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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
Nr. 151-176 (1. Juli 1905 - 31. Juli 1905)
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https://doi.org/10.11588/diglit.16474#0011

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Erstes Bla.

Jahrgang. -- Nr. l5L


^rscheint täglich, SonntagS aurgenommen. PretS mit Familienblättern monatlich S0 Pfg. in's HauS gebracht, bei der Expedition und

bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. auSschließlich Zustellgebühr.

EknzeigenpreiS: 30 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder drren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- und Privatanzeigen
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sph Mationen abgeholt 40 Pfg Durch die Post

H^:ätz.,z,'t. — Für die Anfnahm ^ vrn Anzeigen
iusttiscki-n Anschlaastelleu. Fernsprecher 82.

Deutsches Reich.

^ ^ Jn Beantwortung eines Telegramms, das die
^?lllifche Abordnung zum Studiu-m städtischer
^^richtuugen im Ausland an den deutschenKaiser
Mandt hatte, schickte der Kaiser an den Führer der
' dordnung Lord Lyvedon folgende Antwort:

erfnhr« zu ineiner grotzen Genugtuung durch Eucr Lord-
Telegrairwn cms Köin, datz die Mitgliddcr dcr britischcn
"'dnung zum Studium frcnidcr städtischer Einrichtungcn von
en, AuSflUg durch dic Städte Dcutschlands in jedcr Weise
jTff'sdigt Mwcscn sind. Der ihbrzliche, frcundschaftliche Enip-
Bi, 'Sie sowohl bci meincn Bchürdcn als auch bei allcn

d^rgern und dcm deiitscbcn Polkc bcgcgnen, wivd, so hoffe ich,
ei»^ Lvndsleutc crmutigcn, ihre dcutschcn Vettern in ihrcm
rim ^ Londe zu bcsuchcn und so idic Bezichungcn zwischcn
>>eren bciidcn VMkcrn durch persönlichcn Vcrkehr bcfestigcn.

WilhcIm I. li.

, - Der „Vormärts" teilt mit, datz nicht nur Iau -
in Berlin am 9. Juli mit dcm Mandat der
. airzösischen sozialistischen Jraktion in einer Bolksver-
wmlung über die Aufgaben sprechen wird, die dem So-
^iismus und dem Proletariat zur Erhaltung des
r oItsrjxdens obliegen, sondern datz gleichzeitig
-^uzäsrsche Sozialisten Herrn Bebel ausgesordert ha-
< >n Paris die Anschauungen des deutschen Prole-
>^ats üb^r die Solidarität der Bölker zu entwickeln.
„Vorwärts" mcint, die Aussprache, die zwischen dcn ^
drtretern des französischen und des deutschen Prolcta-
^s erfolgen wi-rd, sei ein sehr bescheidener Anfang, sie
- be aber dennoch, von der Höhe der Geschichte betrachtet,
^chr Bedeutung, als alle Heeresrüstungen und alle
^ ilachtenoufe. Autzer Bebel wird in Paris auch ein
^ llltscher Sozialist sprechen.

. ^ ravemünde, 1. Juli. PrinzKarl Anton

si^ Hohenzollern tras hcute Bormittag hier ein und bogab
^ - an Bord der „Hohenzollern". Der Kaiser besuchte
Rittergutsbesitze-r Hauswald auf Roseuhagen. Zur
^hhstückstasel beim Kaiserpaar auf der „Hohenzollern"

' gelgden Prinz Karl Äntpis von Hohenzollern und

^^ekPitshefitzer HgusWÄd,

Laden.

KarIsruhe, 1. Juli. Der Präsident des Bdini-
bkiums der Finanzen Geh. Rat Becker hat gestern
^en mehrwöchigen Urlaub angetreten, den er in Kissin-
zuzubringen gedenkt. Der Präsident des Ministeriums
^ Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen An-
„ ?2enheiten Frciherr v o n M arIs ch a I l hat ebensalls
^ Nern die Stadt verlassen und wird erst Anfang August
^ dem Urlaub zurückkchren. Der Minister des Jn-
glxft d^nt SchenkeI ist letzten Mittwoch in Be-
^"ng der beiden Referenten für Laüdwirtschaft, Ober-
werungsrat Hafner und Märkljn, nach München
gerchch „m der Wanderausstellung der Dentschen Land-
^ochastsgesellschast anzuwohnen.

Oh Zentrum ist Trumpf in Baden. Dcr Ettlinger
v. ^omtmann Asal hat infolge der Angriffe des dortigen
hjsf""msblattes sx,n Nebenamt als Vorsitzender des Männer-
»^dereius niedcrgelegt. Die A'ggriffe anf ihn wcrden aber

im „Landsmann" fortgesetzt und auf den Ettlinger Bezirks-
arzt Dr. Fröhlich ausgedehnt. Sie sind hauptsächlich damit
begründet, daß der Bezirksarzt sich bei dem Oberamtmann
über mangelhafte Reinlichkeit in dem von Ordensschwestern
gcleiteten städt. Krankenhaus beschwert und der Oberamtmann
daraufhin der Vorsteherin in starken Worten Vorhalt durch
den Fernsprecher gemacht habe. Das Gespräch soll von Un-
befugten gehört und weiter verbreitet worden fein. Diese
Angriffe sind noch durch allerlei Ettlinger Stadtgeschichten,
so betreffs Auswahl der Eingeladenen zu dem Tee, den am
23. ds. die Großherzogin im Amthaus einnahm, und ähn-
liches gewürzt. Was soll nun dem Oberamtmann und dem
Bezirksarzt geschehen? Da muß die Regierung excmplarisch
einschreiten. So kleinlich die Angelegenheit ist, so darf Man
sie doch nicht außer Auge lassen, denn die symptomatische
Bedentung ist nicht so gering.

— Der „Beobachter" hat bekanntlich abgeleugnet,
daß eine Kandidatur Köhler im Bezirk Eberbach -
B u ch e n, wo osfiziell Dekan Dieterle aus Dogern kan-
didiert, bestehe. Nun verössentlicht die „Badische Lan-
deszeitung" den Wortlaut einer Erklärung, die unmiftel-
bar nach der Amveisenheit Köhkevs iff seiner Heimak
Steinbach bei Buchen, im Wahlbezirk Eberbach-Buchen in
Umlauf gesetzt und in Buchen, Mudau und 8 kleineren
Orten von über 600 Zentrumswählern unterzeichnet wor-
den ist. Die Erklärung lautet: -« : , .

M

das Verchrlichc Zentral-Komitec 'dcr Zentrumspartei.

Erklärung.

Wir untcrzcichnetcn Zentrumswakhler des 69. Walhlbczirks
sirid nicht gewillt, bci dcr nächisten LandtagswaM unscre
Stimme ciuem aus weiter Fcrnc — von der Schwcizcr
Grcnze — herbeigceilten KandHdaten zu gebcn, dem die Ver-
hältnissc unscrer Gegcnd srcmd siud uud dcr nach sciuen cigc-
ncu Worten nur widerstrcbcnd und höchst nngern sich znr
Kandidatur bcrcit findcn lietz.

Wir müsscn vielmchr wünfchcn und cntischicdcn verlangcn,
datz, wie andcrwärts ein Mann ans dcm Bezirk aufgcstellt
wird, damit unserc so lang vernachläffigtc Gcgcnd cndlich
ihrc Richtigc Vcrtreiuny finbet.

Das abcr ist in crstcr Linie uriscr Laiidsmann, Herr Pro-
fcffor Köhlcr von Steinbach bci Buchcn, cin erfahrencr P<rr-
lamcntaricr, -dcr langc Jalhre -cn Bczirk Tauberbischofshcim
in ausgezeichnctcx Wcise vcrtreten hat und dcm wir das
vollstc Vertrauen entgegcnbringen.

Es unterliegt keinem Zweisel, datz auch die übrigen
Orte des Wahlbezirks noch eine stattliche Zahl von IIn-
terschriften aufbringen werden.

Arrs der Karlsruher Zeitrmg.

— Scinc Königliche Hoiheit dcr Grohhcrzog habcn
vcrlichcn: das Rittcrkreuz 1. KI.: dcm Major im Gcnerabstabc
dcs 7. Armeekorps Wilhelm Wenzcl; das Rittcrkreuz 2.
Klässc mit ^Eichcnlaub: dcm Hauptmann im grohen tzicncral-
stabc Adöls Frciherrn v. H o I zi n g - B e r st e t t.

— Dcm Tclcgraphcnassistentcn August B rand m cicr in
Karlsrnhc wurdc dcr Titel Tclegraphcnsckrctär vcrlichcn.

— Finanzassistent Angust Andrcc von Konstauz ist als
Rcvidcnt beim Kathol. Oberstistuntzsrat ctatmätzlg angeslcllt
wordcn.

— Stationsvcrwaltcr -Scbastian Lch m a n n :n Roth-
Malsch wurdc nach St. Jlgcn versetzt.

— Stcucrkommissärassistent Emil Vollrath in Rastatt
wnrdc zum Grotzh. Steuerkommissär sür dcu Bczirk Karlsruhc-

Stadt uud Stcuerkom o-tzaucr in

Breisach zUm Grotzh. S ^ueftnnmissar sux den.Bezirk Rastatt.

— Steuerkommissärassi^'ffff, F rc y in Karlsruhe

wurdc zum Großh. Stcuerkr ^ Bezirk Emnicu-

diugcn, StLuerkammissärassiste. zz oo s in Emmen-

dingen zUm Gvotzh. Stcucrkomi. Myr für den Bezirk Kandcrn
nnd Steucrkömmissärassistent Frie. The : la kc r in Siigenr
zum Grohh. Steucrkommissär für tü'u Äizirk Achern crnannt.

— Scine Königliche Hoheit >der sDroßherzog habcn
dcn Rcgissenr Dr. Eugcn Kilian anf lrin Ansuchcn aus dcm
HoMcnst cntlassen.

Karlsruhe, 1. Juli. Der GrchMerzog empfing
heute mittag halb 1 Uhr iu Schloh Bckben beu Ober-
leutnaut von Livomus in der Schutztruppe .für Sübwest-
asrika. Ilm Uhr ftasen der ErbgrohheeZos und die
Erbgroßherzogin in Schlotz Baden ein. Diefelben nah-
men mit den Grotzherzoglichen Herrschaften' das Frühstück:
ein und kehrten abends wieder nach Kärlsruhe zurilckt.

ArrsLKnd.

Holland.

Haag, 1. Juli. Die Königin hatte in den letzten
Tagen Besprechungen mit den Präsidenten der beiden Kam-
mern und dem Vizepräsidcnten des Staatsrats gehabt. Ge-
genstand der Besprechungen war das Ergebms der Wahlen
für die zweite Kammer das bekanntlich die bisherige klerikale
Kammexmehrheit beseitigt hai.

Amerika.

Washington, 1. J-uIi. Staatssekretär Hay ist
heute Nacht 12.26 Uhr gestorben. Der Minister des
Auswärtigen John Hay, geboren am 8. Oktober 1838 in
SaleM Jndiania ging aus der Rechtsanwvltschaft hervor.
1861 ornannte ihn Präsident Lincoln zu seinem Privat-
sekretär. Jm Bürgerkrieg brachte er es bis znm Rang
eines Obersten, ftat aber 1865 in den diplomaftschen
Dienft über. Nachdem er lange Jähre im Auslande als
Legationssekretär beschäs-tigt gewesen war, köhrte er nach
Washington zurück, wo er 1870—81 erster Unterstaats-
sekretär war. 1897 wurde er Botschafter in London,
'1898 Minister des Auswärtigen. John Hay war seit
langer Zeit kränklich; er litt an Urämie, Vergiftung des
Bluts mit Harnstoffen.

Sind es die Launen der Glücksflöttin?

Vom Großh. hessischen Finanzminrsterium erhalten
wir folgende Zuschrift:

Unter der Spitzmarke „O Fortuna,... Sind es die
Lannen der Glücksgöttin?" erzählen die „Frank-
surter Neuesten Nachrichten" in Nr. 136, ein
Shieler habe von einem Ofsenbacher Kollekteur der Hes-
stsch-Thüringischen Staatslotterie 228 Lose in Suiten von
10 bis 40 Nummern kaufen wollen. Er habe auch 12
Suiten in 140 Losnummern erhalten, die äber nicht alle
sortlaufend gewesen, da ein Teil der Nummern bereits
gezogen gewesen sei und daher von dem Kollekteur nicht
habe geliesert werden können. Dei der Zidhung habe der
Spieler nicht einen einzigen Tresfer erzielt, während die
ihm von dem Kollektcur vorenthaltenen Nummern sämt-

Nne Tragikomödie am Karlsruher
Hoftheater.

Rückblick !>er „Stratzb. Post" auf das Karls-
yer Dheaterjahr 1904—05 entnehmen wir solgende
^"Otellung:

lew^ Generalintendant Dr. Bürklin zn Beginn der
Ht„ss^6eschlosscnen Saison um Enthebung von seiner
wjg- ^ beim Grotzherzog einkam und diese Hm be-
^ick^ ^"rde, war die Frage der Nachfolgerschast nicht
biZ beantworten und es verging eine geranme Zeit,

desDr- B a s s e r m a n n, der bisherige Leiter
^nnheimer Hof- und Nationaltheaters, vom Groß
Dgf Nachfolger Bürklins bestimmt

schu- Ernennung bei -manchen Leuten

worden war.
eine Enttäu-

sjtz 0 hervorrief, kann man menschlich begreiflich sinden,
nnchs^ desonders bei denen groß, die sich dieses Amtcs
ons k ^ ^"rdig gehalten hatten und so recht eigentlich
Präsentiefteller

zu sitzen glaubten. Direktor

den w geglaubt, man werde chm zum mindesteu

chroy anbieten, und Dr. Kilian war, wie unwider-
in dchouptet wird, von dcm scheidcnden Jntendauten
gebrackst worden. Die Sache kam, wie be-
ääbp ' -ff^ders, nnd beiden Männern entstand die Aus-
nach Möglichkeit in i'hr Schicksal zu finden.
^leich^ nber beide leider nicht verstanden, wobei viel-
^ öUgestanden werden dars, datz der neue Jntendant

rat Dr. Bassermänn, der in Mannheim als ein tüchtiger
Regisfeur galt, glauhte bald nach Nebernähme der tznten-
dflnz seine künstlerische Zrgäöüng auch aus dem Gebtet
s>er Negleführung zeigen zu sollen, die bisher die ureigne
Domäne der genannten Herren gewesen war. Das war
zweifellos das gute Recht des Jntendanten; dazu kam der
Erfolg, den die „Cäsar"-Ausfiihrung untex der Regie
Bassermauns hatte nnd der auch von der gesamten Kri-
tik aill'rkannt und berechtigt gefunden wurde. Es ist
Menschlich begreiHar, wenn- dieser Erfolg, der etwas ge-
räuschvoll auftrat, bei den bisher tätigen Regisseuren ein
Gefühl der HintüNsetzung hervorrief, das natürlich nicht
dazu beitrug, das notwendige gemeinsame Znsammen-
avbeiten in den Rögierungssttzungen zn erleichtern. Aber
noch eines kaM hinzu! Schvn unter Wrklins Zeiten hatte
es sich Direktor Hancke angelegen sein lassen, ein-e voll-
ständige Neuinszenierung des Schillerschen „Mlhelm
Tell" zu besürworten; Bürklin hafte dieselbe zugestanden,
Hoftheatermaler Wolf war rüstig bei der Arbeit und Di-
rektor Häncke empsand eine berechtigte Freude, mit einem
neuinszenierten und neueinstndierten „Wilhelm Tell" an
seinenr Jubiläumstage vor das Publikum treten zu kön-
nen. Diese Freude hat ihm nun der neue Jntendant
allerdings gründ'lich verdorben, indem er mit ziomlicher
Rücksichtslosigkeit — gewitz mit vollem Recht, eben mit
dem Recht des Jntendanten — ohne mit Hancke irgend
welche Rücksprache zu nehmen, die vielleicht nach dem
icmgenen ein officinm nobile gewesen wäre, die

Regie des „Wilhelm Tell" übernaihm und das Schau-
spiel bei der letzteg Anwesenhcit des Kaisers erstmals
zur Auffüyrung brachte.

In dieser Zeit scheint nun bci Direftor Hancke der
Moment gekommen zu sein, wo sich bei ihm die auch
einem Oberregisseur seinem CHef gegenüber so notwen-
dige Milch der frommcn Denkungsart in gärend Dra-
chengift verwandelte und so nahm er die unglücklichste
Position ein, die er nur einnehmen konnte, nämlich die
des passtven Widetstandes, und Dr. Klian -hatte nichts
Besseres zu tun, als sich diesem passiven Widerstand an.
zuschlietzen. Datz dadurch die Tätigkeit des obersten
Leiters autzerordentlich erschwert, ja fast unmöglich ge-
macht wurde, braucht nicht besonders begründet zu wer°
den. Trotzdem mutztc noch eine Tat geschchen, die dem
Faß, wie Man zn sagen pflegt, den Boden ausschlug.
Direktor Hancke, der doch sonst so ftihl abwägende, vergatz
sich soweit, dem Jntendanten eine Epistel zukonrmen zu
lassen, bei deren Absassnng er die Kniggeschen Ilmgangs-
regeln vollWndig amtzer acht gelassen hatte. War ein
solcher Brief bei einem Manne von der Bildung und den
Umgangssormen Hanckes schon nnverständlich, so fo-lgte
dieser Nnverständlichkeit eine noch grötzere. Wir rechnen
es dem Jntendanten hoch an, datz er den Versuch nmchte,
durch dritte Hand Direktor Hancke zur Zurücknähme des
Brieses zu veranlassen — vergebens, Honcke blieb aus
seinem Brief bestehen, und so war die nächste Folge die
Disziplinaruntersuchung, Leren Ende die Entlassung war.
 
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