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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 151-176 (1. Juli 1905 - 31. Juli 1905)
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47. Jahrgang. — Nr. 175.

Samstag, 29. Zuli 1905.

Erstes Blatt.


Tr;»ri«t tägltch, SonntagS auSgenommen. Preir mtt FamilienblSttern monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgebolt 40 Pfg. Durch die Post

bezogen vierteljShrlich 1.35 Mk. miSschlictzlich Zuftellgebühr.

*»leigenpreiS: 30 Pfg. für die Ispalttge Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesigc Geschäfts- und Privatauzeigen ermStzigt. - Für die Aufnahme von Anzeigen

r« Seltimmten Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnssrats cuf dsn Vlackattafsln der H-id-lberger Zeitnng und den ''tädtisckien Anschlagstellen. Fern!precher 82.

--- " - -

Vom Zionistenkongreß.

,B aseI, 27. Julj. Zum diesjährigen Zionistenkon-
^ haben sich, wie Äie „Frankf. Ztg." berichtet, 760 De-
angemeldet und über 100 Journalisten aus aller
^rren Länder sind dazu erschienen.
tz. Der Kongreß tagt im Großen Musiksaale, der mit
^ranerfkor ausgeschlagen ift. Für das Publikum ist für
eien Kongreß die neue Beftimmung in Kraft ge-
k/r - datz die vordersten -Galeriesitze für 20 Franken ver-
^cht werden. Der Karten-Erlös fällt in den jüdischen
^ "sionalfonds. Dies veranlaßte die zionistische A r-
, b r t e r p a r t e i vorgestern zu einem Demonstrations-
6e durch die Stadt, und als heute Dr. Max N o r -
" die Trauerrede auf Theodor Herzl
, M, versuchten einige ihrer Anhänger in dm Saal e i n-
^ ö r x H ^ „ur Jntervention der Polizei gelang
zu zerstreuen. Nach einer andern, der offiziellen
.brston, war es das 'bei der Kartenverteilung überge-
'^gene Publikum, welches die Störungen veranlaßte.

Die 'Gedächtnisrede Nordaus auf Theodor Herzl
^ "t sich nou aller Phrase frei, und machte gerade da-
"rch Eindruck. Nordau versuchte Herzl vom Stand-
^tt der Geschichtswissenschaft aus zu charakterisieren.
^ Ln der Nachmittagssitzung wurde zur Wahl des B u-
^ "ns geschritten. Zum Präsidenten wurde gewählt
Max Nordau (Paris), zum Vizepräsidenten David
° l f fsohn (Köln).

^ Max Nordau übernahm das Präsidium mit einer
I ° g r a m m r e d e, die leider oft durch turbu-
b^l e Szenen der russischen Territorialisten unter-
fi^, ch^n wurde. Herzls Tod, führte der Redner aus, hat
l>en Zionismus eiue Krisis heraufbcschworen, die ums
und Einignng mahnr. Parteien inner-
tzsi l>es Zionismus sind dessen Selbstmord, und es muß
^ Nial entschieden werden, ob man noch am Busler Pro-
^Nim festhalten will. Jm weiteren Verlauf seiner
af^ lallt namentlich das warme Eintreten fiir das Ost-

y -- entschieden werden, ob man noch am Busler Pro-
Aede

ZlE,- "lirojekt und die starkc Spitze gegen den russischcn
ljz^, °lutismus auf. Stets müssen die Zionisten für die
Npz . l'lichung ihrer Jdeale eintreten, damit, wenn sich
Verschiebung der allgemeinen Weltlage für d'e
z„Z.°" einst die Möglichkeit ergäbe, das Land ihrer Väter
u,pbchzuerhalten, es nicht heiße: „Aber der große Mo-
l findet ein kleines Geschlecht."
mchdem einige Begrützungsschreiben und Tele-
sfi^^e, darunter eines der Basler Regierung und rus-
Hlgh Zioniften auf dem mantschurischen Kriegsschau-
styll' l>ie lauten Jubel hervorriefen, verlesen waren, er-
f E, Architekt O. Marmorek (Paris) den Rechen -
" ltsbericht des Aktionskomitee's, der ein gr>

dez zionistischen Bewegung und eine Zunahmc

llex ' "lionalfonds um 25 Prozent konstatiert. Bald nach-
stx ^latzten die Gegensätze zwischen Territoriali-
Sig ' Zionpartei aufeinander, als von Nsisch-
°u> Antrag gestellt wurde, welcher Festhalten am
ösiT^prmzip des Baseler Programms („Schaffung esncx
^lich-rechtlich gesicherten Heimstätte sür das jüdische

grotze-

Kleine Zeimng.

l i ^ ,Mctz, 27. Juli. Ein mil'des k r i e g s g e r i ch t-
Tjß ° ^ UrteiI verdient weiter bekannt zu werden.
tz "eiden Musketiere S t u h I w e i ß e n b u r g und
"">! qn? l l g vonr hiesigen Jnfanterieregiment 98 wurden
°"nd des 28. Juni nach einer ausgedehntev Bier-
l'onr Heimweh ersaßt; es zog sie nach Düsseldorf,
"üd Heimat. Stuhlweißenburg hatte dort sein Weib
">it sllaubte, llrfache zur Eifersucht zu haben: er sprach
^Üss ElNeni Kanieraden darüber, datz er unbediugt uach
E"»i,o müsse und zwar, da er keinen Urlaub erhalten
!>>». ' n»f eigene Faust. Da Schersig ebenfalls Sehn-
lichx ^"ch Diissoldorf empfand, befchlossen fie, die bedenk-
öp ^ ^britzfahrt gleich ins Werk zu fetzen. Um incognito
i"cjs.B°n, gjngen fie in das Haus, wo der Bruder Stuhl-
°l>urgs als Metzgergeselle iu Arbeit stand, und entr
l» dessen Abwesenheit aus seinen und auderer
^ do °gesellen Garderobe Zivilkleider. Jn Zivil ging
zuiu Bähnhof. Das Benehmen der 'Leiden Pseu-
^leu erschien dem dort posüerten Schutzmann ver-
»Is er sie nach ihren Personalien fragte, standen
Uder, Ausreißor vus alter lieber Gewohnheit stramm
^ l»n der Beamte es 'bald heraus, mit wem er cs
> hatte. Vor Gericht bestreiten beide, die Absicht ge-
'^8e ^ ^nben, zu desertieren. Der Vertreter der An-
^Sen.""lragte, wegen Fähnenflucht, Diebstahl usw.
r>üe Iähre Gefängnis. Das Gericht ließ aber

Volk in Palästina") empfiehlt, und jede kolonisatorifche
Tätigkeit außerhakü Palästinas und seiner Nachbarlän-
der ablehnt. Diefer Antrag erregte etne starke, teilweife
tumuItuöse D i s k u f s i o n. Das kteine Häuflein
Territorialiften setzte mit einer wohldurchdachten O b°
ft r u k t i o n s p ol i t i k ein, wetche 'dem Kongretz schr
gefährlich werden kann. Um halb 9 Uhr, nls die Sitzung
aufgehoben wurde, stand man auf dem gleichen Punkte
wie zwei Stunden früher.

Bafel, 28. Fultz Der Z i o n i ft e n k o n g r e ß
debattierte heute über das Ugandaprojekt Die
Entscheiüung fällt morgen. Nach der Stimmung zu ur-
teilen, wird der Plan vom Kongretz verworfen werden.

Deutsches Reich.

— Zu dem Grenzvorfall in Südkame-
r u n erklärt auf eine Anfrage die Gefellschaft für Süd-
kamerun: Nach- Privatnächrichteu sind bei dem! Zusam-
menstotz bei Misfum Missum vier senegälische Schützen
erschossen und fünf gefangen genommeu worden. Der ge-
tötete fchwarze Unteroffizier, Äen der Hauptman-n Scheu-
nemann erschoß, habe stch gewrß unverfchämt Lenommen,
wie mvn das von Senegalern gewohnt sei. Die Franzo-
fen sollen darauf den Kriegszustand erklärt und Verstär-
kungen herangezogen häben.

— Als kürzlich in Etbing das Denkmal Kaiser Wil-
hel-ns >. enthüllt wurde, war auch Kultusminister Dr.
Studt zugegen. Dieser hat 'bei der Gelegenheit dem
Redakteur der „Ostpreutzischen Zeitung", den er empfan-
gsn hatte, einige Mitteilungen über das Familien -
leben ües Kaitzers gemacht, die teils eine Bestäti-
gung bekannter Züge des Käisers enthalten, teils einige
neue sympathische Seiten des Familienlebeus des Kai-
sers zeigen. Der Kaiser, so sagte der Minister, interef-
siere sich so lebhaft für alle Fragen der Kunst und Wissen-
schaft, datz er trotz seines arbeitsreichen Lebens dennoch
öfter Zeit finde, gelegentlich feine Familie nm sich zu
versammeln, nm mit ihr Äie neuen Erscheinungen anf
deni Gebiete der Literatur uud Kunst zu besprechcn nnd
sich über neue Errungenschaften der Wkssenschaft auszu-
sprechen- tleberhaupt widmen fich der Kaiser nnd seine
Glemahlin in hohem Mahe auch jetzt noch, nachdem ihre
KinÄer zum größten Teil erwachsen sind, ihrer Erziehung
und interLssieren fich bis in die kleinsten Details hinein
für ihre Fortbildung auf allen Gebieten des menschlichen
Wissens. Gerade so wie ein Bürgersmann aus ein-
facheni Stande, halte er mit Strenge darauf, datz seine
Kinder einfach un'd schlicht, stets zuvorkommLnd und lie-
benswürdig felbst,dem einfachsten Manne aus dem Volke
begegnen. Von Fürstendünkel könne bei dcn Hohen-
zollernprinzen sicherlich nicht die Rede sein.

Kic1, 27. Juli. S ü t> d e u t s ch l a n d wird in den näch-
sten Ta>gen den Neichskriegshafen lbchervschen. Hcssen , Ba -
deer und W ü r t t e in b e r g e r folgen den Bayern und trcf-
fen in großen Scharen ein. Das Kommando der Ostseeftation
hat manchcrlei Vorbereitnngen angeovdnct, um Lie jungcn Süd-
deutschcn mit den Reichs'betrieben und dem Schisfsmaterial

Milde walten und erkannte gegen beide auf 10 Tage
Haft!

— Leipzig, 27. Iuli. Der grotzartkge Fäkalien
Spiritusschwi n 'd e I t'am heute vor dem> Reich s-
gericht zur Sprache. Durch Urteil des Landgerichts
Dresden vom 29. April ift der Privatmann Gotthelf
Dornig wegen Betrugs zu 2 Jähren Gefängnis un'd
1600 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Er hatte cine
angebliche Erfindung, aus menfchlichen Fäkalien Spiritns
herzustellen, zum Patent angemeldet, eine Gesellfchaft
zur Ilusbeutung der „Erfindung" gegründet und bereits
163 000 Mar'k für Gefchäftsanteile eingenommen, als
das Patentamt eine nochmalige Nachprüfung Äer Erfin-
dung veranlaßte. Es stellte sich dann heraus, datz Tor-
nig überhaupt keinen Spiritus aus jenem Grundstoff
herftellen konnte, daß er vielmehr vorher heinilich in die
Masse Spiritus gegossen hatte. Das Reichsgericht er-
kannte auf Verwerfung der Revision.

Dcr gebannte Dieb. Eine nette Methode, Diebe zu
„bannen", wird aus Hoya mitgeteilt. Einenr dortigen
Jmker waren öfter Menenvölker gestohlen'worden. Allcs
Aüzeigen und alles Aufpasseu half nichts. Der Bestoh-
lene war ein Menschenkcnner (das stnd die meisten Jmker)
und er spekulierte auf dcn Aberglauben. Er grifsi sich
einen Handwerksburschen auf, hatte eine lange heimliche
Unterredung mit ihm, gab ihm einen Taler und ließ ihn
am Sonntag Morgen mit einem zugebundenen Bienen-
korb anf dem Rücken in einiger Entfernung von seinem

vertraut zu mttchen. Die wenigen müdernen Schiffe, die Aus-
bilduntzstzweckcn dienen, üas Linienfchiff „Schwaben", die Kreu-
zer „Undine" und „Nymphe" sowie der Turbinenkreuzer „Lü-
beck" bleiben im Hafen. Die 1. Torpedoabteilung ftellt den Ba-
denern, die tn den sogen, Torpedokasernen Unterkunft finden,
ein Torpedoboot für eine Fahrt in See.

Baden.

Karlsruhe, 28. Juli. Gerüchtweise verlautet,
die Wah l e n zur zweiten Kammer feien aus den 19.
Oktober, die zur ersten Kammer auf üen 8. November
festgesetzt.

Karlsruhe, 28. Juli. Eine fehr zahlreich be-
suchte nationalliberale Vertrauensmännerversammlung
des LanÄbezirks Karlsruhe ftellte einstimmig
Herrn Bürgermeister Ludwg Neck in Eggenstein als
Landtagskandidaten der liberalen Partei auf.

Sachsen.

Leipzig, 27. Juli. Die Anfang des Jahres h:er
gegründete A r b e i t s I o f e n - V e r s i ch e r u n g s-
kafs e weift in Äen vier ersten Monaten nach der Karenz-
zeit (vom 1. März ab) 130 Versicherte auf. Der Genc-
rakversammlungsbericht nennt dies ein gllnstiges Zei-
chen; auch in Köln habe man trotz der starken Beihülfo
aus städtischen Mitteln, die in Leipzig fehle, im erstem
Jahre nur 220 Verstcherte gehabt. Er-Heblich höher
möchte die Kässenleitung die Zähl der Verficherten im
Augenblick nicht einmal anschwellen' sshen, wenigstens
uicht, bis sich nach Beginn der Auszahlung überseherr
lasse, in welchem Umsange die Mittel der Kasse in An-
spruch genommen würden. Die Griindung, an dereir
Spitze bekannte hervorragende öffentliche Persönlichkeiterr
stehen, wird in der Hauptsache von dem evangelifchen
unö dem katholischen Arbeiterverein in Ansruch genom-
men, von deneu mehrere Vertreter dem Ausschuß ange-
hören.

Aus der Karlsruher Zeitung.

— Seine Könitzliche Höheit der Grohherzog haberr
dcm Bah.rwärter Andreas Schabcr in> Grötzingen die silberne
Berdienstmedaille verliehen.

— Jn gleicher Eitzenfchaft wurdcn versetzt: Buchha'lter Joh.
Ianzcr beim Hauptsteueramt La'hr zum Domänenamt Hei-
delberg, Buchhalter Wilhelm Hörner beim Domänenarwti
Heidel'berg zurn Domäncnamt 'Em'incndintzen.

— Finarigafsistent Karl Beil LeiNr Domänenamt 'KonstanA
wrirdc zmn Buchhalter daselbst ernannt.

Nusland.

Frankreich.

Paris, 28. Juli. Gegenüber der jüngst verbreitcteir
Meldung, daß Präsident Loubct sich schon einige Aionate
vor der Beendignng seineS Mandates zurückziehen wolle^
damit diePräsidentenwahl noch im November, also vor
dcn sür den Monat Januar anberaumten Senatswahlm
stattfinden könnte, teilt die „Humanits" mit, daß die Re-
gierung die Einberufuug der Nationalversammlung zur
Wahl deS Präsidenten der Rcpublick bereits jctzt auf den
2 6. Januar nächsten Jahres festgesetzt habe.

Bienenstande stehen. So war's verabredet. Der Monn
stand nach Kirchenanfang bis 11 Uhr vomittags, als die
Leute aus der K'irche kamen. Verwnndert blieben Männ-
lein und Weiblein stehen und fchauten den Fremden nnt
dem Bienenkorb an, der wie festgewurzelt dastand. Un-
ser Jmker stand gemütlich,'seine Piepe rauchend, am Bre-
nenstand. „Nachber, wat is diit un wat schall datt bedü-
den?" — „Oh, wider nix nich, dat is'n Deef, de het mi
Jmmen stalen." — „Worüm steiht he Äenn aber da?"
— „Oh, ick hebb em bannt!" meinte unser Jmker und
wies mit der Pfeifenspitze auf den „Bienendieb." Nun
'war die Sache deu Leuten klar, ein kaltes Gruseln ging
ihnen den Rückeu herunter und scheu blickten sie zu dcm
Hexenmeister hin, Äer solche Dinge verstand. Ein altes,
gutherziges Weiblein mit dem Gesangbuch in der Hand
trat nun zu dem Jmker heran und bat ihn: „Nachber,
nu latt em loppen, 'hehct jo nu sin Deel." — „Na, ivenn
ji meent, denn schall en dat noch mal so hengähn",
sprach's, ging auf den „Ge'bannten" zn, holte seinen
„Bann-zettel" aus der Tasche unü las halblaut die be-
schwörende Formel äb, dann inachte er drei Kreuze über
den „Gebannten", damit war der „Bann gebrochen". Ter
„Dieb" hatte plötzlich den Gebrauch seiner Glieder wieäer,
jäh ließ er den Bienenkorb fallen nnd rannte wie besessen
durch den Obstgarten ins freie Feld (genau wie's verab-
reöet war). Jm ganzen Dorfe aber wurde noch nach
Wochen die gruseli-ge 'Gefchichte immer und immer wieder
erzählt nnd die Leute, die es gesehen hatten, waren übcr-

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