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Heidelberger Zeitung (47) — 1905 (Juli bis Dezember)

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Nr. 177-203 (1. August 1905 - 31. August 1905)
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Erstes Blatr

47. Jahegang. — Nr. 182

Montag. 7. August 1805.


Arscheixt täglich, Sonntag! au»genommen. Preil mit Fawiltenblättern monatlich 50 Pfg. in'S HauS gebracht, bei der Expedition und den Zweigftationen abgeholt 4V Pfg. Durch die Poft

dezogrn vierteljährlich 1,35 Mk. auSschließlich Zustellgebühr.

tlNzeigenpreiS: 20 Pfg. für die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Fur hiesige Geschäfts- und Privatanzeigcn ermätzigt. — Für die Aufnahmc von Anzeigen
«« bestimmten Tagen wird keine Berantwortlichkeit übernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Vlackattafeln der Heidelberger Zeitung und den üädtiseben Anschlaostellen. Ferusvrecher 88.


Der Gegensatz der Weltanschauungen.

^ 'Der freisinnige Reichstagsabgeordnete Knrl S ch r a>
bespricht in der „Nation" die orthodoxen
8 ch t g e Iü st e, hjx die Unterdrückung der freren
f.^inung rricht nur in der Kirche, fondern auch im Staat
^äielen, auf der Kanzel bei der Besetzung der t'heolo-
»bchen Professuren ftarrste Bekenntnistreue verlangen
neuerdings sogar kirchliche Kontroche des Ne-
^ionsunterrichts an den höheren Schulen fordern,
io orthodoxe Unschaunngen zur Richtschnur für Schule
^ Itniverfität machen Iwollen. Er führt dazu aus:

"Also Vefeitigung jeder freieren Richtung aus der
^ ^Ugeiischen Kirche und II n t e r o r d n u n g des B i l-
^Ugswefens unter die Kirche, und zwar

ganzen heutigen -

Unt

^ fLr xine Richtung, welche der
'Adung schroff g e g e n üb e r st e h t. Denn
' ^nn auch in diesen Anträgen nur vom Religionsunter-
die Rede ift, so muß doch, wenn das Ziel erreicht
' ordeu soll, der übrige Unterricht in Einklang mit dem
silgiösen geibracht werden, was auch deutlich genug aus-
^wrochen ist.

r, Die Leute, welche ein solches Programm aufftellen,
nicht etwa einzelne, unbeüeutende Sonderlinge, son-
^ ^ es find die Leute, welche die Generalsynode ganz
i>^^ichränkt und faft ganiz auch die Provinzialsynoden
^^rrscheu und den grötzten Einflutz auf die Kirchen- und
^.r>atsbghörden haben. Erreicht wird werden, daß die
y Aenbehörden Hre Praxis noch mehr als bisher den
hodoxxn Wünschen entsprechend gestalten. Bei üer Be-
^ Professuren werden orthodoxe Theologen

tzp^^ogen, liberale Geiftliche werden nicht bestätigt. Jn
^ Tchulen werden Religionslehrer, die nicht waschechte
h rhodoxe find, allmwhlich befeitigt und durch einwands-
Leute ersetzt.

^echt ^jeie Leser werden nicht glanben, daß solche
im zwanzigften Jahrhundert noch
ItzO 8 Iich sind. 'Die Orthodoxen find ja doch eine kleine
^E^^rheit, und namentlich fteht der grötzte Teil
gebildeten Klassen nicht auf ihrer
g^^ ht e. Richtig, aber fie ftehen auch nicht auf der Ge-
h I ^tte, sondern beifeite; fie kiimmern fich nicht
ti'b?/ ui ReIigion, garnicht um die Kirche und
ty ^ftasfen diese der -Orthodoxie. Trägheit und G e-
i s e n I o f i g k e i t der gebiIdeten Leute sind
b ^ Hau - tfchuId >an der Macht der >O r t h o -
th .^.t e. Ju bewutzter G-emeinsamkeit führen der ka-
h 'che Ultramontanisnms und die proteftantische Ortho-
den Kampf „gegen den Unglauben", wie sie es
h „ ju der Tat aber gegen unfere ganze
t>,h^E i g e Bildung. Und die gebildete Welt sieht
e,Uh 8 zu, wie diese Verbiindeten eine Position nach der
erobern, und nicht ganZ wenige hochgebildete
sft^ helfen ihnen dabei, in'üem sie zu vermitteln
Das ist äber nichts anderes, als daß sie eine
nach der anderen aufgeben, die dann den Ver-
^ ^ten ueue Stützpunkte gewähren."

Hn 'diesem Kampf foröert Schrader zu enifchlosfener
Verteidigung unserer Kultur «uf, zu einem wirklichen
KulturkamPf, nicht im Sinne des früheren Kultur-
kampfes gegen die katholische Ktrche, der Kampfmittel ge°
brauchte, welche die wertdollste Freiheit, die religiöse,
berletzten. Was heute notwendig sei, das fei, bei aller
Wahrung der religiösen Freiheit und der 'G l e i ch-
berechtigung aller die Religionsgesellschaften auf
ihr Gebiet zu beschränken, den Staat von ihrer
Geeinf'Iufsuilgzu befreien und dem Staats-
bürger zu iiberlassen, wie er fich religiös stellen, ob und
wie er seine Kinder religiös erziehen lassen will. Die
Kirchen mögen fich für sich und in sich frei ent-
wickeln. Dem Staate liege es ob, dafür zu forgen,
'datz die Religionsgefellschaften sich in ihren Grenzen hal-
ten und die besonderen Bedingungen erfüllen, welche sich
aus der Gewährung von Staatsuntersiiitzung ergeben.
Eine solche Stellung der Religion und der Religionsge-
sellschaften stehe in vollem Einklange mit den heutigen
Grunüanschauungen nnd mit unseren staatlichen Einrich-
tungen. Der Staat müffe von dem kirch-
lichen Einsluß freigemacht werden. Das sei
eine der wichtigsten Aufgaben der Politik geworden.
Und wer eine freiheitliche, in Einklang stehende Ent-
wicklung von Staat und Kirche will, der muß diese For-
derung in beiden gleichmäßig zur Geltuug bringen. Der
deutscheLiberalismus habe die R e I i g i o n s-
politikgänzlich vernachlässigt und sieht
sich nun der verbündeten Reaktion in Staat und Kirche
zugleich gegenübergbstellt.

DeuLsches Reich-

— Die „Norddeutsche Mg. Ztg." fchreibt: Nach einem
Telegramm des kaiserlichen Gouverneurs in Deuts ch-
Ost-Afrika sind unter den Eingeborenen der Ma°
tumbisberge, nördlich von Kilwa, Ilnruhen ausge-
brochen, deren Veranlassung noch nicht völlig geklärt ist.
Jn dem an der Küste gelegenen Orte Ssamanga
find verschiedene Jnderhäuser von den Eingeborenen ver-
brannt worden. Zur tlnterdrückung der Unruhen, deren
lokaler Charakter von dem Gouverneur betont wird, sind
die beidcn Kompagnien aus Lindi und Dar-es-Salam
nach Ktlwa beordert worden.

— Die franzöfische Regierung hatte vor einiger
Zeit den Wunsch ausgesprochen, die Gebeine der in
Deutschland verstorbenen Kriegsgefan-
genen sammeln und nach Frankreich bringen zu lassen.
Der Kaiser hat jetzt, wie die „Grenzboten" melden,
feine Zustimmung gegeben und zugleich angeordnet,
daß die Uebergabe nnter nnlitärifchen Ehren vollzogen
werden soll.

Swinemünde, 5. August. Der K aiser traf
heute Abend 7^ Uhr an Bord der „Jduna", die vom
„Sleipner" begleitet war, hier ein und begab sich an
Bvrü der „Hohenzollern". Diese war bereits um
Uhr mit dem Kreuzer „Berlin" hier angelangt. Der
Kaiser hörte heute Vormittag in Saßnitz den Vortrag des

KLeine Zeitung.

t x,. Göttingcn, 4. Angust. Zur Beo'bachtung der t o -
n S o n n en f i n ster n i s, die am 30. August
tj ^ndet, hwt die hiesige Sternwarte eine Expedi-
unter Führung des Professors Dr. >schwarzschild
hxü Guelma (Algier) entsandt. Die Teilnchmer sind

«n Bord des Dampfers „Bhzanz" von Hambnrg
^rejst

Freiberg i. S., 5. Augüst. tzn einem Anfalle von
Umnwchtung erschoß sich mit einem Ne-
^lw^ Deutsch-Neudors im Erzgebirge der Leutnant
ih^° dom 133. Jnsanterie-Regiment. Seinen Vater, der
tzl,^^üem Vorhaben verhindern wvllte, verletzte er durch
bxh?? ^chuß derart, daß er ärztliche Hilfe in Anspruch
lnnßte.

Dkagdcburg, 5. August. Nach der „Mwgdeb. Ztg."
ßp V- ?? Thale bei einem E i n b r u ch s v e r s u ch
Äg^^iühriger Mensch verhaftet, der wngibt, der
8. sines Lchrers Denzler aus Ried bei Franksurt
8 »l l ^ sein und vor einiger Zeit auch einen P o stb e-
^ u bei Ilsenburg erschossen zu haben.

,?!)i ^7 ^crlin, 5. August. Der Mediziner Dr. Borchert
M ^H>"^8ischen Jnstitut der hiesigen Unioersiiär ha:
^kben genommen, angeblich, weil er nicht Priv.si-
> gttvorden war.

— Einer, der weisi, was sich ziemt. Folgendes Vor-
kommnis wird der „Frankf. Ztg." als wahr verbürgt:
Jn dem Eisenbahndirektionsgebäude zu H. suchte ein von
auswärts kommender Rechnungsrat das Zimmer eines
Kollegen. Vange suchte er vergeblich. Da trat plötzlich
ein älterer Herr auf den Korridor, der Rat ging auf den
Herrn zu, zog den Hut nnd fragte höflich:

„Habe ich vielleicht das Vergnügen, meinen Kollegen,
Herrn Rechnungsrat...."

„!Jch bin der Geheime Oberregierungsrat A.; von
Vergnügen kann überhaupt gar nicht die Rede sein!"

Wie wir erläuternd hinzufügen, wollte der hohe Herc
damit wahrscheinlich sagen, einen Geheimrat kennen zu
lernen, müsse unter allen Umständen als Ehre geltsn.

— Aiithropologen-Kongrcß in Salzburg, 27. bis 31.
August l. I. Der Orts-Ausschuß hält es sür geboten, die
von auswärts kommeiiden Teilnehmer aufmerksam zu
machen, daß es sich enrpsiehlt, Wohnungs-Bestellungen
ungesäumt zu richten an den „geschäftssührenden Aus-
schuß des Anthropologen-Kongresses in Salzburg", um
bei dem starken Fremüenverkehr den Wünschen nach Mög-
lichkeit Rechnung tragen zu können. >Die Zusendung der
Wohnungsscheine erfolgt sofort an die bekannt zu ge-
bende Adresse.

— Glogau, 6. August. Das Amtsgericht hat den
Termin gegen den Grafen PückIer wegen Nöti-
gung und Beleidigung aus nächsten Donnerstag anbe-

Stellvertreters des Ehefs des Zivilkäbinetts, Geh. Ober-
regierungsrats v. Valentini.

Baden.

— Jm „Beobachter" verösfentlicht Pfarrer
Kra u tz in Scherzingen eine scharfe Erklärung gegen
Wwcker, worin er dessen Vermutung, als sei er, Kmuß,
der Verfasser von Zuschriften an liherale Blätter, zurück-
weist. Zuw Schkuß sagt er: Sollte eine Verdächtigung
meiner Person, gleichviel von welcher Seite, auch weiter-
hin beliebt sein, so würde ich zn meinem Bedauern mich
genötigt sehen, ohne Nücksicht ein gründliches, ofsenes
Wort zu reden.

Preichen.

E s s e n, 5. August. Die hiesige Bauarbeiter-
Organisation richtete ein Schreiben an die tlnter-
nehmer, Istch bis Mvntag Mittag 12 Uhr darüsier zu ent-
scheiden, ob sie die erhöhten Stundenlöhne zählen
wollen. Ersolgt keine oder eine ablehnende Antwort, io
soll in den allgemeinen Streik eingetreten,
werden.

E s s e n (Ruhr), 6. August. Der KamPs iw
r h e i n i s ch - w estf ä l i s che n B! augewerbe hat
nach dem Scheitern der Einigungs-Verhandlungen an
Schärse zugenommen. Auf sämtlichen Bahnhöfen des
Jndustriebezirks stnd Streikposten ausgestellt worden, die
den Zuzug Arbeitswilliger fernhalten sollen. Am Montag
hält der Arbeitgeberbund in Dortmund Beratungen über
weitere Mvßnahmen ab.

Breslau, 5. August. Die Disserenzen zwischen
einzelnen Metall-Jndustriellen und ihren Drchern, die
zum Streik unü dann zur A u s s p e r r u n g sämtlicher
Dreher Deranlcissung gegcben hatten, sind beseitigt
worden.

Oldenburg.

Oldenburg, 6. Augüst. Jn dem Vvm Grasen
von Welsburg gegen den Großherzog von Oldenburg
angestrengten Prozeß, der in.erster Fnstanz vor dem
Landgericht Oldenburg mit der Abweisung des Anspruchs
des Grafen von Welsburg, als Mitglied des oldenburgi-
schen Herrscherhauses anerkannt zu werden, endete, ist
nunmehr, nachdem Graf von Welsburg Berufung gegen
dieses Ilrteil eingelegt hat, als erster Verhandlungstcr-
min in zweiter Jnstanz vor dem Oberlanüesgericht in
Oldeüburg der 29. November sestgesetzt worden.

Aus der Karlsruher Zeiturrg.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben dem
Generalmajor Leutwein ä la suite der Schuhtruppe für
Deutsch-Südwest-Afrika das Kommandeurkreuz erster Klasse deK
Ordens vom Zähringer Löwen verliehen.

Ausland.

Oesterreich-Ungar«.

Buda pest, 5. Aug. Die Frage der Aufrechterhaltung der
Zahlungsfähigkeit Ungarns nimmt nach und nach ein ernstes
Gesicht an. Zweifellos kann die Zahlungsfähigkeit dcs Staates
nicht imerschü--ert bleiben, wenn die Steuerzablung vollständig
sto ckt und selbst die freiwillig gezahlten Steuern der Staats-

raumt. Ms 'dähin bkeibt der Graif im ,GIogauer Gerichts-
gefängnis, wohin er gleich nach seiner Ankunst einge-
liefsrt wurde.

— Newyork, 6. August. Das gelbeFieber nimmt
in New - OrIeans zu. EinZelsälle stnd jetzt auch in
der bisher verschonten Oberstadt zu verzeichnen. Gestern
kamen 43 Neuerkrankungen vor. Die Gesamtzahk be-
trägt 476 Erkrankungen und 89 Todessälle. Präsident
Noosevelt ordnete das Einschreiten des Generalarztes
Wyman an.

Literarisches.

—* Wir erhalten von der Kanzlei der Deutschen Dichter-
Gedächtnis-Stiftung in Hamburg die hochinteressanten Briefe
Schillers in einer Auswahl, die der allbekannte Schillerkenner,
Herr Universitätsprofessor Dr. Eugen Kühnemann, Nektor der
Kaiser Wilhelni-Akademie in Posen, zusammengestellt und mit
einer vortrefflichen Einleitung versehen hat. Die Briefe bil-
den Band 12 und 13 der „Hausbücherei". — Gleichzeitig erhal-
ten wir den 1. Band der Novellensammlung, der Novellen von
Konr. Ferd. Meyer, Ernst von Wildenbrnch, Friedrich Spielha-
gen, Detlev v. Liliencron enthält. Auch dieser Band ist in der
„Hausbücherei" erschienen und zwar als Band N. Diese No-
vellensammlung, von der auch Band 2 bereits erschienen ist, wird
ebenso wie die Sammlung „Deutsche Humoristen" fortgesetzt.
Jeder Band ist, in Dermatoid gebunden, zum Preise von 1 Mk.
erhältlich.

—* Es erschien bei Cäsar Schmidt in Zürich zum Preise von
2,50 Fr. „Dic verlorcne Armce". Ein Panorama aus dem Le->
ben der deutschen Deserteure von Arthur Nowakowsky.
 
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