Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0493
DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:Valentiner, Wilhelm Reinhold: Karl Schmidt-Rottluff
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Äbb. 6. Karl Schmidt-Rottluff. bandfchmhanziebende. 1915.
gamburg, Dr. KI. Niemeyer.
find im Gegenfatj zu dem dufteren Con der Werke der erften Kriegszeit. In leuchtenden,
bisher unerhörten Farbenklängen äußert fiel) die neue Steigerung der künftlerifd)en
Kraft. Sie betätigt fid) in einigen von Fifchervolk belebten Strandbildern, in denen
die Wirklichkeit mit frifcher Energie angepackt und zugleich formal kunftvolle, deko-
rativ feffelnde Kompofitionen geftaltet find; fie betätigt fid) aber aud) in Werken voll
von qefteiqertem Seelenleben und vifionärer Erleuchtunq, um die es uns hier vor allem
zu tun ift (Äbb. 7—9).
In großen, einfachen Färb- und Formfläd)en ftellt fid) die Geftalt in der Abend-
dämmerung am Meere dar (Äbb. 7). Äus einem wunderbaren bläulichen Grün desWaffers
und des ßimmels taucht fie fd)webend auf, geleitet von dem unbeftimmten Karmin des
Strandes; neben der dunklen Erfd)einung blitzt \)e\\ ein weißer Wogenftreifen auf.
Durch die Dämmerung flammt, fern und nah zugleich, Gefid)t, Nacken und ßand in
heftigem gelben Grün, am ftärkflen glänzt es auf den gefenkten, doch durchleuchteten
Äugenlidern. Wie ein Craum, der fid) feft ins Gehirn eingebrannt hat, ganz Geift,
ganz Gefühl, von beängftigender Körperlichkeit und doch unwirklich wie der Gedanke,
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