Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920
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Heft 21
DOI Artikel:Zahn, Leopold: Wilhelm Schnarrenberger
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dem Gebiete der Kunft fteßt KJ. Schnarrenberger diefer literarifchen ürias vereinzelt
gegenüber (infofern man nicht in den Weiteren Spielen Paul Klees den Äusdruck eines
kosmifcf) orientierten Fjumors erkennen will).
Die Grundftimmung des Schnarrenbergifchen Humors fcheint mir allerdings auf einen
Künftler zurückzuweifen, deffen Epoche als vollkommenes Kliderfpiel zu unferer modernen
3eit gelten kann — auf niemand anderen nämlich wie auf Carl Spitjweg. Die rührende
Lächerlichkeit füddeutfdjen Spießertums ift auch für Schnarrenberger Gegenftand einer Schil-
derung, die ficßerlicf) fatyrifcß pointierter ift, wie bei Carl Spißweg, aber doch nocß genug
gemütvolleÄnteilnaßmeverrät. KJoSpi^weg eine gewiffeRomantik entdeckt,fießtScßnarren-
berger eine Groteske, die, oft in 3wielid)tftimmung getaucht, ins Schemenhafte, Unheimliche
wächft. Das ließe an Daumier denken, nur fehlt Schnarrenberger der dämonifche ßaß,
den der Franzofe dem Bourgeois entgegenbringt. Bei aller fcharfen Beobachtungsgabe
ift Schnarrenberger doch kein Satyriker und Karikaturift, eben deshalb, weil er nicht
haßt, weil er vielmehr die Menfchen gerade um ihrer Lächerlichkeiten willen liebt.
Am glücklichften und eigenartigften ift er dort, wo ihm die Klirkung großer Er-
eigniffe auf das Leben des Spießbürgers Motiv der Darftellung wird, alfo vor allem
in den Blättern, die fich auf Krieg und Revolution beziehen. Es ift unnachahmlich
und köftlid), wie er hiftorifche Gefchehniffe ihres Pathos entkleidet, indem er fie in der
Seele des Kleinbürgers reflektieren läßt, wie er ein Kleltdrama zu einem Lokalereignis
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