Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 12.1920
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0867
DOI Heft:
Heft 22
DOI Artikel:Göbel, Heinrich: Würzburg und Fulda, [1]: ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Wirkteppichmanufakturen im 18. Jahrhundert
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0867
Refidenz zu Klürzburg. Brüffeler Cüirkteppid). Klappen der oberen Bordüre von Johann O)omas.
Aufnahme von ßofp^otograpb K. Gundermann, ttlürzburg.
zutaufdjen. Die deutfd)en Fürften gehen von dem durchaus gefunden Standpunkte aus,
möglict)ft wenig iCüaren aus der Fremde anzufordern, dagegen in reictjftem Maße aus-
ländifcße Handwerker und Künftler ßeranzuzießen, ihnen die Errichtung von Manufak-
turen und Fabriken durch Hergabe von 3ufcl)üffen, Steuerfreiheit und zahlreichen
jonftigen Vergünftigungen zu erleichtern. Mit glänzendem Beifpiele geht Brandenburg
voran, ihm folgt Hannover, Sachfen, Kurheffen, Bagreuth, Ansbach und viele andere
deutfdje Staaten, bis auf die winzigften hinab. In allen diefen Beftrebungen liegt ein
faft nervöfer Eifer, fid) gegenfeitig den Rang abzulaufen, fiel) in Neueinrichtungen zu
überbieten. Die Schatten füllten nicht lange auf fiel) warten laffen; faft die meiften
ünternehmungen kränkeln nach kurzer Blütezeit, um dann rühmlos zu verfchwinden.
Die Lebenskraft, diefe, zumeift auf Herftellung von Luxuswaren beruhenden Anlagen
zu unterhalten, fehlt: der ftändige und reichlich bemeffene fürftliche 3ufd)uß. Selbft in
Frankreich konnte in Kriegsjahren die große Staatsmanufaktur der Gobelins nicht immer
durchhalten; fie wurde allerdings, fobald fiel) irgendwie Mittel flüffig machen ließen,
felbft unter erheblichen Opfern, wieder in Gang gebracht.
Als erfchwerendes Moment kommt die Verftändnislofigkeit, der kleinliche Geift, hinzu,
der an manchen deutfd)en Höfen dem Kunfthandwerk entgegengebracht wird. Es fehlt
die Tradition, die Achtung vor der künftlerifchen Leiftung, fofern es fiel) nicht gerade
um Malerei oder Architektur handelt. So ift vielfach der Lebensgang der fremden
Klirker in deutfd)en Landen ein Kreuzesweg; der Künftler reibt fiel) auf in Sorgen um
das tägliche Brot. Jede Eigenart der Entfaltung wird gehindert, und nicht feiten endet
der Kunfthandwerker im Elend.
Ein charakteriftifches Beifpiel bietet die€eppid)manufaktur der Fürftbifchöfe zu tüürz-
burg. Schon Dr. Manfred Meyer gibt in feiner Gefd)ichte der t£Iandteppid)fabriken
819