DOI Heft:
Heft 23
DOI Artikel:Fraenger, Wilhelm: Zu einem Selbstbildnis von Edvard Munch
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.27227#0890
Aus reichem Stoffe nur zwei Beifpiele, Strindbergs Roman „Am offnen Meer“
entnommen. Das erfte lautet:
„Als er die ßalbleere Kammer betrat, in der feine Schritte widerßallten, füllte er
fiel) eingefangen. Er war in einem Kriftall, in ein Hexaeder, oder etwas ähnliches
eingefcf)loffen, und die geraden Linien, die gleichmäßig großen Flächen teilten feine
Gedanken gewiffermaßen in Quadrate, liniierten feine Seele, vereinfachten fie aus der
Freiheit des organifchen Lebens zu ftarren Formen, führten die reiche Urwaldvegetation
feines Gehirns mit ihren wechselnden Empfindungen zu den erften kindlichen Ordnungs-
verfuchen der Natur zurück.
Sofort ging er an die Umwandlung des 3immers.“
Der letzte Sat} bedeutet ganz im Sinne Munchs: Er fcßickte fiel) an, durch eigen-
willig in den Raum verteilte Möbel das Raumgefejs zu beugen und feiner eigenen
Herrfcßaft untertan zu machen. Die zweite Stelle lautet:
„Die weißen, untapezierten (Uände, abftrakt wie der Staatsbegriff, vier weiße
Rechtecke, die einen Raum umfchloffen, der wieder von einem weißen Rechteck gedeckt
wurde. Unperfönlicß hart, wie e‘n Hotelzimmer, das nicht zum (Höhnen, nur zum
Logieren beftimmt ift.
Die Beklemmung, die das ganze 3immer in dem Fifcßmeifter hervorgerufen halte“...
Diefer Abfatj ift affoziations-pfycßologifd) befonders bemerkenswert: Im Augenblick
der (Uahrneßmung des ftarren Raumes fcßnellen in Äuguft Strindberg automatifcß zwei
Vorftellungen empor.
3unächft das Sinnbild ftarrer Ordnung: Das Staatsfyftem, in das die Unbotmäßig-
keit des Individualiften fiel) ebenfowenig einfügt wie in die Regelmäßigkeit des Raum-
gebäudes.
Danach der Gegenpol: Das Sinnbild waßllofen Getriebes: Das Hotel, die wändelofe
Durchzugftätte, in deren Unfrieden der Einfame verftoßen ift und leidet.
Und damit wird die, einem Ärglofen zufällig erfeßeinende metapßorifcße Äntitßefe:
Staat und Hotel, für unfern 3urammenl)ang zu einem vollwertigen Gleichnis.
Die Formgefinnung, aus der Strindberg jene polaren Affoziationen zufammengebunden
ßat, ift keine andere als die von Edvard Mund), die jene innere Dialektik feines Selbft-
bildmffes meifterte:
Croß gegenüber den Gewalten der Bindung und Selbftverzeßrung in der
einfamen Paffion ift beiderfalls die feelifcße Vorausfet^ung der Formung.
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entnommen. Das erfte lautet:
„Als er die ßalbleere Kammer betrat, in der feine Schritte widerßallten, füllte er
fiel) eingefangen. Er war in einem Kriftall, in ein Hexaeder, oder etwas ähnliches
eingefcf)loffen, und die geraden Linien, die gleichmäßig großen Flächen teilten feine
Gedanken gewiffermaßen in Quadrate, liniierten feine Seele, vereinfachten fie aus der
Freiheit des organifchen Lebens zu ftarren Formen, führten die reiche Urwaldvegetation
feines Gehirns mit ihren wechselnden Empfindungen zu den erften kindlichen Ordnungs-
verfuchen der Natur zurück.
Sofort ging er an die Umwandlung des 3immers.“
Der letzte Sat} bedeutet ganz im Sinne Munchs: Er fcßickte fiel) an, durch eigen-
willig in den Raum verteilte Möbel das Raumgefejs zu beugen und feiner eigenen
Herrfcßaft untertan zu machen. Die zweite Stelle lautet:
„Die weißen, untapezierten (Uände, abftrakt wie der Staatsbegriff, vier weiße
Rechtecke, die einen Raum umfchloffen, der wieder von einem weißen Rechteck gedeckt
wurde. Unperfönlicß hart, wie e‘n Hotelzimmer, das nicht zum (Höhnen, nur zum
Logieren beftimmt ift.
Die Beklemmung, die das ganze 3immer in dem Fifcßmeifter hervorgerufen halte“...
Diefer Abfatj ift affoziations-pfycßologifd) befonders bemerkenswert: Im Augenblick
der (Uahrneßmung des ftarren Raumes fcßnellen in Äuguft Strindberg automatifcß zwei
Vorftellungen empor.
3unächft das Sinnbild ftarrer Ordnung: Das Staatsfyftem, in das die Unbotmäßig-
keit des Individualiften fiel) ebenfowenig einfügt wie in die Regelmäßigkeit des Raum-
gebäudes.
Danach der Gegenpol: Das Sinnbild waßllofen Getriebes: Das Hotel, die wändelofe
Durchzugftätte, in deren Unfrieden der Einfame verftoßen ift und leidet.
Und damit wird die, einem Ärglofen zufällig erfeßeinende metapßorifcße Äntitßefe:
Staat und Hotel, für unfern 3urammenl)ang zu einem vollwertigen Gleichnis.
Die Formgefinnung, aus der Strindberg jene polaren Affoziationen zufammengebunden
ßat, ift keine andere als die von Edvard Mund), die jene innere Dialektik feines Selbft-
bildmffes meifterte:
Croß gegenüber den Gewalten der Bindung und Selbftverzeßrung in der
einfamen Paffion ift beiderfalls die feelifcße Vorausfet^ung der Formung.
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