Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0711
DOI Heft:
Heft 18
DOI Artikel:Biermann, Georg: Heinrich Campendonk
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früh) auf die immateriellen Bewegungen von unten reagiert und wie fie, einmal ftärker
von den Klellen und Strömungen erfaßt, diefen als geiftiges Fanal voraufleuchtet. Denn —
foweit es fiel) um geiftige Prozeffe handelt -— eignet dem Künftler meßr als dem gewöhnlichen
Sterblichen die Klitterung in die 3eit hinein. Seine Senfibilität reagiert vernehmlicher
auf die dynamifchen Kräfte des Geiftes, die allein Revolutionen zu entfeffeln vermögen.
In dem großen kindßaften Schöpfer gewinnen die Äßnungen eines unerbittlich Kommenden
früher greifbare Geftaltung. Seine Sehnfucht ift voll der ßöchften Luft und voll des
tiefften Schmerzes, die Menfchenfchickfal umklammern. Äus den fureßtbarften Nöten
der Kielt erhob fid) die frühchriftliche Kunft zu der flöße einer ewigen fymbolßaften
Verneinung des Irdifcßen und weder Peftilenz noch Völkerzwift haben den Meißel jener
Steinbildhauer, die über den Portalen gotifeßer Dome den Kranz feeliger Geftalten auf-
richteten, zu lähmen vermocht, folange das Gemeinfchaftsideal im Geifte Gemeingut der
gotifchen Kielt gewefen ift. Erft als diefes zu wanken beginnt, fängt auch die innere
Feftigkeit der Bildwerke an nacßzulaffen, verblaßt jener ßiegßafte Glorien feßein über den
Heinrich Campendonk.
Blumenbild. 1917.
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