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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920

DOI issue:
Heft 15
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Cohn-Wiener, Ernst: Willy Jaeckel
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0593

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lüilly Jaeckel. Loslöfung. 1915.

Ulie h)ier die Formen von Menfch und Natur fiel) gegenfeitig ftüt$en, in kraftvollen
Parallelen und Kontraften die große Fläche gliedern, die Raumtiefe zur Bildfläche wird,
ift charaktervolle Löfung desfelben Problems, das wiederum fcßon am Änfang des
19. Jahrhunderts taftende Monumentalgebilde, die Fresken der Nazarener, fchuf. Und
es ift kein 3ufaU> fondern hiftorifch notwendige Synthefe vieler Stilftrömungen, wenn,
wie Jaeckels Bahlfenbilder die romantifche, fo feine religiöfen ÜJerke die nazarenifctje
Entwicklung abfchließen. Doch find auch fie höchft aktiv. Der Stoff des Geihfemane-
bildes ift vielleicht der tragifchfte Augenblick in der Paffion, der let$te Kampf des Mär-
tyrers zwifchen Leben und Leiden, aus dem fchwer entfdjloffen die Überzeugung von
der Notwendigkeit des Opfers fich ringt. Der Vorgang ift oft gemalt worden: als
blutiges, felbftzerfleifchendes Kämpfen von Fjans Multfcher, jähes Sich-Äufbäumen bei
Dürer, ekftatifche Demut bei Greco. Jaeckel faßt die Männlichkeit des fchon Ent-
fchloffenen. Er läßt ihm aus der dumpfen Maffe fcßlafender Jünger nach vorn fchreiten,
groß und weiß, fcßleppenden und doch fieberen Fußes mit leidvoll ftarrenden und doch
entfd)loffenen Äugen. Es ift zweifellos formal und inhaltlich das bedeutendfte Monu-
mentalwerk des Malers, und tief zu bedauern bleibt, daß es auf fo vergänglichem
Material, auf bloßem Papier gemalt ift.
Doch ift noch eine Steigerung denkbar, begründet aus der Feftigung des religiöfen
Gefühls. Je pofitiver es wird, je mehr aus der SeFmfucht nach dem Unendlichen das
Gefühl wird, unter der Fjerrfchaft einer göttlichen Macht zu ftehen, defto mehr wird

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