von einem „unbekannten Meifter“ und die „Fjeilige Katha-
rina“ im Schloß zu Klindfor eigenhändige Bilder Leonardos find. Der lange Streit,
ob die „Madonna in den Felfen“ in der Nationalgalerie in London oder die im Louvre
zu Paris die echte ift, beantwortet fiel) mit Klaagen und Karl Kloermann dahin, daß
entfcßieden das Parifer Stück, das zudem die bedeutungsvolle Gebärde des Engels
aufweift, das echte von des Meifters Leonardo Fjand darftellt. Das Londoner Bild
hat man dem Meifter des kreuztragenden Chriftus zuzufeßreiben. ünd nun der
Medufenkopf in den üfßzien! Er ift ebenfo ein Klerk eines anderen, woßl flämifcßen
Meifters, wie der von Rubens nach Leonardo gezeichnete „Kampf um die Standarte“.
Danach mag es nicht erftaunen, wenn fieß unter dem Pendel die berühmte Feder-
zeichnung aus der Sammlung Galincßon im Louvre als eine Studie von Rubens ßeraus-
ftellt. Dasfelbe findet man bei zwei Blatt der Figurenftudien dazu, davon eine im
Louvre, die andere aus der Sammlung Malcolm. Diefe find aueß auf anderem Papier
als eine dritte im Louvre, die von Leonardo ift (Rofenberg 3, Abb. 28). Betrachtet
man das Cßriftuskind und die Maria, fo findet man wirklich auffallend meßr den
Lypus Rubensfcßer Geftalten als den der Leonardofcßen auf dem üfßziengemälde.
Man vergleiche den Amor des Rubens auf der „frierenden Venus“ im Antwerpener
Mufeum und die Madonna ebenda in der Jakobskircße oder die Fjelene auf dem Bild
mit ißren Kindern im Louvre (um 1637). Rubens ßat da in feiner freien Kleife nach
Leonardo Motive gefammelt. Die Möglichkeit ift nicht von der Fjand zu weifen, fo
überrafeßend die von verfeßiedenen Seiten unabhängig voneinander geprüfte Anfage
des Pendels auf den erften Blick erfeßeinen mag.
Bei Leonardo ergibt fiel) für uns die bedeutfame Latfacße, daß im Klefentlicßen die alte
Überlieferung Recht beßält, eine Latfacße, mit deren Gewicht auf dem Gebiet der Sagen-
forfeßung undGefcßicßte längft gerechnet wird. Soll gerade derümftandderübereinftimmung
der Ergebniffe mit der alten Überlieferung nießt für das neue Verfahren fpreeßen dürfen?
Klie man an diefen wenigen Beifpielen fießt, ßat die Kunftwiffenfcßaft nichts von ißm zu
fürchten, woßl aber dürfte es geeignet erfeßeinen, die Fundamente der Kunftwiffenfcßaft
dureß neue Einficßten zu ftärken. Ernftßafte Prüfung wird woßl in dem fremden Neuen
aueß das Gute, nießt die „Konkurrenz“ feßen. Jedenfalls geben die Ergebniffe zu denken.
Der Vorteil des neuen Verfahrens befteßt namentlich darin, daß dureß die Schwin-
gungen des Pendels das fießtbar wird, was das gefcßulte Auge des FJiftorikers als
Antenne füßlend, divinatorifcß der menfcßlicßen Einficßt vermittelt und weiter: daß
naeß Pßotograpßien die Studien und Feftftellungen im Studierzimmer feßon fo fießer
zu treffen find, daß eine Nachprüfung vor und am Original erft in zweiter Linie vor-
genommen zu werden braucht, ünd drittens liegt die 3uverläffigkeit darin befcßloffen,
daß zwei und meßr befähigte Perfonen an verfeßiedenen Orten die Prüfungen nach
Pßotograpßie gleichzeitig vornehmen und einer Mittelftelle die Ergebniffe zufenden
können. Die Übereinftimmung muß der untrügliche Beweis fein.

336
 
Annotationen