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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

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Heft 14
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Marzynski, Georg: Die expressionistische Methode, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0571

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in eine beffere (Heit, weil das wirkliche Leben ißnen lebensarm fcßeint. Sie fernen
fid) nad) Fülle und Reichtum des Erlebens, und dazu kommt nocß, bei den geringeren
unter ißnen, eine krankhafte Lebensfcßwäcße, die den Craum über die Wirklichkeit [teilt.
Der Expreffionift hingegen verläßt die Wirklichkeit, nicht weil fie ihm zu arm, zu ein-
tönig ift, fondern weil fie bloß natürlich objektiv, anftatt künftlerifch fubjektiv ift.
Das natürliche Erlebnis, welches der Romantiker intenjlvieren will, ift für den Ex-
preffioniften gerade das wahrhaft Qnkünftlerifcße. Seine Arbeit ift ümformung der
Wirklichkeit, bis aus der Naturgeftalt die Kunftgeftalt geworden ift. Die Natur-
erfcheinung ift in ihrem Sein durch außerfubjektive Gefetje beftimmt, $e Seele muß
gleichfam erftarren, wenn fie diefe objektiven Gebilde in fiel) aufnehmen will; während
die Kunftgeftalt vermenfd)lichte Natur ift, der die Seele fiel) zuwenden kann, ohne ihre
freie Beweglichkeit aufzugeben. Die Methode der Expreffioniften mußte darin befteßen,
daß „Symbole“ gebildet wurden, das heißt, wie wir faßen, Wiedergaben eines Stückes
Wirklichkeit, die nur feßr wenig Naturwaßrßeit enthalten, dafür aber der Subjektivität
einen weiten Spielraum laffen. Ein paar Wege der Symbolfindung find hier aufgedeckt
worden, möglicßerweife gibt es noch ganz andere. Im Wefen der expreffioniftifeßen
Gefinnung liegt es, daß diefe Symbole, fo „fubjektiv“ ße auch feßon felbft fein mögen,
immer noeß eine individuelle Äusgeftaltung erfahren. Ein Naturalismus der Vorftellungs-
bilder z. B. wäre ebenfo unexpreffioniftifcß, wie jede andere Form des Naturalismus. Die
bisßer fehlende Phänomenologie der Vorftellungen kann alfo nicht durch eine einfache
Befcßreibung expreffioniftifeßer Bilder nacßgeßolt werden; abgefeßen davon, daß im
einzelnen Bild fiel) oft verfeßiedene Wege der Symbolfindung kreuzen. Die Äus-
geftaltung der Symbole gefeßießt entweder nad) dem Schema des Kubismus oder nad)
allgemein-formalen Geficßtspunkten, die ja in jeder guten Kunft vorhanden find. In
einem gewiffen Sinne ift fcßließlicß alle wirkliche Kunft „Symbolkunft“; nur wurden früher
„naturaliftifcße Symbole“ verwendet, jefet aber folcße, deren Form durch pfycßologifcße
Gefeßmäßigkeiten beftimmt wird. Im übrigen mögen bei der Äusgeftaltung der expreffio-
niftifeßen Symbole Motive mitwirken, die fieß bisßer einer klaren Erkenntnis entziehen.


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