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Heidelberger Zeitung (46) — 1904 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-150 (1. Juni 1904 - 30. Juni 1904)
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https://doi.org/10.11588/diglit.14240#1204

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öffnet die Sitzung um '/«lO Uhr. Eingegangeu: eine
Petition des Berbandes sclbständiger Kaufleute und Ge-
werbetreibender beir. die Marenhaussteuer.

Znr Beratung steht der Gesetzentwurf betr. die Abän-
derung des Polizeistra!gesetzvuches(Kurpsuschervorlage)
über den Armbruster (Ztr.) den Kommissionsbericht erstattet.

Die Vorlage wurd>e bcreits dou der 1. Kammer beraten.
Die von der Kommission vorgeschlagenen Äbänderilngen be-
trLffen in der Hauptsache die ZZ 81 und 34, die eine voll-
ständige neue Kassung erhielten. Anr meisten Widerspruch er-
fu'hr in der KönÄnissiön das Berbot der Fernbchandlung. Mit
dem Vorschlatz der Retzievung, auch die ösfentliche Ankündizung
und Anpreisung vbn „HMtnskhoden" zu derbieten, konnte sick
die Kommisslon Nicht -bcfreunden; ebeitsowenig mit dem durch
8 82 der Rsgrerung eingeräuwten „Manketrgesetz", deffen
Strich die Kdmmission Leantragt. Der 2. Kammer sind iu-
betrefs dieser Borlage nicht weniger als 546 PetitiMen mit
7981 Ünterschriften zugegangen. Der Schlußantrag geht da-
hi», die «srkage in der von -der Kommrfsion 'beschlosfenen
FeGuntz aWUUehmen und die einMausenen Petiiisnen und
Resolutionen für erledigt zu erkläreu.

Mg.-Hauser (natlib.) er-kennt vor allem die Tendenz
des Enffvnr^s an, dje sich gegen den immer mehr überhand
u.chn-.enreu GeheimmBel-Schwmdel richtet. Der Karlsruher
DrtßWlM§-iisrat, der aus Äiesem Gebiete vorbildlich ge-
wirkt, verdiene öffentliche Anerkennung. Da das Reich nicht
vorgegangen, sei Teutschland geradezu zum Tummelplatz des
Geheimmittelunwesens geworden. Die Hauptsach« sei die
Unterdrückung der oft geradezu schamlosen Reklame.

Abg. Eichhorn (Soz.) erklärt namens selner Fraktion,
daß sie gegen den Antrag stimmen werde, wenn nicht bedentende
Ilbänderungen vorgenommen würden. Gcgen deO Kurpfuscher-
tum sollten bessere Ergänzungsparagraphen der Gewerbeord-
nung geschaffen werden und dann sei es doch schwer festzu-
stcllen, wo das Kurpfuschertum ansange. Nickit anders ver-
halte es sich mit den Geheimmmitteln. Ein Gesetz, das auf
diesem Gebiete nur Baden betreffe, bleibe wirkung'slos. Die
im Entwurf eingefügten Bestimmungen über das Reklame-
wefen seien von den Zeitungsexpeditionen, die in eine straf-
gesetzliche Prüfung der Jnserate eintreten sollen, nicht zu be-
folgen, ganz abgesehen davon, daß durch Prospekte, Kataloge
eben diese Besftmmungen illusorisch gemacht würben.

Namens der Zentrumspartei erklärt sich der Abg. Schmidt
sür die Vorlage nach den Kommissionsbeschlüssen, desgleichen
der Abg. Venedey (D. Volksp.), der ausführt, das; das
Gesetz einer vernunftgemäßen Raturheilkundc nicht entgegen-
tretc. — Fortsetzung Montag 4 Uhr.

Mannüeim, 11. Jnni. Wie der „Volksstimme" aus Karls-
ruhe mitgeteilt wird. hat die Budgetkommission der Zweiten
Kammer in ihrer geitrigen Sitzung mit allen gegen drei Stim-
men die von dcr Regierung verlangte Steuererhöhung von
20 Prozent g e n e h m i g t. Gegen die Erhöhnng stimmten die
Vertreter der Sozialdemokratie, der Demokratie und der Frei-
sinnigen, welche ibre Stellnngnahme damit begründeten, daß
man zwei oder höchstens vier Jahre vor der lang versprochenen
Steuerreform, die cudlich die Vermögenssteuer bringe, keine
allgemeine Steucrerhöhung vornehmen solltc. Man solle die
Reform beschlennigen und in der Zwischenzeit den Zweimil-
lionen-Zuschuß zur Eisenbahnschuldtilgung streichen. Auherdem
sei mit wachsenden Einnahmen zu rechnen, sodaß von dem De-
fizit von 141b Millionen nicht allzuviel übrig sein dürfte.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben
die bisherigen charakterisierten Postinspektoren, Postkassierer
Hugo Rö ser in Offenburg und August Stöhr in Freiburg
zu Postinspektorcn, und zwar ersteren bei dem Postamte in
Offenburg, letzteren bei jenem in Freiburg ernannt.

Karlsruhe, 11. Juni. Heute vormittag gegen 10
Uhr reiste der Erbgroßherzog in Begleitung des Ordonnanz-
ossiziers Oberleutnants Frhrn v. Göler von Schloß Baden nach
Karlsruhe zurück. Tie Großherzogin und die Kronprinzessin
von Schweden und Norwegen besuchten um 11 Uhr Seine
Kaiserliche Hoheit den Großfürsten Michael. Der Groß-
herzog hörte von 11 Uhran den Vortrag des Legationsrats Dr.
Seyb und empfing hierauf den Herrn von Hasperg in
Andienz. Die Großherzogin reiste um ^/^l Uhr nach Hei-
delberg, um dort der Eröffnung eines Säuglingsheims in
der Lnisenheilanstalt anznwohnen. Jhre Königliche Hoheit
traf abends halb 9 Uhr wieder in Badcn ein.

Ausland.

Schweiz.

— Aus Bern wird geschrieben: Ein Sekundarlebrer
von Chaux-de-Fonds verklagte bei der Schulkom-
mission eine sunge Lehrerin, weil sie, im Widerspruch mit
der gesetzlich garantierten Gewissensfreiheit, die Schule jeden
Morgen mit einem Gebet. eröffnet. Die Schulkommisfion
hat die Klage abgewiesen, trotzdem sie anerkannte, daß der
Beschwerdeführer theorctisch im Rechte sei. Der letztere will
nun an den Staatsrat und, sofcrn seiner Beschwerde anch
hier nicht Folge gegeben werden sollte, ans Bundesgericht
gehen.

Scrbien.

Belgrad, 11. Juni. Heute Vormittag fand da s von
den Schwestern derKönigin Draga in der Mnrkns-
kirche auf dem alten Friedhofe veranstaltete, von 11 Geist-
lichen zelebrierte Requiem für König Alexander und
Königin Draga und deren Brüder Nrkola und Lunjewitsch
statt. Die Kirche war dicht gesüllt, vorwiegend von Frauen
niederen Standes. Keine politische Prrsönlichkeit wohnte der
Feier bei.

Die Einweihung des neuen Säuglingsheims
der Luisenheilanftalt.

Heidelberg, 13. Juni.

Selten ist wohl der Nutzen und die wohltätige Wirksamkeit
einer Anstalt so schncll vom Publikum begriffen worden, wie
dies mit der Säuglingsemstalt der Luisenheilanstalt der Fall ge-
wesen ist. Vor zwei Jahren erst wurde die Säuglingscmstalt

durchaus nicht zu vcrzichten braucht, daß es nur daranf an-
kommt, dieses Necht in dcr richtigen Weise geltend zu machen.

Für ihre Person überträgt Frl. Duncan die Rückkehr zur
Natürlichkeit, die sie aus dem Gebiet der Tanzkunst predigt, auch
aus das alltägliche Leben. So legt sie auf der Reise zu ihrem
Koftüm nur noch ein Paar Sandalen und einen langen Mantel
an. Wenn der alte Tacitus wteder auflebte, der die Schönheit,
Sittsamkeit und leichte Betleidung der germanischen Frauen vor
1800 Jahren so enthusiastisch geschildcrt hat, und Frl. Duncan
sähe, er würde sagen, datz die germanischen Völker sich selbst treu
geblieben sind. F. M.

mit 12 Bctten eröffnet und hente schort hat man einen Neubau,
dcr mehr Platz cnthält, in Betrieb genommen, denn schon vor
Jahresfrist stcllte sich der ursprünglichc Bau als ränmlich voll-
ständig ungenügend heraus. Die Mögtichkeit, einen Neubau zu
errichtcn, wurde teils dadurch geschaffen, daß die Stadt Heidel-
berg der Anstalt 28 000 Mark auf 10 Jahre zinslos lieh, teils
dadurch, daß private Wohltäter beträchtliche Summen für den-
selben spendeten; insbesondere waren es Mitglieder der Fa-
milie Landfried, wclche in dieser Weise die gute Sache unter-
sltchten. Zur Einwethung der neuen Anstalt am Samstag hatte
I. K. H. die Großherzogin, welche als Protektorin derselben
ihr jederzeit das wärmste Jnteresse gewidmet hat, ihr Erscheincn
zugesagt. Bald nach 3 Uhr traf I. K. H. hterselbst ein und be-
gab sich vom Bahnhof sofort nach der Anstalt. Unterwegs er-
eignete sich ein kleiner Zwischensall, indem ein lOjähriger Knabe
in dem Augenblick, als das erste Fuhrwerk, in dem sich der
Obcrbürgermeistcr und der Amtsvorstand befanden, in die
Luisenstraße eiiwog, über die Gasse springen wollte und dadurch
unter das Fnhrwerk geriet. Zum Glück trug cr nur geringe
Verle.tzungcn davon; er wurde nach der Luisenheilanstalt ge-
bracht, woselbst sich auch scine Mutter als Patientin befindet
und do.rt bis zu setner Entlassung, die nach turzer Zeit er-
fclgen konntc, in Pflege genommen. Mit einer kleinen Verzö-
gcrnng trat I. K. H. die Großherzogin in den kleinen Hörsaal
der Anstalt. Dort war ein geladenes Publikum — Damen und
Herren, die der Anstalt nahe stehen — versammelt. Von ans-
wärts bemerkten wir u. a. die Herren Ober-Medizinalrat Hau-
ser, Ministerialrat Böhm, Geheimrat Battlehner, Geheimrat
Sachs, die Baronin v. Gemmingen, die Baronin v. Adelsheim,
Vorstandsmitglieder des Frauenvereins aus Karlsrnhe und
Bürgermcister Holzwarth aus Pforzheim. Jm Gefolge Jhrer
Königlichen Hoheit befandcn sich Oberstleutnant v. Stabel und
Geh. Kabinettsrat v. Chelius. Von hicr waren der Prorektor
und sast sämtliche Mitgfteder der medizinischen Fakultät, eine
Reihe von prattischen Aerzten, der Amtsvorstand, der Ober-
bürgermeister und die Bürgermeistcr, Vorstandsmitglieder des
Frauenvereins, der Besitzer des Jugendheims Dr. Cron u. a. m.
anwesend.

Jhre Kgl. Hoh. begrüßte eine Anzahl der höchst derselben be-
kannten Persönlichkeiten aufs huldvollste. Darauf hiclt der
Vorstand der Luisenheilanstalt, Geh. Hofrat Vierordt, den
Festvortrag, worin er die wissenschaftlichen und humanttären
Zwecke, die mit der Anstalt versolgt werdcn, schilderte und aus
die schönen Resultate hinwies, die in der kurzen Zeit ihres zwei-
jährigen Bestehens in und mit derselben erreicht worden sind.
Jmmer wieder betonte er dabei, daß die natürliche Ernährung
des Säuglings dnrch die Mutter das einzig normale ist nnd datz
dic Anstalt durchaus nicht etwa darauf abziclt, das leider immer
mehr zurückgehende Stillen der Kinder dnrch die eigenen Mütter
einzuschränken. Jm Gegenteil, dic Mütter sollen lernen, und
sie lernen es auch in der Anstalt, wenn sie sehen, wie krank und
schwach eingelieserte Säuglmge bei der Ammenmilch aufleben
und gedeihen, daß die Frauenmilch doch die einzige wahre, der
Natur entsprechende Nahrung des Sänglings ist. Den Wortlaut
des Vortrags findct der Leser an anderer Stelle des Blattes.

Nach Schlutz dcs Vortrags begab sich die Versammlung in
den Neubau. Der Grotzherzogin wurde üeim Eintritt von den
Kindern des Hofrat Vierordt Blumcn übcrrcicht und ihr die
Damen und Pflegcrinnen vorgcstellt, welche die Säuglings-
ernährung und -pflegc in der Anstält erlernt haben. Etwa
114 Stunden lang besichtigte die hohc Fran dann das Säug-
lingsheim, ließ sich durch Frau Geh. Rat Helwig aus der ge-
räumigen sanberen Küche mit Gaskochherd nnd Sand-Waffer-
spülung, Buttermaschinen nnd Rahmzentriftige in den angren-
zenden Ranm führcn, wo die fertigen Nahrungsgemische an das
Publikum verabreicht werden, und in die drei Krankenzimmer,
in denen 16 kranke Säuglinge, dazu in eincr Ccmveuse zwei
Frühgeborene, aufgezogen werden. Herr Schlachthausdirektor
Zahn crläutcrte, wic die Milch der sevarat gehaltenen und
geimpften KLHe vom Schwabenheimerhof durch Milchsieb und
Wattefilter gereinigt, im Dampffterilisierapparat 10 Minuten
anf 100 Grad erhitzt und dann im Wasserspray gekühlt wird,
bevor sie an den Könsnmentcn kommt. Bei allem verweilte die
Grotzherzogin mit liebevollem Jnteresse und eingehenden Fragen,
nahm kurz eine Erfrischung mit den Vorstandsdamen des
Franenvereins nnd verlietz die Anstalt erst, nachdem sie noch
cinigen Sälen des Krankenhauses einen Besuch abgestattet.

Durch Herrn v.Chelins ließ die hoheFrau derAnstalt ein nam-
hastes Geldgeschenk nbergcben. Auchvon Privatpersonen wurden
Geldspenden überrcicht. Möge diescs Beffpiel Nachahmnng
finden I

Von der Luiscnheilanstalt sähr die Großherzogin nach der
Blnmenstraße, um dem Prinzen Reutz einen Besuch abzustattcn.
Der Prinz hattc sich indessen schon zum Bahnhof zur Verab-
schiedung von Jhrer Königlichen Hoheit begebcn. Die Rückreise
der Großherzogin, in dercn Begleitung sich außer den beiden
schon genannten Herrcn auch die Hosdame Freiin v. Rotberg
bcfcmd, erfolgte nm 6.46 Uhr.

Aus dem alten Säuglingsheim zieht der Geist der Humanität
und der fürsorglichcn Nächstenliebe, der in ihm gewaltet, in die
nene, erheblich größcrc Anstalt mit hinüber. So wird auch der
Segen, den die alte Ilnstalt verbreitete, sich fortsetzen und in
dem Matze, als die Vcrhältnissc der Anstalt sich vergrößcrt
haben, in immer weitere Kreise dringcn.

Aus Stadt und Land.

Heidelberg, 13. Jmii.

Prinz Joachim Albrecht von Prcuffen tras am Samstag früh
8.36 Uhr von Frantfurt hier cin, srühstücktc im Hotel Schrieder
und begaü sich mit scincm Adjutantcn zu Wagen nach dem
Königftuhl. Nach seincr Rückkehr aß er im Hotel Schrieder
zu Mittag und suhr nachmittags 2.26 Uhr nach Baden-Baden
weiter.

X Ter deutschc Tabaksverein Iind die Tabakbcrufsgeiiosscn-
schast halten seit Samstag ihre Jähreshauptversammlung in
Heidelberg ab. Es sind ungefähr 200 Teilnehmer eingetroffen.
Uebcr die Verhandlungen wcrdcn wir morgen Näheres berichten.
Heutc Abend findet ihnen zu Ehren eine Schlotzbelenchtung statt.

§ Tagung südwcstdcutscher nnd Schweizer Kindcrürzte. Der
gcstrige Sonntag hatte 80 Kinderärzte ans Südwestdeutschland
und der Schweiz nach Alt-Heidelberg gezogen. Die wisscn-
schaftlichen Verhandlungen — dic Themata haben wir s. Zt.
mitgeteilt — fanden so lebhafte Erörternng, dah sie nach fünf-
stündiger Dauer abgebrochen werden mnßtcn, bevor mehrere
dcr Herren zum Worte gekommen warcn. Die nächste Tagung
soll diesen Winter in Frankfurt scin. Am Abend waren die
Herren in der Häuslichkeit des Herrn Hofrat Vierordt gesellig
vereinigt.

-ft Ter Bcsuch des Gesangvereins österreichischer Eisenbahn-
bcamter stand bci dem gestrigen schönen Wetter nnter eincm
sehr günstigen Zeichen. Er hat die Wiener Gäste sehr befricdigt
nnd ihren hiesigen Frennden einige nnvergeßliche, frohe Stnn-
den gebracht. Näheres morgen.

X Ter Knabe, der am Samstag unter das Fuhrwerk geriet,
das dem Wagen der Grohherzogin vorausfuhr, ist ans Eppel-
heim. Er hattc einen Auftrag zu erledigen nnd da er sich ver-
spätet hatte, suchte er schnell über die Straße zu kommen.
Er hat eine leichte Hautabschürfung davongetragen. Jn einem
der Wagen, die dem Gefolge der Großhcrzogin dienten, wurde
er nach kurzem Vcrweilcn in der Luisenheilcmstalt nach Hause
gebracht.

-ft Erhängt hat sich hcute morgen in ihrer Wohnung die
68 J-ahre alte Witwe M. Birkenmeyer im Stadtteil Handschuhs-
heim.

X Ucberfahrcn wurde heutc Nacht von einer Droschke iv'
dcr Hanpfftraße ein 67 Jahre alter Mann. Der Ueberfahrene
trug nur Hautabschürfungen davon., Den Kuffcher trifft keirie
Schuld.

— Polizeibericht. Verhaftet wnrden ein Braucr wege"
Diebstahls und ein Schreiner wegen fortgesetzter Ruhestörung-
Zur Anzeige kamen 17 Personen wegen Ruhestörung rw"
ein Dienstmädchen wegen Diebstahls.

Ludwtgshafen, 11. ^uni. (Eine nnmenschliche
T a t) beging gestern der Fabrikarbeiter Jos. Eckel, Schiller^
stratze 2 wohnhaft. Gegen 101^ Uhr stürzte plötzlich die Fraä
derselben aus dem Fenster ihrer im dritten Stock belegencn
Wohnung und blicb bewutztlos anf dem Plaster der DamM^
stratze liegen. Der Arzt konstatierte einen Schädelbruch-
Die öfteren häutzlichen Zwistigkeiten in der Fmnilie liehcä
den dringendcn Verdacht aufkommen, datz dcr Sturz kein freff
williger war. Tatsächlich hat auch die unglückliche Frau bff
ihrer Vernehmung bereits ausgesagt, datz ihr Maiin, als
aus dem Fenster schaute, sie ganz unvermutet von hinten faßft
und sie aus demFenster stürzte. Eckel wurde sofort w
Haft genommen. Die Frau schwebt in höchster Lebensgefahr.

Lampertheim, 10. Juni. (Verhaftet.) Dem GendarR
Winter und dem Polizeidiener Kronaner von hier ist es gesterU
Mittag geglückt, Rosenberger, den Mörder des Polizeidiencr-'
Schneller in Lorsch, zu verhaften. Rosenbcrgers Eltern sind an^
gxsehene Leutc in Bürstadt; er selbst hat abcr vor nicht langer
Zeit das Zuchthaus verlassen. . .

Karlsruhe, 12. Juni. Sicherem Vernehmen nach ist für dä
Leitung der Karlsruher Hofbühne Jntcndant BassermanN
in Marmheim in Aussicht genommen. .

Karlsruhc, 12. Juni. (Professor Böhtlingk) has
gegen die Entscheidung der Straftammer in der Bcleidigung--^
klage gegen Prof. Dr. Heincr Berufung eingelegt.

Bad Petersthal, 12. Juni. (Kurgäste.) Prinz Mirw
von Montenegro ist mit Familie und Dicnerschaften zum Kn^
gebrauch hier eingetroffen nnd hat den „Mittelbad. Nachr." zn^
folge im Knretabliffement (E. Hollcderer) Wohnung ge^
nommen.

Theater- und Kunstnachrichten.

Gastspiele Matkowsky im Stadttheater. Nach mehrjährigei
Pause wird Adalbert Matkowsky, der gefeierte Held de>;
Berliner Kgl. Schauspielhauses, in der Zeit vom 19. bis 21. Juw
d. I. an unserem Stadttheater ein dreimaliges Gasffpiel am
solvieren und zwar wiedermit cinem vollständigen Enseinwb
namhafter Bühnenkünstler. Zur Aufsührung gelangen: GriU's
parzers „Ahnfrau", Hebbels „Gyges" und sein Ring", Dumco-
„Kean".— Der Billetverkauf für diese Gastspiele findet von
Dienstag an zu den gewöhnlichen Kassenstunden an der Tage->'
kasse des Stadttheaters statt. Alles Nähcre in den Jnseraten.

Kleine Zeitung.

— Hochschnlnachrichten. Wie aus Freibnrg i. Br. bc^
richtet wird, hat Prof. Dr. I. Pfanncnstiel in Gietz c Z
einen Ruf als Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Gyna^
tologen Prof. Hegar erhalten und angcnommen. — Aus Ber^,
lin wird der „Frankf. Ztg." gemeldet: Der „National-Ztö-
zufolge ist der Nationalökonom Prof. Dr. H. Waentig,w
Münster als Nachfolger des Abg. Prof. Friedberg, der scin
Professur in Halle niedergelegt hat, in Aussicht genomnien-
—- Tem Assistenzart in der Frauenklinik in Gietzen, Dr. s?'
Krömer ans Lcobschütz wurde für das Fach der Geburtshuff
und Gynäkologie die venia legendi erteilt. — Der PrivatdozeN
fnr innere Medizin an der Leipziger Universität Dr.
Paetzler ist zum a. o. Prosessor ernannt worden. — Der
Dozent für Geschichte der Bauknnst an der Berliner TechN-
Hochschule R. Borrmann ist zum etatsmäßigen Professte
ernannt worden.

— Worms, 11. Juni. Tie „Wormser Zeitung
melüet aus Oppenheim a. Rh.: Gestern Mbend oertriebeW
in dsr Gemeinde Selzen die Einwohner drei
Zigeu >ner, zu denen sich später noch vier andere g^
sellten, nach deni benachbarten Orte Undenheim zu. D^'
Undenheimer wollten die Zigeuner nicht in den Ort hereiw
iassen. Es kam zu einem K amps e, bei dem die
geuner aus die Menschen schosse n. Ein Mann erhiell
vier Schüsse in den Kopf und war sosort tot, viet
weitere erhielton schwere Verletzungen.
wäre wirklich an der Zeit, durch ein Reichsgesetz der
geunerplage nnd den durch sie verantaßten, ost geradez^
skandalösen, Vorkommnissen ein Ende zu machen.)

— Bcrlin, 11. Juni. Hente wurde beim Hause a>9
Schiffbauerdamm in der Nähe des Bahnhofes, Friedrich'
straße, aus der Spree die L ei -che eines ungesähr 10
16 Fahre atten Mädchens, der K o p f, A r m s u n d
Beine s e h l t e n, getandet. Bekleidet wax der RuMpl
mit einem weißen Hemde, einem weißen, rot gestreisteN
Unterrock. (Tas ist binnsn, weniger Tage schon der zwest^
derartige Fund.) — Die Leiche ist als die der neunjährigeN'
Lucie Berlin erkannt worden. Das anscheinench eine>n
S i t t I i ch k e i t s v e rb r e ch e n zum Opfer gefallen^
Mädchen war am 9. Funi von zwei ungesähr gleichaltrigeN
Mädchen aus ihrer Wohnung in der Ackerstraße abgehvU
worden nnd seitdem verschwunden. 'Ter Polizeipräsident
setzte eine Velohnnng von 1000 Mark sür die Ermitte"
lung des Täters ans.

— Schicßübungen auf der Saalburg. Aus Atetz wffb
berichtet: Auf Anordnnng des Kaisers wird der Vorstaiid
der Gesellschaft für lothringische Geschichte nnd Altertunis-
kunde am 16. Juni drei ini Anftrage der Gesellschaft voll
Major Schramm gebaute römische Geschütze (Wurft
maschinen) aui der Saalburg dem Kaiser vorführen.
handelt sich um ein Euthytonon, ein Palintonon und ciueM
Onager, die in natürlicher Größe genau nach den NachrichteU
von Hieron und Philon gebaut sind. Das Prinzip, nacß'
dem im Altertum schwere Geschosse geschleudert wurdew
basiert auf der Torsion (von tvro^ners lat. drehen). Dir
geschoßbewegende Kraft wurde in der Regel dadurch erzeugt,
daß ein aus zusammengeflochtenen Stricken oder TiersehneM
gebildeter Spann-Nerv gewaltsam zusammengedreht wurde^
um dann mit enormer Wucht in seine srühere Lage wieder
zurückzuschnellen. Die neu hergestellten Maschinen sollen die^
selbe Schußwirkmig besitzen, die den alten Geschützen eigeu
gewesen ist.

— Aus einem russischen Soldateubrief. Ein Soldat
namens Morozow hat folgende Zeilen aus Port Arthuv
nach Moskau geschrieben: „Jeden Tag läßt unser General
Stössel neue Befehle ergehen. Für die geringste Kleinig*
keit wird man bestraft. Stehlen ist eine der größteM
Sünden, meint der General. Diei Leute — 2 Marm voM
 
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