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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-203 (1. August 1905 - 31. August 1905)
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Mittwoch, 2. August 1905. Grftes Blatt. 47. Jahrgang. — Nr. 17K.

<rsch«!»t täglich, SonntagS auSgenommen. Prei» mit Familtenblättern monatltch 5V Pfg, in'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen obgeholr 40 Pig Durch die Post

bezogen vierteljährlich 1,35 Mk. anSschließlich Zustellgebühr.

8»zeigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. R-klamczeile 40 Pfg. Für hiesige Geschüsts- und Privatanzeigen erwäßigt. — Für die Slufnahme von Anzeigen

üädtischen Anlchlanstellen. Fernivrechcr 82.

Deutsches Reich.

-— Eugen Ri chter feierte am 30. Juli seinen 67.
^eburtstag. Er leidet noch immer an seinem Augen-
^bel. Die „Jr. D. Pr." spricht öie Hoffnung aus, datz er
»u Beginn der Wintertagung der Parlamente wieder
^rgestellt sein möge.

s -— Jm Jndustriegebiet der sächsisch - t h üriu -
3ischen Färbereien und Webereien von
Mauchau und Meerane ist ein Ausstand teils eingetreten,
^ils in Sicht, der an Umfang und Bedeutung Lcn
^rimmitschauer Ausstand noch! weit übertreffen wird.
Ber Streik ist ausgsbrochen, weil die dortigen Färberei-
'"ud Uppreturarbeiter fordern, datz die dem sächstsch-thü-
^uigischen Färberring angehörenden Firmen einen Min-
ukst-Wochenlohn von 1o Märk bewilligen sollen, 'den die
Urcht im Ring befindlichen Firmen fchon gewährt Haben.
^-in Wochenlohn von 16 Mark ist wahrlich an sich durch-
uus tein hoher. Die Färberkonvention erklärte indessen,
^utz sie vorerst nur einen Mindestlohn von 14 Mark
Uewilligen könnte. Hierauf brach bei einigen Firmen in
^lauchau-Meerane der Streik aus mit der" Folge, daß
°br Järberring erklärte. er werde, wenn der Betrieb bei
lenen Firmen nicht aufrecht erhalten werde, sämitliche von
chwi beschästigte Arbeiter am 31. Juli aussperren. Tas
hU geschehen. 11 000 Arbeiter sind ausgesperrt. Dadurch
tUerden auch zablreiche .Webereibetriebe mit etwa 30 000
UrLeitern notgedrungen feiern müssen. Die wirtschaft-
"chen Schäden werden sehr schwer sein und beide Teile
^UiPfindlichi tresfen. Ganz besonüers bedauerlich ist der
"usttand, daß die Katastrophe rnitten in die Tarifver-
bandlungen zwischen den Webereien und ihren Arbeitern
ullt und ihnen eine jähe Ilnterbrechung bereitet.

Baden.

^ Eine Zufchrift von sehr geschätzter Seite in der
f^traßburger Post" niacht die Mitteilung, daß mit den
.llometerhoften in Baden viel Betrug geübt
erdx, Das Wie zu verraten, verbiete sich -von felbst,
?uu müßte denn geradezu zum Helfershelfer des Eisen-
lUhuschmindels fich niachen wollen; der Bahnbehörüe sei
^ Loache auch betännt, sie hatte nur noch keine Gelegen-
?^t, den Schleier zu lüften. Der tatsächliche Zustand

t>er, daß viele Reisende, namentlich Angehörige des
«n^^^'taudes für zahlrciche Fahrten keinen Pfennig
trichten, weil sie — mit Hilfe von Fahrtunterbrechun-
7^'^ und sonstigen Kniffen — sich formell unanfechtbars
tfuhrtausweise zu verschafsen vermögen, besonders wenn
^stch gleichzeitig mchrere Hefte halten können. — Es ist
^ beres Wissens das erste Mal, üaß eine solche Beschul-
Mng erhoben wird. Bis jetzt hat man von dergleichen
E,^twas gchört. Der Einsender, der auf das Kilometer-
bst sehr fchlecht zu sprechen ist, fagt noch : Durch fach-

^unnisch mcht genügend vorausbeöachte und berechnete
^Ustuahmen hat man um des Lächelns der sogenannten
Nn^.ßunft willen einen kleinen Wettlauf unternommen
Uu^ ^ ^abei dcn Sumpf geraten, aus dem man sich
wit Energie wieder herausfchafsen kann. Jn Baden
es vor allem heißen: bei Kilometerheften dürfen

keine Fahrtunterbrechungen stattfinden (oder mit anderen
Worten: jede eingetragene und abgestempelte Fahrstrecke
gilt auch bei teilweiser Benutzung für ganz verbraucht).
Dadurch würüen zwei Vorteile erreicht: einmal würde dem
finanziell und moralifch gleich schädlichen und verwerf-
lichen Betrugswesen' ein Ende gemacht, andererseits
würde auch die Zahl üer Kilometerheftfchwärmer gemin-
dert werden.

— Einem Kärlsruher GewWrsmann der „Straßb.
Post" zufolge bestcht die Hoffnuug, daß in Mannheim
von 6 Sitzen mindestens 3, in Karlsruhe von 4 Sitzen
mindestens 3, in Freiburg von 3 1 oder 2, in Psorzheim
von 2 Sitzen mindestens einer den vereinigten libera-
l e n Parteien zufallen.

— Die landesherrliche Verordnung voni 22. Zuli
1903 über die Berechtigung der Mittelschulen ist
jetzt erschienen; sie bestimmt: Der Besitz des vor 'öenr
Beginn des Studiums erlangten Reifezeugnisfes eines
deutschen Gymnasiums, Realgymnafiums oder einer deut-
schen Oberrealfchule berechtigt zur Zulassung zu allen
Prü'ungen für den höheren StaatsdieM. Die Wlegung
einer Ergänzungsprüfung (vergl. Z 78 der Berordnung
vom 2. Oktober 1869, den Lchrplan, die Schulordnung
und die Abiturientenprüfung betreffend, in der Fassnng
der Verorünung vom 3. April 1884, die Reifeprüfung der
'Gymnasien betr., sowte Z 31 der Berordnung vom 27.
März 1895, den Lehrplan der Oberrealschulen und Real-
schulen und' Ordnung üer Reifeprüfungen an denselben
betr.) wird von den Abiturienten der Realgymnasien und
Oberrealschulen für die Zulassung zu den genannten
Prüfungen nicht michr verlangt. Behufs Durchführung
diefes Grnn'dsatzes ift die Revifion der bestehenden Prü-
fungsordnungen für den hoheren öffentlichen Dienst als-
bald in Angriff zu nehmen und durchzuführcn. Soweit
für das Stndium die K'enntnis üer alten Sprachen erfor-
derlich ift, werden die Prüfungsordnungen bestimmen, in
welcher Weife diese Kenntnis zu erwerben unü nachzu-
weisen ist. Die Ilebergangsbestimmungen werden eben-
salls in den einzelnen Prüstlngsordnungen getroffen
werden.

Karlsruhe. 1. August. Tas Gefetzes- und Ver-
ordnungsblatt veröffentlicht die Landesherrliche Verorö-
nung betreffend die Landtagswahlen.

Darnach werden für die Wahl der von den Hande'Iskammern
zu wählenden Abgeovdneten zur 1. Kammer nachstehenbe drei
Wahltreise gebildet: 1. WaWreis: 'Handelskammevn Konstanz,
VMngen, Frei'burg, Schopfheim; 2. Wahlkreis: Handelskam-
mern Karlsruhe, Pforzheim, Laihr; 3. Wahlkreis: Handcls-
kammern Mannheim und Heidelberg. Der Wahlort ist für den
1. Wahlkreis Freibnrg, für den 2. Karlsruhe, für dsn 3. 'Mann-
heim. Für dic Wahl dcr von' den Städten der Städteordnung
in die 1. Kammcr zu wählenden' Obcrbürgermeister werden nach-
steheade zwci Wahlkreisc gebildet: 1. Wahlkreis: 'Städte Kon-
stanz, 'Freibnrg, La-Hr, Offenburg, Baden; 2. WäWreis: Städte
Karlsruhe, Pforzhoim, Bruchsal, Hcidelbcrg und Mannheim.
Der Wahlort ist für den 1. WaWreis Freiburg, für den 2.
Mannheim.

Die Landesherrliche Verordnung enthält auch dis
Wahlkreiseinteilung der mehr als cinen Abgeorüneten zur
Zweiten Kammer wählenden Städte. Eine Verordnung

Nachklänge znm Jnselfest.

Nun stnd verrauscht die lust'gen Klänge
Und Kirchhossruhe lastet schwül,

Wo in des Jnse'lfests Gedränge
Gelärmt der Gästc bunt Gewühl,

Und wo ertöntcn frohc Lieder
Weim Becherklang im Zecherchor,

Dort singen Frosch und Gville wicder
Der Jnsel Loblied wie zuvor.

DaS war cin Fcst, gar wohlgelungen,
Für Reich und Arm, sür Jung und Alt;

Es hat den 'Griesgram kühn bezwungen
Des psälzischen Humors Gewalt.

Es kE sogar, als es ward düster,

Die Fnselsec in Jugendpracht,

Und kickiernd klangs aus 'Schilfgeflüster:
„Das habt Jhr Pfälzer yut gemacht!

Jhr wecktet mich nach vielen Jahren
Von des Vergessens Bann und Nacht,

Drum sollt den Zanber Jhr erfahren
Der schönstcn Jnselsommernachtl
Herbci, Jhr Geistcr, Nixcn, Elsen
Aus Dusch uud Bins', aus Ost und West,
Laßt alle uns getreulich helfen,

Daß wohlgeling dies Jnselfest!"

Sosort ertönten Festcantaten
Zum Sternenhimmel aus dem Rohr,

Es war von tausenden Cicaden
Und Fröschcn ein gcmischter Chor,

Darauf in tollem Wirbeltanze
Von Emtagsfliegen ein Ballctt,
Glühwürmchen strahlt im schünsten Glanze
Jlluminiert das Festbankett.

Es zielte gut der Amorctten
Blitzschnelle Hergensräuberschar,

Vereinigte mit Lie'besketten
So manches junge Menschenpaar.

Wie herrlich, wenn nnt raschem Siegen
Ma.r raubt der Liebsten etnen Kußl
Das Schils, die Weiden stnd verschtviegcn,

Sie günnen uns den Hochgenuß.

Vorbei das Fest, und Werktagstreiben
Jn scinem Bann hält Alt und Jung,

Nur cincs wird uns allcn bleiben
Für künft'ge Zeit — Erinncrung.

Tes Festes Zauber hielt umschlungcn
Die Gaste alle wunder'bar,

Und aus dem Schilf noch hat's geNungcn:

„Auf Wicdcrse'h'n im nächsten Jahrl"
Hcidelberg. G. I. Dietrich.

KLeiue Zeitrmg.

— Heilbroun, 1. August. Der Raübmörder M o g-
Ier wuvde heute zur Beobachtuug seines Geisteszuftandes
nach der Jrrenanstalt Weißenhof bei Weinsberg gsbracht.

— Münchcn, 31. Juli. Frau Marie Schröder -
Hansstaengl, die einst so geseierte Sängerin an der
Oper in Franksurt und vorher in Paris und Stuttgart,
mußte, wie die „Fran-kfurter Z-eitung" erfährt, vor kur-
zem wegen G e i st e s k r a u kh e i t eutmündigt
werdeu und befindet sich zur Zeit in ciner Dtünchener
Nerveuheilanstalt. Ter Gatte der Künstlerin, Hofpboto-
graph unü Professor Erwin Hanfstaengl ist im Jmiuar
d. I. in Münäien gsstorben.

des Mnisteriums des Innern betrifft den Vollzug des
Landtagswahlgesetzes.

Karlsruhe, 31. Juli. Der Aufforderung des
Pfarrers Wacker, die katholischeii Dekane des Landes
follen die Kapttel um fich versammeln, um herauszu-
schäufeln, welche Geistlichen mtt liberalen Blättern und
mit dem „Volksfreund" in schriftlichem Verkehr stehen,
ist bis jetzt nur ein Dekan' nachgekonimen. Stadtpsarrer
Hund in Säckingen hat in aller Eile d-as Landkapirck
Wieseuthal in die Trompeterstadt entboten, um
Musterung zu halteu; es haben indessen von 48 Geist-
lich-en des Wiesenthaler Landkapitels laut „Bad. Beob."
nur 31 dem Rufe ihres Dekans Folge geleistet. Was die
17 Pfarrer, welche zu Hause geblieben sind, über die
Wacker'sche -Zumutung denken, weiß der „Bad, Beob."
nicht zu fagen. Das kann ja recht nett werden, wenn
Herr Wacker schon bei der ersten Gelegenheit die Ersah-
rung niachen muß, daß es heutzutage sehr schwer ist, eine
künstliche Empörung zu schaffen. — Zu den liberalen
Vlättern, die mit katholischen Geistlichsn im Verkehr
stehen, gehört auch die „Köln. Ztg.". Man erinnert sich,-
daß im vorigen Spätjahr die Nachricht der „Köln. Ztg.",
die Großh. Regierung habe bei der Freiburger Kurie
gegen das bekannte Rundschreiben Wackers an
die kathol. Psarrämter Protest erhoben, großes Auf-
schen erregt- hat. Nun verrät die „Köln. .Ztg.", daß bei
dieser Mitteilung ein höhercr Gcistlicher betei-
ligt war. Um diefe Enthüllung richtig zu bewerten,
muß m-an fich in Erinnerung rufen, öaß Herr Wacker fei-
nerzeit wegen der Mitteilüng der „Köln. Ztg." in fo
hochgradige Aufregung geriet, daß er gegen das Kultus-
ministerium' den schweren Vorwurf erhob, das Dienstge-
heimnis verletzt zu häben. Und nun stellt sich h-eraus,
daß ein Confrater höherer Orünung dem Erzbischöflicherk
Geistlichen Rat diesen kompromitticrenden Streich gespielt
hat! Auch von einem anderen liberalen Blatte wissen
wir, daß ste zahlreiche Geistliche unter ihren Mitarbeitern
zählt. Sie lassen sich die „Allgemeine Zeitung" aber in
verschlossenem Briefumschlag, dessen Farbe und Hand-
schrift häufig gewechfelt werden muß, zuschicken, damit die
geistliche Obrigkeit durch keine Jndiskretion erfährt, datz
fie das gefährliche Blatt h-alten oder gar dessen Nlitarbei-
ter sind.

— Die sozialdemokratischen Blätter veröffentltchen
den Wahlaufruf der s o z i a I d em o k r a t i s ch e u
Partei. Betont werden darin die vom Zentrum dro-
hen-den Gefähren. Doch wird die Parole ausgegeben:
Gegen das Zentrum! -Gegen die mit dem Zentrum ver-
bündeten Konferdativen! Gegen die Mockparteien!

Aus Baden, 30. Juli. Als neues Agitations-
mittel gtbt di-e -b-adifche ZentrumKPartei ein Flugblatt
heraus, betitelt „D e r politifche Waldmichel
oder' das PI au d e r st ü b ch e n-". Das Flugblatt
wird in 15 Abteilungen die Kirchenpolitik des Grotzher-
zogkums feit 1860 böhandeln und soll allen Parteiblät-
tern des Landes nach und nach beigelegt werden. Ter
„politische Waldmichel" ist ein gar kluger und wifsender
Bauernkopf, der im Viergefpräch- drei Nachbarn, den

— Lindau, 31. Juli. Zwischen der Großherzogin von
Toskana und ihren Töchtern, den Erzherzoginnen Gsr-
mana und Margaretha, fand heutc eine Begegnung mit
der Tochter bezw. Schwester, der Gräfin Montig-
n o f o, in Villa Wartegg bei Rorschach ftatt.

— Bern, 1. Aügust. Der Schmied Vonaarburg und
Schreiner Signer aus Grindelwald sind bei der Jung-
frau'besteigung a b g'e st ü r z t. Die Leichen wurden ge-
stern am Guggigletscher gefundcn.

— Stockholm, 1. Nuguft. „Stockholm Tidiüngen"
meldet: Am Samstag Vormittag stietz während der
Uebung einer Minenko m panie auf der Reede von
Landham in der Nähe von H-elsingfors ein Boot auf eine
ll n t e r f e e m i n e. Das Boot wurde zertrüm-
m e r t. Sieben Personcn wurden gctötct, acht mehr oder
weniger schwer verletzt.

Turch den Phonographen gefangen. Aus Paris wird
berichtet: Jn der Rue d'Allemagne wohn-t ein Schiifer.
der während der Zeit, dre er im Hause ist, in einen Phono-
graphen fpricht unü fingt, sodatz seine Frau während s-n-
ner Wwesenheit doch seine Stimme und seinen Gesang
hört. Vor einigen Itächten brachen Drebe, als Mr. Lor-
rnier nich-t im Hause war, in die Wohnung ein, und unter
den Gegenständen, die ste erbeuteten, befand sich auch der
Phorwgraph. Fran Lormrer konnte von 'den Dieben k-eine
Spur entdecken. Als ste am Mittwoch rn dre Nähe der
Passage du Nord kam, wurde sie auf erne M-ens'chenmenge
aufrnerksam, die einen' Phonographen umstaüd. Siü
 
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