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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 12
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Valentiner, Wilhelm Reinhold: Karl Schmidt-Rottluff
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0490

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Äbb. 4. Karl Scbmidt-Rottluff. Cüeiblidjes Bildnis. 1915.
gamburger Kunftgalle.

Eine fcßnell vorübergehende Bewegung ift im ausdrucksvollen Moment erfaßt; diefem
Moment ift Dauer verließen, indem in ißm der geiftige Gewalt tiefer innerer Erlebniffe
des Künftlers zufammengepreßt ift. Die leicßte Änftrengung, die das Anlegen des
ßandfcßußes koftet, drückt fiel) deutlich in der einen gefenkten, der anderen gehobenen
Schulter aus, das Vorwärtsgehen in dem Vorfcßieben der Bruft und des Unter-
körpers, deffen Schmalheit dem transparenten (liefen der Geftalt entfpricßt. Plößlicß
fcßeint die Bewegung von fcßweren Gedanken feftgebannt. Nachtwandelt die Ge-
ftalt? Laftet auf ißr ein dunkles Gefcßick? Oder drückt die gehobene Schulter ein
Äcßfelzucken aus, wie in Refignation über unlösliche Rätfel des Dafeins? Die ganze
Nachdenklichkeit des Künftlers hat fleh auf diefe fcßweren Äugenlider gefenkt. Me-
lancholie liegt auf den Lippen, Afkefe auf den feßrägen dureßgeiftigten Klangen. Aus
einem nichtigen Motiv, dem des Fjandfcßußanlegens, ift eine unvergeßlich eindringliche
Scßöpfung geworden. Klir erinnern uns Rembrandts, der aus der Alten, die fiel) mit
plumper Schere die Nägel feßneidet, eine von Ließt und Kleisßeit umfloffene Geftalt

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